Bundespatentgericht:
Urteil vom 25. Januar 2005
Aktenzeichen: 4 Ni 47/03

(BPatG: Urteil v. 25.01.2005, Az.: 4 Ni 47/03)

Tenor

1. Das europäische Patent 0 666 790 wird dadurch teilweise für nichtig erklärt, dass Patentanspruch 1 folgende Fassung erhält:

Verfahren zum Herstellen von Formteilen aus im warmen Zustand formbaren Polyolefinen, wie Polyethylen und Polypropylen, bei dem das Kunststoffmaterial auf bzw. über seine eine bleibende Verformung zulassende Verformungstemperatur erwärmt, in diesem Zustand zu dem Formteil geformt und anschließend unter diese Verformungstemperatur abgekühlt wird, dadurch gekennzeichnet, dass die Formteile im wenigstens auf die Verformungstemperatur erwärmten Zustand zu ein geringes Übermaß gegenüber den gewünschten Endmaßen aufweisenden Zwischenprodukten geformt und erst nach der Abkühlung unter die Verformungstemperatur in einem materialverdichtenden Pressvorgang auf die gewünschten Endabmessungen gebracht werden.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

4. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Beklagte ist eingetragener Inhaber des auch mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 0 666 790 (Streitpatent), das am 20. Oktober 1993 unter Inanspruchnahme der Priorität der österreichischen Patentanmeldung AT 2081/92 vom 21. Oktober 1992 angemeldet worden ist. Das in der Verfahrenssprache Deutsch veröffentlichte Streitpatent, das beim Deutschen Patent- und Markenamt unter der Nr 593 06 752 geführt wird, betrifft ein Verfahren zum Herstellen von Formteilen aus im warmen Zustand formbaren Kunststoffen. Es umfasst drei Ansprüche, die in der erteilten Fassung (EP 0 666 790 B1) wie folgt lauten:

1. Verfahren zum Herstellen von Formteilen aus im warmen Zustand formbaren Kunststoffen, insbesondere Polyolefinen, wie Polyethylen und Polypropylen, bei dem das Kunststoffmaterial auf bzw. über seine eine bleibende Verformung zulassende Verformungstemperatur erwärmt, in diesem Zustand zu dem Formteil geformt und anschließend unter diese Verformungstemperatur abgekühlt wird, dadurch gekennzeichnet, dass die Formteile im wenigstens auf die Verformungstemperatur erwärmten Zustand zu ein geringes Übermaß gegenüber den gewünschten Endmaßen aufweisenden Zwischenprodukten geformt und erst nach der Abkühlung unter die Verformungstemperatur in einem materialverdichtenden Pressvorgang auf die gewünschten Endabmessungen gebracht werden.

2. Anwendung des Verfahrens nach Anspruch 1 bei der Herstellung von Kunststoffrohren mit der Maßgabe, dass die z.B. als Extrudierstation ausgebildete formgebende Station für das über die Verformungstemperatur erwärmte Material auf einen materialabhängig 0,5 bis 5 % über dem gewünschten Enddurchmesser des Rohres liegenden Rohrdurchmesser ausgelegt wird und die in ihr hergestellten, das Zwischenprodukt darstellenden Rohre nach der Abkühlung in einer Pressstation in einem Durchlaufverfahren kurzzeitig auf einen wieder materialabhängig um 0,5 bis 5 % kleineren Durchmesser als der gewünschte Enddurchmesser zusammengepresst werden, so dass sie nach dem Pressvorgang den gewünschten Enddurchmesser aufweisen.

3. Anwendung des Verfahrens nach Anspruch 1 bei der Herstellung von Endmuffen an Kunststoffrohren, dadurch gekennzeichnet, dass das Rohrende wenigstens auf die Verformungstemperatur erwärmt und in diesem Zustand auf einen Durchmesser aufgemufft wird, der materialabhängig 0,5 bis 5 % größer ist als der gewünschte Enddurchmesser und dass die so gebildete, das Zwischenprodukt darstellende Muffe nach der Abkühlung kurzfristig bis unter den gewünschten Enddurchmesser zusammengedrückt wird, so dass sie nach der Freigabe durch das Presswerkzeug als Endprodukt maßhaltig den gewünschten Enddurchmesser aufweist.

