Bundespatentgericht:
Beschluss vom 25. März 2004
Aktenzeichen: 5 W (pat) 420/03

(BPatG: Beschluss v. 25.03.2004, Az.: 5 W (pat) 420/03)

Tenor

Die Beschwerde der Antragsgegnerin wird zurückgewiesen.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

I Die Antragsgegnerin ist Inhaberin des am 16. Mai 1998 angemeldeten Gebrauchsmusters 298 08 816 (Streitgebrauchsmuster), das am 6. August 1998 mit 11 Schutzansprüchen in das Gebrauchsmuster-Register eingetragen wurde. Die Schutzdauer des Gebrauchsmusters ist auf 6 Jahre verlängert.

Die eingetragenen Schutzansprüche haben folgenden Wortlaut:

1. Stuhlhusse für einen Stuhl, der als Stuhlteile eine Sitzfläche und eine Rückenlehne aufweist, mit einer Sitzbedeckung (2), einer Lehnenbedeckung (3) und einer Lehnenrückseitenbedeckung (4), dadurch gekennzeichnet, daß die Stuhlhusse (1) wenigstens eine Halterung (15, 16) für eine einen der Stuhlteile überdeckende Platte (10, 11) aufweist.

2. Stuhlhusse nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß die Halterung eine Tasche (15) ist und sich in der Tasche eine Schaumstoffplatte (10, 11) befindet.

3. Stuhlhusse nach Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, daß die Halterung (15, 16) sich an der Sitzbedeckung (2) der Husse (1) befindet und die Platte (10) wenigstens die Ausmaße der größten Sitzfläche der mit der Husse zu überziehenden Stühle hat.

4. Stuhlhusse nach einem der Ansprüche 1 bis 3, dadurch gekennzeichnet, daß die Halterung (15, 16) sich an der Lehnenbedeckung (3) der Husse (1) befindet und die Platte (11) wenigstens die Ausmaße der größten Rückenlehne der mit der Husse zu überziehenden Stühle hat.

5. Stuhlhusse nach dem auf Anspruch 2 rückbezogenen Anspruch 4, dadurch gekennzeichnet, daß die Halterung an der Lehnenbedeckung (3) die durch die Lehnenbedeckung (3) und die Lehnenrückseitenbedeckung (4) gebildete Tasche, die auch dem Überziehen über die Stuhl-Rückenlehne dient, ist.

6. Stuhlhusse nach einem der Ansprüche 1 bis 5, dadurch gekennzeichnet, daß an der Lehnenrückseitenbedeckung (4) Straffungsmittel (20 - 23) angebracht sind.

7. Stuhlhusse nach einem der Ansprüche 1 bis 6, dadurch gekennzeichnet, daß die Halterung (15) durch an den Rändern der Sitzbedeckung (2) an deren Unterseite befestigte flexible Streifen gebildet sind.

8. Stuhlhusse nach Anspruch 7, dadurch gekennzeichnet, daß die flexiblen Streifen entlang den Rändern angenähte Textilstreifen (15) sind.

9. Stuhlhusse nach Anspruch 8, dadurch gekennzeichnet, daß die Textilstreifen (15) elastisch dehnbar sind.

10. Stuhlhusse nach Anspruch 7, dadurch gekennzeichnet, daß die flexiblen Streifen an ihren Enden angenähte dehnbare Bänder (16) sind.

11. Stuhlhusse nach einem der Ansprüche 1 bis 10, dadurch gekennzeichnet, daß sich an die Sitzbedeckung (2) umlaufend eine nach unten hängende Schabracke (5) anschließt.

Die Antragstellerin hat am 29. November 2000 beim Deutschen Patent- und Markenamt die Teillöschung des Streitgebrauchsmusters im Umfang der Schutzansprüche 1 bis 7 beantragt, da dessen Gegenstand insoweit nicht schutzfähig sei. Die Begründung hat sie auf folgende Druckschriften zum Stand der Technik gestützt:

