Landgericht Hamburg:
Urteil vom 19. Juni 2015
Aktenzeichen: 308 O 161/13

(LG Hamburg: Urteil v. 19.06.2015, Az.: 308 O 161/13)

Tenor

1.Die deutschen Gerichte sind für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits international zuständig.2.Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Zulässigkeit der Klage, mit der die Klägerin die Beklagte auf Unterlassung, Auskunft, Schadensersatz und Erstattung von Abmahnkosten wegen des behaupteten öffentlichen Zugänglichmachens von Fotografien über den Dienst €B.€ in Anspruch nimmt.

Die im Inland ansässige Klägerin ist Studentin und selbständige Fotografin. Sie nimmt für sich in Anspruch die nachfolgend dargestellten Fotografien mit den Titeln €b.€, €t. l. o. t. c.-c.-s.€ und €s.€, und erstellt zu haben:

Bilder entfernt

Zudem macht sie geltend, Inhaberin ausschließlicher Nutzungsrechte an den nachfolgend dargestellten Fotografien mit den Titeln €o.€, €s. & h.€ und €n.€ zu sein, die ihr Ehemann, zugleich Prozessbevollmächtigter der Klägerin, erstellt haben will:

Bilder entfernt

Die Beklagte mit Sitz in den USA betreibt den Dienst €B.€, welcher in Deutschland unter anderem unter der Domain www. b..com und www. b..de abrufbar ist. Dieser Dienst ermöglicht es Internetnutzern, die über einen Account bei der Beklagten verfügen, €Weblogs€ (kurz: €Blogs€) zu erstellen und diese mit Inhalten, unter anderem Fotografien, zu bestücken. Fotografien können entweder direkt auf den Servern der Beklagten hochgeladen oder von anderen Orten im Netz mittels Verlinkung (€framing€, €inline link€) eingebunden werden.Auf der Benutzeroberfläche werden die Einträge - sog. Posts - auf einer Pinnwand dargestellt, wobei die neueren Posts die älteren nach unten verdrängen. Ältere Posts können anhand ihres Datums in einem nach Monaten und Jahren sortierten Archiv wieder aufgerufen werden.

Bei der Anlage eines neuen Blogs müssen Nutzer einen Namen wählen, der zusammen mit der vorangestellten Schema-Bezeichnung €http://€, der nachgestellten Second-Level-Domain sowie der Domain €b..com€ die URL €http://blogname. b..com€ bestimmt, unter welcher der Blog zukünftig erreichbar sein wird. Der Dienst B. weist die Besonderheit auf, dass die Server des Dienstes vor der Auslieferung von Inhalten die IP-Adresse des anfragenden Nutzers analysieren. Dabei wird ermittelt, in welchem Land der Nutzer während seines Zugriffs wahrscheinlich mit dem Internet verbunden ist. Ergibt die Prüfung, dass sich ein Nutzer in Deutschland befindet und er über die URL €http://blogname. b..com€ auf einen Blog zugreifen möchte, so wird dieser auf die entsprechende URL mit länderspezifischer Top-Level-Domain €http://blogname. b..de€ weitergeleitet, unter der sämtliche Inhalte des Dienstes gespiegelt sind. Unter dieser URL wird sodann der aufgerufene Blog angezeigt.

Die Klägerin macht geltend, dass einzelne der streitgegenständlichen Fotografien in verschiedenen von der Beklagten gespeicherten Blogs unter anderem unter den folgenden URL auf den Servern der Beklagten gespeichert und im Inland abrufbar gewesen seien:

€B.€

€http://.html€http://.html€O.€

€http://.html€http://.html€t. l. o. t. c.-c. s.€

€http://.html€http://.html€s. & h.€

€http://.html€http://.html€S.€

€http http://.html€http http://.html€N.€

€http://€http://Der Blog €2..de€ wird von einem Blogger mit Sitz in K. L. betrieben und ist ursprünglich in der indonesischen Sprache Bahasa Indonesia verfasst. Im Zentrum dieses Blogs stehen die sog. Posts, die jeweils mit einem Datum versehen sind und aus Bildern mit Textanteilen bestehen. Zum Teil stellt er auch Bildergalerien in seinen Blog ein. Am rechten, oberen Rand der Benutzeroberfläche befindet sich ein Feld in dem der Nutzer des Blogs eine Sprachauswahl vornehmen kann.

