Oberlandesgericht Frankfurt am Main:
Urteil vom 22. März 2007
Aktenzeichen: 12 U 77/06

(OLG Frankfurt am Main: Urteil v. 22.03.2007, Az.: 12 U 77/06)

Zum Vorwurf des Missbrauchs des Anfechtungsrechts durch den Aktionär

Tenor

Die Berufungen der Klägerin und der Streithelferin der Klägerin gegen das Urteil der 3. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Darmstadt vom 28.3.2006 werden zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Klägerin zu tragen mit Ausnahme der durch die Nebenintervention verursachten Kosten, welche die Streithelferin der Klägerin zu tragen hat.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann die Zwangsvollstreckung durch die Beklagte durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Gründe

I.

Die Klägerin begehrt mit der vorliegenden Klage, die Hauptversammlungsbeschlüsse vom 15.12.2004 betreffend die Entlastung des Vorstandes und des Aufsichtsrates der Beklagten für das Geschäftsjahr 2003 und das Rumpfgeschäftsjahr vom 01.01. bis 30.06.2004 für nichtig zu erklären, ferner festzustellen, dass die ablehnende Beschlussfassung betreffend die Durchführung einer Sonderprüfung rechtswidrig erfolgte sowie die positive Feststellung dieses Beschlusses.

Die Beklagte ist eine im Handelsregister des AG O1 eingetragene Aktiengesellschaft. Ihr Grundkapital beträgt 67.517.346,-- €, welches in entsprechend viele auf den Inhaber lautende Stückaktien eingeteilt ist, davon 44.135.676 Stammaktien mit Stimmrecht in der Hauptversammlung und 23.381.670 stimmrechtslose Vorzugsaktien. Die Klägerin hält 1 Stammaktie und 2 Vorzugsaktien. Die Beklagte selbst hält 564.611 Stammaktien und 869.592 Vorzugsaktien. F1GmbH, eine mittelbare 100%ige Tochter der F2, L1, erwarb im Jahr 2003 34.235.192 Stammaktien, das sind 77,57% aller stimmberechtigten Stammaktien. Die F1 GmbH wurde zwischenzeitlich auf die F3 GmbH & Co ... oHG verschmolzen.

Am 28.04.2003 veröffentlichte die F1 GmbH (F1) gemäß den Vorschriften des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes (WpÜG) das in Bezug genommene Übernahmeangebot an die Aktionäre der Beklagten Bl.174 € 207 d.A., zu dem der Vorstand und der Aufsichtsrat der Beklagten gemäß § 27 WpÜG jeweils eine Stellungnahme abgaben, welche den angebotenen Preis sowohl für die Stammaktien von 92,25 € als auch denjenigen für die Vorzugsaktien von 65,-- € im Ergebnis als angemessen beurteilten. Wegen des Inhalts der Stellungnahmen wird auf Bl. 208 - 228 und 229 € 242 d.A. verwiesen. Das Übernahmeangebot wurde von Aktionären mit insgesamt 9.053.768 Stammaktien und 10.167.531 Vorzugsaktien angenommen und am 10.09.2003 vollzogen. Ferner erwarb F1 am 24.09.2003 weitere 100.000 Stammaktien.

Aufgrund eines Minderheitenverlangens fand zunächst am 03.02.2004 eine außerordentliche Hauptversammlung der Beklagten statt. Ein Antrag über eine Anweisung nach § 83 Abs.1 AktG, mit der der Vorstand der Beklagten zur Vorbereitung eines Beherrschungsvertrages mit F1 verpflichtet werden sollte, sowie ein Antrag auf Durchführung einer Sonderprüfung fanden nicht die erforderliche Mehrheit. Allerdings wurde die Änderung des Geschäftsjahres dahingehend beschlossen, dass dieses nun nicht mehr das Kalenderjahr ist, sondern am 01.07. eines Jahres beginnt und am 30.06. des Folgejahres endet. Aus diesem Grund war das am 01.01.2004 begonnene Geschäftsjahr ein Rumpfgeschäftsjahr und endete am 30.06.2004.

Am 26.04.2004 kam es doch zum Abschluss eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages zwischen der Beklagten und F1, zu dem in der ordentlichen Hauptversammlung vom 08.06.2004 mit einigen Gegenstimmen die Zustimmung erteilt wurde. Dieser sah eine Abfindung in Höhe von 72,86 € je Stamm- und Vorzugsaktie vor. Aus Zeitgründen konnten in dieser Hauptversammlung die Beschlussfassungen zu den Tagesordnungspunkten betr. die Entlastung des Vorstandes und des Aufsichtsrates für das Geschäftsjahr 2003 nicht mehr erfolgen. Deshalb fand am 15.12.2004 die im vorliegenden Rechtsstreit streitgegenständliche Hauptversammlung statt. Die Einladung hierzu wurde am 04.11.2004 im elektronischen Bundesanzeiger veröffentlicht und zuletzt am 02.12.2004 in der Zeitschrift €B1€.

Bei dieser Hauptversammlung war F1 direkt und indirekt mit 98,35% des Stammaktienkapitals und 43,96% des Vorzugsaktienkapitals vertreten. Ferner nahmen u.a. die Klägerin und die Streithelferin teil. Entgegen der Ankündigung in der Einladung wurde über die Entlastung jedes einzelnen Mitgliedes des Vorstandes und des Aufsichtsrates gesondert abgestimmt. Die Entlastung wurde jeweils mit Stimmenmehrheit erteilt. Der von der Klägerin gestellte Sonderprüfungsantrag, wegen dessen Inhalts auf S.3 - 6 der Klageschrift (Bl.30 € 33 d.A.) Bezug genommen wird, fand nicht die erforderliche Mehrheit und wurde somit abgelehnt. Im Rahmen der Hauptversammlung wurden von der Klägerin u.a. die in der Klageschrift S.11-14 (Bl.38-41 d.A.) und von der Vertreterin der A1, Frau Z1, die in der Klageschrift S.15 (Bl.42 d.A.) zitierten Fragen gestellt und vom Vorstand der Beklagten wie im Schriftsatz vom 26.04.2005 (Bl.95 € 105 d.A.) ersichtlich beantwortet. Die Klägerin und die Streithelferin erhoben Widerspruch gegen alle Beschlüsse der Hauptversammlung zu Protokoll.

Wegen der nach Auffassung der Klägerin unzureichend beantworteten Fragen stellte sie beim Landgericht Frankfurt/M. einen Antrag auf Auskunftserteilung nach § 132 AktG, der mit Beschluss vom 10.05.2005 zurückgewiesen wurde. Über die vom Landgericht zugelassene und von der Klägerin eingelegte Beschwerde (Az. 20 W 268/05 Oberlandesgericht Frankfurt/M.) ist noch nicht entschieden.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Hauptversammlungsbeschlüsse betreffend die Entlastung des Vorstandes und des Aufsichtsrates seien gemäß § 243 AktG anfechtbar, weil der Vorstand die Informationsrechte der Hauptversammlung nach § 131 AktG durch unzureichende Beantwortung der in der Klageschrift genannten Fragen verletzt habe. Ferner komme eine Entlastung der Organmitglieder auch deshalb nicht in Betracht, weil sie sich schwerwiegender Gesetzes- und Satzungsverstöße schuldig gemacht hätten. Der Beschluss auf Ablehnung des Sonderprüfungsantrages sei unter Verletzung eines Stimmrechtsverbotes der Mehrheitsaktionärin analog § 142 Abs.1 AktG gefasst worden und deshalb unwirksam.

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, die Klage sei rechtsmissbräuchlich, weil es der Klägerin nur darum gehe, ihren Lästigkeitswert zu erhöhen, um damit zu erreichen, dass die Mehrheitsaktionärin bereit sei, der Klägerin die von ihr gehaltenen Aktien zu einem überhöhten Preis abzukaufen. Die Auskünfte in der Hauptversammlung seien korrekt erteilt worden. Gleiches gelte für die Stellungnahmen gemäß § 27 WpÜG. Eine Gleichbehandlung von Stamm- und Vorzugsaktien habe weder gefordert werden können, noch sei diese sachlich geboten. Weder dem Vorstand noch dem Aufsichtsrat sei ein pflichtwidriges Verhalten vorzuwerfen. Es sei allein Sache des herrschenden Unternehmens, die Entscheidung über den Abschluss eines Unternehmensvertrages und dessen Zeitpunkt zu treffen.