1. US-PS 5 690 380 mit deutscher Übersetzung 2. US-PS 2 123 667 mit deutscher Übersetzung 3. DE-PS 1 529 468 4. US-PS 3 195 950 mit deutscher Übersetzung 5. DM/032 702 Auf einen Zwischenbescheid der Gebrauchsmusterabteilung I vom 31. Juli 2001, wonach der Löschungsantrag voraussichtlich keinen Erfolg haben werde, hat die Antragstellerin außerdem offenkundige Vorbenutzungen geltend gemacht. So hätten eine Reihe von Firmen vor dem Prioritätsdatum des Streitgebrauchsmusters gepolsterte Hussen hergestellt, deren Polster mindestens so groß wie die Rückenlehne und die Sitzfläche eines Stuhles ausgebildet gewesen seien. Hierzu hat sie Beweis durch Zeugnis von 9 Personen verschiedener Firmen angeboten. Zu deren Namen und Adressen wird auf den Schriftsatz der Antragstellerin vom 7. Januar 2002 verwiesen. Außerdem seien Hussen entsprechend den Darstellungen gemäß deutschem Geschmacksmuster DM/032 702 (og Entgegenhaltung 5) seit 1995 in Frankreich hergestellt und auf den Messen "Ambiente" und "Tendence" in F... angeboten sowie in Deutschland veräußert worden.

Ferner sei seit 1996 eine im selben Jahr hergestellte, im vorgelegten Satz Fotos (Anlage D7 zum Schriftsatz der Antragstellerin vom 7. Januar 2002) abgebildete Husse, die Halterungen für eine Polsterplatte im Bereich der Rückenlehne umfasse, in einer Privatwohnung von vielen Besuchern benutzt und in Augenschein genommen worden. Hierfür hat die Antragstellerin Beweis angeboten durch Zeugnis der Herstellerin, Frau S..., und der Auftraggeberin, Frau T....

Die Antragsgegnerin, die dem Löschungsantrag rechtzeitig widersprochen hat, hat das Vorbringen der Antragstellerin zu den geltend gemachten offenkundigen Vorbenutzungen bestritten. Sie hat auch in den druckschriftlichen Entgegenhaltungen keine Offenbarungen erkennen können, die geeignet wären, die Schutzfähigkeit des Gegenstandes des Streitgebrauchsmusters in Frage zu stellen. Mit Schriftsatz vom 23. April 2002 hat sie neue Anspruchsfassungen nach Hilfsanträgen I bis V eingereicht, die in der Reihenfolge ihrer Numerierung hilfsweise der weiteren Verteidigung des Gebrauchsmusters zugrundegelegt werden sollen.

Der Schutzanspruch 1 nach Hilfsantrag I lautet:

Stuhlhusse für einen Stuhl, der als Stuhlteile eine Sitzfläche und eine Rückenlehne aufweist, mit einer Sitzbedeckung (2), einer Lehnenbedeckung (3) und einer Lehnenrückseitenbedeckung (4), dadurch gekennzeichnet, daß die Stuhlhusse (1) an der Sitzbedeckung (2) eine Halterung (15, 16) für eine die Sitzfläche überdeckende Platte (10) aufweist, die wenigstens die Ausmaße der größten Sitzfläche der mit der Husse zu überziehenden Stühle hat.

Der Schutzanspruch 1 nach Hilfsantrag II lautet:

Stuhlhusse für einen Stuhl, der als Stuhlteile eine Sitzfläche und eine Rückenlehne aufweist, mit einer Sitzbedeckung (2), einer Lehnenbedeckung (3) und einer Lehnenrückseitenbedeckung (4), dadurch gekennzeichnet, daß die Stuhlhusse (1) an der Sitzbedeckung (2) eine Tasche (15, 16) aufweist, in der sich eine die Sitzfläche überdeckende Schaumstoffplatte (10, 11) befindet, die wenigstens die Ausmaße der größten Sitzfläche der mit der Husse zu überziehenden Stühle hat.

Der Schutzanspruch 1 nach Hilfsantrag III lautet:

Stuhlhusse für einen Stuhl, der als Stuhlteile eine Sitzfläche und eine Rückenlehne aufweist, mit einer Sitzbedeckung (2), einer Lehnenbedeckung (3) und einer Lehnenrückseitenbedeckung (4), dadurch gekennzeichnet, daß die Stuhlhusse (1) an der Sitzbedeckung (2) eine Tasche (15, 16) aufweist, in der sich eine die Sitzfläche überdeckende Schaumstoffplatte (10, 11) befindet, die wenigstens die Ausmaße der größten Sitzfläche der mit der Husse zu überziehenden Stühle hat und aus einem Material mit einem Raumgewicht in der Größenordnung von 15 bis 30 kg/m3 besteht.