Die Klägerin behauptet, die Lehre des Streitpatents beruhe nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit. Zur Begründung stützt sie sich auf folgende Druckschriften:

- EP 0 081 451 (Anlage D1)

- GB 1 432 539 (Anlage D2)

- JP 62-211 125 A (Anlage D3)

- US 4 135 961 (Anlage D4)

- US 4 482 518 (Anlage D5)

- US 3 959 424 (Anlage D7)

- US 3 651 197 (Anlage D8).

Weiter beruft sich die Klägerin auf eine offenkundige Vorbenutzung (D6) und legt hierzu weitere Unterlagen vor.

Die Klägerin beantragt, das europäische Patent 0 666 790 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig zu erklären.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen mit der Maßgabe, dass Patentanspruch 1 folgende Fassung erhält:

Verfahren zum Herstellen von Formteilen aus im warmen Zustand formbaren Polyolefinen, wie Polyethylen und Polypropylen, bei dem das Kunststoffmaterial auf bzw. über seine eine bleibende Verformung zulassende Verformungstemperatur erwärmt, in diesem Zustand zu dem Formteil geformt und anschließend unter diese Verformungstemperatur abgekühlt wird, dadurch gekennzeichnet, dass die Formteile im wenigstens auf die Verformungstemperatur erwärmten Zustand zu ein geringes Übermaß gegenüber den gewünschten Endmaßen aufweisenden Zwischenprodukten geformt und erst nach der Abkühlung unter die Verformungstemperatur in einem materialverdichtenden Pressvorgang auf die gewünschten Endabmessungen gebracht werden.

Der Beklagte tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen und hält das Streitpatent im verteidigten Umfang für bestandsfähig.

Gründe

Die Klage, mit der der in Art II § 6 Abs 1 Nr 1 IntPatÜG, Art 138 Abs 1 lit a EPÜ iVm Art 56 EPÜ vorgesehene Nichtigkeitsgrund der mangelnden Patentfähigkeit geltend gemacht wird, ist nur teilweise begründet. Das Patent hat in der beschränkt verteidigten Fassung Bestand.

I Das Streitpatent war zunächst ohne weiteres insoweit mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland für nichtig zu erklären, als es über die vom Beklagten verteidigte Fassung hinausgeht (BGH GRUR 1962, 294 - Hafendrehkran; GRUR 1996, 857 - Rauchgasklappe; vgl auch Keukenschrijver in Busse, Patentgesetz, 6. Aufl, § 84 Rn 45 mwN). In der verteidigten Fassung hat es Bestand.

Die beschränkte Verteidigung ist zulässig. Sie besteht darin, dass im Patentanspruch 1 des Streitpatents die Wörter "Kunststoffe, insbesondere" gestrichen wurden und damit der Gegenstand des Patents auf den im Patentanspruch 1 aufgeführten Kunststofftyp "Polyolefine" beschränkt worden ist. Die zum Patentanspruch 1 nebengeordneten Patentansprüche 2 und 3 entsprechen ihrer erteilten Fassung.

II In der so beschränkten Fassung hat das Patent Bestand.