Das Landgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, dass der Klägerin rechtsmissbräuchliches Verhalten zur Last falle. Die Beklagte habe sich in der Klageerwiderung explizit auf den Missbrauch des Anfechtungsrechts durch die Klägerin berufen und durch zahlreiche Fakten untermauert. Sie habe - von der Klägerin unwidersprochen - vorgetragen, dass diese zum Kreis der sog. professionellen Hauptversammlungsopponenten gehöre. Dies werde dadurch bestätigt, dass die Klägerin auch an zwei weiteren am Landgericht Darmstadt anhängig gemachten Anfechtungsverfahren (E1 und E2-AG) beteiligt gewesen sei. Auch die im Rahmen einer Gesamtwürdigung gebotene wirtschaftliche Betrachtungsweise verdeutliche, dass es der Klägerin nicht um die ihr gebührenden Sonderleistungen gehe. Die Klägerin sei nur mit wenigen hundertstel Promille an der Beklagten beteiligt, so dass weder Renditegesichtspunkte noch Veräußerungserlöse eine Rolle spielen könnten. Das Verhalten sei nur plausibel, wenn man davon ausgehe, dass die Klägerin Druck gegenüber der Mehrheitsaktionärin aufbauen wolle, um diese zur Zahlung einer Abfindung zu veranlassen. Dass die Klägerin einen solchen Anspruch noch nicht artikuliert habe, stehe der Annahme des Rechtsmissbrauchs nicht entgegen. Darüber hinaus lägen aber auch plausible und tragfähige Anfechtungsgründe nicht vor. Die Beklagte habe sämtliche Fragen, die die Klägerin auf der Hauptversammlung gestellt habe, stimmig und nachvollziehbar beantwortet. Anhaltspunkte dafür, dass die Antworten objektiv wahrheitswidrig gewesen seien, lägen nicht vor. Bei der Frage, zu welchem Kaufpreis das L2-Geschäft veräußert worden sei, sei es der Fragestellerin unstreitig nicht um die Mitteilung des Kaufpreises, sondern darum gegangen, nach welchen Grundsätzen er ermittelt worden sei. Diese Auskunft sei unstreitig zur Zufriedenheit der Fragestellerin erteilt worden. Die Beschlussfassung der Hauptversammlung zu der von der Klägerin beantragten Sonderprüfung sei nicht zu beanstanden. Ein Stimmverbot für die Hauptaktionärin habe nicht bestanden.

Hiergegen richten sich die form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Berufungen der Klägerin und ihrer Streithelferin, mit der sie ihre Klageanträge aus der 1. Instanz in vollem Umfang weiterverfolgen und hilfsweise die Zurückverweisung des Verfahrens an eine andere Kammer des Landgerichts begehren. Sie wenden sich gegen die Auffassung des Landgerichts, die Klage sei rechtsmissbräuchlich. Die Beklagte habe keinerlei konkrete Tatsachen vorgetragen, aus denen sich ableiten ließe, dass die Klägerin mit der vorliegenden Klage eigennützige, nicht mit dem Aktienrecht im Einklang stehende Zwecke verfolge, sondern lediglich Mutmaßungen geäußert. Im Übrigen wiederholen sie im Wesentlichen ihren Vortrag aus der 1. Instanz. Ferner vertreten sie nun die Ansicht, die Hauptversammlungsbeschlüsse seien auch deswegen nicht wirksam zustande gekommen, weil die Mehrheitsaktionärin zum Zeitpunkt der Hauptversammlung vom 15.12.2004 ihren Meldepflichten nach § 25 WpHG nicht entsprochen habe mit der Folge, dass sie nach § 28 WpHG ihre Stimmrechte nicht habe ausüben können. Sie beziehen sich dazu auf eine Bekanntmachung der Beklagten in der U1-zeitung aus dem Mai 2006, wegen deren Inhalts auf Bl.330 d.A. Bezug genommen wird und in welcher zur Klarstellung von Bekanntmachungen der F2 und deren Tochterunternehmen gemäß § 25 WpHG aus den Jahren 2003 bis 2006 mitgeteilt wird, dass den Meldepflichtigen zusätzlich zu ihrem jeweils veröffentlichten Stimmrechtsanteil ein Stimmrechtsanteil von 1,28% (Stimmrechte aus den von der Beklagten selbst gehaltenen 565.611 Stammaktien) gemäß §22 Abs.1 WpHG zuzurechnen gewesen sei.

Die Klägerin und ihre Streithelferin beantragen,

das Urteil des Landgerichts Darmstadt vom 28.03.2006 € Az. 14 O 155/05 aufzuheben und wie in der 1. Instanz beantragt abzuändern, das Verfahren zur weiteren Aufklärung an eine andere Kammer des LG Darmstadt zurückzuverweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil. Ferner ist sie der Auffassung, dass die Klägerin sich nach Ablauf der Klagefrist nicht mehr auf einen neuen Anfechtungsgrund stützen könne. Auch bei Berücksichtigung des neuen Vortrages sei die Anfechtungsklage nicht begründet, weil die Gesellschaften des F4- Konzerns die ihnen obliegenden Mitteilungspflichten stets erfüllt hätten und ein Stimmrechtsverlust daher nicht eingetreten sei.

Von einer weitergehenden Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 540 ZPO abgesehen. Insoweit wird auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils sowie auf die von den Parteien im Berufungsverfahren eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die Berufungen sind zulässig, in der Sache haben sie indes keinen Erfolg. Das Landgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen.

1. Allerdings bleibt der Klage nicht bereits deshalb der Erfolg versagt, weil der Klägerin ein rechtsmissbräuchliches Verhalten anzulasten wäre.

Grundsätzlich ist die gesellschaftsrechtliche Nichtigkeits- und Anfechtungsklage als Instrument zur Kontrolle der Gesetz- und Rechtmäßigkeit des Organhandelns einer Kapitalgesellschaft ausgestaltet und in die Hände der Gesellschafter gelegt, so dass sich das Rechtsschutzinteresse für eine solche Klage bereits daraus ergibt, dass ihre Erhebung der Herbeiführung eines Gesetz und Satzung entsprechenden Rechtszustandes dient. Auch wenn die Wahrnehmung eines Eigeninteresses für die Erhebung der Anfechtungsklage nicht erforderlich ist, kann allerdings in Ausnahmefällen eine eigensüchtige Interessenverfolgung den Vorwurf des Rechtsmissbrauchs begründen. Diese Voraussetzung kann dann gegeben sein, wenn der Kläger Anfechtungsklage mit dem Ziel erhebt, die verklagte Gesellschaft in grob eigennütziger Weise zu einer Leistung zu veranlassen, auf die er keinen Anspruch hat und billigerweise auch nicht erheben kann. Der Anfechtungskläger wird sich dabei im allgemeinen von der Vorstellung leiten lassen, die verklagte Gesellschaft werde die Leistung erbringen, weil sie hoffe, dass der Eintritt anfechtungsbedingter Nachteile und Schäden dadurch vermieden oder zumindest gering gehalten werden könne. Die Geltendmachung einer ungerechtfertigten Forderung in strafrechtlich erheblicher Weise, also im Wege der Nötigung oder Erpressung, ist nicht zwingende Voraussetzung der Erhebung des Rechtsmissbrauchseinwandes. (BGHZ 107, 296, 3308 ff.; Bundesgerichtshof AG 1990, 259 ff.). Dabei braucht der Aktionär nicht von der Vorstellung auszugehen, dass er die Gesellschaft zur Leistung auffordern muss, es vielmehr genügt, dass er mit der Klage erstrebt, die Gesellschaft werde sich unter dem Druck der infolge dieses Vorgehens befürchteten wirtschaftlichen Nachteile an ihn wenden und ihm Zahlungsangebote unterbreiten. Der Nachweis einer solchen Erwartungshaltung als einer sogenannten inneren Tatsache kann sich schwierig gestalten. Im Rahmen der Prüfung, ob eine solche Tatsache festgestellt werden kann, muss allen von den Parteien zu diesem Vorwurf vorgetragenen Umständen nachgegangen und diese einer umfassenden Würdigung unterzogen werden, wobei ein besonderes Augenmerk auf die Einzelheiten des Parteivortrags zu richten ist, die als Indiztatsachen für die dargelegte Absicht bedeutungsvoll sind und sie zu belegen geeignet erscheinen. Dazu gehört insbesondere das Verhalten, das der Kläger in den Verhandlungen über die Beilegung des zur Entscheidung anstehenden Anfechtungsstreits gezeigt hat; aber auch das Verhalten, das der Kläger im Rahmen anderer Anfechtungsverfahren an den Tag gelegt hat, kann, insbesondere in Zusammenhang mit bestimmten Einzelheiten seines aktuellen Vorgehens, indizielle Bedeutung für die behauptete Erwartungshaltung bekommen. (Bundesgerichtshof BB 1991, 17 ff.).

