Landgericht Köln:
Urteil vom 29. Juli 2011
Aktenzeichen: 82 O 28/11

(LG Köln: Urteil v. 29.07.2011, Az.: 82 O 28/11)

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Klägerin verlangt mit der Klage die Zahlung einer angemessenen Gegenleistung nach § 31 WpÜG aus einem freiwilligen öffentlichen Übernahmeangebot der Beklagten aus Oktober 2010.

Die Klägerin ist eine Verlagsgesellschaft, die das Börsenjournal Effecten-Spiegel herausgibt. Sie war u. a. Aktionärin der Q Aktiengesellschaft (nachfolgend "Q").

Die Beklagte ist die Muttergesellschaft eines Konzerns aus Banken, Kapitalmarktunternehmen, Fondsgesellschaften u. a.

Mit Vertrag vom 12. September 2008 (nachfolgend "Ursprungsvertrag" hatten die Beklagte und die A AG (nachfolgend "A ") und die C mbH (nachfolgend "C") den Erwerb einer Minderheitsbeteiligung der Beklagten an der Q von 29,75 % zum Preis von EUR 2,7 Milliarden oder EUR 57,25 je Aktie vereinbart. Der Kaufpreis sollte in bar bezahlt werden. Der Verkauf des Aktienpakets erfolgte vorbehaltlich der Zustimmung der zuständigen Aufsichts- und Kartellbehörden sowie der Bundesregierung. Der Vollzug der ursprünglichen Erwerbsvereinbarung war für das 1. Quartal 2009 geplant (Adhoc-Mitteilung der Beklagten vom 12. September 2008, Anlage B 1). Zusätzlich zu der vorgenannten Minderheitsbeteiligung erhielt die Beklagte von der A die Option, ein weiteres Aktienpaket in Höhe von 18,0 % an der Q für EUR 55,00 je Aktie zu erwerben. Diese Option konnte zwischen 12 und 36 Monaten nach dem Abschluss des Erwerbs der Beteiligung von 29,75 % ausgeübt werden. Zudem räumte die A der Beklagten ein Vorkaufsrecht für ihre verbleibenden Aktien an der Q ein. Gleichzeitig erhielt die A eine Verkaufsoption: Sie konnte den verbleibenden Anteil an der Q von 20,25 % plus einer Aktie zum Preis von EUR 42,80 je Aktie an die Beklagte veräußern. Diese Option konnte sie zwischen 21 und 36 Monaten nach dem Abschluss des Verkaufs der Minderheitsbeteiligung an die Beklagte ausüben. Diese konnte den Anteilserwerb aus beiden Optionen ganz oder teilweise in eigenen Aktien oder bar bezahlen.

Am 27. Oktober 2008 kündigte die Q die Durchführung einer Kapitalerhöhung noch im 4. Quartal 2008 an. Dabei wurde das von ihrer Hauptversammlung 2006 beschlossene genehmigte Kapital mit Bezugsrecht in Höhe von 54,8 Millionen Aktien voll ausgeschöpft. Der Bezugspreis für die Emission wurde auf EUR 18,25 je Aktie festgelegt (Adhoc-Mitteilung der Q vom 27. Oktober 2008, Anlage B 2). Die A zeichnete 99,3 %, das entsprach 54,4 Millionen der ausgegebenen Aktien ("Investor Relations Release" der Q vom 28. November 2008 - Anlage B 3). Diese Aktien waren in die ursprüngliche Erwerbsvereinbarung einbezogen.

Ursprünglich hielt die A 50 % + 1 Aktie am Grundkapital der Q von EUR 410 Mio. Nach der Durchführung der Kapitalerhöhung hielt die A 62,35 % des Grundkapitals der Q, das auf EUR 547 Mio. erhöht wurde.

Aufgrund der im 4. Quartal 2008 eingetretenen veränderten Marktbedingungen vereinbarten die Beklagte und die A am 22. Dezember 2008, den Vollzug (Closing) der ursprünglichen Erwerbsvereinbarung zu verschieben. Bis zum 20. Januar 2009 sollte eine vertragliche Restrukturierung abgeschlossen sein, ansonsten sollte die ursprüngliche Erwerbsvereinbarung vollzogen werden.

Am 29. Dezember 2008 übertrug die C sämtliche Rechte und Pflichten aus dem Ursprungsvertrag mit wirtschaftlicher Wirkung zum 30. Dezember 2008 auf die A .

Am 14. Januar 2009 schlossen die Beklagte und die A ein "Amendment Agreement regarding the Acquisition of Shares in Q AG" (Nachtragsvereinbarung betreffend den Erwerb von Aktien der Q AG), mit der die Restrukturierung der ursprünglichen Erwerbsvereinbarung verbindlich vereinbart wurde (nachfolgend "Nachtragsvereinbarung"; adhoc-Mitteilung der Beklagten vom 14. Januar 2009 - Anlage B 4). Die Beklagte führte zur Begründung aus, dass sie die Anteile der Q dadurch kapitalschonender übernehmen könne, die A erhalte die Erlöse aus der Gesamttransaktion in Höhe eines Barwerts von EUR 4,9 Mrd. bereits zum "Closing" bis spätestens 27. Februar 2009 (Anlage B 4). Vereinbart wurde ein Erwerb der Q in drei Stufen:

Erwerb von 50.000.000 Aktien der Q durch die Beklagte zu einem Preis von EUR 23,92 pro Aktie der Q, das entsprach 22,9 % des Grundkapitals der Q. Der Kaufpreis konnte bar bezahlt werden. Sowohl die Beklagte als auch die A hatten jedoch ein Wahlrecht. Die Q-Aktien konnten von der A als Sacheinlage unter Verzieht auf den Kaufpreisanspruch in die Beklagte eingebracht werden, und zwar im Rahmen einer Kapitalerhöhung bei der Beklagten aus genehmigtem Kapital. Im Gegenzug hätte die A 50 Millionen neue Aktien der Beklagten erhalten.

Erwerb von 60.000.000 Aktien der Q durch die Beklagte zu einem Preis von EUR 45,45 je Q-Aktie über eine vinkulierte Pflichtumtauschanleihe, das entsprach 27,4 % des Grundkapitals der Q. Es handelt sich um eine Nullcouponanleihe mit 4 % Verzinsung, nominal über EUR 3 Mrd. Der Barwert zum 25. Februar 2009 betrug EUR 2.667.000.000. Die Pflichtumtauschanleihe wird am 25. Februar 2012 fällig. Sie kann mit Zustimmung der A auf Dritte übertragen werden.

Erwerb von 26.417.432 Aktien der Q durch die Beklagte¸ das entsprach 12,1 % des Grundkapitals der Q, über Call- und Put-Optionen zu einem Preis von EUR 48,85 je Q-Aktie für die Call-Option und EUR 49,42 je Q-Aktie für die Put-Option. Die Optionen können in der Zeit zwischen dem 28. Februar 2012 und dem 25. Februar 2013 jederzeit ausgeübt werden. Hinsichtlich der Put-Option kann die Beklagte verlangen, dass die A die Ausübung der Option um bis zu einem Jahr nach dem frühest möglichen Ausübungszeitpunkt verschiebt, nicht jedoch über den 25. Februar 2013 hinaus.

Die A übte das im ersten Erwerbsschritt eingeräumte Wahlrecht - Kapitalerhöhung der Beklagten aus genehmigtem Kapital am 21. Januar 2009 fristgerecht aus. Aufgrund der Ausübung des Kapitalerhöhungswahlrechts beschloss der Vorstand der Beklagten mit Zustimmung des Aufsichtsrats am 23. Februar 2009, von der Ermächtigung gemäß § 4 Abs. 9 der Satzung der Beklagten Gebrauch zu machen und das Grundkapital der Beklagten um EUR 128 Millionen gegen Ausgabe von 50 Millionen neuen auf den Namen lautenden Stückaktien der Beklagten mit einem anteiligen Betrag am Grundkapital von jeweils EUR 2,56 zu erhöhen. Das Bezugsrecht der Aktionäre wurde gemäß § 4 Abs. 9 Satz 3 der Satzung der Beklagten ausgeschlossen. Über Wertsicherungsabreden wurde der A ein Verkaufspreis für die neuen Aktien der Beklagten in Höhe von EUR 23,92 garantiert, den die A letztendlich auch realisierte.

Die Anmeldung der Kapitalerhöhung wurde am 26. Februar 2009 zum Handelsregister eingereicht. Die Durchführung der Kapitalerhöhung wurde am 6. März 2009 in das Handelsregister der Beklagten eingetragen (Anlage B 5). Mit der Handelsregistereintragung wurde die Kapitalerhöhung wirksam, und die Beklagte erwarb die 50 Millionen Q-Aktien. Die Beklagte hat die Pflichtumtauschanleihe am 25. Februar 2009 gezeichnet.

Die Q-Aktien der Beklagten werden über eine 100%ige Enkeltochter, die X, Luxemburg, (nachfolgend "X") gehalten. Diese hielt ursprünglich 2,1 % der Aktien der Q (= 4.700.000 Stück). Aufgrund des Erwerbs von 22,9 % anlässlich des Kaufvertrages bzw. der Kapitalerhöhung gegen Sacheinlage erhöhte sich der Anteil der X auf 25,1 % des Grundkapitals der Q. Damit erreichte die Beklagte nach ihrer Rechnung eine Sperrminorität über 25 %.

Unter dem 03. März 2009 veröffentlichte die Q gemäß § 26 Abs. 1 WpHG:

"Die Y Aktiengesellschaft hat uns am 27.02.2009 für die X , gemäß §§ 24, 25 Abs. 1 WpHG mitgeteilt, dass die X am 26.02.2009 Finanzinstrumente unmittelbar hält, die ihr das Recht einräumen, Aktien an der Q AG zu beziehen, die 39,49 % der Stimmrechte (86.417.432 Stimmrechte) verbriefen. Es handelt sich dabei um eine Pflichtumtauschanleihe und eine Call Option. An diesem Tag hätte die X damit die Schwellen von 5 %, 10 %, 15%, 20 %, 25 % und 30 % an der Q AG überschritten."

Im März 2009 hatten die Beklagte und die Q zu marktgerechten Konditionen eine Kooperationsvereinbarung abgeschlossen. Gegenstand der Kooperationsvereinbarung ist zum einen eine Vertriebskooperation in verschiedenen Produktbereichen und zum anderen eine Kooperation im Bereich Einkauf und IT-Infrastruktur. In der Wertpapierbeschreibung der Kapitalerhöhung der Beklagten vom 20.09.2010 (Anlage K 13) heißt es dazu:

"Aufgrund der positiven Erfahrungen aus den bereits bestehenden Kooperationsobjekten geht die Gesellschaft davon aus, dass zügig ein gemeinsames Verständnis gefunden werden kann und konkrete Schritte eingeleitet werden können. Jährlich soll 1 Mrd. Euro an Synergien gehoben werden. Aufwenden will die Beklagte hierfür bis 2015 EUR 1,4 Mrd."

