Oberlandesgericht Düsseldorf:
Urteil vom 29. Oktober 2009
Aktenzeichen: I-10 U 86/09

(OLG Düsseldorf: Urteil v. 29.10.2009, Az.: I-10 U 86/09)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf hat in einem Urteil vom 29. Oktober 2009 (Aktenzeichen I-10 U 86/09) entschieden, dass der Beklagte den Klägern Schadensersatz in Höhe von insgesamt 57.733,32 EUR zahlen muss. Der Beklagte hatte es versäumt, die Kläger rechtzeitig über ihre Regressansprüche gegen einen anderen Anwalt zu informieren, weswegen die Ansprüche verjährt waren. Das OLG entschied, dass der Beklagte sich nicht auf die Verjährung berufen kann und die Kläger somit Anspruch auf Schadensersatz haben. Das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 17. April 2009 wurde dementsprechend abgeändert. Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits. Die Entscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte hat die Möglichkeit, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung abzuwenden. Die Berechnung der Sicherheitsleistung beträgt 120 % des zu zahlenden Betrags. Wenn die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten, entfällt die Sicherheitsleistung des Beklagten. Das OLG begründet seine Entscheidung damit, dass der Beklagte seine Beratungs- und Hinweispflicht gegenüber den Klägern verletzt hat. Er hätte die Kläger rechtzeitig auf die drohende Verjährung ihrer Regressansprüche hinweisen müssen. Der Beklagte hatte Einblick in die Handakten des anderen Anwalts und somit die Möglichkeit, die Verjährung zu erkennen. Da er dies nicht getan hat, ist er gegenüber den Klägern schadensersatzpflichtig. Die Verjährung wird gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB in Verbindung mit § 167 ZPO durch die Klageerhebung gehemmt. Die Angriffe des Beklagten gegen seine Haftung wurden vom OLG Düsseldorf abgewiesen. Der Beklagte kann sich nicht darauf berufen, dass die Verjährung des Anspruchs gegen den anderen Anwalt bereits vor der Klageerhebung abgelaufen sei. Das OLG ist der Ansicht, dass die kurze Verjährungsfrist für Haftungsansprüche gegen Steuerberater auch für die vorliegende Fallkonstellation gilt. Der Einwand des Beklagten, dass die Kläger ihre Forderungen gegen den anderen Anwalt nicht hätten durchsetzen können, ist für den Streitfall irrelevant, da die Kläger den Beklagten auf Ersatz der Prozesskosten verklagt haben. Das Urteil des OLG Düsseldorf ist nicht revidierbar. Der Streitwert beträgt 56.708,58 EUR.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

OLG Düsseldorf: Urteil v. 29.10.2009, Az: I-10 U 86/09


Tenor

Auf die Berufung der Kläger wird das am 17. April 2009 verkündete Ur-teil der 15. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Das Versäumnisurteil des Landgerichts Düsseldorf vom 29. Mai 2008 (15 O 77/08) wird aufrechterhalten.

Die weiteren Kosten des Rechtsstreits - I. und II. Instanz - trägt der Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Dem Beklagten bleibt nachgelassen, die Zwangsvollstreckung der Klä-gerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

I.

Die Parteien streiten über Schadensersatzansprüche der Kläger gegen den Beklagten wegen anwaltlicher Pflichtverletzung. Wegen der getroffenen Feststellungen wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung verwiesen (GA 309 ff.). Das Landgericht hat den Beklagten durch Versäumnisurteil antragsgemäß zur Zahlung von 57.733,32 € (= 56.708,58 € + 1.024,74 €) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.05.2008 verurteilt und die Klage auf Einspruch des Beklagten unter Aufhebung des Versäumnisurteils abgewiesen. Hiergegen richtet sich die Berufung der Kläger, mit dem sie ihren erstinstanzlichen Schlussantrag, das Versäumnisurteil aufrechtzuerhalten, weiter verfolgen. Sie verweisen auf ihr erstinstanzliches Vorbringen und machen geltend, das Landgericht habe die Tatsache, dass für den Beklagten T. des Vorprozesses die Einrede der Verjährung erhoben worden sei, völlig außer acht gelassen und hierdurch eine Sekundärhaftung des Beklagten zu Unrecht verneint. Gehe man zudem davon aus, dass die Verjährung des Regeressanspruchs gegen T. erst eingetreten sei, als sich das letzte aufgrund seines Verhaltens eintretende schadensstiftende Ereignis mit der Konsequenz der Zahlung einer Vergleichssumme von 200.000 € vollzogen gehabt habe, stelle sich das pflichtwidrige Verhalten des Beklagten so dar, wie es in erster Instanz geschildert worden sei und von Verjährung könne keine Rede sein. Nur hilfsweise berufen sich die Kläger darauf, angesichts der Schwere seines Fehlverhaltens könne sich der Beklagte auf die Einrede der Verjährung nicht berufen. Wegen der weiteren Einzelheiten ihres Berufungsvortrags wird auf die Berufungsbegründung vom 22.05.2009 (GA 354 ff.) verwiesen.

Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil und bittet nach Maßgabe seiner Berufungserwiderung vom 08.09.2009 (GA 392 ff.) um Zurückweisung der Berufung. Er hält daran fest, dass ihm keine Pflichtverletzung anzulasten sei und beruft sich u.a. darauf, dass er von den Klägern kein Mandat gehabt habe, ihre Interessen gegenüber Rechtsanwalt C. wahrzunehmen. Ein eigenständiges Prozessmandat habe er erst 2005 zur Abwehr der Berufung im Verfahren I - 15 U 43/05 OLG Düsseldorf erhalten. Eine Nebenpflicht zur Warnung des Auftraggebers vor Gefahren außerhalb des Mandats bestehe nur dann, wenn dem Anwalt diese Gefahr bekannt oder sie für ihn offenkundig sei. Dass sei während des Laufs der Verjährungsfrist gegen Rechtsanwalt C. nicht der Fall gewesen. Einen vorsätzlichen Pflichtenverstoß hält er für abwegig.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der in beiden Instanzen gewechselten Schriftsätze der Parteien einschließlich der zu den Akten gereichten schriftlichen Unterlagen Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung hat in der Sache Erfolg. Der Beklagte haftet den Klägern in Höhe von insgesamt 57.733,32 € nebst Zinsen auf Schadensersatz, weil er es versäumt hat, diese in unverjährter Zeit über einen Regressanspruch gegen Rechtsanwalt C. zu unterrichten und er sich den Klägern gegenüber nach den Grundsätzen der Sekundärhaftung nicht auf die Verjährung des gegen ihn gerichteten Primäranspruchs berufen kann. Dementsprechend ist das Versäumnisurteil entgegen der Auffassung des Landgerichts aufrechtzuerhalten. Das beruht im Einzelnen auf folgenden Erwägungen:

1.

Der Beklagte ist nicht gemäß § 214 Abs. 1 BGB berechtigt ist, die Zahlung der von ihm als Schadensersatz geforderten und in zweiter Instanz der Höhe nach nicht mehr bestrittenen 57.733,32 € zu verweigern. Die von dem Beklagten erhobene Verjährungseinrede greift nicht, weil der Beklagte sich gemäß §§ 280 Abs. 1, 249, 611, 675 BGB so behandeln lassen muss, als sei die dreijährigen Verjährungsfrist des § 51b BRAO im Zeitpunkt der Klageerhebung nicht abgelaufen und durch diese gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB gehemmt worden.

§ 51b BRAO, der durch das Verjährungsanpassungsgesetz mit Wirkung vom 15.12.2004 aufgehoben wurde, ist im Streitfall noch anzuwenden. Die Regelung des § 51b BRAO ist gemäß Art. 229 § 12 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. Art. 229 § 6 Abs. 1 Satz 2 EGBGB weiter anzuwenden, falls der primäre Schadensersatzanspruch - wie hier - vor dem 15.12.2004 entstanden ist. Bestimmt sich die Verjährung des Primäranspruchs nach § 51b BRAO, so gilt diese Vorschrift auch für den Sekundäranspruch, weil er lediglich ein Hilfsrecht und unselbstständiges Nebenrecht des primären Regressanspruchs bildet (BGH, Urt. v. 13.11.2008, IX ZR 69/07; Urt. v. 7.2.2008 - IX ZR 149/04).

Zwar war die dreijährige Verjährungsfrist des primären Schadensersatzanspruchs im Zeitpunkt der Klageerhebung formell abgelaufen (a), die Berufung macht jedoch mit Erfolg geltend, dass sich der Beklagte nach den Grundsätzen der Sekundärhaftung nicht auf die Verjährung des gegen ihn gerichteten primären Schadensersatzanspruchs berufen kann (b).