Der Blog €9..de€ wird aus dem süd-ostasiatischen Raum betrieben und ist ebenfalls in der Sprache Bahasa Indonesia verfasst. Den Posts sind in diesem Blog jeweils Bilder hinzugefügt, die sich thematisch auf den Text beziehen. Am rechten Rand des Fensters befindet sich ein Feld, das es dem Nutzer ermöglicht, anhand von illustrierten Landesflaggen eine Sprachauswahl vorzunehmen. Der Blog verfügt überdies über einen sog. €Flag Counter€, der registriert, wie viele Besucher den Blog aus welchem Land aufrufen.

Der unter dem Namen €c..de€ registrierte Blog ist in portugiesischer Sprache verfasst. Der Blog präsentiert Texte und Bilder. Über ein Übersetzungstool verfügt dieser Blog nicht. Bei den Blogeinträgen handelt es sich um Gedichte, die jeweils mit Bildern illustriert sind. Die Bilder können in sozialen Netzwerken geteilt werden. Dieser Blog hat über 21.542 Besucher.

Der Blog €m..de€ wird von dem spanischen Buchautor E. d. l. P. Z. betrieben und ist in spanischer Sprache verfasst. Es handelt sich ausweislich der Überschrift des Blogs um das sog. blogscriptum des Schriftstellers, in dem er täglich Erlebtes wiedergibt und mit seinen Lesern persönliche Gedanken teilt. Die Beiträge enthalten sowohl Texte als auch Bilder. Ein Übersetzungstool bietet diese Seite nicht an. Der Blog hat über 65.000 Besucher.

Der Blog l..de wird von L. G. in italienischer Sprache betrieben, eine Übersetzungsfunktion bietet dieser Blog nicht. Er enthält Texte und Bilder zu unterschiedlichsten Themen.

Der Blog m1.de, dem eine französischsprachige Erläuterung der Inhalte vorangestellt ist, enthält Bilder und Bildergalerien mit überwiegend erotischem Inhalt. Der Blog wird täglich um neue Bilder ergänzt.

Bei dem unter dem Namen €f..de€ registrierten Blog handelt es sich um einen griechischen Blog, der ursprünglich in griechischer Sprache verfasst ist. Thematisch befassen sich die Blogeinträge mit Bereichen rund um den griechischen Sport.

Der unter der Bezeichnung €d..de€ registrierte Blog ist in italienischer Sprache verfasst. Auf der Startseite werden jeweils Bilder mit einem Text gezeigt. Die Bilder enthalten weitestgehend erotische Motive. Der Text ist hierbei zunächst grau und wirkt auf dem Hintergrund transparent. Erst durch einen Klick auf den Post wird die Schrift in roter Schriftfarbe dargestellt. Dieser Blog weist über 10.078 Besucher auf.

Die Klägerin informierte die Beklagte durch Schreiben vom 22.03.2013 (Anlage O), gerichtet an die G. G. GmbH, unter Angabe der jeweiligen URL darüber, dass unter anderem die Fotografien €b.€, €o.€, €s.€ und €n.€ in den Blogs €2.€, €9.€, €c.€, €m.€, €f.€ und €d.€ abrufbar gewesen seien. Ob diesem Schreiben Screenshots der beanstandeten Blogeinträge beigefügt waren, ist zwischen den Parteien streitig. Mit E-Mail vom 26.03.2013 erbat die Beklagte, an die die G. G. GmbH das Schreiben vom 22.03.2013 weitergeleitet hatte, weitere Informationen über die geltend gemachte Rechtsverletzung (vgl. nicht nummerierte Anlage nach Anlage A 3.5). Mit Schreiben vom 26.03.2013 übermittelte die Klägerin der G. G. GmbH zwei eidesstattliche Versicherungen, in der sie unter anderem ihre Berechtigung in Bezug auf die beanstandeten Fotografien darlegt.