Das Landgericht hat unter Berufung auf Bundesgerichtshof AG 2000, 259 ff und Oberlandesgericht Frankfurt AG 1992, 271 im vorliegenden Fall einen Rechtsmissbrauch durch die Klägerin bejaht, wobei es als Indiz hat ausreichen lassen, dass die Klägerin nach der Behauptung der Beklagten zum Kreis der sog. professionellen Hauptversammlungsopponenten gehöre, was sich auch daran zeige, dass sie an zwei weiteren am Landgericht Darmstadt anhängig gemachten Anfechtungsverfahren (E1 und E2-AG) beteiligt gewesen sei. Ferner hat das Landgericht aus dem geringen Umfang des Aktienbesitzes (eine Stamm - und zwei Vorzugsaktien) den Schluss gezogen, dass das Verhalten der Klägerin nur plausibel sei, wenn man davon ausgehe, dass sie Druck gegenüber der Mehrheitsaktionärin aufbauen wolle, um diese zur Zahlung einer Abfindung zu veranlassen.

Diese Argumentation trägt die Annahme eines Rechtsmissbrauches durch die Klägerin nicht. In den vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fällen BGHZ 107, 296 ff., AG 1990, 259 ff. und AG 1992,448 ff. war von der Gesellschaft entweder vorgetragen und unter Beweis gestellt worden, dass die Anfechtungsklägerin bereits wegen der Zahlung einer hohen Abfindung vorstellig geworden war bzw. sich zumindest auf Gespräche eingelassen hatte, oder die jeweilige Klägerin in der Vergangenheit solche Abfindungsgespräche geführt hatte, wobei es nicht als ausreichend angesehen wurde, dass die Anfechtungsklägerin vor dem streitgegenständlichen Zeitraum zwei mal Abfindungsgespräche geführt hatte, danach solches aber nicht mehr bekannt geworden war (AG 1992, 448 ff.). In der vom Landgericht zitierten Entscheidung Oberlandesgericht Frankfurt/M AG 1992, 271 (= WM 1991, 2155 ff.) ist ein Rechtsmissbrauch gerade abgelehnt worden, weil als einziges Indiz hierfür der kurzfristige Erwerb der Aktien vor der Hauptversammlung vorhanden war und ansonsten die Gesellschaft auf die zunächst uneigennützig klagende Aktionärin mit einem Abfindungsangebot zugegangen war.

Im vorliegenden Fall ist weder vorgetragen, dass im Zusammenhang mit der Beteiligung der Klägerin bei der Beklagten Abfindungsgespräche - egal, von welcher Seite ausgehend - geführt wurden, noch dass die Klägerin in der Vergangenheit jemals so vorgegangen ist. Die Argumentation des Landgerichts beruht allein auf Vermutungen. Auch der Vortrag der Beklagten in der Klageerwiderung zu dieser Frage enthält keinerlei konkreten Tatsachenkern. Dass die Klägerin an Anfechtungsklagen zweier weiterer Aktiengesellschaften als Klägerin bzw. Streithelferin beteiligt war, belegt nicht, dass sie im vorliegenden Verfahren eigennützige Interessen verfolgt und darauf spekuliert, dass die Beklagte sich zur Zahlung einer hohen Abfindung bereit erklären wird, um der Klägerin den Lästigkeitswert ihrer Klage abzukaufen.

2. Der Klägerin steht jedoch kein Anfechtungsrecht gegen die Hauptversammlungsbeschlüsse, welche die Entlastung der Mitglieder des Vorstandes und des Aufsichtsrates zum Gegenstand haben, zu.

a. Die von der Klägerin angefochtenen Entlastungsbeschlüsse sind nicht wegen Verletzung des den Aktionären nach § 131 AktG zustehenden Informationsrechts gesetzeswidrig und deshalb gemäß § 243 Abs.1 AktG anfechtbar.

Voraussetzung hierfür ist, dass die begehrte Auskunft zur sachgemäßen Beurteilung des Gegenstandes der Tagesordnung erforderlich war und vom Vorstand nicht, unvollständig oder unrichtig erteilt worden ist. Nicht erforderlich ist dagegen, dass ein objektiv urteilender Aktionär sein Abstimmungsverhalten vom Informationsgehalt abhängig gemacht hätte. Entscheidend ist nur, ob der Informationsmangel so bedeutend ist, dass der Beschluss unter einem Legitimationsdefizit leidet, welches bei wertender Betrachtung die Anfechtbarkeit des daraufhin gefassten Beschlusses rechtfertigt (Bundesgerichtshof ZIP 2004, 2428 ff.).

Im vorliegenden Fall rügt die Klägerin insgesamt 5 Fragen als nicht ordnungsgemäß beantwortet, wobei der Wortlaut der Fragen und der jeweiligen Antworten unstreitig sind. Die insoweit darlegungs- und beweisbelastete Klägerin hat nicht nachgewiesen, dass der Vorstand der Beklagten eine dieser Fragen unvollständig oder unrichtig beantwortet hat.

Im Einzelnen gilt hierzu folgendes:

Frage 1 (die 10 relevantesten Geschäfte zwischen der Beklagten und Mitgliedern oder Personen aus dem Umfeld der Familie Z2):

Die Klägerin rügt in der Berufung, dass nicht nur die Summe, sondern auch die einzelnen Geschäfte oder Geschäftsarten hätten dargelegt werden müssen. Die Frage war bereits auf der Hauptversammlung im Juni 2004 gestellt worden. Damals hatte der Vorstand nur mitgeteilt, dass es sich um Geldanlagen gehandelt habe €zu für H1 im Drittvergleich günstigen Konditionen€. Nunmehr hat der Vorstand die Angaben hinsichtlich der Konditionen dahingehend präzisiert, dass das durchschnittliche Anlagevolumen im Jahr 2003 4,4 Mio. € betrug und die Konditionen 10 Basispunkte unter dem Interbankensatz lagen. Im Rahmen der Abschlussprüfung seien durch die Wirtschaftsprüfer keine Beanstandungen erhoben worden.

Die Frage ist damit ausreichend beantwortet worden. Angesichts der Auskunft, dass alle Geschäfte kurzfristige Geldanlagen bei der Beklagten betrafen, war eine weitere Differenzierung nicht geboten, das gleiche gilt für die Konditionen, die auch jeweils gleich waren. Die Größenordnung der jeweiligen Geschäfte ergibt sich hinreichend deutlich aus der Mitteilung des durchschnittlichen Anlagevolumens. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass das Auskunftsrecht kein Selbstzweck ist, sondern nur so weit reicht, wie dies zur sachgerechten Beurteilung des Gegenstandes der Tagesordnung erforderlich ist. Abzustellen ist auf einen objektiv denkenden Durchschnittsaktionär, der die Gesellschaftsverhältnisse nur aufgrund allgemein bekannter Tatsachen kennt und deshalb die Auskunft zur Beurteilung der Tagesordnung benötigt. Ob und in welchem Umfang ein Auskunftsrecht besteht, kann daher immer nur im Zusammenhang mit dem konkreten Tagesordnungspunkt der Hauptversammlung beurteilt werden. (BayObLG, Beschluss v. 22.03.1999, AG 1999, 320 f., zitiert nach juris). Für die Beurteilung der Frage, ob dem Vorstand und dem Aufsichtsrat der Beklagten Entlastung zu erteilen war, kam es im Wesentlichen auf die Konditionen der fraglichen Geschäfte an, um beurteilen zu können, ob der Gesellschaft möglicherweise ein Nachteil entstanden war. Die Größenordnung der Geschäfte war nur für die Frage wichtig, in welchem Umfang ggfs. ein Schaden eingetreten sein konnte. In diesem Zusammenhang war dann aber das Gesamtvolumen von Interesse, welches für das Jahr 2003 mit 4,4 Mio. € genannt wurde. Die Volumina jedes einzelnen Geschäfts waren angesichts der Tatsache, dass die Konditionen und die Art des Geschäfts stets gleich waren, nicht entscheidend.