(a) Der Beklagte hat seine gegenüber den Klägern bestehende anwaltliche Beratungs- und Hinweispflicht schuldhaft verletzt. Kraft des Anwaltsvertrages ist der Rechtsanwalt verpflichtet, die Interessen seines Auftraggebers in den Grenzen des erteilten Mandats nach jeder Richtung umfassend wahrzunehmen. Er muss sein Verhalten so einrichten, dass er Schädigungen seines Auftraggebers, mag deren Möglichkeit auch nur von einem Rechtskundigen vorausgesehen werden können, vermeidet. Welche konkreten Pflichten aus diesen allgemeinen Grundsätzen abzuleiten sind, richtet sich nach dem erteilten Mandat und den Umständen des einzelnen Falles (BGH, Urt. v. 28.6.1990, NJW-RR 1990, 1241 - IX ZR 209/89; Urt. v. 4.6.1996, NJW 1996, 2648 - IX ZR 51/95).

Hieran gemessen bestand für den Beklagten die Pflicht, die Kläger auf die drohende Verjährung ihrer Regressansprüche gegen Rechtsanwalt C. hinzuweisen. Zwar haben die Kläger den Beklagten unstreitig nicht ausdrücklich damit beauftragt, Regressansprüche gegen Rechtsanwalt C. zu prüfen. Auch mag dahin stehen, ob und ab wann dem Beklagten ein eigenständiges Prozessmandat erteilt war. Jedenfalls war der Beklagte seit Februar 2000 mit Einwilligung der Kläger durch Rechtsanwalt C. beauftragt, diesen bei der Prozessführung des Ausgangsverfahrens zu unterstützen. Aus dem das Verfahren S. gegen St. betreffenden Schreiben des Beklagten vom 11.05.2000 (GA 14) ist ersichtlich, dass der Beklagte seine Mandatierung selbst nicht lediglich als unselbständige Hilfstätigkeit für Rechtsanwalt C., sondern als gegenüber den Klägern eigenverantwortliches umfassendes Mandat verstanden hat. Der Senat entnimmt dies gemäß §§ 133, 242 BGB bei verständiger Würdigung dem nachfolgenden Textauszug: "in der vorliegenden Sache, wie auch bei meiner begleitenden Beratung in den übrigen vor dem LG Duisburg in erster Instanz anhängigen Klageverfahren (gegen T. und L.) möchte ich mit ihnen hinsichtlich meiner Gebühren Klarstellung erzielen...RA C. hat mich zur Hilfestellung bereits in erster Instanz eingeschaltet. Von da ab habe ich in allen Verfahren die schriftsätzliche Arbeit übernommen, des weiteren habe ich auch die dann nachfolgenden Termine beim LG Duisburg jeweils unterstützend neben RA C. wahrgenommen. Von daher steht mir von gesetzeswegen ein zusätzliches Anwaltshonorar in gleicher Höhe, wie es RA C. nach der BRAGO für seine Tätigkeit als primärbeauftragter und tätiger Prozessbevollmächtigter gebührt, zu." Dementsprechend hat er Schriftsätze verfasst und zusammen mit Rechtsanwalt C. an der mündlichen Verhandlung teilgenommen. So hat er z.B. die Kläger mit Schreiben vom 04.02.2000 (GA 12) darüber unterrichtet, dass er im Ausgangsverfahren am 03.02.2000 an einer Beweisaufnahme teilgenommen habe und sich wegen seiner bisherigen Nichtbeteiligung am Verfahren von Rechtsanwalt C. die Handakten habe aushändigen lassen, den bisherigen Prozessstoff anhand dieser Akten nacharbeiten und die Kläger in der nächsten Woche darüber informieren wolle, was aus seiner Sicht ggfs. noch vorgetragen werden könne. Hiermit korrespondiert, dass er im Rubrum des erstinstanzlichen Urteils des Ausgangsverfahrens neben Rechtsanwalt C. als Prozessbevollmächtigter der Kläger aufgeführt ist. Mit diesem Umfang des ihm erteilten Mandats war der Beklagte verpflichtet, die