Oberlandesgericht Düsseldorf:
Urteil vom 12. Juli 2007
Aktenzeichen: I-2 U 15/06

(OLG Düsseldorf: Urteil v. 12.07.2007, Az.: I-2 U 15/06)

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das am 10. Januar 2006 verkündete Urteil der 4b. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf wird zurückgewie-sen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Voll-

streckung durch die Klägerin gegen eine Sicherheitsleistung in Höhe von 500.000,00 € abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung

Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 500.000,00 € festgesetzt.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe

I.

Die Klägerin ist eingetragene Inhaberin des europäischen Patents 1 073 xxx B 1 (Anlage K 7; nachfolgend Klagepatent), dessen Anmeldung am 7. Februar 2001 und dessen Erteilung am 2. Februar 2004 veröffentlicht worden ist und das in Kraft steht. Die Patentanmeldung geht auf die als WO 99 54xxx veröffentlichte PCT-Anmeldung vom 15. April 1999 zurück, mit der die Priorität vom 22. April 1998 der deutschen Patentanmeldung 298 07 xxx.0 in Anspruch genommen wurde. Auf diese Priorität verzichtete die Klägerin gegenüber dem EPA mit Schreiben vom 24. März 2003 (Anlage L12).

Die Klägerin ist ferner Inhaberin des deutschen Gebrauchsmusters 299 24 xxx (Anlage K 1), welches aus der europäischen Patentanmeldung 999 19 xxx.0 abgezweigt ist und eine Priorität vom 15. April 1999 in Anspruch nimmt. Das Gebrauchsmuster wurde am 2. Mai 2002 eingetragen, die Bekanntmachung der Eintragung erfolgte am 6. Juni 2002.

Die Klägerin hat ihre Ansprüche zunächst auf beide Schutzrechte gestützt und dann im erstinstanzlichen Verfahren erklärt, die Rechte aus dem Gebrauchsmuster in diesem Rechtsstreit nicht weiter zu verfolgen.

Ein erster Löschungsantrag gegen das Gebrauchsmuster 299 24 xxx vor dem deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) ist mit Beschluss vom 30. November 2004 zurückgewiesen worden, soweit er die mit Schriftsatz vom 19. Februar 2003 geänderten Ansprüche betraf (Anlage K 6 und K 12). Das Gebrauchsmuster ist mit Schutzansprüchen aufrecht erhalten worden, die mit den Ansprüchen des Klagepatentes wortgleich sind (vgl. Anlage K 12, S. 3).

Derzeit ist ein weiterer Löschungsantrag vom 15. Juli 2005 der A A/S aus Norwegen gegen das Gebrauchsmuster anhängig.

Die A A/S ist Inhaberin des europäischen Patents 1 068 xxx (Anlage L 22, dt. Übersetzung: DE 699 11 xxx T2, Anlage L 22a) und des deutschen Gebrauchsmusters 299 24 xxx U1 (Anlage L 26). Diese Schutzrechte sind älter als das Klagepatent. Die A A/S nimmt die Klägerin in den Verfahren 4a O 385/05 und 4a O 464/05 vor dem Landgericht wegen Verletzung ihrer Schutzrechte in Anspruch. Das Landgericht hat beide Verfahren wegen Zweifeln an der Rechtsbeständigkeit der Schutzrechte ausgesetzt. Das DPMA hat mit Beschluss vom 5. März 2007 (Anlage rop 2) entschieden, das Gebrauchsmuster 299 24 xxx teilgelöscht und mit veränderten Ansprüchen aufrecht erhalten.

Gegen die Erteilung des Klagepatents ist ein Einspruchsverfahren vor dem Europäischen Patentamt anhängig, dem die Beklagte mit Schriftsatz vom 2. Mai 2005 beigetreten ist (Anlage L 8). Eine Entscheidung steht noch aus.

Das Klagepatent betrifft eine Trägerplatte aus folienartigem Kunststoff für einen plattenbekleideten Bodenaufbau oder einen Wandaufbau.

Anspruch 1 des Klagepatentes hat folgenden Wortlaut:

"Trägerplatte aus folienartigem Kunststoff für einen plattenbekleideten Boden- oder einen Wandaufbau zum Erzielen einer Entkopplung zwischen dem Untergrund und der auf die folienartige Platte aufzubringenden Flächenbekleidung, wobei die Trägerplatte eine Strukturierung zum Ausbilden von Vertiefungen durch im Wesentlichen in eine Richtung verlaufende Ausprägungen (N 1, N 3, N 5) auf einer Seite und auf der anderen Seite niveaugleiche, erhabene Bereiche aufweist, zwischen denen Kammern (M 1 bis M 3) zur Aufnahme eines zur Ausbildung einer Kontaktschicht mit der aufzubringenden Flächenbekleidung vorgesehenen aushärtenden Kontaktmittels, wie Mörtel oder Kleber, gebildet sind und wobei an der Unterseite der Platte ein netzartiges Gewebe oder ein Vlies (2) vorgesehen ist,

dadurch gekennzeichnet,

dass die Strukturierung aus mindestens einer weiteren Schar aus in einer weiteren Richtung verlaufenden und die Ausprägungen (N 1, N 3, N 5) kreuzenden weiteren Ausprägungen (N 2, N 4, N 6) besteht, wobei die gebildeten Kammern (M 1 bis M 3) umfänglich durch die zur anderen Seite der Trägerplatte hin offenen erhabene Stege (S 1 bis S 6) bildenden Ausprägungen (N 1 bis N 6) begrenzt sind und ein in eine Kammer (M 1 bis M 3) hineinragender Hinterschnitt (H 1 bis H 3) Teil eines Steges (S 1 bis S 6) bzw. einer Ausprägung (N 1 bis N 6) ist."