Frage 2 (Verfolgung von Schadensersatzansprüchen ggü. Mitgliedern der Familie Z2):

Die Frage ist unstreitig vollständig beantwortet. Die Klägerin hegt lediglich Zweifel, ob die Antwort richtig ist, bzw. vermutet, dass der Vorstand zwar Anlass hätte, Schadensersatzansprüche geltend zu machen, dies aber aufgrund von geheimen Absprachen mit den Mitgliedern der Familie Z2 nicht tut. Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die Antwort inhaltlich unrichtig ist, trägt die Klägerin. Zumindest müsste sie Tatsachen darlegen und beweisen, die Grund zu der Annahme geben, dass die Auskunft unrichtig war (vgl. Hüffer, AktG, 7. Aufl., zu § 243, Rdnr.59, 60, 62). Dies ist nicht geschehen. Soweit die Klägerin meint, der Vorstand mache sich seinerseits schadensersatzpflichtig, wenn er - wie er behauptet - keinen Anlass sieht, Ansprüche gegen die Mitglieder der Familie Z2 zu verfolgen, ist dies keine Frage der Verletzung des Auskunftsrechts, denn die Auskunft ist erteilt und der Klägerin lagen nunmehr hinreichende Informationen vor, um das Verhalten des Vorstandes zu beurteilen. Wenn sie das Verhalten des Vorstandes in diesem Punkt für falsch hielt, stand es ihr frei, gegen die Entlastung zu stimmen. Ihre Unzufriedenheit mit der Entscheidung des Vorstandes gibt ihr aber nicht das Recht, den Entlastungsbeschluss wegen mangelnder Information mit Erfolg anzugreifen.

Frage 3 (Kenntnis des Vorstandes oder des Aufsichtsrates von Verwaltung eines Fonds der Familie Z2 durch ehemaliges Vorstandsmitglied):

Die Klägerin behauptet, die Frage sei falsch beantwortet. Sie hat jedoch keine Umstände dargelegt und unter Beweis gestellt, woraus sich Gegenteiliges ergäbe. Der Hinweis darauf, es sei in O1 offenbar nahezu stadtbekannt, welche besondere Geschäftsbeziehungen es gegeben habe, ist hierfür nicht ausreichend.

Frage 4 (Zeitpunkt der Vorbereitung eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages):

Die Klägerin rügt, dass die Antwort sowohl hinsichtlich der Personen als auch der Daten unvollständig sei. Dies ist nicht zutreffend. Alle Teile der Frage sind sowohl hinsichtlich der Personen, die gehandelt haben, als auch hinsichtlich der Daten beantwortet.

Sofern die Klägerin weiter meint, es ergebe sich aus der Antwort, dass sich der Vorstand schadensersatzpflichtig gemacht habe, liegt hierin wie schon im Fall der Frage 3 keine Verletzung des Auskunftsrechtes, sondern allenfalls ein Grund, gegen die Entlastung des Vorstandes zu stimmen.

Frage 5 (Kaufpreis für den Verkauf der L2-Aktivitäten an F1):

Diese Frage war nicht von der Klägerin gestellt worden, sondern von Frau Z1 als Vertreterin der A1. Gleichwohl kann auch die Klägerin die Hauptversammlungsbeschlüsse betr. die Entlastung des Vorstands und des Aufsichtsrates mit der Begründung anfechten, dass die Frage nicht ausreichend beantwortet worden sei, weil sie Widerspruch zur Versammlungsniederschrift erklärt hat (Henn, Handbuch des Aktienrechts, 7. Aufl., Rn. 906). Das Auskunftsrecht dient der kollektiven Willensbildung und zielt auch auf die Information der Hauptversammlung als Organ (Bundesgerichtshof ZIP 2004, 2428, 2429; MK-Kubis, zu § 131 AktG, Rdnr.3). Auch ein Auskunftserzwingungsverfahren kann gemäß § 132 Abs.2 S.1 AktG von einem Aktionär beantragt werden, der die Frage nicht gestellt hat, aber in der Hauptversammlung anwesend war und Widerspruch zur Niederschrift erklärt hat, sofern über den Gegenstand, auf den sich die Auskunft bezog, Beschluss gefasst wurde.

Die Frage ist zwar, sofern man allein deren Wortlaut zugrundelegt, wie er sich aus der Anlage B 11 zum Schriftsatz der Beklagten vom 26.04.2005 ergibt, nicht beantwortet worden. Danach war nach der Höhe des Preises bzw. der Gegenleistung gefragt worden. Dieser wurde als Zahl nicht genannt, sondern nur, nach welchen Grundsätzen die Gegenleistung ermittelt wurde.

Der Vorstand der Beklagten durfte jedoch davon ausgehen, dass das Informationsbedürfnis der Aktionäre durch diese Antwort erfüllt war. Die Fragestellerin, Frau Z1, hat aufgrund dieser Antwort keine Nachfrage mehr gestellt. Ihre Bitte um Erläuterung im weiteren Verlauf der Hauptversammlung bezog sich ausweislich des von der Beklagten im Berufungsverfahren als Anlage zum Schriftsatz vom 13.03.2007 vorgelegten Frage- und Antwortblattes (Bl.403 d.A.) auf eine andere Frage. Auch der Vertreter der Klägerin hat diese Frage im weiteren Verlauf der Hauptversammlung nicht mehr aufgegriffen und um weitergehende Informationen gebeten oder sie als nicht beantwortet gerügt. Auf Hinweis des Senats, warum der Nennung der konkreten Höhe der Gegenleistung über die bereits gegebene Information hinaus besondere Bedeutung zugekommen sei, hat die Klägerin ausgeführt, dass in der Hauptversammlung vom 08.06.2004 eine Unternehmensbewertung vorgelegen habe, welche auch die an die Großaktionärin verkauften Unternehmensteile umfasst habe. Die Frage habe auch insoweit eine Plausibilisierung der Wertansätze in der Unternehmensbewertung ermöglichen sollen. Dieser Umstand hat jedoch weder in der Frage selbst Ausdruck gefunden, noch ist er € etwa im Wege einer Nachfrage € gegenüber dem Vorstand geäußert worden. Unabhängig davon, ob man den Aktionär generell für verpflichtet hält, die teilweise unterbliebene Beantwortung seiner Frage unaufgefordert zu rügen oder einer objektiv falschen Feststellung des Versammlungsleiters, derzufolge alle Frage beantwortet seien, zu widersprechen (so Landgericht Heidelberg, ZIP 1997, 1787 ff., Landgericht Braunschweig BB 1991, 856 ff., Hüffer, AktG, 7. Aufl., zu § 131, Rdnr.21, Henn, Handbuch des Aktienrechts, 7. Aufl., Rn. 880; a.A. MK-Kubis, zu § 131 AktG, Rdnr.71) war für den Vorstand der Beklagten in der streitgegenständlichen Hauptversammlung nicht erkennbar, dass jedenfalls in den Augen der Klägerin keine Auskunft über die Angemessenheit der Gegenleistung, sondern eine Information zur konkreten Höhe gewünscht war und daher die gegebene Antwort nicht als ausreichend angesehen wurde.

Der Senat konnte bereits zum jetzigen Zeitpunkt abschließend entscheiden, ohne zunächst die Entscheidung über die von der Klägerin eingelegte Beschwerde gegen den Beschluss des Landgerichts Frankfurt/M. vom 10.05.2005 in dem Verfahren nach § 132 AktG abwarten zu müssen.