1. Das Streitpatent betrifft ein Verfahren zum Herstellen von Formteilen aus im warmen Zustand formbaren Kunststoffen. Derartige Verfahren sind bei ihrer Anwendung auf die Herstellung von Endmuffen an Kunststoffrohren bekannt. Nach der Patentbeschreibung neigen viele Kunststoffteile aus im warmen Zustand formbarem Kunststoffmaterial, die in einem Spritzguss-Extrudier-, Press- oder sonstigem Verformungsvorgang aus dem warmen Material hergestellt sind, im Lauf der Zeit bzw beim Überschreiten von Temperaturen, die weit unter den Verformungstemperaturen liegen, zur Formveränderung, vor allem zu einer Verringerung der Außenabmessungen gegenüber den ursprünglichen Fertigungsmaßen. Diese Schwundvorgänge führen u.a. dazu, dass übliche Muffenverbindungen nicht mehr einwandfrei hergestellt werden können. Um schrumpffreie Muffen zu erhalten, ist im bisherigen Stand der Technik der Einsatz aufwändiger Herstellungsverfahren notwendig, die jedoch den Hauptgrund für den Schrumpfvorgang, den sog. Memory-Effekt, nämlich das Bestreben eines aus einem Rohling hergestellten Formteiles in die Ausgangsform zurückzukehren, sobald die Moleküle, die den Formteil im eingefrorenen Zustand in der jetzigen Form halten, durch Erwärmung oder durch Langzeitkriechwirkung die entsprechende Rückverformung zulassen, nicht beseitigen können.

Vor diesem Hintergrund formuliert die Streitpatentschrift die Aufgabe, ein einfaches Verfahren anzugeben, durch das unerwünschte Abweichungen der Endmaße fertiggestellter Kunststoffformteile von den Sollmaßen, insbesondere langzeitlich auftretende Verformungen, verhindert werden. Eine Teilaufgabe besteht darin, das Verfahren für die Herstellung formhaltiger Kunststoffrohre und aufgeweiteter Endmuffen an Rohren anwendbar zu machen.

2. Zur Lösung dieser Aufgabe schlagen die Patentansprüche 1, 2 und 3 ein Verfahren bzw. die Anwendung des Verfahrens zum Herstellen von Formteilen mit folgenden Merkmalen vor:

2.1 Patentanspruch 1:

1.1 Verfahren zum Herstellen von Formteilen aus 1.1.1 im warmen Zustand formbaren Polyolefinen, wie Polyethylen und Polypropylen, 1.2 das Kunststoffmaterial wird auf bzw über seine eine bleibende Verformungzulassende Verformungstemperatur erwärmt, 1.3 bei dieser Temperatur wird das Kunststoffmaterial zu einem Zwischenprodukt geformt, das 1.3.1 ein geringes Übermaß gegenüber den Endmaßen des fertig hergestellten Formteils aufweist, 1.4 das Zwischenprodukt wird unter die Verformungstemperatur abgekühlt und danach zur Herstellung des Formteils 1.5 einem materialverdichtenden Pressvorgang unterzogen, bei dem es 1.5.1 auf die Endabmessungen des Formteils gebracht wird.

2.2 Patentanspruch 2:

2.1 Anwendung des Verfahrens nach Anspruch 1 bei der Herstellung von Kunststoffrohren, bei dem die 2.2 formgebende Station, 2.2.1 zB als Extrudierstation (gemeint ist das an einen Extruder angeflanschte Rohrwerkzeug), 2.3 materialabhängig auf einen 0,5 bis 5 % über dem Enddurchmesser des Rohres liegenden Rohrdurchmesser ausgelegt ist, 2.4 in der formgebenden Station werden als Zwischenprodukt Rohre hergestellt (extrudiert), 2.5 das Zwischenprodukt wird abgekühlt, 2.6 das Zwischenprodukt wird in einer Pressstation in einem Durchlaufverfahren kurzzeitig auf einen materialabhängig um 0,5 bis 5 % kleineren Durchmesser als der gewünschte Enddurchmesser zusammengepresst, so dass es 2.6.1 nach dem Pressvorgang den gewünschten Enddurchmesser aufweist.

Patentanspruch 3:

3.1 Anwendung des Verfahrens nach Anspruch 1 bei der Herstellung von Endmuffen an Kunststoffrohren, bei dem 3.2 das Rohrende auf wenigstens die Verformungstemperatur erwärmt wird, 3.2.1 bei dieser Temperatur wird das Rohrende aufgemufft und zwar 3.2.2 auf einen Durchmesser der materialabhängig 0,5 bis 5 % größer ist als der gewünschte Enddurchmesser, 3.3 die das Zwischenprodukt darstellende Muffe wird abgekühlt und 3.4 kurzfristig bis unter den gewünschten Enddurchmesser zusammengedrückt, so dass das Zwischenprodukt 3.5 nach der Freigabe durch das Presswerkzeug als Endprodukt maßhaltig den gewünschten Enddurchmesser aufweist.