Dem Aufsichtsrat der Q gehören seit dem 11. März 2009 zwei Aufsichtsratsmitglieder an, die der Beklagten verbunden sind. In der ersten Sitzung des neu besetzten Aufsichtsrats der Q nach dem 11. März 2009 wurde deren Vorstandsvorsitzender Klein abberufen, wobei die Gründe dafür streitig sind.

Die bereits zum 6. März 2009 von der Beklagten erworbenen Q-Aktien sowie die der Pflichtumtauschanleihe unterliegenden 60 Mio. Q-Aktien wurden in der Bilanz der Beklagten für 2009 unter dem nach der Equity-Methode erfassten Beteiligungsbesitz erfasst (Auszug aus dem Geschäftsbericht 2009 der Beklagten - Anlage K 5). In der Bilanz der A für 2009 wurde die Q-Beteiligung entkonsolidiert und unter "Aufgegebene Geschäftsbereiche" ausgewiesen (Auszug aus dem Konzernlagebericht der A für 2009, Seite 33, 43, Anlage K 6 a und 6 b).

Bis zum freiwilligen Übernahmeangebot der Beklagten stockte die X ihren Bestand an Q-Aktien über Zukäufe an der Börse auf 29,95 % auf, was 65.541.000 Stück Aktien entsprach (Veröffentlichung der Q gemäß § 26 Abs. 1 WpHG vom 7. Dezember 2010 - Anlage B 6).

Entsprechend ihrer Ankündigung vom 12. September 2010 (Meldung gemäß § 10 Abs. 1 und 3 i. V. m. §§ 29, 30 WpÜG vom 12. September 2010 - Anlage B 7) hat die Beklagte zum Zwecke der Realisierung der Mehrheitsbeteiligung und zur Vollkonsolidierung der Q im Jahr 2010 den Aktionären der Q am 7. Oktober 2010 ein freiwilliges öffentliches Übernahmeangebot (Barangebot) zum Erwerb ihrer Aktien gegen eine Geldleistung in Höhe von EUR 25,00 je Aktie in der Zeit zwischen dem 7. Oktober 2010 und 4. November 2010 unterbreitet (Anlage K 3). Die weitere Annahmefrist endete mit Ablauf des 24. November 2010. Vorstand und Aufsichtsrat der Q haben hierzu am 19. Oktober 2010 eine gemeinsame Stellungnahme abgegeben (Anlage K 4).

Der von der BaFin zum Stichtag 11. September 2010 ermittelte Drei-Monats-Durchschnittskurs betrug EUR 25,00 je Q-Aktie (Schreiben der BaFin an die Beklagte vom 21. September 2010 Anlage B 8). Am letzten Börsenhandelstag (10. September 2010) vor der Veröffentlichung der Entscheidung der Beklagten, ein Übernahmeangebot für die Q-Aktien zu machen, betrug der Schlusskurs der Q-Aktien im elektronischen Handelssystem XETRA EUR 27,035 (Ausdruck der Internetseite der Deutsche Börse, Anlage B 11). Am 12. August 2010 betrug der Schlusskurs der Q-Aktien im elektronischen Handelssystem XETRA EUR 23,950 (Ausdruck der Internetseite der Deutsche Börse AG, Anlage B 12). Am 12. März 2010, sechs Monate vor Veröffentlichung des Übernahmeangebots, betrug der Schlusskurs der Q-Aktien im elektronischen Handelssystem XETRA EUR 23,830 (Ausdruck der Internetseite der Deutsche Börse AG, Anlage B 13). Am 11. September 2009, zwölf Monate vor Veröffentlichung des Übernahmeangebots, betrug der Schlusskurs der Q-Aktien im elektronischen Handelssystem XETRA EUR 25,100 (Ausdruck der Internetseite der Deutsche Börse, Anlage B 14).

Die Beklagte, mit ihr gemeinsam handelnde Personen oder deren Tochterunternehmen haben in der Zeit vom 7. April 2010 (sechs Monate vor der Veröffentlichung der Angebotsunterlage) bis zum 6. Oktober 2010 (Tag vor der Veröffentlichung der Angebotsunterlage) keine Q-Aktien erworben und auch keine Vereinbarungen über den Erwerb von Q-Aktien getroffen. Für die Q-Aktien, die von der Beklagten bzw. ihren Tochtergesellschaften im Rahmen ihrer Geschäftstätigkeit im Handelsbestand gehalten und gehandelt werden, erteilte die BaFin am 20. September 2010 eine Befreiung nach § 20 Abs. 1 WpÜG (Anlage B 9).

Auch im Zeitraum zwischen der Veröffentlichung der Angebotsunterlage am 7. Oktober 2010 und der Veröffentlichung nach § 23 Abs. 1 S. 1 Nr.2 WpÜG am 10. November 2010 wurden keine entsprechenden Erwerbe von der Beklagten getätigt oder Erwerbsvereinbarungen abgeschlossen.

Nach dem 10. November 2010 erwarb die Beklagte außerhalb der Börse weitere Q-Aktien. Dabei wurde bis zum heutigen Tag in keinem Fall eine Gegenleistung erbracht oder vereinbart, die über der im Rahmen des Übernahmeangebots angebotenen Gegenleistung in Höhe von EUR 25,00 lag.

Insgesamt wurde das Übernahmeangebot während der Annahmefrist und der weiteren Annahmefrist für 48.194.431 Q-Aktien angenommen. Dies entspricht einem Anteil von ca. 22,02 % des Grundkapitals und der Stimmrechte der Q. Die Gesamtzahl der Stimmrechte aus Q-Aktien, die der Beklagten zugerechnet werden bzw. die sie selbst hält, belief sich nach der Durchführung des Übernahmeangebots auf 113.735.431 Stimmrechte, das entspricht einem Stimmrechtsanteil von circa 51,98 % (Meldung gemäß § 23 Abs. 1 Nr. 3 WpÜG vom 29. November 2010 - Anlage B 16).

Die Beklagte überschritt am 3. Dezember 2010 erstmals die Schwellen von 30 % und 50 % der Stimmrechte an der Q (Veröffentlichung der Q gemäß § 26 Abs. 1 WpHG vom 7. Dezember 2010 Anlage B 6).

Mit Pressemitteilung vom 14. Dezember 2010 hat die Beklagte bekanntgegeben, dass sie nach der Freigabe durch die US-amerikanischen Kartellbehörden die Q zum Stichtag 3. Dezember 2010 erstmalig konsolidieren wird (Presse-Mitteilung der Beklagten vom 14. Dezember 2010 - Anlage B 17).

Die Klägerin hat mit den ihr gehörenden 150.000 Stück Aktien der Q das freiwillige Übernahmeangebot der Beklagten angenommen. Die Beklagte zahlte dafür EUR 3.750.000,00 an die Klägerin.

Die Klägerin macht mit dieser Klage den Differenzbetrag zwischen dem von der Beklagten mit der A vereinbarten höchsten Erwerbspreis in Höhe von EUR 49,42 (Put-Option) und dem Angebotspreis aus dem freiwilligen Übernahmeangebot als Erfüllungsanspruch geltend. Anspruchsgrundlage ist das freiwillige Übernahmeangebot i. V. m. § 31 Abs. 1 WpÜG, vorsorglich in Verbindung mit § 30 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 5 und Abs. 2 WpÜG, § 35 WpÜG.

Die Klägerin ist der Auffassung, dass die Beklagte das Konstrukt eines dreiteiligen Erwerbs der Q-Aktien über den Kauf, die Pflichtumtauschanleihe und die Optionen gewählt habe, um sich einem Pflichtübernahmeangebot nach § 35 Abs. 1 WpÜG in Höhe der vereinbarten Kontrollprämie zu entziehen. Die Gesetzesumgehung liege darin, dass zwischen der Erwerbsverpflichtung im Jahre 2009 und deren dinglicher Erfüllung im Jahre 2012 ein freiwilliges Übernahmeangebot eingeschoben worden sei, das sich zulasten des Streubesitzes und zur Begünstigung des Paketbesitzes ein niedriges Kursniveau zunutze gemacht habe, um ein Pflichtangebot auf höherer Basis zu vermeiden.

Die Beklagte, die ursprünglich 2,1 % der Aktien der Q gehalten habe, habe durch die Zeichnung der Pflichtumtauschanleihe am 25. Februar 2009 zunächst weitere 27,4 % der Aktien der Q von der A erworben. Durch die am gleichen Tag vereinbarten Call/Put-Optionen seien weitere 12,1 % der Q-Aktien hinzugekommen. Formal sei das Eigentum an den Aktien bei der A verblieben. Das aus der Pflichtumtauschanleihe resultierende Anwartschaftsrecht sei aber dem Eigentum im Sinne des WpÜG gleichzustellen. Ähnliches gelte für die vereinbarten Call/Put-Optionen. Die Beklagte habe daher am 25. Februar 2009 die ein Pflichtangebot auslösende Schwelle von 30 % der Stimmrechte aus Q-Aktien überschritten. Die der Pflichtumtauschanleihe und den Optionen zugrunde liegenden Q-Aktien seien der Beklagten nach § 30 Abs. 1 Nr. 1, 2, 5 und Abs. 2 WpÜG zuzurechnen. In jedem Fall sei die Überschreitung der Kontrollschwelle von 30 % mit der Eintragung der Kapitalerhöhung am 06. März 2009 erfolgt, die der Beklagten die Verfügung über weitere 22,85 % des Grundkapitals der Q ermöglicht habe.

Der Anspruch ergebe sich zudem unmittelbar aus § 31 Abs. 1 S. 1 WpÜG in Verbindung mit § 31 Abs. 1 Nr. 6 WpÜG und §§ 3, 4 WpÜG-AngebotsVO. Denn die Vereinbarung der Pflichtumtauschanleihe falle in den Referenzzeitraum von sechs Monaten vor der Veröffentlichung des Übernahmeangebots, da die "Vereinbarung" erst mit der dinglichen Übernahme der Aktien im Februar 2012 beendet sei.