Das Gericht ist im Anfechtungsprozess nicht an die Entscheidung des Gerichts im Verfahren nach § 132 AktG gebunden, weshalb der Anfechtungsprozess nicht gemäß § 148 ZPO bis zur Entscheidung über den Antrag nach § 132 AktG ausgesetzt werden muss. Beide Verfahren haben ein unterschiedliches Ziel und ein ungleiches Gewicht. Das Auskunftserzwingungsverfahren soll auf einem einfachen, schnellen und billigen Weg das individuelle Informationsbedürfnis eines Aktionärs befriedigen. Dagegen will der Kläger im Anfechtungsprozess wegen Verletzung des § 131 AktG erreichen, dass ein Hauptversammlungsbeschluss mit der erweiterten Rechtskraftwirkung des § 248 AktG von Anfang an für nichtig erklärt wird, weil vor der Beschlussfassung eine bestimmt Auskunft hätte erteilt werden müssen. (BGHZ 86, 1 ff.). Zwar ging es in dem der Entscheidung des Bundesgerichtshofs zugrundeliegenden Fall um die Frage, ob eine Anfechtungsklage noch möglich ist, wenn ein Antrag nach § 132 AktG aus formellen Gründen abgewiesen wurde oder der Aktionär die Zwei-Wochen-Frist nicht eingehalten hat. Der Senat entnimmt den Ausführungen in der zitierten Entscheidung jedoch, dass eine Entscheidung im Verfahren nach § 132 AktG generell das Gericht, welches über die Anfechtung eines Hauptversammlungsbeschlusses wegen der Verletzung von Informationsrechten zu entscheiden hat, nicht bindet. b. Die Klägerin hat weiterhin nicht schlüssig dargelegt, dass den Mitgliedern des Vorstandes und des Aufsichtsrates der Beklagten, denen von der Hauptversammlung Entlastung erteilt worden ist, ein schwerwiegender Gesetzes- oder Satzungsverstoß zur Last fiele und aus diesem Grund die gefassten Beschlüsse selbst gesetzeswidrig und daher nach § 243 Abs.1 AktG anfechtbar sind.

Ein Entlastungsbeschluss ist auch dann anfechtbar, wenn der Gegenstand der Entlastung ein Verhalten des Vorstands oder Aufsichtsrats ist, das eindeutig einen schwerwiegenden Gesetzes- oder Satzungsverstoß beinhaltet. (BGHZ 153, 47 ff.; Bundesgerichtshof ZIP 2004, 2428).

aa. Die Klägerin sieht einen schwerwiegenden Gesetzesverstoß von Vorstand und Aufsichtsrat zunächst darin, dass die von ihnen jeweils im Rahmen des öffentlichen Übernahmeangebots von F1 abgegebenen Stellungnahmen nach § 27 WpÜG unzureichend seien.

Nach § 27 WpÜG haben der Vorstand und der Aufsichtsrat der Zielgesellschaft, hier der Beklagten, eine begründete Stellungnahme zu dem Übernahmeangebot abzugeben, wobei insbesondere auf die Art und Höhe der angebotenen Gegenleistung, die voraussichtlichen Folgen eines erfolgreichen Angebots für die Zielgesellschaft, die Arbeitnehmer und ihre Vertretungen, die Beschäftigungsbedingungen und die Standorte der Zielgesellschaft, die vom Bieter mit dem Angebot verfolgten Ziele und die Absicht der Mitglieder des Vorstandes und des Aufsichtsrates, soweit sie Inhaber von Wertpapieren der Zielgesellschaft sind, das Angebot anzunehmen, einzugehen ist. Zweck der Vorschrift ist es, den Wertpapierinhabern der Zielgesellschaft ausreichende Informationen zu verschaffen, damit sie in Kenntnis der Sachlage das Angebot bewerten können. Mit der Stellungnahme soll für sie die Grundlage geschaffen werden, um über die Annahme oder Ablehnung des Angebots zu entscheiden. Vorstand und Aufsichtsrat müssen eindeutig erklären, ob sie dem Angebot zustimmen, ihm widersprechen oder sie sich enthalten (MK-Wackerbarth, zu § 27 WpÜG, Rdnr.2). Unabhängig von den vorgeschriebenen obligatorischen Inhalten sind in der Stellungnahme alle relevanten Tatsachen, die aus Sicht der Wertpapierinhaber für die Bewertung des Angebots relevant sind, offen zu legen. Das freundliche Übernahmeangebot darf nicht durch Verschweigen relevanter negativer Tatsachen €geschönt€ werden (MK, a.a.O., Rdnr.11). Eine Verpflichtung der Geschäftsleitung, sachverständigen Rat von externen Beratern einzuholen, besteht nicht. Sofern dies aber sinnvollerweise doch erfolgt, ist das wesentliche Ergebnis dieser €externen Stellungnahme€ mitzuteilen (MK, a.a.O., Rdnr.13). Bei der Frage, ob die Höhe der Gegenleistung angemessen ist, hat sich die Stellungnahme der Geschäftsleitung insbesondere auf das Entwicklungspotential der Zielgesellschaft zu beziehen (MK, a.a.O., Rdnr.20; Kölner Kommentar, zu § 27 WpÜG, Rdnr.39). Das Ergebnis der Prüfung ist in einer eigenen Meinung zusammenzufassen. Bei der Wertung hat die Verwaltung anders als bei der Informationsweitergabe unternehmerisches Ermessen (Kölner Kommentar, zu § 27 WpÜG, Rdnr.50).

Die Klägerin rügt im Einzelnen, dass beide Organe in ihren jeweiligen Stellungnahmen nicht auf die ungerechtfertigte Ungleichbehandlung von Stammaktien und Vorzugsaktien eingegangen seien. Die Stellungnahmen seien insgesamt unzureichend, insbesondere fehlten auch Informationen zum inneren Wert der Aktien. Dieser betrage für die Vorzugsaktien tatsächlich 72,86 € und nicht lediglich 65,-- €, wie von F1 angeboten. Bei der Stellungnahme des Vorstandes seien auf S.8 f. keine Angaben zu den Vergleichsobjekten bzw. den Autoren der Studien von Kurszielen und Schätzungen der zukünftigen Erträge gemacht worden, die im Rahmen des Vergleichs mit anderen börsennotierten Unternehmen genannt wurden. Jede der Betrachtungsweisen führe aber zu einem Oberwert der Vorzugsaktien von weit über 70,-- €. Nur der Vergleich zu anderen börsennotierten Gesellschaften führe zu einer Wertbandbreite, in deren Mitte die angebotene Gegenleistung liege. Lediglich in der Fußnote setze sich der Vorstand mit einer Bewertung, die von einer der opponierenden Fondsgesellschaften in Auftrag gegeben wurde und die zu höheren Werten für die Vorzugsaktien kommt. Dazu erfolge aber seitens des Vorstandes nur der Hinweis, dass Risiken nicht im erforderlichen Umfang berücksichtigt worden seien. Die Gesamtwürdigung bleibe vage. Sie verstecke sich hinter einer Faineß-Opinion von SV1, wobei aber die angewandte Bewertungsmethode nicht genannt werde.

Der Aufsichtsrat referiere in seiner Stellungnahme nur die Kursentwicklung und stelle die Prämie den bisherigen Börsenkursen gegenüber. Die Bezugnahme auf die Fairneß-Opinion von SV1 erfolge ohne Nennung der €anerkannten Bewertungsmethoden€. Die Stellungnahme erfolge im Ergebnis unter Bezugnahme auf ein Gutachten, das noch nicht einmal in methodischen Grundzügen bekannt gemacht wurde. Es sei nicht erkennbar, aufgrund welcher Tatsachengrundlage der Aufsichtsrat entschieden habe. Eine Auseinandersetzung mit der Preisdifferenz von Stamm- und Vorzugsaktien finde nicht statt. Der Hinweis auf den Paketzuschlag werde nicht weiter plausibilisiert.