Der Schutzanspruch 1 nach Hilfsantrag IV lautet:

Stuhlhusse für einen Stuhl, der als Stuhlteile eine Sitzfläche und eine Rückenlehne aufweist, mit einer Sitzbedeckung (2), einer Lehnenbedeckung (3) und einer Lehnenrückseitenbedeckung (4), dadurch gekennzeichnet, daß die Stuhlhusse (1) an der Sitzbedeckung (2) eine Tasche (15, 16) aufweist, in der sich eine die Sitzfläche überdeckende Schaumstoffplatte (10, 11) befindet, die wenigstens die Ausmaße der größten Sitzfläche der mit der Husse zu überziehenden Stühle hat, und sich an der Lehnenbedeckung (3) der Husse (1) eine Tasche (15, 16) befindet, die eine Schaumstoffplatte (11) enthält, die wenigstens die Ausmaße der größten Rückenlehne der mit der Husse zu überziehenden Stühle hat.

Der Schutzanspruch 1 nach Hilfsantrag V lautet:

Stuhlhusse für einen Stuhl, der als Stuhlteile eine Sitzfläche und eine Rückenlehne aufweist, mit einer Sitzbedeckung (2), einer Lehnenbedeckung (3) und einer Lehnenrückseitenbedeckung (4), dadurch gekennzeichnet, daß die Stuhlhusse (1) an der Sitzbedeckung (2) eine Tasche (15, 16) aufweist, in der sich eine die Sitzfläche überdeckende Schaumstoffplatte (10, 11) befindet, die wenigstens die Ausmaße der größten Sitzfläche der mit der Husse zu überziehenden Stühle hat, und sich an der Lehnenbedeckung (3) der Husse (1) eine Tasche (15, 16) befindet, die eine Schaumstoffplatte (11) enthält, die wenigstens die Ausmaße der größten Rückenlehne der mit der Husse zu überziehenden Stühle hat, wobei die Schaumstoffplatten aus Materialien mit einem Raumgewicht von 15 bis 30 kg/m3 bestehen.

In der mündlichen Verhandlung vor der Gebrauchsmusterabteilung I des Deutschen Patent- und Markenamts am 26. November 2002 hat die Antragstellerin eine in der Privatwohnung der als Zeugin benannten Frau T... an-

geblich vorbenutzte Husse (D7) vorgelegt. Nach mündlicher Verhandlung, in der die Zeugin Frau S... zur Frage des Beweisbeschlusses vom 11. Juli 2002 gehört worden ist, hat die Gebrauchsmusterabteilung die Teillöschung des Streitgebrauchsmusters im beantragten Umfang beschlossen und die Kosten des Verfahrens der Antragsgegnerin auferlegt.

Gegen diesen ihr am 28. Januar 2003 zugestellten Beschluß richtet sich die Beschwerde der Antragsgegnerin vom 21. Februar 2003.

Gemäß Schriftsatz vom 9. Mai 2003 verteidigt sie das Streitgebrauchsmuster auf der Grundlage der Anträge vom 23. April 2002 (Hauptantrag und Hilfsanträge I bis V) weiter, mit der Maßgabe, daß im Anspruch 1 nach Hilfsantrag V das Wort "Materialien" durch "Polyurethan" ersetzt ist.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Gebrauchsmuster-Beschwerdesenat präsentiert die Antragsgegnerin mehrere (gleiche) Muster einer nach dem Streitschutzrecht gebildeten Stuhlhusse, die auf von ihr mitgebrachten Stühlen unterschiedlicher Bauart sowie unterschiedlicher Lehnen- bzw. Sitzflächengrößen aufgebracht sind. Sie weist auf das erzielte Ergebnis eines einheitlichen Erscheinungsbildes der verschiedenen Stühle hin, welches gemäß Streitgebrauchsmusterschrift angestrebt werde. Sie führt aus, daß der entgegengehaltene Stand der Technik kein Vorbild für den Gegenstand des angegriffenen Gebrauchsmusters enthalte, und daß die Stuhlhusse diesem Stand der Technik gegenüber auch auf einem erfinderischen Schritt beruhe. Sie macht weiter geltend, daß die behauptete Vorbenutzung der Stuhlhusse nach D7 nicht offenkundig geworden sei, weil Übergabe und Gebrauch der Husse in einer privaten Wohnung stattgefunden habe. Überdies sei diese Husse nicht mit einer Platte im Sinne des angegriffenen Gegenstandes ausgestattet und auch nicht geeignet, für verschiedene Stühle verwendet zu werden, so daß sie selbst als Stand der Technik dem Gegenstand des Streitgebrauchsmusters nicht schutzhindernd entgegenstehe.