Mit E-Mail vom 09.04.2013 (nicht nummerierte Anlage nach Anlage A3.5) und 13.04.2013 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass sie den Zugriff auf die betreffenden Inhalte über die Blogs €2.€, €9.€, €f.€ und €d.€ deaktiviert habe, die beanstandete Fotografie im Blog €c.€ nicht identifiziert habe und die Beanstandung betreffend den Blog €m.€ nicht habe nachvollziehen könne. Mit Schreiben vom 03.06.2013 (Anlage 5) beanstandete die Klägerin gegenüber der Beklagte unter anderem, dass in den Blogs €2.€ und €9.€ das Foto €b.€ und in dem Blog €c.€ das Foto €o.€ angeblich erneut abrufbar gewesen sein soll. Mit E-Mail vom 13.06.2013 erbat die Beklagte weitere Informationen bezüglich der beanstandeten Inhalte. Mit Schreiben vom 27.06.2013 übermittelte die Klägerin der Beklagten den Entwurf einer Klagschrift, in der sie weitere URL beanstandete (Bl. 67) und entsprechende Screenshots beifügte. Mit E-Mail vom 17.07.2013 teilte die Beklagte der Klägerin mit, sie habe die beanstandeten Inhalte gelöscht. Mit E-Mail und Fax vom 18.07.2013 (Ablage A 28) teilte die Klägerin der Beklagten mit, dass in dem Blog €l.€ die Fotografie €s. & h.€ und in den Blogs €m1€ und €f.€ die Fotografie €l. o. t. c.-c. s.€ abrufbar war. Mit E-Mail vom 23.07.2013 (Anlage A 31) teilte die Beklagte der Klägerin die Löschung der beanstandeten Fotografien mit. Im Mai oder Juni 2014 will die Klägerin schließlich festgestellt haben, dass diese Inhalte in den betreffenden Blogs ebenso wie die Fotografien €s.€ und €n.€ in den Blogs €f.€ und €d.€ abrufbar gewesen sein sollen. Mit Schriftsatz vom 21.05.2015 macht die Klägerin geltend, dass die Fotografie €t. l. o. t. c.-c. s.€ am 19.05.2015 im Blog €f.€ abrufbar gewesen sei.

Die Klägerin meint, die deutschen Gerichte seien international und das Landgericht Hamburg örtlich zuständig. Die Blogs richteten sich ausweislich der Domain €b..de€ an ein deutsches Publikum. Die Umleitung auf €b..de€ zeige außerdem, dass sich der Dienst bewusst an deutsche Nutzer richte. Zudem gebe es auf einigen Blogs Übersetzungstools. Zudem sei der Textanteil im Vergleich zum Bildanteil teilweise sehr gering oder auch nicht eingeblendet. Außerdem sei nicht ersichtlich aus welchem Land der jeweilige Blog stamme. Es sei nicht ausgeschlossen, dass das Herkunftsland der Blogs auch Deutschland sei.

Die Klägerin macht in der Sache geltend, die Beklagte hafte täterschaftlich wegen der nach ihrer Behauptung wiederholten Abrufbarkeit der Fotografien in den jeweiligen Blogs auf Unterlassung, Auskunft und Schadensersatzfeststellung. Sie habe die Beklagte hinreichend genau auf die Rechtsverletzungen hingewiesen. Aus diesem Grund habe die Beklagte dafür Sorge tragen müssen, dass die beanstandeten Fotografien nicht erneut hätten abgerufen werden können.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verurteilen,

1. [...]

2. unter Androhung von Ordnungsgeld bis 250.000 € ersatzweise Ordnungshaft bis zu fünf Monaten, es zu unterlassen die Kunstwerke der Klägerin €b.€, €o.€, € t. l. o. c.-c.-s.€, €s. & h.€, €n.€, €s.€ entsprechend den dieser Klage beigefügten Ausdrucke (A22-A27) öffentlich zugänglich machen bzw. öffentlich zugänglich machen zu lassen wie geschehen über die von ihr betriebene Plattform www. b..com bzw. www. b..de unter den folgenden URL

€B.€

€http://.html€http://.html€O.€

€http://.html€http://.html€t. l. o. t. c.-c. s.€

€http://.html€http://.html€s. & h.€

€http://.html€http://.html€S.€

€http http://.html€http http://.html€N.€

€http://€http://.3. der Klägerin Auskunft zu erteilen über den Zeitraum, in dem sie die Klagantrag zu 1. genannten Bilder auf ihren Servern gelagert und der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt hat und wer für den Upload der Kunstwerke verantwortlich ist und wie oft das Bild auf ihren Seiten angeklickt oder heruntergeladen worden ist.

4. der Klägerin Schadensersatz zu zahlen in Höhe von 30.000 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit.

5. der Klägerin außergerichtliche Rechtsanwaltskosten zu erstatten in Höhe von 1.761,08 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist der Auffassung, die deutschen Gerichte seien für den vorliegenden Rechtsstreit nach § 32 ZPO international nicht zuständig, weil sich keiner der in Rede stehenden Blogs an deutsche Internetnutzer richte. Die internationale Zuständigkeit dürfe sich nicht allein nach der Abrufbarkeit im Inland richten, da dies zu einer Vervielfachung der Gerichtsstände führe. Vielmehr könnten nur solche Inhalte die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte begründen, die bestimmungsgemäß in Deutschland abrufbar seien. Allein die Weiterleitung der deutschen Nutzer auf die Domain b..de begründe nicht, dass die entsprechenden Blogs bestimmungsgemäß im Inland abrufbar seien. Dies erfolge allein aus technischen und regulatorischen Gründen. Maßgeblich sei vielmehr die in den Blogs verwendete Sprache. Da sich alle in Rede stehenden Blogs ausschließlich an ausländische Leser richteten, sei die Zuständigkeit im Inland nicht gegeben. Übersetzungstools hingegen würden lediglich den Dienst G. Translate einbinden, der keine adäquate Übersetzung bieten könne.