Da die Beklagte am 25. Februar 2009 die Schwelle von 30 % überschritten habe, hätte sie zu dem höchsten Erwerbspreis, nämlich zu EUR 49,42 (Put-Option), den Aktionären der Q ein Pflichtangebot unterbreiten müssen. Da sie im Rahmen des später unterbreiteten freiwilligen Übernahmeangebots nur EUR 25,00 je Q-Aktie angeboten habe und ein weiteres Angebot in Zukunft ausgeschlossen sei, stehe der Klägerin für die von ihr im Rahmen des freiwilligen Übernahmeangebots eingereichten Aktien der Differenzbetrag nebst Zinsen nach § 38 WpÜG zu.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, EUR 3.663.000,00 nebst 5 % Zinsen über dem Basiszins seit dem 15. November 2010 an die Klägerin zu zahlen (Anknüpfungspunkt Put-Option).

Vorsorglich,

die Beklagte zu verurteilen, EUR 3.557.500,00 nebst 5 % Zinsen über dem Basiszins seit dem 15. November 2010 an die Klägerin zu zahlen (Anknüpfungspunkt Call-Option).

Höchstvorsorglich,

die Beklagte zu verurteilen, EUR 3.067.500,00 nebst 5 % Zinsen über dem Basiszins seit dem 15. November 2010 an die Klägerin zu zahlen (Anknüpfungspunkt Zwangsumtauschanleihe).

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Meinung, dass der Anspruch der Klägerin auf Zahlung einer angemessenen Gegenleistung durch Erfüllung erloschen sei, da sie das freiwillige öffentliche Angebot der Beklagten angenommen habe. Die Beklagte habe im Rahmen des freiwilligen öffentlichen Angebots einen angemessenen Preis im Sinne von § 31 WpÜG gezahlt.

Ein Anspruch auf eine Differenzzahlung bestehe nicht. Die Angemessenheit der freiwillig angebotenen Gegenleistung sei zutreffend auf der Grundlage des gewichteten durchschnittlichen inländischen Börsenkurses der Q-Aktien während der letzten drei Monate vor dem Übernahmeangebot, das heißt im Zeitraum vom 12. Juni 2010 bis zum 11. September 2010, ermittelt worden. Der von der Klägerin genannte Dreimonatszeitraum vor Abschluss der Erwerbsvereinbarung am 25. Februar 2009 entbehre einer rechtlichen Grundlage.

Es lägen auch keine Vor-, Parallel- und Nacherwerbe gemäß § 31 Abs. 4, 5 WpÜG i. V. m. § 4 WpÜG-AngebotsVO vor. Die Nachtragsvereinbarung vom 14. Januar 2009 liege außerhalb des maßgeblichen Referenzzeitraums von sechs Monaten in der Zeit vom 7. April 2010 bis 6. Oktober 2010.

Die Pflichtumtauschanleihe und die Put- und Call-Optionen seien bei der Prüfung der Angemessenheit der angebotenen Gegenleistung nicht zu berücksichtigen, da sie nicht in den vorgenannten Zeiträumen vereinbart oder dinglich wirksam geworden seien. Die Vereinbarung vom 25. Februar 2009 liege vor Beginn des Vorerwerbszeitraums ab dem 7. April 2010. Vollzug trete im Februar 2012 ein, das heißt nach Ablauf des nachgelagerten Referenzzeitraums bis zum 9. November 2011.

Weitere Ansprüche der Klägerin kämen nicht in Betracht. Die Klägerin habe insbesondere keinen zivilrechtlichen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung der klageweise geltend gemachten Beträge wegen eines unterlassenen Pflichtangebots der Beklagten. Ein Pflichtangebot nach Abschluss der Nachtragsvereinbarung sei nicht gefordert gewesen. Aktien aus der Pflichtumtauschanleihe bzw. den Optionen seien der Beklagten nach § 30 WpÜG nicht zuzurechnen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der wechselseitigen Schriftsätze der Parteien und die dazu eingereichten Anlagen Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist unbegründet.

Die geltend gemachten Ansprüche auf Differenzzahlung bestehen nicht.

Vorlage eines Pflichtangebots nach § 35 WpÜG

Die Beklagte musste zu keinem Zeitpunkt ein Pflichtangebot gemäß § 35 Abs. 2 WpÜG veröffentlichen. Nach dieser Norm hat der Bieter innerhalb von vier Wochen nach der Veröffentlichung der Erlangung der Kontrolle über die Zielgesellschaft im Sinne von § 29 Abs. 2 WpÜG der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (nachfolgend "BaFin") eine Angebotsunterlage zu übermitteln und nach § 14 Abs. 2 S. 1 WpÜG ein Angebot zu veröffentlichen.

§ 35 WpÜG kommt als Anspruchsgrundlage für den geltend gemachten Zahlungsanspruch nicht in Betracht. § 35 WpÜG begründet öffentlichrechtliche Pflichten des Kontrollerwerbers. Die Norm begründet bei einem unterlassenen Pflichtangebot i.V.m. weder unmittelbar noch mittelbar iVm. § 823 Abs. 2 BGB ein Recht der Aktionäre gegen den Bieter auf Zahlung einer angemessenen Gegenleistung Zug um Zug gegen Übertragung ihrer Aktien. Das hat die Kammer bereits in anderer Sache entschieden und ausführlich begründet (LG Köln, Urteil vom 04. Februar 2011, Az. 82 O 30/09). Darauf kann verwiesen werden. Auch die Parteien gehen übereinstimmend davon aus, dass § 35 WpÜG vorliegend keine unmittelbaren Ansprüche der Klägerin gegen die Beklagte auf Zahlung der angemessenen Gegenleistung begründen kann.

Allerdings kann die Verpflichtung zur Abgabe eines Angebots im Sinne von § 35 WpÜG Auswirkungen auf die hier zu prüfende angemessene Gegenleistung des freiwilligen Übernahmeangebots der Beklagten haben. Ferner kann auch die von der Klägerin angesprochene Frage der Umgehung der §§ 31, 35 WpÜG tangiert sein.

Entgegen der Auffassung der Klägerin musste die Beklagte den Aktionären der Q im Februar 2009 mangels Kontrollerlangung nach § 29 Abs. 2 WpÜG kein Pflichtangebot nach § 35 Abs. 2 WpÜG vorlegen. Die Beklagte erlangte erst im Rahmen des freiwilligen Übernahmeangebots ab Oktober 2010 die Kontrolle über die Q. Im Einzelnen:

Zurechnung von Stimmrechten gemäß § 30 WpÜG

Die Beklagte selbst hat unstreitig keine 30% der Q-Aktien im Rahmen der Erwerbsvorgänge im Frühjahr 2009 zu Eigentum erworben. Zu erwägen ist daher allenfalls eine Zurechnung nach§ 30 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 5 WpÜG sowie § 30 Abs. 2 WpÜG.

Zurechnung nach § 30 Abs. 1 Nr. 1 WpÜG ("Aktien, die einem Tochterunternehmen gehören")

Der Rechtsauffassung der Klägerin, dass der Beklagten bzw. ihrem Tochterunternehmen die Aktien, die sie im Rahmen der Pflichtumtauschanleihe bzw. der Optionen im Februar 2012 erwerben wird, bereits im Frühjahr 2009 gehörten, kann nicht gefolgt werden.

Eigentum hat die Beklagte bzw. die X unstreitig nur hinsichtlich der am 06. März 2009 übergegangenen 22,9 % der Q-Aktien erworben. Mit den bereits von der X gehaltenen Aktien im Umfang von 2,1 % der Q-Aktien hielt die Beklagte damit mittelbar einen Anteil von 25,1 % der Q-Aktien.

Die Beklagte hat den vorstehenden Anteil von 25,1 % der Q-Aktien nicht durch die Vereinbarung der Pflichtumtauschanleihe bzw. der Optionen über den Schwellenwert von 30 % erhöht. Die Q-Aktien aus der Pflichtumtauschanleihe bzw. den Optionen gehörten der Beklagten im Frühjahr 2009 nicht.

Nach §§ 29, 30 WpÜG werden die Aktien vom Bieter gehalten bzw. gehören ihm oder dem Tochterunternehmen, wenn zivilrechtlich das Eigentum an den Aktien erworben wurde (von Bülow, in: Kölner Komm. WpÜG, 2003, § 29 Rn. 91 und § 30 Rn. 45). Nach herrschender und zutreffender Meinung führt hingegen ein schuldrechtlicher Anspruch auf Übertragung von Aktien nicht dazu, dass die Stimmrechte aus den vertragsgegenständlichen Aktien bereits dem Tochterunternehmen im Sinne von § 30 Abs. 1 Nr. 1 WpÜG gehören. Dasselbe gilt auch für einen Optionsvertrag, mit dem einem Begünstigten das Recht gewährt wird, einen Anspruch auf Lieferung von Aktien (Kauf-Option) zu begründen. Gleiches gilt schließlich auch dann, wenn das Eigentum an der Aktie aufschiebend bedingt auf den Erwerbsberechtigten übertragen wurde. Der Inhaber des dadurch bedingten dinglichen Anwartschaftsrechts an der Aktie ist zwar im Hinblick auf eventuelle Zwischenverfügungen des Übertragenden nach § 161 Abs. 1 BGB gesichert. Bis zum Erstarken des Anwartschaftsrechts zum vollen Eigentum ist er jedoch nicht zivilrechtlicher Eigentümer der Aktie, sie gehört ihm nicht und er kann auch die daraus folgenden Stimmrechte nicht ausüben (von Bülow, in: Kölner Komm. WpÜG, 2003, § 29 Rn. 95 mwN.).

Unstreitig verschafften die Pflichtumtauschanleihe und die Kauf- und Verkaufs-Optionen der Beklagten im Februar 2009 kein Eigentum an den Q-Aktien.

Der Klägerin ist nicht darin zuzustimmen, dass die schuldrechtliche Vereinbarung und die dingliche Übereignung wirtschaftlich als ein Vorgang anzusehen sind, der bereits im Februar 2009 vollzogen worden sei. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass das zivilrechtliche Abstraktionsprinzip, d. h. die Unterscheidung zwischen schuldrechtlicher Verpflichtung und dinglicher Übertragung, bei §§ 29 Abs. 2, 30 Abs. 1 Nr. 1 WpÜG außer Kraft gesetzt werden sollte.

Es kann für den Tatbestand des § 30 Abs. 1 Nr. 1 WpÜG offen bleiben, ob die Beklagte im Februar 2009 ein dem Eigentum vergleichbares dingliches Anwartschaftsrecht bezüglich der Q-Aktien, die im Rahmen der Pflichtumtauschanleihe bzw. der Optionen ab 2012 dinglich erworben werden (können), begründet hat. Denn dem Anwartschaftsberechtigten gehören die Aktien nicht und folglich kann er daraus auch keine Stimmrechte herleiten.