Die Beklagte vertreibt in der Bundesrepublik Deutschland unter der Bezeichnung "XYBASE CI" eine Entkopplungsmatte und Verbundabdichtung für Fliesenbeläge, mit der die Verlegung auf Untergründen, die auf thermische Veränderungen bzw. Veränderungen der Luftfeuchtigkeit reagieren, ermöglicht wird. Zur Verdeutlichung des Einsatzbereiches der streitgegenständlichen Entkopplungsmatte hat die Klägerin als Anlage K 9 Produktinformationen aus dem Internetauftritt der Beklagten zur Gerichtsakte gereicht. Weiterhin liegt als Anlage K 10 ein Teilstück der angegriffenen Ausführungsform vor. Die Matte wird in 100 cm breiten Rollen zu 5 m, 10 m und 25 m Länge angeboten.

Die Klägerin ist der Auffassung, die angegriffene Ausführungsform verletze das Klagepatent und nimmt die Beklagte auf Unterlassung, Rechnungslegung, Vernichtung und Feststellung der Verpflichtung zur Entschädigung sowie zum Schadensersatz in Anspruch.

Die Beklagte hat um Klageabweisung gebeten.

Die Beklagte ist der Ansicht, die angegriffene Ausführungsform verletze das Klagepatent nicht, da sie von den Merkmalen 1 und 6 der Lehre des Klagepatents keinen Gebrauch mache. Weiterhin behauptet sie, Lizenznehmerin der A A/S bzgl. des europäisches Patent EP 1 068 xxx (Anlage L 22; Anlage L 22a) und des Gebrauchsmusters 299 24 xxx U 1 (Anlage L 26) zu sein. Diese Schutzrechte seien älter als das Klagepatent, weswegen ihr ein positives Benutzungsrecht aus diesen Schutzrechten gegenüber dem Klagepatent zustehe. Darüber hinaus stellt sie die Schutzfähigkeit des Klagepatents in Abrede und ist der Auffassung, das Klagepatent werde im Einspruchsverfahren widerrufen werden, was jedenfalls den Aussetzungsantrag rechtfertige.

Das Landgericht hat die Beklagte - im Wesentlichen antragsgemäß - verurteilt,

I.

es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu 250.000,-- €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Wiederholungsfall Ordnungshaft bis zu 2 Jahren, zu unterlassen,

Trägerplatten aus folienartigem Kunststoff für einen plattenbekleideten Boden- oder einen Wandaufbau zum Erzielen einer Entkopplung zwischen dem Untergrund und der auf die folienartige Platte aufzubringenden Flächenbekleidung, wobei die Trägerplatte eine Strukturierung zum Ausbilden von Vertiefungen durch im Wesentlichen in einer Richtung verlaufende Ausprägungen (N 1, N 3, N 5) auf einer Seite und auf der anderen Seite niveaugleiche, erhabene Bereiche aufweist, zwischen denen Kammern (M 1 bis M 3) zur Aufnahme eines zur Ausbildung einer Kontaktschicht mit der aufzubringenden Flächenbekleidung vorgesehenen aushärtenden Kontaktmittels, wie Mörtel oder Kleber, gebildet sind und wobei an der Unterseite der Platte ein netzartiges Gewebe oder ein Vlies vorgesehen ist,

in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, in den Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken in das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland einzuführen oder zu besitzen,

bei denen die Strukturierung aus mindestens einer weiteren Schar aus in einer weiteren Richtung verlaufenden und H die Ausprägungen (N 1, N 3, N 5) kreuzenden weiteren Ausprägungen (N 2, N 4, N 6) besteht, wobei die gebildeten Kammern (M 1 bis M 3) umfänglich durch die zur anderen Seite der Trägerplatte hin offenen erhabene Stege (S 1 bis S 6) bildenden Ausprägungen (N 1 bis N 6) begrenzt sind und ein in eine Kammer (M 1 bis M 3) hineinragender Hinterschnitt (H 1 bis H 3) Teil eines Steges (S 1 bis S 6) bzw. einer Ausprägung (N 1 bis N 6) ist.

II.

der Klägerin unter Vorlage eines einheitlichen, geordneten Verzeichnisses darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die unter Ziffer I. bezeichneten Handlungen seit dem 6. Juli 2002 begangen hat, und zwar unter Angabe

a) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und -preisen und Typenbezeichnungen sowie der Namen und Anschriften der Abnehmer;

b) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und -preisen und Typenbezeichnungen sowie der Namen und Anschriften der einzelnen Angebotsempfänger;

c) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet;

d) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns;

wobei

der Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften ihrer Angebotsempfänger und nicht gewerblichen Abnehmer statt der Klägerin einem von dieser zu bezeichnenden, dieser gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, vereidigten und in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagte die durch dessen Einschaltung entstehenden Kosten übernimmt und ihn ermächtigt und verpflichtet, der Klägerin auf Anfrage hin mitzuteilen, ob bestimmte Angebotsempfänger oder nicht gewerbliche Abnehmer in der Rechnungslegung enthalten sind,

und die Angaben zu Ziff. d) nur für den Zeitraum ab dem 02.02.2004 zu machen sind;

III.

die in ihrem unmittelbaren und mittelbaren Besitz oder Eigentum befindlichen, unter Ziffer I. beschriebenen Trägerplatten zu vernichten oder nach Wahl der Beklagten an einen von der Klägerin zu benennenden Treuhänder zum Zwecke der Vernichtung auf Kosten der Beklagten auszugeben.

IV.

Es hat festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist,

a) der Klägerin für die vorstehend unter Ziff. I. bezeichneten, in der Zeit vom 06.07.2002 bis 01.02.2004 begangenen Handlungen eine angemessene Entschädigung zu zahlen;

b) der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die unter Ziff. I. bezeichneten, seit dem 02.02.2004 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.

Bezüglich des Antrags der Klägerin, die Beklagte zu verurteilen, Auskunft über Herstellungsmengen und -zeiten zu geben, eine Verurteilung ohne Wirtschaftsprüfervorbehalt vorzunehmen und Auskunft nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns bereits ab dem 06.07.2002 zu geben, hat das Landgericht die Klage abgewiesen.