3. Die Lehre des Streitpatents ist neu.

Zwar sind alle Merkmale der Patentansprüche 1, 2 oder 3 des Streitpatents in der verteidigten Fassung in mindestens einer der entgegengehaltenen Druckschriften vorhanden, in keiner wird jedoch die Lehre zum technischen Handeln gemäß den oben angeführten Patentansprüchen des Streitpatents vollständig beschrieben. Auch die Klägerin zieht die Neuheit der Lehre des Streitpatents in der verteidigten Fassung nicht in Zweifel.

3.1 Eine offenkundige Vorbenutzung des Streitgegenstandes liegt nicht vor.

Im Klageschriftsatz werden von der Klägerin zwei offenkundige Vorbenutzungen geltend gemacht, nämlich:

- Poloplast (Anlage D6.1 bis D6.4, D6.6),

- Rehau (Anlage D6.5 und D6.7).

A. Zur Anlage Poloplast:

Die Zeichnungen D6.1 bis D6.4 zeigen ein Werkzeug zum Anformen einer Muffe an einem Rohrende. Den Unterlagen ist nichts zu entnehmen, was einen Hinweis auf die verwendeten Kunststoffe und die Temperaturen geben könnte und in welchem Stadium das Verformen auf das Endmaß erfolgt. Es wird hier also ein Verfahren beschrieben, wie es z.B. bereits aus der GB 1 432 539 bekannt ist.

B. Rehau In der Bedienungsanleitung wird eine Vorrichtung zum Erwärmen beschrieben. Was mit der Anlage, die zu der die Bedienungsanleitung gehören soll, hergestellt wurde, ist der Bedienungsanleitung nicht zu entnehmen. Lediglich der Anlage D6.7 (übrigens auch der D6.6) lässt sich entnehmen, dass ein SICA-Muffenautomat geliefert worden ist. Ein Zusammenwirken dieser beiden Anlagen ist nicht erkennbar.

Der Senat ist daher zu der Auffassung gelangt, dass die im Klageschriftsatz beschriebenen Anlagen den Streitgegenstand weder vorwegnehmen noch nahelegen können. Die behauptete offenkundige Vorbenutzung ist von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung auch nicht mehr aufgegriffen worden.

4. Der Gegenstand des verteidigten Patentanspruchs 1 des Streitpatents beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Viele Kunststoffe, die in einem Spritzgieß-, Extrudier- oder Pressverfahren im warmen Zustand verformt worden sind, neigen im Laufe der Zeit zur Formveränderung, vor allem zum Schwinden, somit zu einer Veränderung ihrer Außenabmessungen. Die Ursache dieses Schrumpfvorganges ist darin begründet, dass bei Kunstoffen mit kristalliner Struktur, wie zB die Polyolefine, ein Teil der Moleküle bei einer Erwärmung des Kunststoffes oberhalb einer für den betreffenden Kunststoff charakteristischen Temperatur ihre kristalline Struktur behalten, während der andere Anteil der Moleküle im flüssigen Zustand vorliegt. Die kristallinen Strukturen bedingen den sogenannten Memory-Effekt, nämlich das Bestreben eines durch ein Verformungsverfahren hergestellten Formteils wieder in seine Ausgangsform zurückzukehren. Um dies zu vermeiden, werden die Formteile im wenigstens auf die Verformungstemperatur erwärmten Zustand zu ein geringes Übermaß gegenüber den Endmaßen aufweisenden Zwischenprodukten geformt und erst nach der Abkühlung unter die Verformungstemperatur in einem materialverdichtenden Pressvorgang auf die gewünschten Endabmessungen gebracht.

Für diese Maßnahme vermittelt der aufgezeigte Stand der Technik dem Durchschnittsfachmann, einem Diplom-Ingenieur (FH) mit einem Studium auf dem Gebiet der Kunststofftechnologie mit mehrjähriger industrieller Tätigkeit, keine Anregungen.