Zurechnung gemäß § 30 Abs. 1 Nr. 2 WpÜG (Halten für Rechnung des Bieters)

Der Tatbestand der Zurechnung gemäß § 30 Abs. 1 Nr. 2 WpÜG - Zurechnung von Aktien, die einem Dritten gehören und von ihm für Rechnung des Bieters gehalten werden - ist im Februar 2009 ebenfalls nicht verwirklicht worden.

§ 30 Abs. 1 Nr. 2 WpÜG erfasst Sachverhalte, in denen die Aktien zwar nicht dem Bieter gehören, ihm aber wirtschaftlich zuzurechnen sind. Das ist typischerweise der Fall, wenn den Bieter ganz oder teilweise die Chancen und Risiken aus der Aktie treffen und er auf die Stimmrechtsausübung Einfluss nehmen kann. Stimmrechtseinfluss ist gegeben, wenn der Dritte nach den Weisungen des Bieters abstimmt bzw. eine Stimmrechtsabgabe im Sinne des Bieters tatsächlich als gesichert erscheint. Eine Zurechnung von Stimmrechten nach § 30 Abs. 1 Nr. 2 WpÜG scheidet folglich aus, wenn der Berechtigte auf die Ausübung des Stimmrechts aus der betreffenden Aktie keinen Einfluss nehmen kann und es nach den Umständen auch nicht zu erwarten ist, dass der Dritte die Stimmrechte mit Rücksicht auf die Interessen des Bieters wahrnehmen wird (von Bülow, in: Kölner Komm. WpÜG, 2003, § 30 Rn. 53 f.; Wackerbarth, in: Münchner Komm. AktG, 3. Aufl., 2001, § 30 WpÜG Rn. 21; Süßmann, in: Geibel/Süßmann, WpÜG, 2. Auflage, 2008, § 30 Rn. 6).

Eine ausdrückliche Vereinbarung, wonach die Aktien aus der Pflichtumtauschanleihe für Rechnung der Beklagten von der A gehalten werden, ist nicht nachweisbar. Davon geht auch die Klägerin aus. Auch für eine stillschweigende Vereinbarung gibt der Vortrag der Klägerin nichts her.

Wirtschaftlicher Übergang der Q-Aktien

Entgegen der klägerischen Rechtsauffassung sind schon nicht sämtliche Risiken und Chancen aus den von der Pflichtumtauschanleihe und den Optionen erfassten Q-Aktien auf die Beklagte übergegangen. Die Klägerin meint, die Beklagte treffe insbesondere das Ausfall- und Kursrisiko. Das werde zudem deutlich durch die Bilanzierung der Umtausch-Aktien als Eigenkapital der Beklagten dokumentiert. Die Möglichkeit der Einflussnahme auf die Stimmrechtsausübung werde bei einem Anwartschaftsrecht stets indiziert, weil die rechtliche Verpflichtung zur Interessenwahrung bei der Ausübung des Stimmrechts bestehe.

Wie die Beklagte zu Recht ausführt, ging am 25. Februar 2009 das wirtschaftliche Risiko hinsichtlich der Q-Aktien, die der Pflichtumtauschanleihe unterliegen oder Gegenstand der Put- und Call-Optionen sind, nicht in einem für eine Zurechnung relevanten Maß auf die Beklagte über. Die Rechte aus den vorbezeichneten Aktien stehen bis 2012 der A zu. Die Beklagte trägt bis 2012 zwar das Verlust- und das Insolvenzrisiko bezüglich der Pflichtumtauschanleihe bzw. der Optionen, nicht aber bezüglich der Aktien, da diese noch nicht übergegangen sind.

Abgesehen davon steht das Stimm- und Dividendenrecht aus den Umtausch- und Options-Aktien der Q bis 2012 der A zu. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, dass die Klägerin in der Replik mit Nichtwissen bestritten hat, dass das Gewinnbezugsrecht bezüglich der Aktien aus der Pflichtumtauschanleihe bei der A verblieben ist. Die Klägerin kann sich darauf nicht beschränken, da sie diesbezüglich darlegungs- und beweisbelastet ist.

Die unstreitige Tatsache, dass die Anleihe mit 4 % verzinst wird, ist kein wirtschaftliches Surrogat für das Gewinnbezugsrecht im Sinne einer "Garantiedividende", wie die Klägerin meint. Die für die Anleihe vereinbarten Zinsen sind die Gegenleistung für die Bereitstellung von Kapital. Diese Gegenleistung ist völlig unabhängig davon, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe Dividenden bei der Q anfallen.

Die Art und Weise der Bilanzierung der Q-Beteiligung im Abschluss der Beklagten sagt hingegen nichts darüber aus, wen die Chancen und Risiken im Sinne von § 30 Abs. 1 Nr. 2 WpÜG treffen.

Einfluss auf die Stimmrechtsausübung

Die Klägerin hat auch nicht hinreichend erläutert, dass die Beklagte auf die Stimmrechtsausübung der A bezüglich der Q-Aktien ab Februar 2009, vergleichbar einem Treugeber, Einfluss nehmen konnte. Die Klägerin hat sich dazu nicht mehr konkret geäußert, nachdem die Beklagte in der Klageerwiderung dezidiert bestritten hat, dass sie auf die Stimmrechtsausübung durch die A hinsichtlich der Q-Aktien aus der Anleihe und den Optionen Einfluss nehmen kann.

Die Ausführungen der Klägerin zu etwaigen vertraglichen Nebenpflichten der A gegenüber der Beklagten aus der Nachtragsvereinbarung gemäß §§ 242 BGB, 162 BGB lassen nicht die Schlussfolgerung zu, dass die A die Stimmrechte aus den Q-Aktien ausschließlich im Interesse der Beklagten ausüben wird. Die A steht nicht im Lager der Beklagten. Sie und die A sind Vertragspartner mit grundsätzlich gegenläufigen wirtschaftlichen Interessen. Die A verfolgt bis 2012 noch eigene wirtschaftliche Interessen, zum Beispiel hinsichtlich der Dividenden (a.A.: Meilicke/Meilicke, ZIP 2010, 558, 562, die ohne nachvollziehbare Begründung davon ausgehen, dass die A ab dem 25. Februar 2009 jedes Eigeninteresse an der wirtschaftlichen Entwicklung der verkauften Q-Aktien verloren hat).

Zurechnung nach § 30 Abs. 1 Nr. 3 WpÜG (Sicherheitsübertragung)

Eine Zurechnung von zur Sicherheit übertragenen Aktien nach § 30 Abs. 1 Nr. 3 WpÜG ist von der Klägerin nicht schlüssig vorgetragen worden.

Die Klägerin hat den Vortrag der Beklagten aufgegriffen, die Pflichtumtauschanleihe sei besichert. Obwohl die Klägerin die Einzelheiten zur Besicherung der Pflichtumtauschanleihe nach eigenen Angaben nicht kennt, mutmaßt sie, dass der Beklagten Q-Aktien zur Sicherheit übertragen worden seien. Dieser Vortrag ist ohne jede Substanz, da er nicht erkennen lässt, ob und gegebenenfalls wie viele Aktien der Q der Beklagten sicherungshalber übertragen wurden und wer die Rechte aus den Aktien ausüben kann. Die Beklagte ist auch nicht verpflichtet, den pauschalen und nicht einlassungsfähigen Vortrag der Klägerin im Rahmen einer sekundären Darlegungslast zu spezifizieren.

Zurechnung nach § 30 Abs. 1 Nr. 5 WpÜG (Aktien, die der Bieter durch eine Erklärung erwerben kann)

§ 30 Abs. 1 Nr. 5 WpÜG - Zurechnung von Aktien, die der Bieter durch eine Willenserklärung erwerben kann erfasst die Aktien der Q aus der Pflichtumtauschanleihe und den Optionen nicht.

Betroffen sind lediglich dingliche Erwerbe, nicht schuldrechtliche Forderungen. Zwar war früher streitig, ob die Zurechnungsnorm nach § 30 Abs. 1 Nr. 5 WpÜG ausschließlich den dinglichen Erwerb oder auch den schuldrechtlichen Anspruch auf dinglichen Erwerb erfasste. Diese Streitfrage ist inzwischen aber durch den Gesetzgeber für das WpÜG und WpHG geklärt worden. Nach hM. erfasst Nr. 5 nur noch Vereinbarungen, durch die einer Person eine dingliche Option auf das stimmrechtsvermittelnde Wertpapier eingeräumt ist, der Erwerb also nur noch von einer Potestativbedingung zugunsten des Bieters abhängig ist. Schuldrechtliche Vereinbarungen, die einen Lieferanspruch enthalten oder bei Optionen das Recht zum Abschluss eines Kaufvertrages einräumen, lösen aus diesem Grund noch keine Zurechnung nach § 30 Abs. 1 Nr. 5 WpÜG aus. Hintergrund ist, dass noch keine unangreifbare Rechtsposition des Bieters entstanden ist, die einen Eigentumsübergang gesichert erscheinen lässt, solange der Verkäufer der Aktien bzw. der Option Einwendungen oder Rücktrittsrechte geltend machen oder seine Lieferverpflichtungen schlicht nicht erfüllen kann (Wackerbarth, in: Münchner Komm. AktG, 3. Aufl., § 30 WpÜG Rn. 25 mwN.; von Bülow, in: Kölner Komm. WpÜG, 2003, § 30 Rn. 83; Süßmann, in: Geibel/Süßmann, WpÜG, 2. Auflage, 2008, § 30 Rn. 22; Begründung Regierungsentwurf zu § 30 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 WpÜG, BT-Drucks. 14/7034 , S. 54).

Die Beklagte hat erläutert, dass die Pflichtumtauschanleihe bei Fälligkeit lediglich einen schuldrechtlichen Anspruch auf Übertragung des dinglichen Eigentums vermittelt, so dass der Erwerb der Q-Aktien zu Eigentum die Abgabe entsprechender Erklärungen durch die A voraussetze. Das entspricht der Rechtslage im Normalfall, dass das Eigentum an Aktien, die durch einen Umtausch bezogen werden, nicht ausschließlich aus eigener Initiative erworben werden, sondern es dabei der Mitwirkung des Anleihenehmers bzw. der Zielgesellschaft bedarf (von Bülow, in: Kölner Komm. WpÜG, 2003, § 30 Rn. 96; Süßmann, in: Geibel/Süßmann, WpÜG, 2. Auflage, 2008, § 30 Rn. 23). Gleiches gilt für Optionen.