Es hat im Wesentlichen ausgeführt, dass die angegriffene Ausführungsform sämtliche und damit auch die Merkmale 1 und 6 des Klagepatentes wortsinngemäß verwirkliche. Die Benutzungsrechte an älteren Schutzrechten der Schutzrechtsinhaberin A A/S, unterstellt diese seien im Lizenzwege erworben, verliehen der Beklagten kein positives Benutzungsrecht, da das Klagepatent und die behaupteten älteren Schutzrechte nicht deckungsgleich seien. Für eine Aussetzung des Rechtsstreits bestehe keine Veranlassung, da der anhängige Einspruch gegen das Klagepatent keine hinreichende Erfolgsaussicht biete. Eine Vernichtung des Klagepatentes in Bezug auf den Patentanspruch 1 erscheine nicht überwiegend wahrscheinlich.

Gegen das Urteil wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung. Die Schutzrechte gewährten ihr als Lizenznehmerin ein positives Benutzungsrecht bezogen auf das prioritätsältere europäische Patent 1 068 xxx und das deutsche Gebrauchsmuster 299 24 xxx U 1, da sämtliche Merkmale der von der Klägerin geltend gemachten Patentansprüche zumindest implizit auch in diesen Schutzrechten wiederzufinden seien. Des Weiteren sei das Klagepatent so auszulegen, dass die Merkmale 1 und 6 durch die angegriffene Ausführungsform nicht verwirklicht seien, da es sich bei der angegriffenen Ausführungsform um dünne Matten, nicht um Platten handele und der in den Kammern vorhandene Hinterschnitt nicht klagepatentgemäß ausgebildet sei. Selbst bei Bejahung des Verletzungstatbestandes sei der Beklagten aufgrund der Tatsache, dass sie auf die Schutzrechte vertraut habe, allenfalls leichte Fahrlässigkeit vorzuwerfen. Das Klagepatent werde sich als nicht rechtsbeständig erweisen. Insbesondere verweist die Beklagte auf die von ihr vorgetragenen Vorbenutzungstatbestände. Die Klägerin habe in der Zeit zwischen dem auf der Klagepatentschrift angegebenen Prioritätsdatum (22. April 1998) und der von ihr für das Klagepatent tatsächlich in Anspruch zu nehmenden Priorität vom 15. April 1999 (Anmeldung) nach dem Klagepatent hergestellte Trägerplatten offenkundig vorbenutzt. Die Klägerin habe im "Autohaus B" in M das Produkt "ABC" eingesetzt. Dies lasse sich aus ihrem Internetauftritt erkennen (Anlagen L 13 - 15). Bei dem im Internet als "ABC" bezeichneten und beschriebenen Produkt handele es sich um eine klagepatentgemäße Ausführung. Desgleichen habe die Klägerin ein "C-Center" in Dortmund ausgestattet. Ein patentgemäßes Produkt sei auch im Hotel D eingesetzt worden. Auch finde sich das patentgemäße Produkt schon 1998 in der Preisliste der Klägerin.

Die Beklagte beantragt,

auf ihre Berufung hin das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen, hilfsweise das Verfahren auszusetzen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie trägt unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens vor. Zu dem behaupteten Vorbenutzungstatbestand trägt sie vor, dass es sich bei dem 1998/1999 eingesetzten Produkt "ABC" um eine dem Stand der Technik entsprechende Ausführung gehandelt habe. Auch sei erst in der aktualisierten Preisliste des Jahres 2000 das neue Produkt aufgeführt worden.

II.

Die Berufung ist unbegründet. Zu Recht hat das Landgericht entschieden, dass die angegriffene Ausführungsform von sämtlichen Merkmalen des Klagepatents wortsinngemäß Gebrauch macht, die Rechtswidrigkeit der Benutzungshandlungen der Beklagten nicht durch ein Benutzungsrecht entfällt, da die angegriffene Ausführungsform nicht ausschließlich die Lehre der in Anspruch genommenen älteren Schutzrechte benutzt. Eine Aussetzung des Rechtsstreits nach § 148 ZPO ist nicht veranlasst, da keine hinreichende Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass sich das Klagepatent als nicht rechtsbeständig erweisen wird.

1. Das Klagepatent betrifft eine Trägerplatte aus folienartigem Kunststoff für einen plattenbekleideten Boden- oder einen Wandaufbau zum Erzielen einer Entkopplung zwischen dem Untergrund und der auf die folienartige Platte aufzubringenden Flächenbekleidung. Das Aufbringen von Bekleidungen, insbesondere Keramikplatten, im Inneren oder außen an Gebäuden ist vielfach problematisch. Aufgrund unterschiedlicher Wärmeausdehnungen und den damit verbundenen Spannungen können Risse in der Bekleidung entstehen, auch das Ablösen von Bekleidungsplatten ist aufgrund solcher Spannungszustände feststellbar. Insbesondere Keramikplattenbeläge werden vielfach im sogenannten Dünnbettverfahren verlegt, bei dem ein geeigneter Kontaktmörtel Verwendung findet. Dabei ergeben sich Schwierigkeiten in den unterschiedlichen Haftungsbedingungen an der Unterseite einer solchen Platte bzw. an dem Untergrund. Zusätzlich werden solche Problematiken durch Anforderungen an die Dichtheit des Aufbaus beeinflusst. Um in solchen Anwendungsfällen auftretende Spannungsunterschiede abzubauen bzw. den Aufbau bezüglich der auftretenden Spannung vom Untergrund zu entkoppeln, sind im Stand der Technik Trägerplatten aus folienartigem Kunststoff vorgeschlagen worden. Eine entsprechende Platte ist aus der DE 37 01 414 A 1 (Anlage K 3) bekannt. Durch abwechselnd nach beiden Plattenseiten hin offene schwalbenschwanzförmige Nuten ist dabei eine Trägerplatte gebildet, die sich bei Druck- und Zugbeanspruchung quer zum Verlauf dieser Nuten bewegen lässt. Wird eine solche Trägerplatte am Untergrund befestigt und darauf eine Bekleidung mit entsprechendem Kontaktmittel aufgebracht, so kann dann ein Spannungsausgleich in dieser angegebenen Richtung herbeigeführt werden, wenn sichergestellt ist, dass sich die gebildeten Nuten nicht mit dem Kontaktmittel, beispielsweise einem Mörtel, vollständig ausfüllen. Um dieses Ausfüllen zu verhindern, ist bereits vorgeschlagen worden, solche Platten an einer Seite mit netzartigen Textilien oder einem Vlies zu versehen, wodurch eine erhöhte Kontaktfähigkeit erreicht wird (Spalte 1, Zeilen 40 - 44).