In der Sache nimmt die Beklagte bereits die Berechtigung der Klägerin in Bezug auf die geltend gemachten Fotografien in Abrede. Zudem bestreitet sie, dass die Fotografien überhaupt auf den Servern der Beklagten gespeichert gewesen seien. Aus den mit der Klageschrift vorgelegten Screenshots ergeb sich allein, dass die Fotografien in die Blogs eingebunden gewesen seien. Das Einbinden stelle keine Urheberrechtsverletzung dar. Im Übrigen bestreitet sie, dass die Fotografien in den streitgegenständliche Blogs unrechtmäßig vorgehalten würden. Selbst wenn die beanstandeten Fotografien auf Servern der Beklagten unrechtmäßig gespeichert gewesen wären, sei sie, die Beklagte, von einer Haftung für eine etwaig rechtswidrige Nutzung der Fotografien gemäß § 10 TMG freigestellt. Sie habe nämlich von diesen Rechtsverletzungen keine Kenntnis gehabt. Dies folge schon daraus, dass dem Schreiben vom 22.03.2013 weder Screenshots noch Beschreibungen der Fotografien beigefügt gewesen seien, die eine Identifizierung der behaupteten Rechtsverletzung erlaubt hätten. Auch habe die Klägerin ihr zum Teil nur die URL von Archivseiten mitgeteilt, unter denen die Inhalte selbst nicht gespeichert, sondern nur verlinkt seien. Insofern habe dieses Schreiben schon keine Prüfpflichten im Rahmen der Störerhaftung ausgelöst. Schließlich habe die Klägerin auch nicht mitgeteilt, ob sie Dritten Lizenzen zur Internetnutzung der Bilder eingeräumt habe und diese Dritten die Bilder rechtmäßig im Netz nutzten. Jedenfalls habe sie, die Beklagte, sämtliche ihr obliegende Prüfpflichten erfüllt.

Das Gericht hat in der öffentlichen Sitzung vom 27.08.2014 angeordnet, dass über die Zulässigkeit der Klage gesondert verhandelt wird. Im Einverständnis mit den Parteien hat das Gericht das schriftliche Verfahren angeordnet.

Gründe

Die deutschen Gerichte sind für diesen Rechtsstreit international zuständig.

I. Eine isolierte Entscheidung über die Zulässigkeit der Klage, auch über einzelne Sachurteilsvoraussetzungen (vgl. Zöller-Greger, ZPO, 30. Aufl. § 280 Rn. 7 mit Verweis auf BGH, Urteil vom 16.06.2005, IX ZR 219/03), ist nach § 280 ZPO Abs. 2 zulässig und im Hinblick auf die selbständige Anfechtbarkeit des die internationale Zuständigkeit bejahenden Zwischenurteils (vgl. nur BGH NJW 2003, 426 f.) vorliegend aus prozessökonomischen Gründen geboten.

71II. Die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte ist vorliegend nach § 32 ZPO gegeben.

1. Nach § 32 ZPO ist für Klagen aus unerlaubter Handlung das Gericht zuständig, in dessen Bezirk die Handlung begangen ist. Begehungsort der deliktischen Handlung ist dabei sowohl der Handlungs- als auch der Erfolgsort, so dass eine Zuständigkeit wahlweise dort gegeben ist, wo die Verletzungshandlung begangen wurde, oder dort, wo in ein geschütztes Rechtsgut eingegriffen wurde (vgl. BGHZ 132, 105, 110 f.). § 32 ZPO gilt für die Prüfung der internationalen Zuständigkeit der deutschen Gerichte entsprechend (vgl. nur BGH GRUR 2010, 628 Rn. 14 - Vorschaubilder), soweit keine anderen vorrangig zu berücksichtigenden Zuständigkeitsvorschriften anwendbar sind. Erfasst werden neben Ansprüchen auf Schadensersatz auch Unterlassungsansprüche (vgl. BGH, AfP 1994, 288, 290; Zöller-Vollkommer, ZPO, 30. Aufl., § 32 Rn. 14, 16). Der Gerichtsstand des § 32 ZPO hängt nicht davon ab, dass tatsächlich eine Verletzung des nationalen Rechts erfolgt ist. Es reicht aus, dass eine Verletzung (schlüssig) behauptet wird und diese nicht von vornherein ausgeschlossen werden kann (BGH GRUR 2012, 621 Rn. 18 - Oscar mwN zu Art. 5 Nr. 3 EuGVVO; Zöller-Vollkommer, ZPO, § 32 Rn. 19). Sinn und Zweck der Eröffnung eines deliktischen Gerichtsstandes ist einerseits die vom Gesetzgeber angenommene Sachnähe des Gerichts am Ort des deliktischen Geschehens, die der erleichterten Sachverhaltsaufklärung dient, andererseits die geringere Schutzbedürftigkeit des Beklagten, der wegen einer behaupteten unerlaubten Handlung in Anspruch genommen wird.