Die Klägerin hat diesen Vortrag nicht widerlegen können. Soweit sie auch in diesem Zusammenhang bestritten hat, dass die Pflichtumtauschanleihe und die Optionen schuldrechtlich ausgerichtet sind, und sie die Beklagte zur Vorlage des Nachtragsvertrages aufgefordert hat, liegt ein beachtlicher Prozessvortrag nicht vor. Tatsache ist, dass die darlegungs- und beweisbelastete Klägerin ins Blaue hinein vorträgt, dass die Beklagte auf die Umtausch- und Options-Aktien der Q einen dinglich ausgestalteten Zugriff im Sinne eines Anwartschaftsrechts hat. Dafür fehlt jeglicher Anhaltspunkt. Die Beklagte trifft deshalb auch keine sekundäre Darlegungslast durch Offenlegung der Verträge.

Entgegen der Auffassung der Klägerin kommt es nicht darauf an, dass sehr wahrscheinlich eine der Optionen im Jahre 2012 ausgeübt werden wird. Das besagt lediglich, dass es in 2012 zum Erwerb weiterer Q-Aktien durch die Beklagte kommen wird, allerdings lediglich auf der Grundlage schuldrechtlicher Ansprüche. Die Gewissheit der Optionsausübung führt nicht zu einer quasi dinglichen Rechtsposition der Beklagten.

Das weitere Argument der Klägerin, dass die Pflichtumtauschanleihe den Vertragsparteien überhaupt keine Willensfreiheit mehr lasse, da die A liefern und die Beklagte abnehmen müsse, ist ohne Substanz. Dieser Vortrag täuscht darüber hinweg, dass aus der Pflichtumtauschanleihe lediglich schuldrechtliche Verpflichtungen begründet werden, die die Willensfreiheit der Parteien nicht ausschließen. Entscheidend ist, dass die schuldrechtlichen Vereinbarungen von den Vertragsparteien noch umgesetzt werden müssen.

Die weiteren Ausführungen der Klägerin, die darauf hinauslaufen, den Unterschied zwischen schuldrechtlicher Verpflichtung und dinglicher Übertragung zu nivellieren, überzeugen auch in diesem Zusammenhang nicht. Unerheblich ist, dass der Markt Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäfte nicht unterscheidet, wie die Klägerin meint. Darauf kommt es nach der Ratio des § 30 Abs. 1 Nr. 5 WpÜG nicht an.

Zurechnung nach § 30 Abs. 2 WpÜG (abgestimmtes Verhalten "acting in concert")

Auch die von der Klägerin geltend gemachte Zurechnung nach § 30 Abs. 2 WpÜG abgestimmtes Verhalten "acting in concert" scheitert.

Nach § 30 Abs. 2 WpÜG werden dem Bieter auch Stimmrechte eines Dritten aus Aktien der Zielgesellschaft in voller Höhe zugerechnet, mit denen der Bieter oder sein Tochterunternehmen sein Verhalten in Bezug auf die Zielgesellschaft auf Grund einer Vereinbarung oder in sonstiger Weise abstimmt. Ausgenommen sind Vereinbarungen in Einzelfällen. Ein abgestimmtes Verhalten setzt nach § 30 Abs. 2 S. 2 WpÜG voraus, dass der Bieter oder sein Tochterunternehmen und der Dritte sich über die Ausübung von Stimmrechten verständigen oder mit dem Ziel einer dauerhaften und erheblichen Änderung der unternehmerischen Ausrichtung der Zielgesellschaft in sonstiger Weise zusammenwirken.

Die Zurechnung aufgrund gemeinsamen Handelns ohne Vereinbarung über die Stimmrechtsausübung zählt zu den am meisten umstrittenen und in ihrer Anwendung schwierigsten Regelungen des Übernahmerechts. Im Rahmen des § 30 Abs. 2 S. 2 WpÜG verlangt der Gesetzgeber durch die Neufassung mit Wirkung vom 19. August 2008 (Gesetz vom 12. August 2008, BGBl. I S. 1666) nunmehr, auf materielle Gesichtspunkte - namentlich das "Ziel einer dauerhaften und erheblichen Änderung der unternehmerischen Ausrichtung der Zielgesellschaft" - abzustellen, um eine Zurechnung zu bewirken. Das bedeutet eine Einschränkung des ehemals weiten Tatbestands des § 30 Abs. 2 WpÜG und des identischen § 22 Abs. 2 WpHG (Wackerbarth, in: Münchner Komm. AktG, 3. Aufl., § 30 WpÜG Rn. 21).

Eine Abstimmung in sonstiger Weise liegt vor, wenn keine (auch keine unverbindliche) Absprache getroffen wurde, sondern vielmehr tatsächliche Umstände geschaffen wurden, die - ähnlich den Grundsätzen für die Mehrmütterherrschaft im Konzern- und Kartellrecht - eine gleichgerichtete Stimmabgabe in der Hauptversammlung erwarten lassen. Beispiele dafür bilden vor allem die Fälle der Personenidentität, etwa die identische Besetzung von Leitungsorganen mehrerer Gesellschaften oder eine identische Anteilseignerstruktur. Eine bloß gleichgerichtete Stimmabgabe auf der Hauptversammlung der Zielgesellschaft reicht materiell weder für die Annahme einer Vereinbarung noch für eine Abstimmung in sonstiger Weise aus (Wackerbarth, in: Münchner Komm. AktG, 3. Aufl., § 30 WpÜG Rn. 36 f. mwN.).

Eine Vereinbarung zwischen der Beklagten und der A zur Verständigung über die Ausübung von Stimmrechten aus den Q-Aktien hat die Klägerin nicht dargelegt. Die Nachtragsvereinbarung als solche enthält keine Absprachen über die Ausübung von Stimmrechten.

Hinreichende Anhaltspunkte für ein abgestimmtes Verhalten im Hinblick auf die Ausübung der Stimmrechte aus den Q-Aktien mit dem Ziel einer dauerhaften und erheblichen Änderung der unternehmerischen Ausrichtung der Zielgesellschaft sind ebenfalls nicht dargelegt worden.

Die Klägerin folgert ein abgestimmtes Verhalten bereits daraus, dass die Beklagte durch die Rechte aus der Pflichtumtauschanleihe und den Optionen Einfluss auf die Unternehmensentwicklung der Q erlangt habe. Die A könne als Optionsgeber keiner unternehmerischen Maßnahme bei der Q mehr zustimmen, die gegen die Beklagte gerichtet sei. Unter Berücksichtigung von § 242 BGB könne die A auch keine Strukturmaßnahmen bei der Q unterstützen. Insgesamt orientiere sich das operative Geschäft der Q bereits an den Vorgaben der Beklagten, indem über den Kooperationsvertrag bereits die zukünftige Eingliederung der Q in den Konzern der Beklagten eingeleitet sei. Ausreichend sei insgesamt eine Beeinflussung der Unternehmensführung der Zielgesellschaft. Außerdem habe die Beklagte mit der A eine Vereinbarung über die Zusammensetzung des Gesellschafterkreises getroffen, die eine Festschreibung des Anteilsbesitzes bis zum Jahre 2012/13 vorsehe. Damit werde gewährleistet, dass in dem Zeitraum von 2009 bis 2012 kein Dritter ein Übernahmeangebot abgeben könne. Damit stimme ferner überein, dass die A der Beklagten zwei Mandate im Aufsichtsrat eingeräumt habe, dass unmittelbar nach der Neubesetzung des Aufsichtsrats der langjährige Vorstand der Q abgesetzt worden sei, dass die Q durch den Kooperationsvertrag bereits auf die Ausrichtung der Beklagten "getrimmt" worden sei und dass die Beklagte in ihrer Bilanz die Aktien der Pflichtumtauschanleihe als ihr gehörend ausweise. Diese Fakten begründeten zumindest einen Anscheinsbeweis für ein acting in concert.

Die Beklagte hat Absprachen jeder Art zwischen ihr und der A hinsichtlich der Geschäftsausrichtung der Q ausdrücklich bestritten. Die A sei rechtlich und tatsächlich frei, ihre Stimmrechte aus den der Pflichtumtauschanleihe und den Optionen unterliegenden Q-Aktien nach eigenem Dafürhalten auszuüben.

Vertragliche Rücksichtnahmepflichten

Der Klägerin ist zwar darin zuzustimmen, dass die A unter Berücksichtigung von Treu und Glauben nach § 242 BGB zwar alles unterlassen muss, was den Vertragserfolg, d. h. den Vollzug der Nachtragsvereinbarung, gefährdet. Allerdings steht § 242 BGB lediglich einem missbräuchlichen Verhalten der A entgegen. § 242 BGB ist aber keine Basis, über die die Beklagte im Zusammenwirken mit der A Einfluss auf deren Stimmrechtsausübung hinsichtlich der Ausrichtung der Q nehmen kann. Denn die A wird durch § 242 BGB nicht gehindert, bis zur Übertragung ihrer Q-Aktien auf die Beklagte ihre daraus resultierenden Rechte wahrzunehmen. Sie ist bis dahin rechtlicher und wirtschaftlicher Inhaber der Aktien. Sie muss nach den §§ 162, 242 BGB lediglich Maßnahmen unterlassen, die den Vertragszweck gefährden und ihr eine Erfüllung der Nachtragsvereinbarung, d. h. die Übertragung von Aktien im Rahmen der Pflichtumtauschanleihe bzw. der Optionen an die Beklagte, unmöglich machen. Damit führen die vorstehenden Vorschriften gerade nicht zu einem Abstimmungsbedarf zwischen der A und der Beklagten und auch nicht zu einem zu erwartenden vorauseilenden Gehorsam der A im Hinblick auf die Ausübung der Stimmrechte im mutmaßlichen Interesse der Beklagten.

Erwerb von zwei Aufsichtsratssitzen und Abberufung des Vorstands

Die Tatsache, dass der Beklagten am 11. März 2009 zwei Aufsichtsratssitze im zehnköpfigen Aufsichtsrat der Q (nur Anteilseignervertreter) eingeräumt worden sind, ist angesichts des im März 2009 von der Beklagten übernommenen 25 %igen Pakets an Q-Aktien nicht ungewöhnlich und folglich auch kein Indiz für ein abgestimmtes Verhalten im Hinblick auf die Stimmrechte aus Aktien der Pflichtumtauschanleihe und der Optionen. Ob das Handelsblatt in diesem Zusammenhang gemutmaßt hat, dass die Beklagte nun ein "Vetorecht" im Aufsichtsrat der Q habe, ist bedeutungslos. Gleiches gilt für die Tatsache, dass der ehemalige Vorstand der Q nachfolgend vom neuen Aufsichtsrat abberufen wurde und die Presse dafür, etwa die Welt am Sonntag vom 31. Mai 2009, die Beklagte verantwortlich machte. Die genauen Gründe sind nicht bekannt, insofern kann die Klägerin nur spekulieren.