Kläger als seine Mandanten vor Gefahren zu warnen, die ihm bekannt oder für ihn offenkundig sind, wenn er Grund zu der Annahme hatte, dass sich der Mandant der ihm drohenden Nachteile nicht bewusst ist. Dies gilt selbst bei eingeschränktem Mandat (BGH, Urt. v. 15.4.1999, NJW 1999, 2183 - IX ZR 328/97; Urt. v. 13.3.1997, NJW 1997, 2168 - IX ZR 81/96). Unbestritten hatte der Beklagte im Februar 2000 Einsicht in die Handakten des Rechtsanwalts C. und konnte hieraus ohne weiteres ersehen, dass dieser entgegen seiner Empfehlung im Schreiben vom 5.12.1998 (GA 17) nicht sämtliche der den Klägern gegen den Beklagten T. zustehenden Ansprüche vor Ablauf der Verjährungsfrist im März 1999 rechtshängig gemacht hatte. Selbst wenn er aus den Handakten nicht erkennen konnte, aus welchen Gründen eine Klageerweiterung unterblieben ist, hätte der Beklagte die Kläger aus Gründen anwaltlicher Vorsicht hierauf und eine etwa sich hieraus ergebende Pflichtverletzung des Rechtsanwalts C. hinweisen müssen. Ein entsprechender Hinweis war spätestens jedenfalls nach Einreichung der Klageerweiterung mit Schriftsatz vom 30.03.2000 geboten, weil die mit der Klageerweiterung verfolgten Ansprüche nach den zutreffenden Ausführungen des OLG Düsseldorf vom 24.05.2006 im Ausgangsverfahren bereits verjährt waren. Durch die den konkreten Umständen nach fahrlässig unterlassenen Hinweise ist den Klägern ein Schaden in streitgegenständlicher Höhe entstanden. Nach den zutreffenden Ausführungen des Landgerichts wäre der Schaden nach dem Grundsatz beratungsgerechten Verhaltens nicht entstanden, weil die Kläger bei einem rechtzeitigen Hinweis entweder auf die Klageerweiterung verzichtet oder sie den ihnen entstandenen Schaden in nicht verjährter Zeit gegenüber Rechtsanwalt C. hätten geltend machen können. Letzteres ist Ihnen verwehrt, weil Rechtsanwalt C. sich erfolgreich auf die Verjährung des gegen ihn gerichteten Schadensersatzanspruchs berufen hat. Der Senat geht mit dem Landgericht davon aus, dass die primäre Verjährung wegen der fehlerhaften Klageerweiterung vom 30.03.2000 am 30.03. 2003 abgelaufen war. Ob Rechtsanwalt C. nach Kenntnis von der Verjährungseinrede des Beklagten T. vom 2.10.2003 verpflichtet war, auf seine eigene Regresspflicht hinzuweisen und durch den unterlassenen Hinweis entgegen der Auffassung des Landgerichts (das Landgericht hat die Erhebung der Verjährungseinrede nicht erörtert) eine sekundäre Haftung ausgelöst hat, wozu der Senat neigt, mag dahin stehen. Jedenfalls war auch ein etwaiger sekundärer Schadensersatzanspruch mit Ablauf des 30.03.2006 verjährt, ohne dass der Beklagte bis zu diesem Zeitpunkt seiner anwaltlichen Hinweispflicht nachgekommen ist. Diese hat er erstmals im Zusammenhang mit der mündlichen Verhandlung am 10.04.2006 vor dem 15. Zivilsenat im Ausgangsverfahren erfüllt (siehe die Schreiben des Beklagten vom 12.04.2006, GA 268 ff.).

Da die Mandatsübernahme - wie ausgeführt - im Februar 2000 erfolgt ist, war ein primärer Schadensersatzanspruch der Kläger gegen den Beklagten mit Eintritt der Verjährung etwaiger Regressansprüche gegen Rechtsanwalt C. entstanden, so dass ein Primäranspruch gegen den Beklagten, selbst wenn insoweit der Auffassung des Landgerichts zu folgen wäre, in Anwendung des § 51b BRAO erst am 31.03.2006 verjährt wäre.