Als nachteilig an der aus dem Stand der Technik bekannten Trägerplatte sieht es das Klagepatent an, dass solche Trägerplatten nur in einer Richtung dehnfähig bzw. zusammendrückbar seien. Vielfach sei daher mit solchen Platten ein notwendiger Spannungsabbau nicht ausreichend möglich (Spalte 1, Zeilen 44 - 48).

Das Klagepatent formuliert es daher als Aufgabenstellung, eine Trägerplatte aus folienartigem Kunststoff für den plattenbekleideten Bodenaufbau oder eine entsprechende Wand vorzuschlagen, mit der in optimierender Weise die auftretenden unterschiedlichen Ausdehnungen zwischen Untergrund und Bekleidung und daraus möglicherweise resultierenden Spannungen abgebaut bzw. entkoppelt werden (Spalte 1, Zeilen 49 - 56).

Dazu schlägt das Klagepatent im Anspruch 1 eine Vorrichtung mit folgenden Merkmalen vor:

1. Trägerplatte aus folienartigem Kunststoff für einen plattenbekleideten Boden- oder einen Wandaufbau zum Erzielen einer Entkopplung zwischen dem Untergrund und der auf die folienartige Platte aufzubringenden Flächenbekleidung;

2. die Trägerplatte weist auf einer Seite eine Strukturierung zum Ausbilden von Vertiefungen durch im Wesentlichen in einer Richtung verlaufende Ausprägungen (N 1, N 3, N 5) auf;

3. die Trägerplatte weist auf der anderen Seite niveaugleiche, erhabene Bereiche auf, zwischen denen Kammern (M 1 bis M 3) zur Aufnahme eines zur Ausbildung einer Kontaktschicht mit der aufzubringenden Flächenbekleidung vorgesehenen aushärtenden Kontaktmittels, wie Mörtel oder Kleber, gebildet sind,

4. wobei an der Unterseite der Platte ein netzartiges Gewebe oder ein Vlies (2) vorgesehen ist;

5. die Strukturierung besteht aus mindestens einer weiteren Schar aus in einer weiteren Richtung verlaufenden und die Ausprägungen (N 1, N 3, N 5) kreuzenden weiteren Ausprägungen (N 2, N 4, N 6),

6. wobei die gebildeten Kammern (M 1 bis M 3) umfänglich durch die zur anderen Seite der Trägerplatte hin offenen erhabene Stege (S 1 bis S 6) bildenden Ausprägungen (N 1 bis N 6) begrenzt sind und ein in eine Kammer (M 1 bis M 3) hineinragender Hinterschnitt (H 1 bis H 3) Teil eines Steges (S 1 bis S 6) bzw. einer Ausprägung (N 1 bis N 6) ist.

2. a) Eine solche erfindungsgemäße Platte aus folienartigem Kunststoff weist eine sich kreuzende Strukturierung auf, bei der auf einer Plattenseite sich kreuzende Ausprägungen ausgebildet sind, die jeweils umfänglich geschlossene Kammern bilden. Auf der anderen Seite bilden diese Ausprägungen Nuten, so dass die andere Plattenseite durch sich kreuzende Nutenscharen bestimmt ist. Beim Verlegen dieser Platten in der sogenannten Verbundabdichtungstechnik verklammert sich der Mörtel, der die Oberflächenbekleidungen trägt, stelzenartig in den hinterschnittenen Kammern, wodurch ein inniger Verbund entsteht. In dieser Mörtelschicht können sich bei vorhandenen Spannungen an den zahlreichen Kanten und Ecken der Kammern Trennflächenscharen ausbilden, die ebenfalls dem Spannungsabbau dienen. Die folienartige Platte selbst ist aufgrund ihres Kunststoffmaterials in beiden Richtungen ihrer Erstreckungsebene dehnfähig bzw. zusammendrückbar. Die Schrumpfungsspalte zwischen den Mörtelstelzen und den Kammerwänden erlauben zusätzlich ein Bewegungsspiel der mit dem Untergrund fest verbundenen Trägerplatte (Spalte 2, Zeilen 1 - 30).