Die Antragsgegnerin stellt sinngemäß den Antrag, den Beschluß der Gebrauchsmusterabteilung I des Patentamts vom 26. November 2002 aufzuheben und den Löschungsantrag zurückzuweisen (Hauptantrag), hilfsweise den genannten Beschluß aufzuheben und den Löschungsantrag im Umfang der Ansprüche nach einem der Hilfsanträge I bis IV vom 23. April 2002 sowie des Hilfsantrags V vom 9. Mai 2003 zurückzuweisen.

Die Antragstellerin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie stellt in der mündlichen Verhandlung ein Original der als vorbenutzt behaupteten Husse nach D7 vor und erläutert deren Aufbau und Beschaffenheit. Insbesondere weist sie auf die im Lehnenteil eingenähte Tasche sowie die darin eingelegte Schaumstoffplatte hin, durch die die Husse ihre Lehnenform im wesentlichen auch dann beibehalte, wenn sie bei Stühlen mit etwas abweichender, insbesondere kleinerer Bauform angewendet wird. Sie macht ua geltend, daß die Vorbenutzung der Husse nach D7 offenkundig gewesen sei und die Husse daher dem Schutzgegenstand nach dem eingetragenen Anspruch 1 des Streitgebrauchsmusters neuheitsschädlich entgegen stehe.

Der erkennende Senat hat in der mündlichen Verhandlung auf der Grundlage des Beweisbeschlusses vom 8. Oktober 2003 Beweis erhoben durch uneidliche Einvernahme der Frau T... als Zeugin. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 25. März 2004 Bezug genommen.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt ihrer Schriftsätze verwiesen.

II Die Beschwerde der Antragsgegnerin ist zulässig. In der Sache hat sie jedoch keinen Erfolg. Der Teillöschungsantrag ist begründet.

1. Die Gegenstände der angefochtenen Schutzansprüche 1 bis 7 in der eingetragenen Fassung (Hauptantrag) sind nicht schutzfähig im Sinne der §§ 1 bis 3 GebrMG.

1.1 Der Gegenstand des Schutzanspruchs 1 ist nicht neu.

Das Streitgebrauchsmuster betrifft eine Stuhlhusse für einen Stuhl mit Sitzfläche und Rückenlehne, im Anspruch als Stuhlteile bezeichnet. Die Stuhlhusse umfaßt - in unstreitig üblicher Weise - eine Sitzbedeckung, eine Lehnenbedeckung und eine Lehnenrückseitenbedeckung. Sie weist - als erfindungswesentliches Merkmal - eine Halterung für eine einen der Stuhlteile überdeckende Platte auf.

In der Beschreibung des Streitgebrauchsmusters ist ausgeführt, daß die Platte eine Größe haben muß, die die Ausmaße der Sitzfläche bzw. Rückenlehne der mit der Husse zu überziehenden Stühle erreicht oder übertrifft (S 2 Z 1 bis 3), und daß die Platte eine ausreichende Steifigkeit haben muß, um auch in den überstehenden Teilen nicht umzufalten (S 2 Z 5 u 6), wodurch aufgabengemäß eine Standard-Husse geschaffen werden soll, mit der auch Stühle zu überziehen sind, deren Grundmaße in gewissem Umfang abweichen und deren Formen unterschiedlich sind (S 1 vle Abs). Mithin liest der Fachmann - als hier zuständig wird ein/e Hobbyschneider/in angesehen, der/die textile Gestaltungselemente im häuslichen Umfeld wie z.B. Überwürfe für Möbelteile selbst entwirft und herstellt - im Schutzanspruch 1 mit, daß die Platte den Ausmaßen der Lehnen- oder Sitzfläche mindestens entspricht und eine hinreichende Formsteifigkeit aufweist.