(b) Der Beklagte kann sich jedoch nach den Grundsätzen der Sekundärhaftung nicht auf die Verjährung des Primäranspruchs berufen. Der Sekundäranspruch wird nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung daraus hergeleitet, dass dem Rechtsanwalt aufgrund des Anwaltsvertrages bei der Beratung Rechtsunkundiger besondere Pflichten obliegen. Bei anwaltlicher Rechtsberatung und Prozessvertretung können in vielfältigster Weise Fehler begangen werden, die eine Vermögensschädigung des Mandanten auslösen, ohne dass diese alsbald zutage tritt. Oft ist das erst in höheren Instanzen der Fall. Selbst dann aber kann der Mandant häufig nicht erkennen, dass er durch einen Fehler seines Anwalts Nachteile erlitten hat. Der Anwalt hingegen, der weiter mit der Sache befasst ist, kann aufgrund seiner besseren Rechtskenntnisse eher feststellen, dass der Mandant eine Vermögensschädigung erlitten hat und ein eigener Fehler dafür ursächlich gewesen ist. Für den Anwalt kann sich bei der weiteren Wahrnehmung des Mandats ein begründeter Anlass ergeben zu prüfen, ob er dem Mandanten durch einen Fehler einen Schaden zugefügt hat. Muss ein sorgfältig arbeitender Anwalt dabei die Möglichkeit einer Regresshaftung erkennen, ist ein Hinweis darauf und auf die kurze Verjährungsfrist des § 51 BRAO geboten. Unterlässt er die erforderliche Überprüfung seines eigenen Verhaltens, oder erkennt er dabei nicht seinen Fehler und gibt infolgedessen auch nicht die erforderlichen Hinweise, oder erkennt er zwar den Regressanspruch und weist dennoch nicht auf ihn und die drohende Verjährung hin, so kann dies den Sekundäranspruch auslösen (BGH, Urt. v. 12. 12. 2002, IX ZR 99/02 m.w.N.; BGH, Urteil vom 23.5.1985, BGHZ 94, 380 = NJW 1985, 2250 - IX ZR 102/84 m.w.N.). Der Rechtsanwalt hat den Mandanten dann so zu stellen, als wäre die auf der Unterlassung beruhende Verjährung des gegen ihn gerichteten Regressanspruchs nicht eingetreten, wobei nach den Grundsätzen des Anscheinsbeweises davon ausgegangen wird, dass ein ordnungsgemäß belehrter Mandant den Eintritt der Primärverjährung verhindert hätte (BGH, a.a.O.).

Der Sekundäranspruch kann allerdings nicht bereits aus der Nichterfüllung einer Pflicht zur Aufdeckung des Primäranspruchs hergeleitet werden, weil andernfalls mit dem Primäranspruch zugleich der Sekundäranspruch ausgelöst würde. Er kann nur entstehen, wenn der Rechtsanwalt eine weitere Pflichtwidrigkeit zu einer Zeit begeht, zu der der Regressanspruch noch durchgesetzt werden kann, also insbesondere noch nicht verjährt ist (BGH, Urt. v. 13.11.2008, IX ZR 69/07; Urt. v. 10.10.1985, NJW 1985, 581 - IX ZR 153/84). Umgekehrt beruht die eingetretene Verjährung daher nicht auf einem Verhalten des Anwalts und kann ihm nicht als Verletzung seines Auftrags zugerechnet werden, wenn für ihn während des Verjährungslaufs kein verfahrensbezogener Anlass bestand, eine durch seine Pflichtwidrigkeit verursachte Schädigung des Mandanten zu erkennen und diesem die Durchsetzung des Regressanspruchs zu ermöglichen.

Hieran gemessen hätte der Beklagte bereits mit Kenntnis von der durch den Beklagten T. des Ausgangsverfahrens mit Schriftsatz vom 2.10.2003 erhobenen Verjährungseinrede die Möglichkeit seiner Regresshaftung erkennen und hierauf und auf die kurze Verjährungsfrist des § 51 BRAO hinweisen müssen. Der Beklagte macht demgegenüber erfolglos geltend, die Annahme, ihm sei die Verjährungsfrage offenkundig geworden, verbiete sich, wenn ein Kollegialgericht - wie hier das Landgericht Duisburg - in einer Entscheidung mehrere Jahre später die Ansprüche als nicht verjährt ansehe. Dieser Einwand geht schon deshalb ins Leere, weil das Landgericht im Ausgangsverfahren die von dem Beklagten T. erhobene Verjährungseinrede offensichtlich übersehen hat. Diese ist weder im Tatbestand aufgeführt noch wird die Verjährungsfrage in den Gründen der Entscheidung angesprochen. Gerade auch dieser Umstand hätte dem Beklagten weiterhin Veranlassung geben müssen, seine eigene Regresspflicht zu überprüfen und die Kläger hierüber zu informieren. Einem sorgfältig handelnden Rechtsanwalt wäre schon bei der ersten Durchsicht des Urteils aufgefallen, dass das Landgericht die Verjährungseinrede übersehen hat und er hätte seinen Mandanten hierüber und die Konsequenzen für seine Eigenhaftung in Kenntnis gesetzt. Unabhängig von vorstehenden Ausführungen war der Beklagten aufgrund der konkreten Umstände des Streitfalls im Hinblick auf seine Vorbefassung jedenfalls mit Übernahme des Berufungsmandats im Ausgangsverfahren zu der dargelegten Aufklärung über seine Regresspflicht verpflichtet.