Der Begriff "Trägerplatte" nach Merkmal 1 vermittelt dem Durchschnittsfachmann die Vorstellung, dass ein flächiges Gebilde angesprochen wird, dessen Ausdehnung in Länge und Breite ein Vielfaches der Dicke ausmacht. Dieser Platte wird die Funktion zugewiesen, etwas zu tragen - daher Trägerplatte -, nämlich die aufzubringende Flächenbekleidung, bei der es sich, wie die Klagepatentschrift an mehreren Stellen angibt, insbesondere um Keramikplattenbeläge handelt (vgl. Spalte 1, Zeilen 6, 12). Über die geometrischen Umrisse der Trägerplatte und deren Abmessungen sagt Anspruch 1 nichts, auch der Beschreibung lassen sich insoweit keinerlei Beschränkungen entnehmen. Insbesondere müssen die Platten kein bestimmtes Größenverhältnis in Bezug auf die auf ihnen zu verlegenden Beläge aufweisen, noch macht die Klagepatentschrift Angaben dazu, dass es zur bestimmungsgemäßen Verwendung eventuell einer bestimmten Fugenstruktur zwischen den Trägerplatten bedarf. Weder müssen sie schachbrettartig aneinandergesetzt werden, noch eine nur begrenzte Anzahl von Strukturelementen, insbesondere Kammern aufweisen. Hierfür ist auch kein irgendwie gearteter technischer Grund ersichtlich. Es ist im Gegenteil naheliegend, die Trägerplatte in einer solchen Größe vorzusehen, dass sie handhabbar ist und einen möglichst großen Umfang des Untergrundes oder der Wand abdecken kann, auf der die Flächenbekleidung letztlich aufzubringen ist. Nichts anderes kann der Durchschnittsfachmann der DE 37 01 414 (Anlage K 3) entnehmen, welche bereits eine Trägerplatte mit den Merkmalen des Oberbegriffs, also den Merkmalen 1 bis 4 zeigt. Schließlich wird auch im Zusammenhang mit den Figurenbeschreibungen des Klagepatents (Spalte 3, Zeilen 2, 12 und 21) ausdrücklich darauf hingewiesen, es handele sich um Darstellungen von Trägerplatten "im Ausschnitt", also nicht etwa um eine vollständige Trägerplatte. Die Klagepatentschrift macht darüber hinaus keinerlei Angaben dazu, welche Aufbauhöhe durch eine bestimmungsgemäß aufgebaute Trägerplatte erreicht werden muss und in welchem Dickebereich sich der angesprochene folienartige Kunststoff, aus dem die Stege, Nuten und Kammern gebildet werden, bewegen muss. Die Verwendung des Begriffs der Trägerplatte ist mithin nicht geeignet, aus ihm Rückschlüsse auf die Dicke des verwendeten Kunststoffs und die Höhe des Plattenaufbaus zu ziehen. Damit fällt jede nach den Merkmalen 1 bis 6 gestaltete Matte oder Platte, die geeignet ist, den angestrebten Entkopplungseffekt zum Spannungsabbau zu erreichen, unter den patentgemäßen Begriff der "Trägerplatte".

b) Die Trägerplatte soll aus folienartigem Kunststoff bestehen. Dem Durchschnittsfachmann ist selbstverständlich klar, dass es sich bei dem folienartigen Kunststoff nicht etwa um ein dünnes Material ohne jede Festigkeit handeln kann, wie z.B. dem Kunststoff einer Plastik-Einkaufstüte. Der Gesamtheit der Anspruchsmerkmale entnimmt der Durchschnittsfachmann, dass die Trägerplatte aus folienartigem Kunststoff nur dann in der Lage ist, die ihr zugewiesenen Funktionen zu erfüllen, wenn sie in Bezug auf die im Klagepatent angesprochenen Eigenschaften Elastizität, Dehnfähigkeit und Zusammendrückbarkeit (Spalte 2, Zeilen 15 - 18) genügend Dicke, Steifigkeit und Widerstandsfähigkeit aufweist, um die Flächenbekleidung zu tragen.

c) Die nach Maßgabe der Merkmale 2, 3 und 5 strukturierte Trägerplatte weist des weiteren Kammern auf, welche zur Aufnahme von Mörtel oder Kleber bestimmt sind. Damit sich der Mörtel, der die Oberflächenbekleidung (also z.B. die Fliesen) trägt, in den Kammern verklammert und so einen innigen Verbund entstehen lässt (vgl. Spalte 2, Zeilen 8 - 12), weisen die Kammern Hinterschneidungen auf. Zu Merkmal 6 wird dieser Tatbestand dahingehend umschrieben, dass ein in eine Kammer hineinragender Hinterschnitt Teil eines Steges bzw. einer Ausprägung ist, wie sie in Merkmal 2 und 5 beschrieben werden. Wie der in die Kammer hineinragende Hinterschnitt im einzelnen beschaffen ist, lässt Anspruch 1 offen. Die Figurendarstellungen und die zugehörige Beschreibung geben nur Beispiele, wie ein Hinterschnitt der von den Stegen ausgeht, beschaffen sein kann. Die Stege müssen weder T-förmig noch schwalbenschwanzförmig sein, und ein in die Kammern hineinragender Hinterschnitt muss nicht einmal die gesamte Peripherie der Kammer erfassen, wie etwa Figur 3a und 3b zeigen. Es genügt, um die Funktion der Verklammerung zu erfüllen, jegliche von den Stegen ausgehende Verengung des Randes der Öffnungen der Kammern.

d) Es kann nach alledem kein Zweifel bestehen, dass die angegriffene Ausführungsform von allen Merkmalen des Anspruchs 1 wortsinngemäß Gebrauch macht, wie das Landgericht zutreffend dargelegt hat.

3. Das Landgericht auch richtig entschieden, dass die Rechtswidrigkeit der Benutzungshandlungen nicht durch ein Benutzungsrecht der Beklagten entfällt.

Es kann dahin stehen, ob - wie von der Beklagten behauptet - ihr von der Patent- bzw. Schutzrechtsinhaberin A A/S eine Lizenz an dem europäischen Patent 1 068 xxx (Anlage L 22, L 22a) und/oder an dem deutschen Gebrauchsmuster DE 299 24 xxx (Anlage L 26) eingeräumt worden ist, jedenfalls ist die Benutzung des Klagepatents durch die Beklagten nicht von diesen älteren Rechten, auf die sich die Beklagte, wenn sie Lizenznehmerin wäre, berufen könnte, gedeckt.

