Landgericht Essen:
Urteil vom 10. Februar 2006
Aktenzeichen: 45 O 85/05

(LG Essen: Urteil v. 10.02.2006, Az.: 45 O 85/05)

Tenor

hat die 5. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Essen

auf die mündliche Verhandlung vom 20.01.2006

durch den Vorsitzenden Richter am Landgericht M.

und die Handelsrichter Dr. F. und L.

für R e c h t erkannt:

Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger einen Firmenwagen zur privaten Nutzung entsprechend der Vereinbarung vom 28.05.2001 zur Verfügung zu stellen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist gegen eine Sicherheitsleistung in Höhe von 100.000,00 € vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der 58 - jährige Kläger war seit 1966 bei der Karstadt AG tätig. Er wurde 1996 Mitglied des Vorstandes der Karstadt AG. Daneben war er seit 1994 Vorstandsvorsitzender bei dem Unternehmen Hertie und koordinierte die Eingliederung des Unternehmens in die Karstadt AG. Nach deren Verschmelzung mit der Schickedanz Handelswerte GmbH & Co. KG im Jahr 1999 übernahm die Karstadt Quelle AG den Aufgabenbereich einer Holding. Das Warenhausgeschäft wurde mit Wirkung ab 01.01.2000 auf die Beklagte übertragen. Mit Wirkung zum 01.02.2000 wurde der Kläger zum Vorstandsmitglied bei der Beklagten bestellt. Seine Amtszeit war auf den Zeitraum bis zum 30.11.2004 festgelegt. Die Parteien einigten sich mit der Vereinbarung vom 28.05.2001 (Anlage K 2, Bl. 9) über die Beendigung des Dienstverhältnisses. Danach wurde der Kläger mit Wirkung zum 01.07.2001 von der Verpflichtung jeglicher Leistungserbringung entbunden. Ferner war unter Ziffer 9 der Vereinbarung ausgeführt:

"Der Dienstwagen steht (dem Kläger) bis zum Antritt einer neuen Beschäftigung, jedoch längstens bis zum 30.11.2004 uneingeschränkt zur Verfügung....Die Kosten für...trägt (die Beklagte)...Sofern (der Kläger) keine neue Beschäftigung antritt, verbleibt es für ihn bei der Dienstwagenregelung, die bei (der Beklagten) für pensionierte Vorstandsmitglieder praktiziert wurde."

Der Kläger hat eine neue Beschäftigung nicht wieder angetreten.

Die Beklagte stellte dem Kläger nach seinem Ausscheiden am 31.12.2000 einen Firmenwagen nach den Konditionen zur Verfügung, die bei der Beklagten für die Bereitstellung von Firmenwagen an pensionierte Vorstandsmitglieder galten. Mit Schreiben vom 14.01. 2005 ( Anlage K 7, Bl.17,18 ) teilte die Karstadt Quelle AG dem Kläger u.a. Folgendes mit:

"... sehen wir uns gezwungen, die Überlassung von Fahrzeugen an pensionierte Vorstände zu beenden. Demgemäß erklären wir hiermit die ordentliche Kündigung hinsichtlich der an Sie erfolgten Fahrzeugüberlassung sowie der damit im Zusammenhang stehenden Gewährung von Nebenleistungen zum 30.06.2005. ..."

Der Kläger ist der Ansicht, dass die ihm erteilte Zusage Bestandteil seiner Ruhestandsregelung sei. Ein ordentliches Kündigungsrecht sei nicht gegeben. Zudem habe mit der Karstadt Quelle AG nicht der vertraglich Verpflichtete gekündigt. Schon aus diesem Grund sei die erfolgte Kündigung unwirksam.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger einen Dienstwagen zur privaten Nutzung entsprechend der Zusage vom 28.05.2001 zur Verfügung zu stellen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte weist darauf hin, dass es die von dem Kläger angeführte praktizierte Dienstwagen – Regelung für pensionierte Vorstandsmitglieder nur bei der Karstadt AG bzw. der Karstadt Quelle AG gegeben habe. Die Dienstwagenangelegenheiten seien ausschließlich von dieser Gesellschaft erledigt worden. Im Anschluss an die erfolgte Kündigung habe der Kläger auch ausschließlich mit der Karstadt Quelle AG korrespondiert. Die Beklagte ist der Ansicht, dass sie nicht passivlegitimiert sei.