Darf sich der Beklagte danach nicht auf den Ablauf der dreijährigen Verjährungsfrist des Primäranspruchs berufen, ist die Verjährung gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB i.V.m. § 167 ZPO (= § 270 III ZPO a.F.) durch Erhebung der Schadensersatzklage gehemmt worden.

2.

Die gegen seine Haftung gerichteten Angriffe des Beklagten rechtfertigen insgesamt keine abweichende Beurteilung. Soweit der Beklagten den Ablauf der Verjährung eines etwaigen gegen Rechtsanwalt C. gerichteten Schadensersatzanspruchs abweichend von den Ausführungen der Kammer auf den 30.03.2000 bzw. 30.09.2000 datiert, lässt dies seine Sekundärhaftung aus den bereits dargelegten Gründen nicht entfallen.

Der Beklagte beruft sich auch ohne Erfolg darauf, der 15. Zivilsenat habe zu Unrecht angenommen, dass die Verjährungseinrede des Beklagten T. berechtigt sei. Der Senat geht mit dem 15. Zivilsenat aus den von diesem angeführten Gründen (GA 93 f.) davon aus, dass die kurze Verjährung des § 68 StBerG auch für Tätigkeiten aus § 57 StBerG gilt. Der Entscheidung des BGH II ZR 326/04 lässt sich für den Streitfall Gegenteiliges nicht entnehmen. Danach unterliegen gegen einen Steuerberater als Treuhandkommanditisten einer Publikums-KG gerichtete Schadensersatzansprüche von Kapitalanlegern aus Verschulden bei Vertragsverhandlungen nicht der kurzen Verjährungsfrist gemäß § 68 a.F. StBerG, sondern verjährten in 30 Jahren. Nach dem zugrunde liegenden Sachverhalt ging es bei der Entscheidung allein um die vom BGH verneinte Frage, ob sich der beklagte Steuerberater, soweit seine vorvertragliche Haftung als Gesellschafter der B-KG gegenüber dem Kläger in Frage steht, auf die berufsrechtliche Verjährungsvorschrift des § 68 a.F. StBerG berufen durfte. Um einen solchen Sachverhalt handelt es sich im Streitfall nicht. Gleiches gilt für die Entscheidung BGH III ZR 361/04, die ebenfalls einen Treuhandkommanditisten betrifft. Die steuerrechtliche Auffassung des BFH (NJW 1996, 2182) zur rechtlichen Einordnung einer Baubetreuungstätigkeit als gewerblich ist für die Frage, ob für die Verjährung der Ansprüche gegen den Beklagten T. im Ausgangsverfahren einheitlich die kurze Verjährung des § 68 StBerG gilt, ohne Belang.

Unerheblich ist auch die Auffassung des Beklagten, ein Schaden der Kläger sei zu verneinen, weil sie bei einem obsiegenden Urteil ihre Forderungen gegenüber T. nicht hätten durchsetzen können (GA 236). Der Beklagte wird im Streitfall nicht auf Ersatz der verjährten Forderungen der Kläger gegen T. in Anspruch genommen, sondern auf Ersatz der Prozesskosten, die dadurch entstanden sind, dass er es versäumt hat, die Kläger auf einen erkannten Regressanspruch gegen Rechtsanwalt C. hinzuweisen, weil dieser eine verjährte Forderung eingeklagt hat und hierdurch die streitgegenständlichen Forderungen entstanden sind.

Der zuerkannte Zinsanspruch folgt aus §§ 288 Abs. 1, 291 BGB.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.

Streitwert: 56.708,58 €






OLG Düsseldorf:
Urteil v. 29.10.2009
Az: I-10 U 86/09


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