Die ihm zustehende Befugnis, die in einem Patent oder Gebrauchsmuster geschützte Erfindung zu benutzen und zu verwerten, gibt dem Patentinhaber oder seinem Lizenznehmer ein sog. positives Benutzungsrecht. Das Benutzungsrecht des Inhabers eines jüngeren Patents kann daher durch den Patentanspruch eines älteren Patents begrenzt sein. Das positive Benutzungsrecht gibt dem Berechtigten aus dem älteren Patent ein Abwehrrecht gegen die Rechte aus einem jüngeren Patent oder Gebrauchsmuster (BGH, GRUR 1963, 663, 565 - Aufhängevorrichtung; 1964, 606, 610 - Förderband; Benkard/Scharen, PatG, 10. Aufl., § 9 Rdnr. 5 m.w.N.). Ein Benutzungsrecht bezüglich dieser älteren Rechte kann aber nur dann die Benutzung der Lehre des Klagepatents rechtfertigen, wenn ausschließlich die Lehre des älteren Rechts benutzt und nicht von zusätzlichen Merkmalen Gebrauch gemacht wird, die sich erst in den Ansprüchen des jüngeren Rechts finden, wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat. Ob dieser Tatbestand erfüllt ist, kann nur durch einen Vergleich der Ansprüche beider Rechte festgestellt werden. Dabei ist auf den Gegenstand des Patents abzustellen (Benkard/Scharen, aaO; Busse/Keukenschrijver, PatG, 6. Aufl. § 9 Rdnr. 15; LG Düsseldorf, Urt. vom 2. April 1996, Entscheidungen 1996, 24, 26), nicht auf den Schutzbereich des Patents (so wohl Kraßer, Patentrecht, 5. Auf., S. 772: Dem Verbietungsrecht aus dem älteren Recht wird der Vorrang gegenüber demjenigen aus dem jüngeren Recht eingeräumt; Mes, PatG, 2.Aufl., § 9 Rdnr. 8). Äquivalenzüberlegungen finden daher nicht statt.

a)

Gegenstand des älteren Schutzrechts EP 1 068 xxx (Anlage L 22, L 22a) ist ein Verwendungspatent, das die Verwendung einer aus flexiblen Kunststoffplattenteilen gebildeten Platte als Verputzplatte beschreibt. Auf diesen spezifischen Verwendungszweck beschränkt sich der Gegenstand dieses Schutzrechts (vgl. Benkard/ Scharen, aaO, § 14 Rdnr. 49 m.w.N.). Dabei wird eine Wand-/Fußboden-Pflaster/Verputzplatte mit mehreren umgekehrten Buckeln oder Profilen angegeben, die als Verankerung für den auf die Platte applizierten Mörtel wirken (Seite 3, Abschnitt 0016). Weder ausdrücklich noch implizit ist eine Verwendung der Trägerplatte nach Maßgabe des Merkmals 1 des Klagepatents vorgesehen. Die dortige Angabe "für einen plattenbekleideten Boden- oder einen Wandaufbau zum Erzielen einer Entkopplung zwischen dem Untergrund und der auf die folienartige Platte aufzubringenden Flächenbekleidung" (Klagepatent, Spalte 5, Zeilen 25 - 29) ist keine unbeachtliche Zweckangabe, sondern gibt dem Durchschnittsfachmann Hinweise, wie die Parameter der Merkmale des Anspruchs 1 aufeinander abzustimmen sind. Das betrifft insbesondere auch die Auslegung des Merkmals 4, wonach an der Unterseite der Platte ein netzartiges Gewebe oder ein Vlies vorgesehen ist. Was darunter zu verstehen ist, entnimmt der Durchschnittsfachmann z.B. der Beschreibungsstelle in Spalte 3, Zeile 57 - Spalte 4, Zeile 2. Danach dient das Vlies oder das netzartige Gewebe dazu, ein Verfüllen der rückseitig offenen Nuten der Nutenscharen zu verhindern. Dieser Hinweis bezieht sich ersichtlich nicht auf Besonderheiten des Ausführungsbeispiels, sondern es wird das aufgegriffen, was in der Beschreibungseinleitung im Zusammenhang mit der Darstellung des Standes der Technik ausgeführt wird. So heißt es in Spalte 1, Zeilen 30 - 44: "Um diese Platten am Untergrund zu befestigen, ist zumindest an einer Plattenseite ein der Verklebung am Untergrund dienendes Vlies oder ein netzartiges Textilgewebe vorgesehen. Wird eine solche Trägerplatte am Untergrund befestigt und darauf eine Bekleidung mit entsprechendem Kontaktmittel aufgebracht, so kann dann ein Spannungsausgleich in dieser angegebenen Richtung herbeigeführt werden, wenn sichergestellt ist, dass sich die gebildeten Nuten nicht mit dem Kontaktmittel, beispielsweise dem Mörtel, vollständig ausfüllen. Um dieses Ausfüllen zu verhindern, ist bereits vorgeschlagen worden, solche Platten an einer Seite mit netzartigen Textilien oder Vlies zu versehen, wodurch eine erhöhte Kontaktfähigkeit erreicht wird". Ein Ausfüllen der Nuten mit Mörtel würde dem vom Klagepatent angestrebten Spannungsausgleich in beiden Richtungen (vgl. Spalte 2, Zeilen 15 - 18), also die in Merkmal 1 genannte Entkopplungsfunktion gefährden. Nichts anderes besagt im übrigen auch die DE 37 01 414 (Anlage K 3), von der das Klagepatent ausgeht. Auch dort (Spalte 3, Zeilen 21 ff.) wird dem Durchschnittsfachmann der Hinweis gegeben, dass die als Druckausgleichsraum dienenden Nuten auch nach Aufbringen der Mörtel- oder Spachtelschicht zumindest zum Teil als Hohlräume verbleiben. Das in Anspruch 3 des älteren Patents erwähnte Gitter kann dagegen weder als ein derartiges netzartiges Gewebe noch als Vlies angesehen werden. Es dient, wie die Beschreibungsstellen in Anlage L 22a, Seite 3, Abschnitt 0016 und Seite 4, Abschnitt 0033 und 0034 erkennen lassen, gleichsam als Armierung oder Bewehrung bzw. als zusätzliches Verklammerungsmittel für den in die kammerartigen Hohlräume (Kavitäten) eingebrachten Mörtel. Irgendwelche Hinweise, dass das Gitter die dem klagepatentgemäßen Vlies oder netzartigen Gewebe zugeschriebenen Funktionen erfüllen soll, finden sich weder in den Ansprüchen noch in der Beschreibung des Schutzrechts. Richtig ist zwar, dass das ältere Patent EP 1 068 xxx über eine Eng- oder Weitmaschigkeit des Gitters in Anspruch 3 keine konkrete Aussage trifft. Im Hinblick auf die in der Beschreibung angesprochene Funktion des Gitters, als zusätzliches Verankerungs- oder Armierungsmittel zu dienen, wird der Fachmann die Maschen des Gitters so anordnen und dimensionieren, dass der Mörtel bzw. das Verputzmittel das Gitter durchdringen kann. Damit offenbart das ältere Patent eben gerade nicht die in Merkmal 4 (i.V.m. Merkmal 1) des Anspruchs 1 des Klagepatents enthaltene Anweisung, das netzartige Gewebe oder Vlies so engmaschig auszugestalten, dass ein Ausfüllen der Kammern verhindert wird.