Die von der Klägerin vorgebrachten Einwendungen gegen die Stellungnahmen von Vorstand und Aufsichtsrat rechtfertigen keine Anfechtung der Entlastungsbeschlüsse wegen eines schwerwiegenden Gesetzesverstoßes. Die Stellungnahmen enthalten die in § 27 WpÜG geforderten Bestandteile. Die Rügen der Klägerin konzentrieren sich auf die Auseinandersetzung mit der Höhe der angebotenen Gegenleistung für die Vorzugsaktien und deren abschließende Bewertung als angemessen. Beide Stellungnahmen gehen jedoch auf den deutlichen Unterschied des angebotenen Preises für die Stammaktien und die Vorzugsaktien ein, indem sie darauf hinweisen, dass nur die Stammaktien im Gegensatz zu Vorzugsaktien das Stimmrecht vermitteln und dass keine Verpflichtung bestehe, für unterschiedliche Aktiengattungen das gleiche Entgelt anzubieten (vgl. für den Vorstand Bl.217 d.A und für den Aufsichtsrat Bl.233 d.A.). Der Aufsichtsrat weist zudem noch darauf hin, dass in den Kaufvertragsverhandlungen mit dem Familienaktionären es das wesentliche Ziel der Bieterin gewesen sei, die qualifizierte Mehrheit der Stimmrechte zu erhalten und deshalb der Angebotspreis für die Stammaktien gegenüber den Börsenkursen vor Veröffentlichung der Entscheidung zur Abgabe eines Übernahmeangebots einen wesentlichen Aufschlag enthalte (Bl.232 unten d.A.).

Der Vorstand hat sich zur Entscheidung außenstehender sachverständiger Hilfe bedient und dessen Ergebnis in seiner Stellungnahme mitgeteilt. Die von SV1 angewandten Bewertungsmethoden mussten nicht näher, als dies geschehen ist, dargelegt werden. Die Tatsache, dass angegeben wurde, dass sich bei einer Discounted-Cash-Flow-Methode eine Wertbandbreite für die Vorzugsaktie von 62,-- bis 78,-- € ableiten lässt (s. Bl.215 unten), spricht gerade dagegen, dass wesentliche Informationen verschwiegen wurden. Der Vorstand erläutert sodann, warum SV1 diesen Wert nicht für aussagekräftig hält (Bl.216 d.A.) und verschweigt auch nicht die anderslautende Meinung eines von dritter Seite in Auftrag gegebenen Bewertungsgutachtens. Auch hier begründet der Vorstand seine Meinung, warum er dieser Einschätzung nicht folgt. Die Risiken, welche bei dieser Einschätzung nicht berücksichtigt sind, werden im 2. Absatz auf S.9 der Stellungnahme dargestellt (Bl.216 d.A.).

Zusammenfassend ist festzustellen, dass die Stellungnahmen von Vorstand und Aufsichtsrat den formellen Erfordernissen entsprechen und den Aktionären keine falschen Informationen gegeben oder ihnen wesentliche Informationen vorenthalten wurden. Soweit die Klägerin aus dem Umstand, dass im Rahmen des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages der Wert der Vorzugsaktie mit 72,86 € angegeben wurde, darauf schließt, dass die positive Bewertung des Übernahmeangebots im Hinblick auf die Vorzugsaktien letztlich falsch war, so bedeutet das nicht, dass den Mitgliedern der Verwaltungsgremien eindeutige und schwerwiegende Gesetzes- oder Satzungsverstöße vorzuwerfen sind. Denn es sind keine objektiven Anhaltspunkte dafür vorhanden, dass der Vorstand oder der Aufsichtsrat bewusst oder leichtfertig eine falsche Bewertung abgegeben hätten. Zudem kommt ihnen bei der Bewertung ein unternehmerisches Ermessen zu. Dabei ist insbesondere auch zu berücksichtigen, dass die Angebote für beide Aktiengattungen deutlich über den Börsenkursen für die letzten drei Monate vor Abgabe des Angebots lagen.

Ob die Stellungnahmen insgesamt noch ausführlicher hätten sein können, spielt für die Frage der Anfechtbarkeit der Entlastungsbeschlüsse keine Rolle. Ein schwerwiegender und eindeutiger Verstoß gegen das Gesetz oder die Satzung, bei deren Vorliegen allein die Entlastungsbeschlüsse anfechtbar sein würden, ist jedenfalls nicht ersichtlich.

bb. Einen weiteren schwerwiegenden Verstoß beider Verwaltungsorgane gegen Gesetz und Satzung, welcher sie zur Anfechtung der Entlastungsbeschlüsse berechtige, sieht die Klägerin darin, dass sie nicht gleich auf dem Abschluss eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages mit F1 bestanden haben. Sie meint, Vorstand und Aufsichtsrat als Sachwalter der Interessen aller Aktionäre hätten dann den Abschluss eines Unternehmensvertrages zu verlangen, wenn das System des Nachteilsausgleichs nach §§ 311 ff. AktG nicht mehr dazu geeignet sei, die Folgen nachteiliger Weisungen auszugleichen. Das sei dann der Fall, wenn eine Nachteilszufügung nicht mehr auf einzelne Weisungen reduziert werden könne. Von Anfang an habe festgestanden, dass die beabsichtigte Vollintegration der Beklagten ohne den Abschluss eines Beherrschungsvertrages nicht zulässig gewesen sei. Denn aufgrund der Erklärungen von F1, dass es sich bei der Beteiligung an der Beklagten um eine strategische Investition und nicht um eine Finanzinvestition handle, sei klar gewesen, dass es zu erheblichen Eingriffen in die betrieblichen Strukturen der Beklagten kommen musste. Die weitgehende Integration hätten Vorstand und Aufsichtrat auch bereits in ihren Stellungnahmen nach § 27 WpÜG dargestellt. Es sei nicht zulässig gewesen, auf der Rechtsgrundlage eines Lizenzvertrages den Unternehmensbereich €Q1€ zu übertragen. Die Notwendigkeit zum Abschluss eines Beherrschungsvertrages habe auch F1 erkannt, die daher als Alibi den Lizenzvertrag vorgeschoben habe. Das Konzernrecht verstehe sich als Schutz zugunsten der Gesellschaft und ihrer außenstehenden Aktionäre. Diese Schutzfunktion ginge verloren, wenn der €Stärkere€ frei entscheiden könne, wann die €Schwächeren€ diesen Schutz erhielten. In der Zwischenzeit sei es zu einer Reihe von schadensersatzpflichtigen Handlungen gekommen, die sich im Einzelnen aus dem Sonderprüfungsantrag ergäben.

Diese Argumentation vermag nicht zu überzeugen.

Eine Rechtspflicht der Verwaltungsorgane des beherrschten Unternehmens, auf den Abschluss eines Beherrschungsvertrages zu dringen, ist nicht im Gesetz normiert und wird auch in der Literatur nicht vertreten. Grundsätzlich enthält das Gesetz in §§ 311 ff AktG Regelungen zum Schutz der Vermögensinteressen des beherrschten Unternehmens bei Einflussnahmen des herrschenden Unternehmens für den Fall, dass kein Beherrschungsvertrag vorliegt. Grundsätzlich sind daher sich wirtschaftlich nachteilig auswirkende Einflussnahmen des herrschenden Unternehmens im Rahmen eines faktischen Konzerns zulässig. Zwar wird vertreten, dass sich das zulässige Ausmaß der einheitlichen Leitung an dem adäquaten Schutz der Außenseiter (= Minderheitsaktionäre) orientieren müsse (Kölner Kommentar zum AktG, 3.Aufl., Vorb § 311, Rdnr.17, 19 + 20). Wo die Grenzen im Einzelnen liegen sollen, ergibt sich aber weder aus dem Gesetz noch gibt es hierzu eindeutige Literaturmeinungen oder Rechtsprechung.

Soweit die Klägerin darauf abstellt, dass jedenfalls der Abschluss des Lizenzvertrages über den Unternehmensbereich €Q1€ unzulässig gewesen sei, fehlt hierzu jeglicher substantiierter Vortrag. Weder wird dargelegt, welchen Umfang oder Bedeutung für das Unternehmen dieser Bereich hatte noch welche wirtschaftlichen Nachteile der Beklagten durch die Überlassung an F1 entstanden sind. Die Klägerin kann sich nicht darauf berufen, dass ihr die für einen substantiierten Vortrag notwendigen Unterlagen nicht zur Verfügung stünden und ein €strukturelles Informationsgefälle€ zwischen der Beklagten und deren Aktionären bestünde. Gerade das Frage- und Informationsrecht der Aktionäre in der Hauptversammlung dient dazu, die für die Entlastungsentscheidung notwendigen Informationen zu erlangen. Wenn relevante Fragen durch den Vorstand nicht oder nicht ausreichend beantwortet werden, kann dies im Wege des Anfechtungsprozesses oder in dem Verfahren nach § 132 AktG gerichtlich überprüft werden. Allein der Hinweis der Klägerin auf ihr fehlende Informationen ohne Darlegungen dazu, welche vergeblichen Anstrengungen sie unternommen hat, diese zu erlangen, vermag sie nicht ihrer Darlegungslast zu entheben.