Höchstrichterlich bislang nicht abschließend geklärt ist die Frage, ob für die Begründung des Inlandsgerichtsstandes bei grenzüberschreitenden Urheberrechtsverletzungen, die über das Internet begangen worden sind, neben der bloß technischen Abrufbarkeit weitere Kriterien erforderlich sind (ohne weitere Diskussion dies bejahend BGH GRUR 2010, 628 Rn. 14 - Vorschaubilder I; vgl. in diesem Sinne auch die überwiegende Lit.: Schulze in Dreier/Schulze, UrhG, 4. Aufl. § 105 Rn. 14; Wild in Loewenheim/Schricker; UrhR, 4. Aufl. § 105 Rn. 16; Kefferpütz in Wandtke/Bullinger, UrhR, 4. Aufl., § 105 Rn. 36; Zöller-Vollkommer, ZPO, § 32 Rn. 17; a.A. Katzenberger in Loewenheim/Schricker, Vor §§ 120 Rn. 172, jeweils nwM; vgl. zum Marken- und Lauterkeitsrecht Glöckner/Kur, GRUR-Beilage 2014, 29 ff.).

a) Für über das Internet vermittelte Persönlichkeitrechtsverletzungen genügt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu § 32 ZPO nicht bereits die bloße Abrufbarkeit für die Begründung der internationalen Zuständigkeit. Auf diese Weise soll eine uferlose Ausweitung der Gerichtspflichtigkeit vermeiden werden, die den zuständigkeitsrechtlichen Leitprinzipien der Vermeidung beziehungsarmer Gerichtsstände, der Reduzierung konkurrierender Zuständigkeiten sowie der Vorhersehbarkeit und präventiven Steuerbarkeit der potentiellen Gerichtspflichtigkeit entgegensteht. Aus diesem Grund verlangt § 32 ZPO eine besondere Beziehung der Streitigkeit zum angerufenen Forum. Entscheidend ist, ob die als rechtsverletzend beanstandeten Inhalte objektiv einen deutlichen Bezug zum Inland in dem Sinne aufweisen, dass eine Kollision der widerstreitenden Interessen nach den Umständen des konkreten Falls im Inland tatsächlich eingetreten sein kann oder eintreten kann (vgl. BGH GRUR 2010, 461 Rn. 17 ff. - New York Times; GRUR 2011, 2059 - Sieben Tage Moskau mwN). Nicht erforderlich ist danach, dass sich die Inhalte bestimmungsgemäß oder gezielt an das inländische Publikum richten.

b) Für die im wesentlichen inhaltsgleiche Vorschrift des Art. 5. Nr. 3 EuGVVO hat der Bundesgerichtshof im Anschluss an die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union entschieden, dass der Ort des schädigenden Ereignisses sowohl den Ort des ursächlichen Geschehens als auch den Ort der Verwirklichung des Schadenserfolgs meint (vgl. BGH GRUR 2012, 621 Rn. 18 - Oscar unter Verweis auf EuGH, GRUR Int 1998, 298 - Shevill). Offen war bislang im Anwendungsbereich des Art. 5 Nr. 3 EuGVVO, ob die Begründung eines Gerichtstandes wegen einer im Internet begangenen unerlaubten Handlung voraussetzt, dass sich der Internetauftritt bestimmungsgemäß auf das Inland richtet (vgl. BGH GRUR 2012, 621, 21 - Oscar; GRUR 2010, 628 Rn. 14). Nach der jüngsten Rechtsprechung des EuGH ist es nunmehr für die Begründung eines Inlandsgerichtsstandes bei grenzüberschreitenden urheberrechtlichen Nutzungshandlung im Internet nicht erforderlich, dass das beanstandete Angebot bestimmungsgemäß auf das Inland ausgerichtet ist (EuGH, GRUR 2015, 296 Rn. 32 f. - Hejduk, mit Verweis EuGH, NJW 2011, 505 - Pammer und Hotel Alpenhof). Nach dieser Rechtsprechung sind im Sinne einer geordneten Rechtspflege und einer sachgerechten Gestaltung des Prozesses die Gerichte am Ort des deliktischen Geschehens am besten geeignet zu entscheiden, ob die Voraussetzungen für die geltend gemachte Haftung erfüllt sind. Diese Umstände bilden mithin einen hinreichenden Anknüpfungspunkt für die Eröffnung des deliktischen Gerichtsstandes. Da bei immaterialgüterrechtlichen Ansprüchen der Schutz nur für das Hoheitsgebiet des Schutzlandes gewährt werde, seien die Gerichte dieses Schutzlandes am besten geeignet über die geltend gemachten Ansprüche zu entscheiden.