Entgegen der Ansicht der Beklagten ist den Ansprüchen des EP 1 068 xxx auch nicht der in Merkmal 1 beschriebene Entkopplungseffekt zu entnehmen. Die im älteren Patent erwähnte "Druckaufnahme" (Anlage L 22 a, Seite 4, Abschnitt 0036) vermittelt ihm nämlich nicht, dass dort etwa ein aus dem Stand der Technik bekannter Spannungsausgleich (vgl. Anlage K 3 Spalte 2, Zeilen 11 - 20) angesprochen werden soll. Ebenso wenig lässt sich das aus den dem Fachmann geläufigen regelmäßig auftretenden Schrumpfungsspalten zwischen Mörtel und Kammerwänden folgern, welche auch das Klagepatent voraussetzt (Spalte 2, Zeilen 18 - 21), aber nicht als eigentliche Ursache der Entkopplung (vgl. Spalte 2, Zeilen 15 - 18), sondern als diese nur unterstützend ansieht. Das ältere Patent geht auf das Problem des Spannungsausgleichs oder der Entkopplung an keiner Stelle ein, sondern stellt lediglich fest, dass die Möglichkeit der Druckaufnahme zu einer vielseitigen Anwendung der fertigen Platten führt (Anlage L 22 a, Seite 4, Abschnitt 0036). Neben der Verwendung als Verputzplatte komme eine weitere Verwendung als Basis in Betracht, wenn der Raum zwischen den jeweiligen Vorsprüngen Führungspfade für Rohre und/oder Kabel bilden könnte (aaO. Seite 4, Abschnitt 0037).

b)

Die obigen Ausführungen gelten auch für das von der Beklagten als älteres Recht angeführte Gebrauchsmuster 299 24 xxx (Anlage L 26), wobei aufgrund der eingeschränkten Fassung der Schutzansprüche in der Fassung des Beschlusses der Gebrauchsmusterabteilung vom 5. März 2007 (Anlage rop 2) noch deutlicher zum Ausdruck kommt, dass das Gitter lediglich die Funktion eines zusätzlichen Verklammerungs- oder Armierungsmittels für den Mörtel haben soll.

4.

Dass und warum die Beklagte angesichts dessen, dass sie mit dem Vertrieb der angegriffenen Ausführungsform von der Lehre des Klagepatents Gebrauch gemacht hat, ohne der Klägerin als der Patentinhaberin gegenüber dazu berechtigt zu sein, nicht nur zur Unterlassung, sondern auch, wie zuerkannt, zur Rechnungslegung sowie zur Entschädigung und zum Schadenersatz verpflichtet ist, hat das Landgericht in dem angefochtenen Urteil zutreffend ausgeführt, so dass hierauf verwiesen werden kann.

Der Ansicht der Beklagten, ihr falle allenfalls leichte Fahrlässigkeit zur Last, da sie auf ein ihr zustehendes positive Benutzungsrecht vertraut habe, so dass das Gericht gemäß Art 64 EPÜ i.V.m. § 139 Abs. 2, Satz 2 PatG statt des Schadenersatzes nur eine Entschädigung zuzuerkennen habe, ist nicht zu folgen. Die angegriffene Ausführungsform weicht erheblich von der in den sog. Lizenzschutzrechten dargestellten Lehre ab, was die Beklagte, hätte sie sich sachgerecht beraten lassen, auch hätte erkennen können und müssen. Besondere Schwierigkeiten, die eine Fehleinschätzung der Sach- und Rechtslage als nur leicht fahrlässig erscheinen lassen könnten (vgl. Benkard/Rogge/Grabinski, PatG, 10. Aufl., § 139 Rdn 46, 78 m.w.N.), sind nicht ersichtlich und werden von der Beklagten auch nicht aufgezeigt. Der Senat sieht daher auch keine Veranlassung, von dem ihm durch § 139 Abs. 2, Satz 2 PatG eingeräumten Ermessen Gebrauch zu machen und den Schadenersatzanspruch der Klägerin zu beschränken.

5.

Eine Aussetzung der Verhandlung bis zur Entscheidung des Europäischen Patentamts in dem das Klagepatent betreffenden Einspruchsverfahren (§ 148 ZPO) kommt nicht in Betracht.

Angesichts des Umstandes, dass ein Patent seinem Inhaber nur ein zeitlich begrenztes Ausschließlichkeitsrecht gewährt, dessen Durchsetzung durch eine Aussetzung der Verhandlung eines Verletzungsrechtsstreits - selbst dann, wenn bereits, wie hier, ein nur gegen Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbares Urteil zugunsten des am Patent Berechtigten vorliegt - jedenfalls erheblich erschwert würde, kommt eine Aussetzung nur in Betracht, wenn ein Widerruf oder eine Vernichtung des Klagepatents in dem gegen dieses Recht anhängigen Verfahren nicht nur möglich, sondern überwiegend wahrscheinlich ist (vgl. dazu außer BGH, GRUR 1987, 284 - Transportfahrzeug - auch Senat, Mitt. 1997, 257 ff - Steinknacker - sowie GRUR 1979, 188 - Flachdachabläufe). Dabei ist zwar, wie der Senat in seiner Entscheidung "Steinknacker" ausgeführt hat, bei der Prüfung der Aussetzungsfrage im Berufungsverfahren dann ein weniger strenger Maßstab anzulegen, wenn der Berechtigte bereits - wie hier - über einen erstinstanzlichen Titel gegen seinen Prozessgegner verfügt, aus dem er - wenn auch gegen Sicherheitsleistung - vorläufig vollstrecken kann; eine hinreichende Erfolgsaussicht für den Angriff auf das Klageschutzrecht ist aber auch in derartigen Fällen erforderlich.