Dabei ist wiederum zu berücksichtigen, dass die Anfechtbarkeit der Entlastungsbeschlüsse eindeutige und schwerwiegende Verstöße der Organmitglieder gegen Gesetz oder Satzung erfordert. Einflussnahmen des herrschenden Unternehmens im Rahmen eines faktischen Konzerns werden vom Gesetz aber grundsätzlich als zulässig erachtet und die Grenzen der Zulässigkeit sind weitgehend unbestimmt. Eine Richtigkeitskontrolle dahingehend, ob die Voraussetzungen einer Entlastung der Verwaltungsorgane i.S.d. § 120 AktG vorlagen, findet im Rahmen des Anfechtungsprozesses nicht statt.

Die Behauptung der Klägerin, in dem Zeitraum bis zum Abschluss des Beherrschungsvertrages sei es zu einer Reihe schadensersatzpflichtiger Maßnahmen gekommen, die sich im Einzelnen aus dem Sonderprüfungsantrag ergäben, ist ebenfalls unsubstantiiert. Die Handlungen und deren Auswirkungen sind nicht im Einzelnen dargelegt und werden aus der Bezugnahme auf den Inhalt des Sonderprüfungsantrages auch nicht verständlich. Was im Einzelnen vorgefallen sein soll, ist anhand des Vortrages der Klägerin nicht nachvollziehbar.

cc. Schließlich rügt die Klägerin, dass die in dem der Hauptversammlung vom 08.06.2004 zur Zustimmung vorgelegten Unternehmensvertrag vom 26.04.2004 gemäß § 305 AktG genannte Barabfindung von 72,86 € je Stammaktie zu niedrig sei, der innere Wert liege weit über 90,-- €. Es sei nicht nachvollziehbar, warum Vorstand und Aufsichtsrat keine Bedenken gegen den Preis für die Stammaktien angemeldet hätten.

Die Klägerin hat aber schon nicht substantiiert dargelegt und auch nicht unter Beweis gestellt, dass die angebotene Barabfindung für die Stammaktien tatsächlich unangemessen niedrig gewesen ist. Die Bezugnahme auf eine Pressemitteilung einer Minderheitsaktionärsgruppe vom 04.06.2004 stellt kein taugliches Beweismittel dar. Der Tatsache, dass F1 bei der Übernahme der Aktienmehrheit von der früheren Mehrheitsaktionären für die Stammaktien 92,95 € pro Stück gezahlt hatte und diesen Preis daher auch nach § 4 AngebVO in das Übernahmeangebot aufnehmen musste, kommt in diesem Zusammenhang keine entscheidende Bedeutung zu, weil es damals darum ging, die Aktienmehrheit zu erhalten und der gezahlte Preis daher nicht notwendig Rückschlüsse auf den tatsächlichen Wert der Aktien zulässt. Zudem wäre für einen eindeutigen und schwerwiegenden Gesetzes- oder Satzungsverstoß, der allein zur Gesetzeswidrigkeit des Entlastungsbeschlusses führen könnte, auch erforderlich, dass die Organmitglieder die Unangemessenheit der Barabfindung für die Stammaktien erkannt hätten.

Darüber hinaus ist die Frage, ob die in dem Beherrschungsvertrag angebotene Barabfindung für die Stammaktie zu gering war, aber auch nicht im Rahmen des Prozesses über die Anfechtung der Entlastungsbeschlüsse zu prüfen. Denn die Überprüfung der Angemessenheit der angebotenen Barabfindung findet grundsätzlich im Rahmen des Spruchverfahrens statt. Aus diesem Grund kann nach § 305 Abs.5 AktG der Zustimmungsbeschluss der Hauptversammlung zum Beherrschungsvertrag nicht darauf gestützt werden, dass der Vertrag keine angemessene Abfindung vorsieht. Ferner ist eine Anfechtung von Hauptversammlungsbeschlüssen wegen Informationsmängeln unzulässig, sofern die Informationen die Ermittlung, Höhe oder Angemessenheit von Abfindungen oder anderen Kompensationen betreffen, wenn das Gesetz für Bewertungsrügen ein Spruchverfahren vorsieht (jetzt § 243 Abs.4 S.2 AktG n.F., zuvor aber schon BGHZ 146, 179, 181). Für die Anfechtung des Entlastungsbeschlusses wegen unterlassener Einwendungen der Organmitglieder gegen die Höhe der Barabfindung kann nichts anderes gelten.

c. Soweit die Klägerin nunmehr erstmals in der Berufungsbegründung unter Hinweis auf eine Veröffentlichung der Beklagten vom Mai 2006 in der U1-zeitung nach § 25 WpHG, in welcher eine entsprechende Bekanntmachung in der U1-zeitung vom 12.09.2003 dahingehend korrigiert wird, dass F1 ein weiterer Stimmrechtsanteil von 1,28% zuzurechnen war, die Anfechtung der Entlastungsbeschlüsse damit begründet, dass die Beklagte ihren Meldepflichten nicht nachgekommen sei, weshalb für die Aktien, die von F1 bei der HV vom 15.12.2004 gehalten wurden, gemäß § 28 WpHG ein Stimmrechtsverbot gegolten habe, führt dies ebenfalls nicht zur Begründetheit der Klage.

Der Einwand der Klägerin ist schon deshalb nicht zu berücksichtigen, weil er nicht innerhalb der Frist von einem Monat nach Beschlussfassung gemäß § 246 Abs.1 AktG vorgebracht worden ist. Bei der Anfechtungsklage muss der maßgebliche Lebenssachverhalt, aus dem der Kläger die Anfechtbarkeit des Hauptversammlungsbeschlusses herleiten will, innerhalb der Frist von einem Monat gemäß § 246 Abs.1 AktG vorgetragen werden (Bundesgerichtshof WM 2005, 803 f.; Hüffer, AktG, 7. Aufl., zu § 246 ; Rdnr. 26). Der hier gerügte Mangel der Abstimmung - die Berücksichtigung nicht stimmberechtigter Stimmen - führt lediglich zur Anfechtbarkeit des betreffenden Beschlusses, nicht zur Nichtigkeit gemäß § 241 AktG (Oberlandesgericht Hamburg, Urteil v. 17.08.2001, AG 2002, 71 ff., zitiert nach juris). Zwar mag die Klägerin erst durch die Veröffentlichung vom Mai 2006 auf den Anfechtungsgrund aufmerksam geworden sein, hierauf kann es jedoch nach dem Sinn der Vorschrift nicht ankommen. Denn die Monatsfrist ist eine Ausschlussfrist. Die Fristversäumnis lässt die Anfechtungsbefugnis kraft Gesetzes entfallen. (Hüffer, AktG, 7. Aufl., zu § 246, Rdnr.21).

Darüber hinaus ist die Rüge aber auch in der Sache nicht begründet. Nach § 21 WpHG ist derjenige, der durch Erwerb, Veräußerung oder auf sonstige Weise 5%, 10%, 25%, 50% oder 75% der Stimmrechte an einer börsennotierten Gesellschaft erreicht, überschreitet oder unterschreitet verpflichtet, der Gesellschaft und der Bundesanstalt für Wertpapierhandel unverzüglich diese Tatsache mitzuteilen. Nach § 22 WpHG gilt dies auch für Stimmrechte, die dem Meldepflichtigen mittelbar zur Verfügung stehen. Nach § 25 WpHG ist die Gesellschaft verpflichtet, in einer überregionalen U1-zeitung zu veröffentlichen, wenn 5%, 10%, 25%, 50% oder 75% der Stimmrechte an ihr von einem Anteilseigner erreicht, überschritten oder wieder unterschritten werden. Nach § 28 WpHG bestehen Rechte aus Aktien, die einem Meldepflichtigen gehören oder aus denen ihm Stimmrechte nach § 22 WpHG zugerechnet werden, für die Zeit nicht, für welche die Mitteilungspflichten gemäß § 21 WpHG nicht erfüllt werden. Im vorliegenden Fall war die erforderliche Mitteilung nicht unterlassen worden, sondern wies allenfalls inhaltliche Fehler auf. Diese sind aber unerheblich, solange der Informationszweck erreicht wird (Hüffer, AktG, 7. Aufl., Anh. § 22, zu § 28 WpHG, Rdnr.3). Das war hier bereits durch die ursprünglichen Mitteilungen der Fall. F1 verfügt unabhängig von der Korrektur durch die Mitteilung vom Mai 2006 stets über einen Stimmrechtsanteil von mehr als 75%, so dass die Korrektur um 1,28% nicht zum Über- oder Unterschreiten einer der im Gesetz genannten Grenzwerte geführt hat.

