Bundespatentgericht:
Beschluss vom 28. Mai 2002
Aktenzeichen: 17 W (pat) 60/00

(BPatG: Beschluss v. 28.05.2002, Az.: 17 W (pat) 60/00)

Tenor

Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluß der Prüfungsstelle für Klasse G 06 F des Deutschen Patent- und Markenamts vom 7. Juli 2000 aufgehoben und das Patent erteilt.

Der Erteilung liegen folgende Unterlagen zugrunde:

Patentansprüche 1 bis 6, überreicht in der mündlichen Verhandlung vom 28. Mai 2002, Beschreibung Sp. 1 bis 6 mit Einschub A, überreicht in der mündlichen Verhandlung vom 28. Mai 2002, 2 Blatt Zeichnungen mit Figuren 1 bis 4 vom Anmeldetag.

G r ü n d e:

I.

Die Patentanmeldung mit der Bezeichnung

"Datenschützende Mikroprozessorschaltung für tragbare Datenträger, beispielsweise Kreditkarten"

wurde von der Prüfungsstelle für Klasse G 06 F des Deutschen Patent- und Markenamts zurückgewiesen. In den Gründen ist ausgeführt, daß die Patentansprüche 1 und 12 mangels Erfindungshöhe nicht gewährbar seien.

Gegen diesen Beschluß richtet sich die Beschwerde der Anmelderin.

Der geltende Patentanspruch 1, überreicht in der mündlichen Verhandlung vom 28. Mai 2002, lautet:

1. "Kartenförmiger Datenträger mit datenschützender Mikroprozessorschaltung zur Verhinderung des Zugriffs auf in Speichern abgelegten Daten oder Programmen mit einem Arbeitsprozessor, einem Speicher für ein Betriebssystem und mehreren Speicherbereichen zur freien Programmierung mit jeweils einem individuellen Fremdprogramm, mit einer Schutzschaltung, bestehend aus einer ersten Einrichtung zur Überwachung der jeweils gültigen Zugriffsadresse, einer zweiten Einrichtung zur Überwachung des jeweiligen Inhalts des Arbeitsprozessor-Programmzählers und einer dritten Einrichtung, die die Signale der Überwachungseinrichtungen zur Erzeugung eines Sperrsignals verknüpft, dadurch gekennzeichnet, daß die Schutzschaltung ein zweiter Mikroprozessor ist, der mit der gleichen oder einer höheren Taktfrequenz betreibbar ist als der Arbeitsprozessor."

Der ebenfalls in der mündlichen Verhandlung überreichte, auf ein Verfahren gerichtete, nebengeordnete Patentanspruch 6 lautet:

6. "Kartenförmiger Datenträger mit datenschützender Mikroprozessorschaltung zur Verhinderung des Zugriffs auf in Speichern abgelegten Daten oder Programmen mit einem Arbeitsprozessor mit einem Speicherbereich für ein Betriebssystem und mehreren Speicherbereichen zur freien Programmierung mit jeweils einem individuellen Fremdprogramm, wobei die Adressräume der Speicherbereiche wenigstens in den zwei höchstwertigen Stellen gleich sind, mit einem ersten Hilfsregister, in dem die höchstwertigen Stellen des Adressraumes des auszuführenden Fremdprogramms abgelegt sind, mit einem zweiten Hilfsregister, in dem die höchstwertigen Stellen der jeweiligen Zugriffsadresse abgelegt sind, mit einem Komparator zum Vergleich der Inhalte der beiden Hilfsregister, der ein Sperrsignal erzeugt, wenn die Inhalte der Hilfsregister nicht übereinstimmen."

Der Anmeldung liegt die Aufgabe zugrunde, eine aus der JP 55-42312 A bekannte Schaltung im Sinne höherer Flexibilität zu modifizieren (Beschreibung, Einschub A, Absatz 2).