Die Beklagte ist der Ansicht, dass die Klage auch unbegründet sei. Der Kläger habe keinen Anspruch auf die Bereitstellung eines Firmenwagens. Ein entsprechender Anspruch ergäbe sich nicht aus dem Dienstvertrag des Klägers. Die diesem am 28.05.2001 erstmals erteilte Zusage, auf die dieser keinen Anspruch gehabt habe, sei sittenwidrig und unwirksam, da die Unternehmensinteressen der Beklagten bei Erteilung dieser Zusage nicht angemessen berücksichtigt worden seien.

Gründe

Die Klage ist begründet.

Die Beklagte ist passivlegitimiert. Der Kläger nimmt die Beklagte aus der Vereinbarung vom 28.05.2001 in Anspruch, die zwischen den Parteien zustande gekommen ist und in der die Beklagte gegenüber dem Kläger Verpflichtungen übernommen bzw. begründet hat. Es ist nicht erkennbar, dass die Beklagte ihre Verpflichtung der Karstadt Quelle AG übertragen hat. Zur Wirksamkeit einer solchen Übertragung hätte es zudem der Zustimmung des Klägers bedurft. Der Umstand, dass konzernintern die Firmenwagen – Angelegenheiten durch die Karstadt Quelle AG bearbeitet und organisatorisch abgewickelt worden sind, führt nicht zu einer Entpflichtung der Beklagten.

Der Kläger hat einen Anspruch auf Bereitstellung eines Firmenwagens nach den gesellschaftsintern geltenden Richtlinien. Die in der Vereinbarung vom 28.05.2001, Ziffer 9 dem Kläger gemachte Zusage bindet die Beklagte.

Die Vereinbarung ist auch nicht nichtig. Sie stellt keine unangemessene, die Unternehmensinteressen außer Acht lassende Vereinbarung dar. Anhaltspunkte für eine nicht ausgewogene, gar sittenwidrige Regelung sind nicht gegeben. Allein der Umstand, dass sich die im Streit befindliche Verpflichtung für die Beklagte nachteilig auswirkt, rechtfertigt die Annahme der Sittenwidrigkeit nicht. Der sich aus der Zusage ergebende, finanzielle Vorteil des Klägers macht nur einen kleinen Bruchteil seiner Ruhestandsvergütung aus. Es kann nicht außer Betracht bleiben, dass der Kläger im Zuge der Umstrukturierung des Konzerns der Beklagten entgegengekommen ist und vorzeitig ausschied. Berücksichtigt man ferner, dass auch andere Vorstandsmitglieder seitens der Beklagten einen Dienstwagen gestellt bekommen haben, ist nicht ersichtlich, dass der dem Kläger gewährte Vorteil als unangemessen einzustufen ist.

Die gegenüber dem Kläger ausgesprochene Kündigung ist nicht wirksam. Abgesehen davon, dass nicht die verpflichtete Gesellschaft gekündigt hat, steht auch der Beklagten ein Kündigungsrecht nicht zu. Bei Würdigung aller Umstände steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass die Firmenwagen - Regelung ein Bestandteil der Ruhestandsvereinbarung mit dem Kläger und nicht nur eine allgemeine schuldrechtliche Verpflichtung der Beklagten auf unbestimmte Zeit ist. Die Willenserklärungen der Vertragsparteien sind jeweils aus der Sicht des Empfängerhorizontes auszulegen. Die Ziffer 9 der Vereinbarung vom 28.05.2001 durfte bzw. musste der Kläger so verstehen, dass die ihm gemachte Zusage Bestandteil seiner Ruhestandsregelung sein sollte. Dies ergibt sich daraus, dass die Vereinbarung im zeitlichen Zusammenhang mit seinem Ausscheiden getroffen worden ist und die Parteien die Modalitäten zur Beendigung des Dienstverhältnisses und die künftigen Ansprüche des Klägers regeln wollten. Dem steht nicht entgegen, dass das Ruhegehalt und die Firmenwagen – Regelung in verschiedenen Ziffern der Vereinbarung geregelt sind. Im Übrigen ist im Wortlaut der Ziffer 9 für die Firmenwagen – Regelung auf die für pensionierte Vorstandsmitglieder geltende Regelung Bezug genommen. Dass dieser Bezug lediglich die Konditionen für die Bereitstellung festlegen sollte, ergibt sich nicht aus dem Wortlaut.