Es ist nicht hinreichend wahrscheinlich, dass das Klagepatent im Einspruchsverfahren widerrufen werden wird. Auf die zutreffenden - und mit der Ansicht der Gebrauchsmusterabteilung I des DPMA (vgl. den Beschluss vom 30. November 2004 - Anlage K 12) übereinstimmenden - Darlegungen des Landgerichts insbesondere zum entgegen gehaltenen druckschriftlichen Stand der Technik kann verwiesen werden, zumal die Beklagte sich mit diesen Ausführungen in der Berufungsbegründung nicht näher auseinandersetzt (vgl. Bl. 129 GA)

Soweit sich die Beklagte auf die sog. Lizenzschutzrechte EP 1 068 xxx (Anlagen L 22 , L 22 a) und DE 299 24 xxx (Anlage L 26) beruft (vgl. Bl. 174 GA), ist darauf zu verweisen, dass diese Entgegenhaltungen - weil nicht vorveröffentlicht - nur unter dem Gesichtspunkt der Neuheit relevant sein können (für das europäische Patent vgl. Art. 54, Abs. 2 EPÜ und für das Gebrauchsmuster Art. 140, 139 Abs. 2 EPÜ - vgl. Singer/Stauder/Schennen, EPÜ, 4. Aufl., Art. 139 Rdnr. 7; Bühring, Gebrauchsmustergesetz, 7. Aufl., § 14 Rdnr. 11). Die Neuheit von Anspruch 1 des Klagepatents wird jedoch ersichtlich nicht berührt; zumindest Merkmale 1 und 4 werden, wie oben zu 3. ausgeführt worden ist, nicht offenbart.

Ohne Erfolg hat die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat schließlich geltend gemacht, jedenfalls sei eine Aussetzung im Hinblick auf die behauptete offenkundige Vorbenutzung geboten.

Wird der Einspruch auf eine offenkundige Vorbenutzung gestützt, so kommt eine Aussetzung der Verhandlung im Verletzungsverfahren nur dann in Betracht, wenn neben einer schlüssigen und detaillierten Darstellung des Vorbenutzungs-Tatbestandes mit entsprechenden Beweisantritten zusätzliche objektive Anhaltspunkte für die Richtigkeit der Vorbenutzungs-Behauptung vorliegen. Eine Beweisaufnahme zur weiteren Klärung des voraussichtlichen Erfolgs des Einspruchs als Grundlage für die Aussetzungsentscheidung nach § 148 ZPO kommt dabei nicht in Betracht. (vgl. Senat, GRUR 1979, 636 - Ventilanbohrvorrichtung).

Zu Recht ist das Landgericht davon ausgegangen, dass ausreichende Anhaltspunkte für die Richtigkeit des behaupteten Tatbestands der offenkundigen Vorbenutzung nicht gegeben sind. Die vorgelegten Unterlagen ( Anlagen L 13 bis L 18) lassen ohne eine weitere Beweisaufnahme nicht den zuverlässigen Rückschluss zu, das verbaute Material habe bereits vor dem Prioritätszeitpunkt alle Merkmale des Anspruchs 1 des Klagepatents aufgewiesen. Zwar gibt der Internetauftritt gemäß Anlagen L 13 und L 17 als Ausführungszeit für die Bauobjekte, in denen das Produkt "ABC" verbaut worden ist, das Jahr 1998 an. Ob es sich dabei um ein klagepatentgemäßes Produkt, oder, wie von der Klägerin behauptet, um das Vorgängerprodukt handelt, lässt sich damit jedoch nicht feststellen. Entgegen der auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vorgetragenen Ansicht der Beklagten sind damit nicht schon derart gravierende objektive Anhaltspunkte für die behauptete offenkundige Vorbenutzung beigebracht, dass davon gesprochen werden könnte, es sei bereits einiger Beweis erbracht, der eine Aussetzung rechtfertige. Davon könnte allenfalls dann ausgegangen werden, wenn die Internetwerbung der Klägerin gerade die patentgemäßen Merkmale hervorhöbe und in diesem Zusammenhang konkret den Einsatz entsprechender Materialien bereits im Jahre 1998 behauptet hätte. Zu Recht hat das Landgericht ausgeführt, die Ausgestaltung sei in keinem der behaupteten Vorbenutzungsfälle im zugehörigen Text beschrieben worden.

Die in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat von der Beklagten angesprochene Interessenabwägung gebietet schließlich auch nicht deshalb eine Aussetzung, weil die angegriffene Ausführungsform nicht mehr vertrieben werde und Rechnung gelegt worden sei (vgl. auch Bl. 174 GA). Es handelt sich um das typische Ergebnis einer Vollstreckung aus dem erstinstanzlichen Urteil und rechtfertigt für sich alleine nicht die Anlegung eines weniger strengen Maßstabes bei der Prüfung der Aussetzungsfrage (Senat aaO. - Steinknacker).

5.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Der Senat hat die Revision nach § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO zugelassen, weil die Rechtsfrage, wann und unter welchen Voraussetzungen ein älteres Schutzrecht dem Berechtigten die Befugnis gibt, von der Lehre eines jüngeren Patents Gebrauch zu machen, bisher von der höchstrichterlichen Rechtsprechung, soweit ersichtlich, noch nicht entschieden worden ist.






OLG Düsseldorf:
Urteil v. 12.07.2007
Az: I-2 U 15/06


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/d9de3a9bd82d/OLG-Duesseldorf_Urteil_vom_12-Juli-2007_Az_I-2-U-15-06




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