Derartige Stuhlhussen sind zwar, wie der Senat überprüft hat, in den druckschriftlichen Entgegenhaltungen 1 bis 5 nicht offenbart. Insbesondere läßt sich dem (auch im Inland Schutz beanspruchenden) Geschmacksmuster DM032 702 (Entgegenhaltung 5) trotz der Angabe "avec ... dossiers et assises rembourres" nicht mit der erforderlichen Gewißheit entnehmen, daß die dort vorgesehenen Polster die Ausmaße der Sitzfläche bzw. Rückenlehne der mit der Husse zu überziehenden Stühle mindestens erreichen, wie das Streitgebrauchsmuster dies verlangt. Vielmehr läßt die zitierte Angabe die Möglichkeit offen, daß das Polster - etwa wie in der US-PS 5 690 380, dort insbes. Figur 2 - die Stuhllehne bzw. Sitzfläche nur teilweise ab-, nicht jedoch überdeckt. Zudem kann an Hand der Entgegenhaltung 5 auch eine Feststellung dahingehend, daß das Polster die für eine Platte i.S.d. Gebrauchsmusters erforderlich Formsteifigkeit aufweise, nicht getroffen werden: Soweit Abb. 1.1/1.2 der Druckschrift DM/032 702 keine Einfaltungen in dem die Stuhllehne bedeckenden Hussenteil erkennen läßt, kann dies auch dem Umstand zu danken sein, daß es sich bei dem dort überzogenen Stuhl um einen solchen mit vollständig gepolsteter Lehne - wie ihn die Antragsgegnerin in der mündlichen Verhandlung vorgeführt hat - handelt; einen zwingenden Schluß auf ein Polster, das eine gewisse Formsteifigkeit aufweist und welches überdies derart bemessen ist, daß es die Rückenlehne überdeckt, lassen auch die genannten Abbildungen in der Entgegenhaltung 5 nicht zu.

Der Senat ist allerdings aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme zu der Überzeugung gelangt, daß eine gebrauchsmustergemäße Stuhlhusse offenkundig vorbenutzt worden ist durch die in der mündlichen Verhandlung im Original vorgelegte Stuhlhusse gemäß D7.

Diese Husse umfaßt in ihrem Mittelteil eine viereckige Sitzbedeckung, an deren geraden vier Rändern im wesentlichen rechteckige Stofflappen angenäht sind, von denen - bei zweckgemäßer Verwendung der Husse - drei von der Stuhlsitzfläche nach unten in Richtung Boden fallen können und der vierte Stofflappen dazu vorgesehen ist, über die Lehnenvorderseite, die obere Lehnenkante sowie die Lehnenrückseite - ggf. bis zum Boden hinunterreichend - geworfen zu werden, wobei seitlich am vorderen Lehnenbedeckungsteil noch Bänder angenäht sind, mit denen das rückseitige Lehnenbedeckungsteil eng an die Stuhlrückseite herangebunden werden kann. In der zwischen vorderer Lehnenbedeckung und Lehnenrückseitenbedeckung gebildeten Stoff-Falte ist eine lediglich zu beiden Seitenrändern der Lehne hin offene Tasche eingenäht, in die eine plattenförmige Schaumstoffeinlage - von der Zeugin als Polsterung bezeichnet - seitlich einschiebbar eingesetzt ist. Die Schaumstoffeinlage ist so dimensioniert, dass sie das Lehnenteil überdeckt, denn gemäß Zeugenaussage entsprach ihre Größe genau der Kontur der Lehne des Stuhls, für den die Husse gefertigt worden ist, hier ein Rattanstuhl mit geradem oberem Lehnenabschluß. Die Schaumstoffeinlage, die durch Vernähen zweier Schaumstofflagen erzeugt ist, weist - wie entsprechende Versuche in der mündlichen Verhandlung ergeben haben - auch eine Plattensteifigkeit auf, die hinreicht, in Übereinstimmung mit dem Ziel des angefochtenen Gebrauchsmusters, die Lehnenbedeckung der Husse in etwa gleichbleibender Größe und Form auch dann erscheinen zu lassen, wenn die Husse über Stühle mit etwas geringerer Lehnengröße gestülpt wird.