Beim Verfahren nach der EP 0 081 451 A1 (D1) wird eine Folie über seine eine bleibende Verformung zulassende Verformungstemperatur erwärmt und zu einem Zwischenprodukt verformt, das ein geringes Übermaß gegenüber den gewünschten Endmaßen des Formteils aufweist. Anschließend wird das Zwischenprodukt gekühlt und schrumpft dabei auf den Dorn auf, der die gewünschten Endabmessungen des Formteils aufweist. Diese Druckschrift kann somit keinen Hinweis auf die patentgemäße Lehre geben, denn bei diesem Verfahren wird weder das Zwischenprodukt abgekühlt und dann zum Formteil ausgeformt, noch wird das Endverformen in einem materialverdichtenden Pressvorgang durchgeführt.

In der der GB 1 432 539 (D2) wird ein Verfahren beschrieben, bei dem Muffen an ein Rohr angeformt werden. Dabei wird das Ende eines Rohres auf eine Verformungstemperatur erwärmt und dann in einer äußeren Form aufgeweitet und zwar auf einen Durchmesser, der größer als das gewünschte Endmaß ist. Anschließend wird das Ende abgekühlt, so dass die Orientierungen eingefroren sind. Da aber ein gewisser Schwund nie auszuschließen ist - was auch beim Streitgegenstand angesprochen ist - wird anschließend ein Dorn in die ausgeformte Muffe eingeführt und die Muffe nochmals leicht erwärmt, so dass sie auf das gewünschte Endmaß schrumpfen kann ohne dass die Orientierung wesentlich abnimmt. Als thermoplastischer Kunststoff ist hier PVC angesprochen. Dieser Werkstoff ist amorph und verhält sich somit anders als die im Patentanspruch 1 aufgeführten teilkristallinen Kunststoffe (Polyolefine, PE, PP). Auch ist kein materialverdichtender Pressvorgang angesprochen. Die Muffe schrumpft frei auf den Dorn, so dass auch diese Druckschrift keinen Hinweis auf die patentgemäße Lehre geben kann.

Beim Verfahren nach der JP 62-211 125 A (D3) wird das Ende eines Rohres erwärmt und mittels Druckluft so verformt, dass der Durchmesser des Rohres vergrößert wird. Anschließend wird das Rohr abgekühlt und dabei auf seinen Enddurchmesser gebracht, der kleiner als der vorhergehende Durchmesser ist. Durch diese Maßnahme soll das Rohrende thermisch fixiert werden. Ein materialverdichtender Vorgang, bei dem die Endabmessungen erreicht werden, ist nicht angesprochen, so dass auch diese Druckschrift keinen Hinweis auf die Lehre des Streitpatents nach Patentanspruch 1 geben kann.

Die Lehre der US 4 135 961 (D4) geht über den bereits beschriebenen Stand der Technik nicht hinaus. Um eine Muffe an einem Rohr anzuformen, wird ein Formkern in das durch Wärmezufuhr erhitzte Rohrende eingeführt und das Rohrende ausgedehnt. Der geformte Bereich wird anschließend abgekühlt. Nach dem Entfernen des Formkerns ist dann der Formvorgang abgeschlossen. Um einen Füllring in die Muffe einzubetten, wird der Füllring auf einen Dorn aufgeschoben und im Prinzip, wie vorher beschrieben, vorgegangen. Da beim Abkühlen der Kunststoff schrumpft, wird der Füllring in die Muffe eingebettet. Aber auch hier gilt, dass das Rohrende mittels der Backen (84) im warmen Zustand verformt wird und nach der Verformung erst abgekühlt wird. Somit liegt auch hier im abgekühlten Zustand kein materialverdichtender Pressvorgang vor, so dass auch diese Druckschrift keinen Hinweis auf die patentgemäße Lehre geben kann.