Auswirkungen des Kooperationsvertrags

Der im März 2009 vereinbarte Kooperationsvertrag ist an sich keine Abstimmungsbasis im Sinne von § 30 Abs. 2 WpÜG, da er zwischen der Beklagten und der Zielgesellschaft vereinbart wurde. In Betracht kommt eine Abstimmung zwischen der A und der Beklagten allenfalls dadurch, dass die A im Aufsichtsrat der Q, zusammen mit der Beklagten, dem Kooperationsvertrag zugestimmt hat.

Der Begriff der Änderung der unternehmerischen Ausrichtung im Sinne von § 30 Abs. 2 S. 2 WpÜG muss relativ zu den Zielen und Plänen des derzeitigen Inhabers der Kontrolle (Vorstand oder Großaktionär) der Zielgesellschaft verstanden werden, da dieser die unternehmerische Ausrichtung bestimmt. Andernfalls würde man die Zurechnung gerade in den Fällen bejahen, in denen Aktionäre den derzeitigen Inhaber der Kontrolle unterstützen. In diesem Falle ist ihr Ziel jedoch nicht kontrollrelevant, eine Zurechnung ergäbe keinen Sinn. Das WpÜG will aber in erster Linie auf einen bevorstehenden oder erfolgten Kontrollwechsel reagieren. Im Ergebnis geht es also lediglich um einen dauerhaften und erheblichen Gegensatz der sich Abstimmenden zum derzeitigen Inhaber der Kontrolle (Wackerbarth, in: Münchner Komm. AktG, 3. Aufl., § 30 WpÜG Rn. 43).

Auch wenn die Klägerin den genauen Inhalt der Kooperationsvereinbarung nicht kennt, behauptet sie in diesem Zusammenhang, damit sei die Eingliederung der Q in den Konzern der Beklagten vorweggenommen worden. Die Kooperationsvereinbarung habe zu einer Neuausrichtung der Q auf die Interessen der Beklagten geführt. Die Beklagte habe fortlaufend über die Erfolge der Kooperation in den Bereichen Vertrieb, Einkauf und IT-Infrastruktur berichtet. Es sei mitgeteilt worden, dass die Q eine Stufenzinsanleihe der Beklagten in einem Volumen von EUR 330 Mio. verkauft habe, andererseits sei der Verkauf von Riester-Produkten über die zum Konzern der Beklagten gehörende DWS gut gelaufen und die Beklagte habe der Q im großen Umfang Firmenkunden für das Factoring-Geschäft zugeführt. Ferner sei die Q von der Beklagten bei Vermögensanlagen unterstützt worden. Die Kooperation habe zur Hebung wechselseitiger Synergien in einem Umfang von EUR 1 Mrd. pro Jahr führen sollen nach Angaben der Beklagten tatsächlich auch geführt. Im vergangenen Jahr sei schließlich vom Aufsichtsrat der Q das Programm "Q 4 Future" gebilligt worden, das einen weiteren Meilenstein der Integration der Q in die Beklagte darstelle. Damit wolle die Q auf der Produktseite ihr Profil stärken durch die Straffung ihres Produktangebotes sowie den Vertrieb und den Service weiter ausbauen.

Aus dem Vortrag der Klägerin wird damit lediglich klar, dass die Kooperationsvereinbarung zwischen der Q und der Beklagten sowohl der Q als auch der Beklagten diente, da wechselseitige Synergien erzielt wurden und werden. Damit diente die Kooperationsvereinbarung auch der A als Mehrheitsaktionärin. Die Kooperationsvereinbarung war daher für alle Beteiligten wirtschaftlich sinnvoll und berücksichtigt die Interessen der Vertragsparteien bzw. der A angemessen. Auf der Grundlage des Kooperationsvertrages sind einseitige Vorgaben seitens der Beklagten im Sinne eines "Weisungsrecht" o. ä. nicht möglich. Ob die Beklagte den Kooperationsvertrag in dieser Weise auch ohne Nachtragsvereinbarung geschlossen hätte - dieser Vortrag der Beklagten wird von der Klägerin bestritten - kann letztlich offen bleiben. Es fehlt jedenfalls jeder Hinweis darauf, dass die Beklagte durch den Kooperationsvertrag ihr Verhalten mit der A in Bezug auf die Stimmrechte aus Aktien der Q mit dem Ziel einer dauerhaften Unternehmensausrichtung der Q abgestimmt hat. Von einer vorweggenommenen Eingliederung der Q bzw. einer Neuausrichtung ihrer Geschäftspolitik auf die Interessen der Beklagten, vergleichbar den Möglichkeiten, die ein Unternehmensvertrag oder eine Eingliederung bieten, kann überhaupt keine Rede sein.

Es ist schließlich auch nicht ersichtlich, dass der Kooperationsvertrag ohne eine gleichzeitige Kontrolle im Sinne von § 29 Abs. 2 WpÜG seinen Sinn verlieren würde. Dass der Kooperationsvertrag im Hinblick auf den Erwerb von Aktien der Q durch die Beklagte im Jahre 2012 vorteilhaft sein kann, rechtfertigt im Gegenschluss nicht die Annahme, dass er dann zur Wahrung des Einflusses in den Vorjahren bereits mit der A zwecks Kontrolle der Q abgestimmt sein muss.

Ob die Beklagte die Q-Aktien aus der Pflichtumtauschanleihe als ihr gehörend bilanziert hat, hat für den Tatbestand des abgestimmten Verhaltens keine Aussagekraft. Das Bilanzierungsrecht und das Übernahmerecht verfolgen unterschiedliche Ziele. Im übrigen hat die Beklagte ausgeführt, dass sie nach anerkannten Bilanzierungsgrundsätzen gehalten sei, die Pflichtumtauschanleihe nach der Equity-Methode zu bilanzieren, da die bilanzrechtliche Betrachtung künftige Entwicklungen des Anteilseigentums, das heißt auch zivilrechtlich noch nicht übertragene Aktien, einbeziehen müsse. Dazu hat sich die Klägerin nicht mehr geäußert.

Vereinbarung über die Zusammensetzung des Gesellschafterkreises

Schließlich kann schon in tatsächlicher Hinsicht nicht davon ausgegangen werden, dass die Beklagte und die A eine Vereinbarung über die Zusammensetzung des Gesellschafterkreises und/oder eine Festschreibung des Anteilsbesitzes bis zum Jahr 2012/2013 vereinbart haben.

Die Beklagte hat diese von der Klägerin erstmalig in der Replik eingeführte Behauptung bestritten. Die Klägerin hat nachfolgend weder ihren Vortrag konkretisiert noch unter Beweis gestellt.

Abgesehen davon wäre der diesbezügliche Vortrag der Klägerin auch rechtlich unerheblich. Vereinbarungen über das Halten von Aktien, sog. Standstill-Agreements, haben im Rahmen eines Wertpapiererwerbs- oder Übernahmeangebots nach der zutreffenden hM. grundsätzlich keine maßgebende Bedeutung (LG Hamburg, Urteil vom 16.10.2006 - 412 O 102/04, AG 2007, 177, 179; LG München I, Urteil vom 11.03.2004 - 5 HKO 16972/03, ZIP 2004, 1101; Schockenhoff/Schumann ZGR 2005, 568, 579; von Bülow, in: Kölner Komm. WpÜG, 2003, § 30 Rn. 124; Noack/Zetzsche, in: Schwark, 4. Aufl., Rn 22; a. A.: Wackerbarth, in: Münchner Komm. AktG, 3. Aufl., § 30 WpÜG Rn. 47 mwN.). Denn eine Vereinbarung zwischen Gesellschaftern, nicht über die an der Zielgesellschaft gehaltenen Stimmrechtsanteile zu verfügen, ändert nichts an der Tatsache, dass jeder Gesellschafter die Rechte aus seinen Aktien im eigenen Interesse ausüben kann und wird, d. h. dass keine Abstimmung mit den anderen Gesellschaftern zur Ausübung der Stimmrechte vorliegt.

Anspruch auf Zahlung der angemessenen Gegenleistung gemäß § 31 WpÜG

Der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch auf Zahlung eines Differenzbetrages gemäß § 31 WpÜG ist nicht begründet.

Nach § 31 Abs. 1 WpÜG hat der Bieter den Aktionären der Zielgesellschaft im Rahmen eines Übernahmeangebots eine angemessene Gegenleistung anzubieten. Bei der Bestimmung der angemessenen Gegenleistung sind grundsätzlich der durchschnittliche Börsenkurs der Aktien der Zielgesellschaft und die Erwerbe von Aktien der Zielgesellschaft durch den Bieter, mit ihm gemeinsam handelnder Personen oder deren Tochterunternehmen zu berücksichtigen.

In der Literatur wird auf der Grundlage von § 31 WpÜG ein Anspruch auf Zahlung eines Differenzbetrages zwischen einem angebotenen Betrag und einer angemessenen Gegenleistung zu Recht anerkannt. Insofern gewährt § 31 WpÜG einen gesetzlich ausgestalteten vertraglichen Anspruch (Süßmann, in: Geibel/Süßmann, WpÜG, 2. Auflage, 2008, § 31 Rn. 78; Kremer/Oesterhaus, in: Kölner Komm. WpÜG, 2003, § 31 Rn. 105; Wackerbarth, in: Münchner Komm. AktG, 3. Aufl., § 31 Rn. 3).

Angemessene Gegenleistung

Die von der Beklagten im freiwilligen Übernahmeangebot offerierte Gegenleistung in Höhe von EUR 25,00 für die Q-Aktien war angemessen.

Die Gegenleistung ist angemessen, wenn sie den Vorgaben von § 31 WpÜG i. V. m. §§ 4, 5 WpÜG-AngebotsVO entspricht.

Berücksichtigung inländischer Börsenkurse nach § 31 Abs. 1 WpÜG in Verbindung mit § 5 WpÜG-AngebotsVO

Nach § 31 Abs. 1 WpÜG in Verbindung mit § 5 WpÜG-AngebotsVO muss die Gegenleistung mindestens dem gewichteten durchschnittlichen inländischen Börsenkurs der Aktien der Zielgesellschaft während der letzten drei Monate vor der Veröffentlichung der Entscheidung zur Abgabe des Übernahmeangebots entsprechen.

Da die Entscheidung der Beklagten zur Abgabe des Übernahmeangebots am 12. September 2010 veröffentlicht wurde, war vorliegend der Zeitraum vom 12. Juni 2010 bis zum 11. September 2010 maßgeblich.