Danach stimmt diese Husse in ihren Merkmalen vollständig überein mit der nach dem angefochtenen Schutzanspruch 1. Sie erfüllt auch denselben Verwendungszweck. Zwar hat die Zeugin T... bekundet, daß die vorliegende Husse ge-

nau für eine bestimmte Stuhlform und -größe gefertigt worden sei. Einen rechtlich relevanten Unterschied gegenüber dem Gegenstand des Gebrauchsmusters kann dies indes nicht begründen. Denn auch für dessen Herstellung müssen bestimmte größte Stuhlmaße vorgegeben werden. Zudem ist die Verwendbarkeit der Husse nach D7 für kleinere Stühle als dem bei der Dimensionierung zugrundegelegten Stuhl aufgrund ihrer konstruktiven Gestaltung offensichtlich.

Zur Überzeugung des Senats wurde die Husse nach D7 seit dem Jahr 1996, mithin noch vor dem Prioritätstag des angegriffenen Gebrauchsmusters benutzt: Wie die Zeugin T... in ihrer Vernehmung angab, hatte sie "vor sechs oder sieben Jahren" durch ihre Bekannte, die vor der Gebrauchsmusterabteilung I des Patentamts als Zeugin gehörte Frau S..., neben zwei Hussen für Armlehnstühleauch acht Exemplare gemäß Anlage D7 anfertigen lassen, die sie in der Folgezeit als Überzug ihrer Eßzimmerstühle in ständigem Gebrauch hatte. Auf diese Weise seien die Hussen nach D7 nicht nur ihrer eigenen Familie, sondern auch zahlreichen Gästen aus dem großen Freundes- und Verwandtenkreis zugänglich geworden. Zwar konnte die Zeugin zunächst auch auf die Nachfrage hin die genaue Entsehungszeit der Hussen nicht näher eingrenzen. Mit den Angaben ihrer Bekannten Stegmann vor der Gebrauchsmusterabteilung I des Deutschen Patent- und Markenamts konfrontiert, wonach diese die Hussen 1995 entworfen und 1996 gefertigt habe, hielt sie diese Chronologie jedoch ohne weiteres für möglich. Es spricht für die Glaubwürdigkeit der Zeugin, wenn sie Erinnerungslücken - die zudem angesichts der für sie vergleichsweise marginalen Bedeutung der Erstellung der Hussen durchaus als plausibel und nachvollziehbar erscheinen - nicht durch eine nachträgliche Konstruktion des Ereignisablaufs zu kaschieren trachtet, sondern die Grenzen dessen, was ihr hinsichtlich einzelner Punkte der Befragung noch sicher gegenwärtig ist, freimütig offen legt. Dies gilt auch, soweit sie auf die - für sie erkennbar überraschende - Frage des Antragsgegnervertreters, ob die Polster von Anfang an eingearbeitet gewesen oder erst später angebracht worden seien, zunächst ihre Unsicherheit in dem Punkt hat erkennen lassen. Denn bei näherer Überlegung war sie gewiß, daß eine aufwendige Nachbearbeitung in Form des Einnähens von Tasche und Polster nicht stattgefunden habe - zumal Ausgangspunkt für die Anfertigung der Hussen die von ihrem Ehemann empfundene Unbequemlichkeit der Rattanstühle gewesen sei, welche mittels der Hussen behoben werden sollte. Da der Senat - ebenso wie die Beteiligtenvertreter - auch im übrigen keinen Anlaß hat, die Angaben der Zeugin in Zweifel zu ziehen, steht zu seiner Überzeugung fest, daß Hussen gemäß D7 im Hause T...

sei 1996 in Gebrauch und damit vorbenutzt waren.

Die Vorbenutzung war ungeachtet des Umstands, daß sie in einem Privathaushalt stattgefunden hat, auch offenkundig.