c) Diese für Art. 5 Nr. 3 EuGVVO entwickelten Grundsätze sind gleichermaßen bei der Auslegung des § 32 ZPO in Bezug auf die Beurteilung der internationalen Zuständigkeit deutscher Gerichte zu berücksichtigen. Neben der vom Gesetzgeber berücksichtigten Sachnähe vermag mithin bereits die bei der Inanspruchnahme eines inländischen Schutzrechts gegebene Rechtsnähe der Gerichte dieses Schutzlandes deren internationale Zuständigkeit zu begründen. Denn - ebenso wie für Art. 5 Nr. 3 EuGVVO - gilt für § 32 ZPO, dass für die Beurteilung, ob das deutsche Urheberrecht der Klägerin, wie sie es geltend macht, durch Handlungen der Beklagten verletzt ist, die deutschen Gerichte ehesten qualifiziert sind.

Eine divergierende Auslegung der zuständigkeitsbegründenden Vorschriften des § 32 ZPO und des Art. 5 Nr. 3 EuGVVO liefe im Übrigen auf eine nicht hinzunehmende umgekehrte Diskriminierung der im Inland Rechtssuchenden hinaus. Während demjenigen, der sich gegenüber einem Verletzer, der in einem Mitgliedsstaat der Europäischen Union ansässig ist, auf die Verletzung inländischer Urheberrechte beruft, der Zugang zum Forum des jeweils betroffenen nationalen Schutzrechts nach Art. 5 Nr. 3 EuGVVO eröffnet ist, wäre ihm dieses bei einer einschränkenden Auslegung des § 32 ZPO in Bezug auf (vermeintliche) Rechtsverletzer mit Sitz außerhalb der Europäischen Union verschlossen.

Eine gleichlautende Auslegung von § 32 ZPO und Art. 5 Nr. 3 EuGVVO kann entgegen der Auffassung der Beklagten auch nicht davon abhängen, ob Gegenstand der Klage ein Schadensersatz- oder ein Unterlassungsbegehren ist. In beiden Fällen ist die Reichweite der Rechtskraft aufgrund der territorialen Begrenzung des nationalen Schutzrechts auf das Inland beschränkt. Soweit die Beklagte meint, die Besonderheiten der Unterlassungsansprüche geböten eine abweichende Beurteilung, weil die Befolgung und die Vollstreckung des Unterlassungsanspruchs faktisch nicht auf das Inland begrenzt werden könnten, so steht dies einer Zuständigkeit des Inlandsforums nicht entgegen. Von der prozessualen Frage der internationalen Zuständigkeit ist die materiell-rechtliche bzw. international-privatrechtliche Frage zu unterscheiden, ob das inländische Schutzrecht auf den vorgetragenen Sachverhalt überhaupt anwendbar ist, mithin eine Verletzung überhaupt gegeben ist. Mit der Eröffnung des Schutzlandsforums ist die Frage, ob das beanstandete Verhalten sachrechtlich eine - relevante - Verletzung des nationalen Schutzrechts darstellt, noch nicht beantwortet. Vielmehr soll gerade eine sach- und rechtsnahe Beantwortung dieser Frage durch die nationalen Gerichte erst ermöglicht werden. Jede andere Beurteilung hieße, dem Kläger effektiven Rechtschutz zu verweigern, würden ihm die deutschen Gerichte bereits auf prozessualer Ebene die materiell-rechtlich ihnen am ehesten zugewiesene Prüfung, ob das im Inland geltende Schutzrecht verletzt ist, verwehren. Die Besonderheiten des immaterialgüterrechtlichen Schutzlandprinzips gebieten es daher, den für § 32 ZPO erforderlichen Inlandsbezug bereits in der Beanspruchung des Schutzlandrechts zu erblicken, wenn nicht aufgrund des geltend gemachten Sachverhalts von vornherein ausgeschlossen werden kann, dass eine Verletzung im Inland gegeben ist. Dies ist aber bei internetvermittelten und damit grenzüberschreitenden Nutzungssachverhalten in der Regel nicht der Fall.