Der von der BaFin ermittelte Drei-Monats-Durchschnittskurs zum Stichtag 11. September 2010 betrug unstreitig EUR 25,00 und entsprach damit der von der Beklagten angebotenen Gegenleistung. Folglich hat die Beklagte eine nach Maßgabe des § 31 WpÜG angemessene Gegenleistung angeboten.

Vor-, Parallel- und Nacherwerbe gemäß § 31 Abs. 4, 5 WpÜG i. V. m. § 4 WpÜG-AngebotsVO

Vor-, Parallel- und Nacherwerbe, die für die angemessene Gegenleistung gemäß § 31 Abs. 1 WpÜG relevant sein konnten, lassen sich nicht feststellen.

Vorerwerbe

Die Beklagte hat in dem nach § 31 Abs. 1 und 6 WpÜG in Verbindung mit § 4 WpÜG AngebotsVO maßgeblichen Vorerwerbszeitraum von sechs Monaten keine Aktien der Q für einen über EUR 25,00 liegenden Preis erworben.

Nach § 4 AngebotsVO muss die Gegenleistung für die Aktien der Zielgesellschaft mindestens dem Wert der höchsten vom Bieter, einer mit ihm gemeinsam handelnden Person oder deren Tochterunternehmen gewährten oder vereinbarten Gegenleistung für den Erwerb von Aktien der Zielgesellschaft innerhalb der letzten sechs Monate vor der Veröffentlichung nach § 14 Abs. 2 S. 1 WpÜG oder § 35 Abs. 2 S. 1 WpÜG entsprechen. § 31 Abs. 6 WpÜG gilt entsprechend.

Vorerwerb im Zeitraum vom 7. April 2010 bis 6. Oktober 2010

In dem maßgeblichen Referenzzeitraum bezüglich der Vorerwerbe vom 7. April 2010 bis zum 6. Oktober 2010 haben weder die Beklagte noch eines ihrer Tochterunternehmen oder gemeinsam mit ihr handelnde Personen Q-Aktien erworben.

Der Erwerb von Q-Aktien durch die Beklagte auf der Grundlage der Nachtragsvereinbarung erfolgte im März 2009, das heißt lange vor Beginn des Referenzzeitraums.

Auch gleichgestellte Vereinbarungen im Sinne von § 31 Abs. 6 WpÜG wurden nicht abgeschlossen.

Erweiterung des Vorerwerbszeitraums wegen eines unterlassenen Pflichtangebots nach § 35 WpÜG

Eine Vorverlegung des Vorerwerbszeitraums im Sinne von § 4 S. 1 WpÜG-AngebotsVO auf den Zeitpunkt, zu dem eine Veröffentlichung der Kontrollerlangung nach § 35 Abs. 1 WpÜG spätestens hätte erfolgen müssen, ist entgegen der Rechtsauffassung der Klägerin nicht veranlasst.

In der Literatur wird zwar davon ausgegangen, dass der Zeitpunkt maßgebend ist, zu dem eine Veröffentlichung der Angebotsunterlage gem. § 14 Abs. 2 S. 1 WpÜG oder § 35 Abs. 2 S. 1 WpÜG spätestens hätte erfolgen müssen. Unterlasse der Bieter rechtswidrig eine Veröffentlichung der Kontrollerlangung nach § 35 Abs. 1 WpÜG oder die Vorlage eines Pflichtangebots nach § 35 Abs. 2 S. 1 WpÜG, so könne das auf den Beginn des Vorerwerbszeitraums keinen Einfluss haben, da der Bieter durch rechtswidriges Verhalten nicht den Inhalt seiner Angebotspflicht zu seinen Gunsten verändern können dürfe (Wackerbarth in: Münchener Komm. zum AktG, 3. Auflage, 2011, § 31 WpÜG Rn. 38 mwN.; Süßmann, in: Geibel/Süßmann, WpÜG, 2. Auflage, 2008, § 31 Rn. 87).

Diese Rechtsauffassung kommt vorliegend nicht zum Tragen. Denn die Beklagte war vor dem 7. April 2010 nicht zur Veröffentlichung der Kontrollerlangung und zur Vorlage eines Pflichtangebots gemäß § 35 WpÜG verpflichtet. Insoweit kann zur Vermeidung von Wiederholungen auf die vorstehenden Ausführungen zu Ziffer 1 der Entscheidungsgründe verwiesen werden.

Anspruch nach § 31 Abs. 1 WpÜG in Verbindung mit § 4 S. 2 WpÜG-AngebotsVO und § 31 Abs. 6 WpÜG

Entgegen der Rechtsauffassung der Klägerin kann ferner nicht davon ausgegangen werden, dass die Nachtragsvereinbarung zu der Pflichtumtauschanleihe und den Optionen bis zur Beendigung des Vollzugs im Februar 2012 preisbestimmend im Sinne von § 4 WpÜG-AngebotsVO ist.

Die Klägerin bezieht sich auf das Rechtsgutachten von Professor Dr. Wackerbarth, wonach der Begriff der Vereinbarung, aufgrund derer die Übereignung von Aktien verlangt werden kann, auch gestreckte Erwerbsvorgänge erfasse. Der Begriff beschränke sich nicht auf zeitpunktbezogene Vorgänge, sondern auch auf Transaktionen, die sich über einen längeren Zeitraum erstreckten. Selbst der Erwerb im Sinne von § 4 S. 1 WpÜG-AngebotsVO könne sich über einen längeren Zeitraum erstrecken, etwa dann, wenn die Übergabe der Aktien der dinglichen Einigung über den Eigentumsübergang erst Tage oder Wochen später nachfolge. Die bereits früher vereinbarte und bezahlte Gegenleistung bleibe dann selbstverständlich für volle sechs Monate seit der Übereignung der Aktien preisbestimmend. Bereits das zeige, dass § 4 S. 1 WpÜG-AngebotsVO letztlich auf die Beendigung des Übertragungstatbestandes abstelle.

Daher spreche alles dafür, bei der Gleichstellung des "Erwerbs" nach § 4 S. 1 WpÜG-AngebotsVO und der "Vereinbarung" im Sinne von § 4 S. 2 WpÜG-AngebotsVO in Verbindung mit § 31 Abs. 6 WpÜG auf den Vollzug der schuldrechtlichen Vereinbarung abzustellen. Das entspreche auch dem Zweck von § 4 WpÜG-AngebotsVO. Dieser bestehe darin, den Bieter an ein von ihm zurechenbar nach außen gesetztes Verhalten zu binden, mit dem er seine eigene Einschätzung des Wertes der Aktien der Zielgesellschaft zum Ausdruck gebracht habe. Der Bieter müsse sich an dieser Bewertung mindestens so lange festhalten lassen, wie er selbst im Verhältnis zum Paketverkäufer an seine Bewertung gebunden sei, das heißt bis zur Erfüllung oder sonstigen Beendigung des maßgeblichen Schuldverhältnisses. Die Beklagte halte schließlich bis 2012 an der Bewertung der Q-Aktien in Höhe von mindestens EUR 45,45 fest.

Im Falle der Überschneidung des vertraglichen Bindungszeitraums zum Erwerb von Aktien und des Vorerwerbszeitraums von sechs Monaten vor der Veröffentlichung der Angebotsunterlage seien die Konditionen des Erwerbs für das freiwillige Übernahmeangebot relevant. Ein solches Verständnis entspreche auch der Gesetzesbegründung zu § 31 Abs. 6 WpÜG (Regierungsentwurf BT-Drucksache 14/7034, Seite 57) und der EU-Richtlinie 2004/25/EG, die ausdrücklich darauf abzielten, Umgehungskonstellationen vorzubeugen. Ein mehrjähriges Auseinanderziehen der schuldrechtlichen Vereinbarung und des dinglichen Erwerbs von Aktien sei grundsätzlich geeignet, auf einfache Art und Weise die genannte Preisvorschrift auszuschalten.

Dieser Interpretation der Klägerin kann nicht gefolgt werden. Unstreitig will § 31 Abs. 6 WpÜG Umgehungsfälle mit hinausgeschobenem Erfüllungsdatum verhindern, da ein Erwerb grundsätzlich nur bei dinglich übertragenen Aktien vorliegt. Daher können theoretisch auch eine Pflichtumtauschanleihe und Optionen, jedenfalls Call-Optionen, in den Anwendungsbereich von § 31 Abs. 6 WpÜG fallen (Süßmann, in: Geibel/Süßmann, WpÜG, 2. Auflage, 2008, § 31 Rn. 65; Wackerbarth in: Münchener Komm. zum AktG, 3. Auflage, 2011, § 31 WpÜG Rn. 84).

Voraussetzung muss dann aber sein, dass zumindest die schuldrechtliche Vereinbarung - anstelle der dinglichen Übertragung - in den Vorerwerbszeitraum fällt. Die Beklagte weist zu Recht darauf hin, dass dem Erwerb als grundsätzlich punktuelles Ereignis auch nur eine Vereinbarung als ebenfalls punktuelles Ereignis gleichgestellt werden kann. Es kommt dabei auf den Zeitpunkt des Abschlusses der schuldrechtlichen Vereinbarung anstelle des Zeitpunktes des dinglichen Erwerbs an.

Die Auslegung von § 31 Abs. 6 WpÜG durch die Klägerin würde über die von § 4 S. 2 WpÜG-AngebotsVO gewollte Gleichstellung von "Erwerb" und "Vereinbarung" hinausgehen. Denn der Erwerb nach § 4 S. 1 WpÜG-AngebotsVO muss auf jeden Fall innerhalb des Referenzzeitraums von sechs Monaten vor der Veröffentlichung des Angebots liegen. Würde § 4 S. 2 WpÜG-AngebotsVO die von der Klägerin dargestellte zeitliche Streckung von der schuldrechtlichen Vereinbarung bis zu deren dinglichem Vollzug erfassen, obwohl beide Rechtsakte nicht im Referenzzeitraum liegen, läge darin ein gewisser Widerspruch und eine massive zeitliche Ausdehnung des Vorerwerbszeitraums. Auf diese Weise würden die gesetzlich normierten Vorerwerbszeiträume Makulatur, da zwischen der schuldrechtlichen Vereinbarung und der dinglichen Umsetzung mehrere Jahre liegen können.

Die hier vertretene Auffassung wird durch folgende Kontrollüberlegung bestätigt: Würde der Bieter die Aktien mit dinglicher Wirkung vor Beginn des maßgebenden Vorerwerbszeitraums von sechs Monaten erwerben, lägen sowohl die schuldrechtliche Vereinbarung als auch der dingliche Erwerb außerhalb des Vorerwerbszeitraum von sechs Monaten vor der Veröffentlichung des freiwilligen Angebots. Dieser Erwerb würde daher nicht berücksichtigt. Nach der Auffassung der Klägerin stünde sich der Bieter aber schlechter, wenn er die Aktien nicht direkt erwirbt, sondern den späteren Erwerb nur vereinbart. Das ist nicht nachvollziehbar.