Daher richtet sich die Kündigungs- bzw. Abänderungsmöglichkeit nicht nach den allgemeinen Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches, sondern nach § 87 Abs. 1, Abs. 2 Aktiengesetz. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift liegen nicht vor. Gemäß § 87 Abs. 2 AktG kann zwar die Vergütung für aktive Vorstandsmitglieder grundsätzlich in angemessener Weise herabgesetzt werden, wenn eine so wesentliche Verschlechterung in den Verhältnissen der Aktiengesellschaft eintritt, dass die Weitergewährung der Bezüge eine schwere Unbilligkeit für die Aktiengesellschaft darstellen würde. Wirtschaftliche Schwierigkeiten der Aktiengesellschaft allein geben kein Recht zur Herabsetzung. Auch die Veräußerung von einzelnen Betriebsteilen ist kein ausreichendes Indiz für eine wesentliche Verschlechterung der Geschäftslage (Münchener Kommentar zum Aktiengesetz, Hefermehl, Spindler, § 87 Rdn. 41). Die Gesellschaft müsste sich vielmehr in einer Notlage befinden, die die wirtschaftliche Existenz ernstlich bedroht. Nach dem Sachvortrag der Beklagten kann von dem Vorliegen dieser Voraussetzungen nicht ausgegangen werden. Zudem bezieht sich das Abänderungsrecht des Aufsichtsrates nicht auf die im § 87 Abs. 1 Satz 2 AktG genannten Ruhestandsgehälter, Hinterbliebenenbezüge und Leistungen verwandter Art (Höffer, Aktiengesetz, § 87 - 6). Dies ergibt sich daraus, dass der Absatz 2 des § 87 AktG keine die im Absatz 1 Satz 2 entsprechende Regelung enthält. Andererseits stehen auch pensionierte Vorstandsmitglieder noch in einem, wenn auch im Vergleich zu den aktiven Vorstandsmitgliedern lockeren Treueverhältnis zur Aktiengesellschaft. Daher ist allgemein anerkannt (Münchener Kommentar zum Aktiengesetz, Hefermehl, Spindler, § 87 Rdn. 62), dass bei einem Verstoß gegen die Grundsätze von Treu und Glauben (§ 242 BGB) im Einzelfall eine Herabsetzung der Ruhestandsvergütung gerechtfertigt sein könnte. Ein derartiger Eingriff in eine gesicherte Rechtsposition der ausgeschiedenen Vorstandsmitglieder muss allerdings sehr strengen, engen Voraussetzungen unterliegen. Neben der prekären wirtschaftlichen Situation, die zur Bestandsgefährdung der Gesellschaft führen könnte, sind daher auch die Leistungen des pensionierten Vorstandsmitgliedes während seiner aktiven Tätigkeit mit zu berücksichtigen. Ob tatsächlich eine wirtschaftliche Notlage der Beklagten im Sinne des § 87 AktG gegeben ist, bzw. die dem Kläger zugesicherten Ruhestandsbezüge im groben Missverhältnis zu seinen Leistungen während seiner aktiven Tätigkeit stehen, kann aufgrund des Sachvortrages der Parteien nicht beurteilt werden. Gerade im Hinblick darauf, dass der strittige Vermögensvorteil des Klägers lediglich ein kleiner Bruchteil seiner übrigen Ruhestandsvergütung ausmacht, erscheint die seitens der Beklagten vorgenommene Kürzung als nicht angemessen.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91, 709 ZPO.






LG Essen:
Urteil v. 10.02.2006
Az: 45 O 85/05


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