Dagegen verfängt auch der Einwand der Beklagten nicht, eine Begründung der Inlandszuständigkeit auf Grundlage bloßer Abrufbarkeit leiste dem sogenannten €forum shopping€ Vorschub. Entweder verletzt eine grenzüberschreitende Nutzungshandlung ein nationales Urheberrecht oder sie verletzt es nicht. Diese Frage ist materiell-rechtlicher Natur. Ihre Beantwortung hängt somit nicht davon ab, ob ein inländisches oder ausländisches Gericht zur Beantwortung dieser Frage berufen ist. Die praktischen Folgen der Vollstreckung eines territorial begrenzten Unterlassungsgebots sind ebenfalls dieselben, so denn die beanstandete Handlung Rechte des in Anspruch genommenen Schutzlandes verletzt.

Eine Übertragung der vom EuGH entwickelten Zuständigkeitsregelung, die unter dem prozessökonomisch geprägten Leitgedanken einer €Rechtsnähe€ steht, scheitert entgegen der Auffassung der Beklagten auch nicht daran, dass Art. 5 Nr. 3 EuGVVO neben dem Handlungsort am Ort des Schadenserfolgs anknüpft. Nach der Rechtsprechung des EuGH ist diesem Begriff im Kern kein anderer Bedeutungsgehalt zu entnehmen als der des Erfolgsort im Sinne des § 32 ZPO nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshof (vgl. Kefferpütz in Wandtke/Bullinger, UrhR, § 105 Rn. 36).

812. a) Nach diesen Grundsätzen ist die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte bereits aufgrund der bloßen Abrufbarkeit der beanstandeten Inhalte im Inland gegeben. Mit der Begründung der internationalen Zuständigkeit ist allerdings noch nicht entschieden, ob es sich bei der fraglichen Nutzungshandlung allein aufgrund der schlichten Abrufbarkeit im Inland auch um eine in materiell-rechtlicher Hinsicht im Inland relevante Nutzungshandlung handelt (vgl. insoweit EuGH, Urteil vom 18.10.2012, C-173/11, GRUR Int 2012, 1113 Rn. 38 f. - Football Dataco Ltd./. Scottish Premier League u.a.; siehe auch BGH GRUR 2012, 621 Rn. 33 ff. - Oscar zum Markenrecht).

b) Ungeachtet der vorstehenden Überlegungen besteht vorliegend aber auch ein weitergehender Bezug zum Inland, der geeignet ist, das Inlandsforum nach § 32 ZPO zu eröffnen. Zunächst ist zu berücksichtigen, dass eine im Inland ansässige Klägerin die Beklagte wegen der Verletzung inländischer urheberrechtlicher Befugnisse in Anspruch nimmt. Dies vermittelt bereits einen über die bloß technische Abrufbarkeit hinausgehenden Inlandsbezug, der für sich genommen aber noch nicht genügt, um die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte im Sinne des § 32 ZPO zu begründen. Berücksichtigt man aber weitergehend die Ausgestaltung des Dienstes der Beklagten, so bestehen an der inländischen Gerichtspflichtigkeit der Beklagten keine Zweifel.

Anknüpfungspunkt für die Beurteilung der internationalen Zuständigkeit der deutschen Gerichte ist vorliegend nicht die Frage, ob der jeweilige Betreiber der in Rede stehenden Blogs mit seinem Verhalten die im Inland geschützten Rechte verletzt. Denn die Klägerin beanstandet mit der vorliegenden Klage nicht die unmittelbare Verletzungshandlung derjenigen, die die Blogs betreiben und Bilder der Klägerin und ihres Ehemannes in das Internet einstellen. Gegenstand des Rechtsstreits ist vielmehr das Verhalten der Beklagten in Bezug darauf, wie sie ihren auf das Inland ausgerichteten Dienst mit den darüber vermittelten (fremden) Inhalten in Übereinstimmung mit den Anforderungen des inländischen Urheberrechts ausgestaltet. Anknüpfungspunkt für die von der Klägerin geltend gemachte Haftung ist eine behauptete Pflichtverletzung der Beklagten als Betreiberin des Dienstes b..com, mit dem sie Dritten die Möglichkeit eröffnet, Inhalte einer nicht definierten und damit von vornherein unbegrenzten Netzöffentlichkeit zur Verfügung zu stellen. Im Mittelpunkt steht dabei die Frage, ob die Beklagte - nachdem die Klägerin sie auf die rechtsverletzenden Inhalte aufmerksam gemacht hat - nach deutschem Urheberrecht verpflichtet ist, dafür Sorge zu tragen, dass die in Rede stehenden Fotografien nicht erneut über ihren Dienst abrufbar sind. Diese Frage kann nicht unabhängig davon beantwortet werden, an wen sich ihr Dienst richtet. Die Beklagte trägt insoweit selbst vor, dass sie die über den Dienst b..com abrufbaren Inhalten Dritter für ihre im Inland ansässigen Nutzer so weiterleitet und spiegelt, dass diese Inhalte unter der Domain b..de erscheinen. Angesichts dessen kann für die Frage der internationalen Zuständigkeit nicht allein auf die vermittelten Inhalte Bezug genommen werden, sondern muss vielmehr auch dem konkreten Angebot des Dienstes Rechnung getragen werden. Dies weist eindeutig einen Inlandsbezug auf.