3. Schließlich ist die Klage auch insoweit unbegründet, als die Klägerin den Beschluss der Hauptversammlung anficht, durch welchen ihr Antrag auf Durchführung einer Sonderprüfung mit 33.395.532 (=99,766 %) Nein-Stimmen gegenüber 78.381 (= 0,234%) Ja-Stimmen bei 10.016.093 Enthaltungen abgelehnt wurde, und beantragt festzustellen, dass der Beschluss mit dem in der Hauptversammlung beantragten Inhalt zustande gekommen ist.

Die Klägerin meint, die Mehrheitsaktionärin habe wegen der Interessenkollision analog § 142 Abs.1 S.2 AktG und ferner nach §136 AktG einem Stimmrechtsverbot unterlegen, zumindest habe sie ihr Stimmrecht treuwidrig ausgeübt, weshalb die Abstimmung fehlerhaft zustande gekommen und der ablehnende Beschluss gemäß § 243 AktG anfechtbar sei. Bei Zählung nur der übrigen Stimmen hätte der Antrag Erfolg gehabt.

Nach § 142 Abs.1 AktG kann die Hauptversammlung zur Prüfung von Vorgängen bei der Gründung oder der Geschäftsführung mit einfacher Stimmenmehrheit Sonderprüfer bestellen. Bei der Beschlussfassung kann ein Mitglied des Vorstandes oder des Aufsichtsrates weder für sich noch für einen anderen mitstimmen, wenn die Prüfung sich auf Vorgänge bezieht, die mit der Entlastung eines Mitgliedes des Vorstandes oder Aufsichtsrates zusammenhängen. In diesem Fall darf das Stimmrecht auch nicht durch einen anderen ausgeübt werden.

Bei der Hauptversammlung war F1 mit 43.570.065 Stammaktien vertreten. Bei der Abstimmung über den Sonderprüfungsantrag waren ausweislich S.11 des Hauptversammlungsprotokolls 43.490.007 Stammaktien anwesend, ohne die auf F1 entfallenden Aktien also 80.058. Wenn ein Stimmrechtsverbot bestanden hätte, wäre bei 78.381 Ja-Stimmen der Beschluss, der einfache Mehrheit verlangt, zwar gefasst worden. Ein Stimmrechtsverbot zu Lasten von F1 in analoger Anwendung von § 142 AktG, der ausdrücklich nur ein Verbot für Mitglieder des Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder normiert, bestand jedoch nicht. Für Aktionäre, die nicht Organmitglieder sind, gilt das Stimmrechtsverbot nicht, auch wenn sie aufgrund ihrer Kapital- oder Stimmenmehrheit beherrschenden Einfluss auf die Gesellschaft ausüben können (MK-Schröer, zu § 142 AktG, Rdnr.39; Hüffer, AktG, 7. Aufl., zu § 142, Rdnr.15). Das Gesetz sieht bereits einen ausreichenden Minderheitenschutz vor. Nach § 142 Abs.2 AktG n.F. können Aktionäre, deren Anteile bei Antragstellung zusammen 1% des Grundkapitals oder einen anteiligen Betrag von 100.000,-- € erreichen, bei Gericht einen Antrag auf Bestellung von Sonderprüfern zur Prüfung eines Vorgangs bei der Geschäftsführung stellen, wenn die Hauptversammlung den Antrag abgelehnt hat und Tatsachen den Verdacht rechtfertigen, dass bei dem Vorgang Unredlichkeiten oder grobe Verletzungen des Gesetzes oder der Satzung vorgekommen sind. Nach § 142 Abs.2 AktG in der bis Ende 2005 geltenden Fassung waren die Werte für die Antragsberechtigung allerdings noch höher, nämlich 10% des Grundkapitals oder 1 Mio. €. Auch dieser Wert hätte aber bei den Beteiligungsverhältnissen am 15.12.2004 ohne Mitwirkung von F1 und der Beklagten selbst erreicht werden können, da es über 12 Mio. € anteiliges €freies€ Grundkapital gab. Denn jede Aktie gibt das Antragsrecht nach § 142 Abs.2 AktG, also nicht nur die stimmberechtigten Stammaktien, sondern auch die stimmrechtslosen Vorzugsaktien. Die Antragsteller müssen auch nicht an der Hauptversammlung teilgenommen haben. Beim Grundkapital sind ebenfalls auch die Aktien ohne Stimmrecht mit einzurechnen. (Hüffer, AktG, 7. Aufl., zu § 142, Rdnr.22, auch schon in der Vorauflage zum alten Recht). F1 kontrollierte zur Zeit der Hauptversammlung 43.408.514 Stamm- und 10.279.618 Vorzugsaktien. Die Beklagte selbst hielt zu diesem Zeitpunkt 565.611 Stamm- und 896.592 Vorzugsaktien. Insgesamt gibt es 44.135.676 Stamm- und 23.381.670 Vorzugsaktien. Daraus folgt, dass es am 15.12.2004 161.551 Stamm- und 12.205.460 Vorzugsaktien, die nicht von F1 oder der Beklagten selbst kontrolliert wurden, also insgesamt 12.367.011 €freie€ Aktien gab.

Nach dem Vortrag der Beklagten hat auch tatsächlich ein anderer Aktionär einen Antrag nach § 142 Abs.2 AktG gestellt, das AG Darmstadt hat den Antrag jedoch zurückgewiesen, über die Beschwerde zum Landgericht ist noch nicht entschieden.

Ein Stimmrechtsverbot zu Lasten von F1 bestand auch nicht nach § 136 AktG. Danach kann niemand für sich oder für einen anderen das Stimmrecht ausüben, wenn darüber Beschluss gefasst wird, ob er zu entlasten oder von einer Verbindlichkeit zu befreien ist oder die Gesellschaft gegen ihn einen Anspruch geltend machen soll. Hier dient zwar der Sonderprüfungsantrag der Klärung der Frage, ob der Beklagten gegen ihre Mehrheitsaktionärin Ansprüche zustehen. Dabei handelt es sich aber zunächst um eine Vorfrage. Die Mehrheitsaktionärin unterliegt erst dann einem Stimmrechtsverbot nach § 136 AktG, wenn ein Beschluss zur Abstimmung gestellt wird, ob Schadensersatzansprüche tatsächlich verfolgt werden sollen. Für einen analoge Anwendung von § 136 AktG besteht kein Bedürfnis, weil die Minderheitsaktionäre über § 142 Abs.2 bereits ausreichend geschützt sind (Oberlandesgericht Hamburg, Urteil v. 17.08.2001, AG 2002, 71 ff., zitiert nach juris) und dieser Schutz im vorliegenden Fall aufgrund der Mehrheitsverhältnisse auch nicht ins Leere läuft.

Anhaltspunkte für eine treuwidrige Stimmrechtsausübung der Mehrheitsaktionärin bestehen ebenfalls nicht. Es ist nicht ersichtlich, warum F1 gehalten gewesen sein sollte, für den Sonderprüfungsantrag zur Klärung der Frage, ob Ansprüche der Beklagten gegen sie bestehen, zu stimmen, wenn sie diesen für unbegründet hält.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§97 Abs.1, 101 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 708 Nr.10 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Sache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.






OLG Frankfurt am Main:
Urteil v. 22.03.2007
Az: 12 U 77/06


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