Die von der Klägerin vorgenommene Verprobung überzeugt hingegen nicht. Sie meint, dass die schuldrechtlichen Vereinbarungen aus 2009 zur Pflichtumtauschanleihe und den Optionen spätestens dann ihre Wirkung im Hinblick auf ein Pflichtangebot entfaltet hätten, wenn die Beklagte in 2012 die Q-Aktien aus der Pflichtumtauschanleihe und den Optionen dinglich erworben hätte. Die Klägerin verkennt dabei allerdings, dass es aufgrund des freiwilligen Übernahmeangebots dazu nicht mehr kommt.

Die entscheidende subjektive Einschätzung des Bieters zum Wert der Aktien liegt unabhängig vom Zeitpunkt der dinglichen Übertragung außerhalb des Vorerwerbszeitraums. Hinzu kommt, dass vorliegend bereits die Gegenleistung von der Beklagten zum Zeitpunkt der Vereinbarung (Zahlung auf die Anleihe) erbracht wurde.

Es fehlen jegliche Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber mit der Gleichstellung der Vereinbarung und des Erwerbs gemäß § 31 Abs. 6 WpÜG eine derartige Ausdehnung von Vorerwerbszeiträumen gesehen und beabsichtigt hat. Im Gegenteil hat der Gesetzgeber im Rahmen der Umsetzung der Übernahmerichtlinie zum Ausdruck gebracht, dass Vorerwerbszeiträume von 12 Monaten, wie sie die Richtlinie zulässt, nicht sinnvoll sind, da ein länger als sechs Monate zurückliegender Erwerb keinen hinreichenden Bezug zur aktuellen Bewertung durch den schnelllebigen Kapitalmarkt hat (BT-Drucks. 154/06, S. 24). Diese Erwägung ist auch in der Sache zutreffend, wie der streitgegenständliche Sachverhalt zeigt. Vorliegend liegen zwischen der Nachtragsvereinbarung und dem freiwilligen Übernahmeangebot circa 18 Monate. Innerhalb dieses Zeitraums kann sich die Bewertung einer Aktie ganz erheblich ändern, etwa aufgrund der Veränderung des Marktverhältnisse - Stichwort Finanzkrise - oder aufgrund der Veränderung der Ertragslage des Unternehmens. Eine Selbstbindung des Bieters hinsichtlich 18 Monate zurückliegender Vereinbarungen wäre kaum begründbar. Die Preisvereinbarungen der Beklagten und der A für Aktien aus der Pflichtumtauschanleihe und aus den Optionen im Frühjahr 2009 beziehen sich auf die damaligen Verhältnisse und Erwartungen. Es spricht einiges dafür, dass die Bewertung und damit auch die Preise für die Q-Aktien angesichts der Börsenkursentwicklung im Jahre 2010 anders ausgefallen wären.

In der Aufrechterhaltung der Vereinbarung vom 14. Januar 2009 bis zum Zeitpunkt der dinglichen Übertragung der Aktien im Februar 2012 liegt entgegen der Auffassung der Klägerin auch keine fortlaufende Bestätigung der Beklagten zur subjektiven Bewertung der Zielgesellschaft, die nur durch Vertragsaufhebung oder ähnliches gegenstandslos werden könnte. Die subjektive Bewertung der Zielgesellschaft durch den Bieter bezieht sich auf den Zeitpunkt der Vereinbarung Anfang 2009. Diese Bewertung kann sich nachfolgend ändern, ohne dass die Beklagte die Möglichkeit hat, sich davon durch Rücktritt o. ä. wieder zu lösen.

Die von der Klägerin vorgenommene Ausdehnung des schuldrechtlichen Verpflichtungsgeschäfts bis zum dinglichen Übereignungsgeschäft widerspricht schließlich auch dem Abstraktionsprinzip. Denn die Vereinbarung im Sinne des schuldrechtlichen Kausalgeschäfts ist abgeschlossen, wenn alle dafür erforderlichen Erklärungen abgegeben bzw. Bedingungen eingetreten sind. Für die Wirksamkeit der schuldrechtlichen Vereinbarung - hier der Nachtragsvereinbarung kommt es entgegen der Darstellung der Klägerin nicht darauf an, dass diese dinglich vollzogen wird.

Parallelerwerbe

Gegenleistungserhöhende Parallelerwerbe sind ebenfalls nicht feststellbar.

Nach § 31 Abs. 4 und 6 WpÜG erhöht sich die Gegenleistung, wenn der Bieter, mit ihm gemeinsam handelnde Personen oder deren Tochterunternehmen nach der Veröffentlichung der Angebotsunterlage und vor der Veröffentlichung gemäß § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 WpÜG Aktien der Zielgesellschaft zu einer wertmäßig höheren als in der Angebotsunterlage angebotenen Gegenleistung erwerben oder einen entsprechende Erwerb vereinbaren.

Die Klägerin hat nicht dargelegt, dass in der danach für Parallelerwerbe maßgeblichen Zeit vom 7. Oktober 2010 bis zum 10. November 2010 entsprechenden Erwerbe durch die Beklagte getätigt bzw. Erwerbsvereinbarungen abgeschlossen wurden.

Nacherwerbe

Gegenleistungserhöhende Nacherwerbe von Q-Aktien durch die Beklagte können ebenfalls nicht festgestellt werden.

Nach § 31 Abs. 5 und 6 WpÜG erhöht sich die Gegenleistung, wenn der Bieter, mit ihm gemeinsam handelnde Personen oder deren Tochterunternehmen innerhalb eines Jahres nach der Veröffentlichung gemäß § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 WpÜG Aktien der Zielgesellschaft außerhalb der Börse zu einer wertmäßig höheren als in der Angebotsunterlage angebotenen Gegenleistung erwerben oder einen entsprechenden Erwerb vereinbaren.

Die Klägerin hat für den maßgeblichen Referenzzeitraum vom 10. November 2010 bis zum heutigen Tag keine Nacherwerbe von Q-Aktien seitens der Beklagten dargelegt, die zu einem EUR 25,00 je Q-Aktie übersteigenden Wert ausgeführt wurden. Das gleiche gilt für entsprechende Erwerbsvereinbarungen.

Umgehung der §§ 30, 31, 35 WpÜG

Von einer Umgehung der gesetzlichen Vorschriften kann schließlich ebenfalls nicht ausgegangen werden.

Die Klägerin sieht die Umgehung der Übernahmevorschriften nach WpÜG durch die Beklagte darin, dass zwischen der Erwerbsverpflichtung im Jahr 2009 und deren Erfüllung im Jahr 2012 ein freiwilliges Übernahmeangebot eingeschoben wurde, das sich zulasten des Streubesitzes und zur Begünstigung des Paketbesitzes ein niedriges Kursniveau zunutze gemacht habe, um ein Pflichtangebot auf höherer Basis zu vereiteln. Der Paketverkäufer, die A , erhalte in der Spitze EUR 49,42 je Q-Aktie, während der Streubesitz mit EUR 25,00 abgespeist werde. Nicht umsonst habe sich die Beklagte vor ihren Aktionären gebrüstet, dass sie ihnen EUR 1,6 Milliarden erspart habe, indem sie durch das freiwillige Übernahmeangebot ein höheres Pflichtangebot an die Aktionäre der Q vermieden habe. Die Beklagte habe damit in schamloser Weise den freien Aktionären der Q attestiert, dass sie um diesen Betrag betrogen wurden. Eine Gesetzesumgehung liege zugleich auch darin, dass die Beklagte das wesentliche Risiko und die wesentlichen Chancen aus den Q-Aktien, die ihr 2012 zu Eigentum übertragen werden, bereits 2009 übernommen hat.

Dieser Einschätzung der Klägerin kann nicht gefolgt werden. Im Ergebnis hat die Beklagte durch die schuldrechtlichen Vereinbarungen nur den Kontrollerwerb im Jahre 2012 zu vertraglich festgelegten Preisen abgesichert, nicht aber bereits 2009 die Kontrolle über die Q erworben. Das verkennt die Klägerin. De facto hat die Beklagte nur von den gesetzlich eingeräumten Möglichkeiten Gebrauch gemacht. Von einer Gesetzesumgehung könnte überhaupt nur dann gesprochen werden, wenn die Beklagte tatsächlich in 2009 die Kontrolle über die Q erlangt hätte. Das ist aber nicht der Fall. Sie hat durch die vertragliche Gestaltung darauf verzichtet, bereits ab 2009 die volle Kontrolle über die Q zu erlangen. Aus diesem Grund greifen auch die Zurechnungsvorschriften nach § 30 Abs. 1 WpÜG, wie erläutert worden ist, nicht. Dann kann nicht mit dem pauschalen Argument der WpÜG-Intention eines umfassenden Schutzes der Minderheitsaktionäre bei Übernahmen ein lückenfüllender Umgehungsschutz konzipiert werden, wie die Klägerin meint.

Dabei ist unerheblich, ob sich die Beklagte vor ihren Aktionären damit "gerühmt" hat, die Zahlung von EUR 1,6 Milliarden durch die Vermeidung eines Pflichtangebots infolge des freiwilligen Übernahmeangebots vermieden zu haben. Es liegt in der Natur der Sache, dass die Geschäftsführung der Beklagten, nachdem 2009 auf schuldrechtlicher Basis der Kontrollerwerb spätestens ab 2012 abgesichert wurde, zwischenzeitliche Marktentwicklungen wahrnimmt.

Letztlich läuft die Argumentation der Klägerin darauf hinaus, dass die Minderheitsaktionäre an beliebigen, insbesondere zeitlich gestreckten Vereinbarungen über die Zahlung von Paketpreisen partizipieren müssen. Einen derartigen umfassenden Gleichbehandlungsgrundsatz gibt es aber nicht. Paketkäufe werden nur berücksichtigt, soweit sie in die gesetzlich vorgegebenen Referenzzeiträume fallen.

Hilfsanträge

Die Hilfsanträge sind aus den vorstehenden Erwägungen ebenfalls unbegründet.

Nebenentscheidungen

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 709 ZPO.

Streitwert: EUR 3.663.000,00






LG Köln:
Urteil v. 29.07.2011
Az: 82 O 28/11


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/d9464ebdeeef/LG-Koeln_Urteil_vom_29-Juli-2011_Az_82-O-28-11




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