Offenkundig ist eine Benutzung nach geltender Rechtsprechung (RG-Entscheidung "Kaffekannen-Untersatz" in GRUR 1942 S 261, BGH-Entscheidung "Zwischenstecker I" in GRUR 1953 S 384) dann, wenn sie die nicht zu entfernte Möglichkeit eröffnet, daß beliebige Dritte und damit auch Sachverständige eine zuverlässige, ausreichende Kenntnis von dem Gegenstand erhalten, mag dies unmittelbar dadurch geschehen, daß ein unbegrenzter Personenkreis die Benutzung wahrnimmt oder wahrnehmen kann, oder mittelbar dadurch, daß sie nur einzelne wahrnehmen, unter denen sich nicht zur Geheimhaltung verpflichtete Fachleute befinden oder bei denen die Möglichkeit besteht, daß ihre Kenntnis an beliebige Dritte weiterdringt. Auch der Gebrauch einer Sache in einer Privatwohnung kann danach eine öffentliche Vorbenutzung darstellen.

Dieser Fall ist hier gegeben. Die Zeugin hat die Hussen für ihre Eßzimmerstühle nach der Herstellung ständig benutzt, und ihre große Familie und zahlreiche Gäste haben danach die Hussen zu sehen bekommen. Somit bestand die uneingeschränkte Möglichkeit, daß Personen, eingeschlossen Fachkundige, die (auch nach Aussage der Zeugin bekanntermaßen) einfach herzustellenden Hussen wahrnehmen und ihre Kenntnisse über Aussehen und Aufbau des technisch schlichten Gegenstandes selbst nutzen oder an beliebige Dritte weitergeben konnten.

1.2. Der Schutzanspruch 2 bildet die Husse nach Schutzanspruch 1 dadurch weiter, daß die Halterung für die Platte als Tasche und die Platte als Schaumstoffplatte ausgebildet ist. Sie ist gegenüber der vorbenutzten Husse nach D7 ebenfalls nicht mehr neu, wie sich aus den vorstehenden Ausführungen unter Abschnitt 1.1 ohne weiteres ergibt.

1.3 Der Schutzanspruch 3 bildet die Stuhlhusse nach Schutzanspruch 1 oder 2 dadurch weiter, daß die Halterung samt Platte sich an der Sitzbedeckung befindet. Der Schutzanspruch 4 bildet die Stuhlhusse nach einem der Schutzansprüche 1 oder 2 dadurch weiter, daß die Halterung samt Platte sich an der Lehnenbedeckung (Alternative 1) oder an der Sitz- und Lehnenbedeckung zugleich (Alternative 2, folgt aus Rückbezug auf Anspruch 3) befindet. Die Platte hat dabei jeweils - wie schon vom Anspruch 1 erfaßt - mindestens das Ausmaß der Lehnen- oder Sitzfläche.

Die Anordnung einer nur an der Lehnenbedeckung gehaltenen Platte gemäß Anspruch 4 -Alternative 1- ist durch den Vorbenutzungsgegenstand nach D7 neuheitsschädlich getroffen, wie oben unter Abschnitt 1.1 bereits ausgeführt.

Die Alternative 2 nach Anspruch 4, neben der Lehnenbedeckung auch die Sitzbedeckung mit einer daran gehaltenen Platte auszurüsten, und der Vorschlag gemäß Anspruch 3, allein die Sitzbedeckung mit einer an der Husse gehaltenen Platte auszubilden, begründet keinen erfinderischen Schritt. In Kenntnis einer die Lehnenfläche überdeckenden Polsterung an der Husse sind für den Fachmann keine Hinderungsgründe erkennbar, bei Bedarf eine derartige Polsterung nur oder auch an dem zweiten durch den Körper belasteten Stuhlteil vorzusehen, um die Vorteile der bekannten Maßnahme (Komfort, Erscheinungsbild) auch im Bereich der Sitzfläche zu nutzen.

1.4 Im Schutzanspruch 5 ist beansprucht, daß die durch Lehnenbedeckung und Lehnenrückseitenbedeckung der Husse gebildete Tasche, die dem Überziehen über die Stuhl-Rückenlehne dient, die Halterung für die Platte bildet.