Beim Verfahren nach der US 3 959 424 (D7) wird ein Rohr aus im warmen Zustand formbaren Kunststoff (Materialien s SP 4, Z 36 bis 44), das für die Auskleidung von Stahlrohren vorgesehen ist (Sp 1, Z 5 bis 9), extrudiert und zwar mit einem Durchmesser, der größer als der Enddurchmesser ist (Sp 1, Z 56). Durch das Extrudieren wird das Kunststoffrohr im wenigstens auf die Verformungstemperatur erwärmten Zustand gebracht, wobei das Kunststoffrohr ein geringes Übermaß aufweist. Anschließend wird das eben extrudierte Rohr in noch erhitztem Zustand auf ein Maß gebracht, das etwas unterhalb des gewünschten Endmaßes liegt (Sp 1, Z 55 bis 58). Dadurch kann das Kunststoffrohr in das auszukleidende Stahlrohr eingebracht werden, in dem es sich dann auf das Endmaß (Innendurchmesser des Stahlrohres) aufweiten kann. Dieses Verkleinern des Außendurchmessers erfolgt in einem konisch verlaufenden Spalt, in dem jedoch kein materialverdichtender Pressvorgang stattfindet. Auch erfolgt die Abkühlung des extrudierten Rohres erst nach der Reduzierung des Rohrdurchmessers, und das Aufweiten des Kunststoffrohres innerhalb des Stahlrohres ist eine Folge des Memory-Effekts und ist durch den Innendurchmesser des Stahlrohres begrenzt. Es wird also bei diesem Verfahren weder gezielt ein vom Endmaß verschiedenes Zwischenmaß erzeugt, noch wird nach dem Abkühlen das Kunststoffrohr (Formteil) durch einen Pressvorgang auf das gewünschte und geforderte Endmaß gebracht, sondern es findet ein "freies" Aufweiten des Kunststoffrohres (Liner) statt. Somit kann auch diese Druckschrift keinen Hinweis auf die Lehre des Patentanspruchs 1 geben.

5. Der Gegenstand des verteidigten Patentanspruchs 2 beruht ebenfalls auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Der Gegenstand des Patentanspruchs 2 betrifft die Anwendung des Verfahrens nach Patentanspruch 1 bei der Herstellung von Kunststoffrohren. Bei der Anwendung des Verfahrens wird ein Kunststoffrohr extrudiert, dessen Außendurchmesser materialabhängig 0,5 bis 5% über dem gewünschten Rohrdurchmesser liegt. Nach dem Abkühlen und Pressen des Kunststoffrohres auf einen Durchmesser, der materialabhängig 0,5 bis 5% unter dem gewünschten Enddurchmesser liegt, weist das Kunststoffrohr nach Abschluss des Pressvorganges den gewünschten Enddurchmesser auf.

Wie bereits unter Kap. 4 ausgeführt beruht das Verfahren zur Herstellung von Formteilen auf einer erfinderischen Tätigkeit. So muss die Anwendung des Verfahrens zur Herstellung von Kunststoffrohren ebenfalls auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen, da keine der im Verfahren befindlichen Druckschriften einen Hinweis auf das Verfahren, auch nicht auf die einzustellenden, materialabhängigen Durchmesserabweichungen, die während der Anwendung des Verfahrens zum Tragen kommen, gibt. Die erfinderische Tätigkeit ist daher wie beim Patentanspruch 1 zu beurteilen.

6. Der Gegenstand des verteidigten Patentanspruchs 3 beruht ebenfalls auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Der Gegenstand des Patenanspruchs 3 betrifft die Anwendung des Verfahrens nach dem verteidigten Patentanspruch 1 bei der Herstellung von Endmuffen an Kunststoffrohren. Hinsichtlich des Vorliegens einer erfinderischen Tätigkeit wird auf die Ausführungen in Kap. 4 und 5 verwiesen. Die erfinderische Tätigkeit ist daher auch hier gegeben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs 2 PatG i.V.m. § 92 Abs 2 Nr. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 99 Abs 1 PatG i.V.m. § 709 ZPO.

Winkler Schuster Gießen Kuhn Hildebrandt Be






BPatG:
Urteil v. 25.01.2005
Az: 4 Ni 47/03


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