c) Gegen die Annahme einer Inlandszuständigkeit spricht nicht der auf den ersten Blick berechtigt erscheinende Einwand der Beklagten, eine solche Auslegung des § 32 ZPO führe im Ergebnis zu einer Vervielfältigung von Gerichtspflichten. Diese Vervielfachung folgt im vorliegenden Fall aus dem Umstand, dass die Beklagte einen Dienst betreibt, der bestimmungsgemäß weltweit über das Internet verfügbar ist und den die Beklagte nach eigenem Vortrag durch Spiegelung und Weiterleitung der Inhalte auf die Domain b..de so ausgestaltet, dass der Dienst - und damit notwendigerweise auch die darüber abrufbaren Inhalte - den im Inland geltenden nationalen Vorschriften entsprechen. Dass die vermittelten Inhalte eine Vielzahl von territorial beschränkten Urheberrechten potentiell berühren, geht damit notwendig einher. Der Betreiber eines zielgerichtet territorial unbeschränkt angebotenen Dienstes muss somit die Vielzahl der betroffenen Schutzländer und in der Folge die Vielzahl von möglichen Gerichtspflichtigkeiten beim Angebot dieses Dienstes von vornherein in Rechnung stellen, jedenfalls soweit aus dem jeweiligen nationalen Urheberrecht dem Betreiber als Dienstvermittler möglicherweise besondere Pflichten in Bezug auf die vermittelten fremden Inhalte erwachsen.

3. Nach dem schlüssigen Vorbringen der Klägerin ist eine Urheberrechtsverletzung im Sinne der §§ 97, 19a UrhG in Verbindung mit §§ 823, 1004 BGB wegen der wiederholten Abrufbarkeit der in Rede stehenden Fotografien nicht völlig ausgeschlossen. Die Klägerin hat schlüssig vorgetragen, dass die Fotografien, an denen sie - zum Teil abgeleitete - Rechte in Anspruch nimmt, erneut in den beanstandeten Blogs zum Abruf verfügbar waren, nachdem sie die Beklagte über die rechtsverletzenden Inhalte unter Angabe der entsprechenden URL in Kenntnis gesetzt haben will - zum Teil allerdings unter abweichenden URL. Die Klägerin hat darüber hinaus geltend gemacht, dass die Beklagte die Fotografien auf ihren Servern selbst gespeichert habe und dass es der Klägerin zumutbar gewesen sei, ein erneutes Hochladen der Inhalte in den konkret in Rede stehenden Blogs - auch unter anderen URL - zu verhindern. Ob dies tatsächlich der Fall ist, muss ebenso der materiell-rechtlichen Prüfung überlassen bleiben wie die Frage, ob es sich vorliegend überhaupt - wie die Klägerin geltend macht - um eine relevante Verletzung des deutschen Urheberrechts handelt und welche Rechtsfolgen sich daraus ergeben können.

4. Die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte ist auf die konkreten Verletzungsformen beschränkt, mit denen die Klägerin das öffentliche Zugänglichmachen der in Rede stehenden Fotografien über die Domain b..de beanstandet. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist die Klage insoweit nicht unzulässig, als sich der Antrag auch auf den unter der Domain www. b..com abrufbaren Dienst der Beklagten bezieht. Dabei handelt es sich nach verständiger Würdigung des klägerischen Vorbringens lediglich um eine unschädliche Überbestimmung des Dienstes der Beklagten. Wie die Klägerin durch die Antragsfassung in der mündlichen Verhandlung vom 27.08.2014 durch Bezugnahme auf die im Schriftsatz vom 04.06.2014 genannten URL zum Ausdruck gebracht hat, wendet sie sich allein gegen die unter der Domain b..de konkret abrufbaren Inhalte.






LG Hamburg:
Urteil v. 19.06.2015
Az: 308 O 161/13


Link zum Urteil:
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