Die für die Lehne vorgesehene Tasche einer Husse auch zur Aufnahme eines Polsters bzw. einer Platte zu nutzen, betrifft eine auf der Hand liegende einfache handwerkliche Maßnahme, die sich insbesondere bei Stühlen anbietet, deren Lehnen ungepolstert sind. Sie kann einen erfinderischen Schritt nicht begründen.

1.5 Das zusätzliche Vorsehen von Straffungsmitteln (Anspruch 6) und flexiblen Streifen (Anspruch 7) an zweckmäßigen Stellen der Husse, um Bezüge zu spannen oder Polsterungen zu halten, ist dem Fachmann geläufig (ua US-PS 2 123 667 Fig 4; US-PS 5 690 380 Fig 5 u 6; DE-PS 1 529 468 Fig 6). Diese Maßnahme kann daher keinen Beitrag leisten, die in Bezug genommenen Hussen schutzfähig zu machen.

2. Die Gegenstände der als zulässig erachteten Schutzansprüche 1 nach den Hilfsanträgen I bis V, zu denen in der mündlichen Verhandlung nicht näher vorgetragen worden ist, sind zumindest mangels eines erfinderischen Schrittes nicht schutzfähig.

2.1 Der Schutzanspruch 1 nach Hilfsantrag I umfaßt die Merkmale der eingetragenen Ansprüche 1 und 3, die nach den Ausführungen zum Hauptantrag bereits als nicht schutzbegründend festgestellt worden sind.

2.2 Der Schutzanspruch 1 nach Hilfsantrag II umfaßt die Merkmale der eingetragenen Ansprüche 1, 2 und 3. Auch diese Merkmale sind nach den obigen Ausführungen zum Hauptantrag als nicht schutzbegründend beurteilt worden.

2.3 Der Schutzanspruch 1 nach Hilfsantrag III umfaßt die Merkmale der eingetragenen Ansprüche 1, 2 und 3 bzw. die Merkmale des als nicht schutzwürdig festgestellten Schutzanspruchs 1 nach Hilfsantrag II, ferner das Merkmal aus der Beschreibung des Streitgebrauchsmusters (S 2 Abs 2 Z 5 u 6), daß die Schaumstoffplatte aus einem Material mit einem Raumgewicht in der Größenordnung von 15 bis 30 kg/m3 besteht. Die Auswahl des Raumgewichts für die Platte liegt im Ermessen des Fachmannes, der die Dimensionierung der Teile seiner Husse stets nach praktischen Erfordernissen und wirtschaftlichen Abwägungen geeignet festlegt. Ein erfinderisches Tun seitens des Fachmannes ist hierfür nicht erforderlich.

2.4 Der Schutzanspruch 1 nach Hilfsantrag IV vereinigt die Merkmale der eingetragenen Schutzansprüche 1 bis 4, die nach den Ausführungen zum Hauptantrag ebenfalls schon als nicht schutzbegründend festgestellt worden sind.

2.5 Der Schutzanspruch 1 nach Hilfsantrag V fügt dem Schutzanspruch 1 nach Hilfsantrag IV das Merkmal hinzu, daß die Schaumstoffplatten aus Polyurethan mit einem Raumgewicht von 15 bis 30 kg/m3 bestehen. Polyurethan ist ein dem Fachmann geläufiges Schaumstoffmaterial, und - wie zum Hilfsantrag III schon ausgeführt - die Wahl der Dichte der Schaumstoffplatte liegt im Ermessen des Fachmannes. Auch die weiteren Merkmale liefern daher keinen Beitrag zur Stützung eines erfinderischen Schrittes beim Gegenstand des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag V.

3. Daß in den den jeweiligen Hauptansprüchen nachgeordneten Schutzansprüchen gemäß den Hilfsanträgen I bis IV, soweit von dem Löschungsantrag erfaßt, noch etwas Schutzwürdiges enthalten ist, vermochte der Senat nicht zu erkennen. Entgegenstehendes ist von der Antragsgegnerin in der mündlichen Verhandlung auch nicht vorgetragen worden.

4. Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens beruht auf § 18 Abs 2 Satz 2 GebrMG iVm § 84 Abs 2 PatG, § 97 Abs 1 ZPO. Die Billigkeit erfordert keine andere Entscheidung.

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BPatG:
Beschluss v. 25.03.2004
Az: 5 W (pat) 420/03


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