Die Anmelderin führt aus, daß der neue Patentanspruch 1 auf den am Anmeldetag eingereichten Patentansprüchen 1, 8 und 10 beruhe. Der hierin beanspruchte kartenförmige Datenträger enthalte einen eigenen Sicherheitsprozessor, der mit der gleichen oder einer höheren Taktfrequenz wie der Arbeitsprozessor betreibbar sei. Auf diesen Sicherheitsprozessor gebe der genannte Stand der Technik dem Fachmann keinen Hinweis.

Die Anmelderin stellt den Antrag, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und das nachgesuchte Patent mit folgenden Unterlagen zu erteilen:

Patentansprüche 1 bis 6, überreicht in der mündlichen Verhandlung vom 28. Mai 2002, Beschreibung Spalten 1 bis 6 mit Einschub A, überreicht in der mündlichen Verhandlung vom 28. Mai 2002 2 Blatt Zeichnungen mit Figuren 1 bis 4 vom Anmeldetag.

II.

Die frist- und formgerecht erhobene Beschwerde ist zulässig. Sie hat auch Erfolg, da der Gegenstand der in der mündlichen Verhandlung überreichten Patentansprüche 1 bis 6 nach PatG §§ 1 bis 5 patentfähig ist.

Die Gegenstände der Patentansprüche 1 und 6 sind den ursprünglich eingereichten Unterlagen zu entnehmen. Sie ergeben sich aus den zu den Figuren 3 und 4 gehörigen Beschreibungsteilen.

Die Anmeldung betrifft kartenförmige Datenträger, d.h. Chipkarten, wie z.B. Telefon- oder Geldkarten. Dabei ist es möglich neben dem vorhandenen Betriebssystem noch weitere Programme, sogenannte Fremdprogramme, auf der Karte abzuspeichern. Diese dürfen aus Sicherheitsgründen nur auf die ihnen zugewiesenen Speicherbereiche zugreifen. Deshalb wird der Programmzähler (PC) überwacht, um zu erkennen, welches Programm gerade ausgeführt wird. Daneben werden die Adressen überwacht, auf die gerade zugegriffen wird. Bei einem Zugriff auf einen Bereich, der dem gerade ablaufenden Programm nicht zugeordnet ist, wird ein Sperrsignal erzeugt (das nach der Beschreibung die CPU zurückgesetzt).

Im Prüfungsverfahren wurden folgende vorveröffentlichte Druckschriften genannt:

1. Patent Abstracts of Japan, P-14, 1980, Vol. 4 No. 78. JP 55-42312 A 2. DE 39 01 457 C2.

Die Druckschrift 1 betrifft eine Speicher-Schutz-Schaltung mit Registern für Speicheradressen, und zwar der oberen und unteren Adresse eines Bereichs. Mit diesen Adressen werden der Programmzählerstand und die gerade anliegende Speicheradresse verglichen, und bei Abweichungen wird ein Signal erzeugt.

Nach der Figurenbeschreibung der DE 39 01 457 C2 ist bei einer Vorrichtung zur Durchführung von Bearbeitunsvorgängen ein Flip-Flop vorhanden, das beim Einschalten des Rechners rückgesetzt wird. In diesem Zustand ist ein Schreibzugriff auf den Speicher möglich. Am Ende des Schreibvorganges wird es gesetzt und kann dann nur noch gelesen werden. Ein weiterer Schreibvorgang ist erst nach Rücksetzen des Rechners möglich.

Nach dem Patentanspruch 1 ist eine Schutzschaltung vorgesehen, welche die gültige Zugriffsadresse sowie den Programmzähler überwacht und die Signale dieser Überwachungseinrichtungen verknüpft. Als Schutzschaltung ist ein Mikroprozessor vorgesehen.

Keine der aus den beiden Druckschriften bekannte Schaltung enthält einen eigenen Mikroprozessor, der die Aufgaben einer Schutzschaltung übernimmt. Sie lassen auch keinen Hinweis erkennen, der den Fachmann veranlassen könnte, einen solchen in einer Schaltung vorzusehen, um so auf irgendeine Weise zum Gegenstand des Patentanspruchs 1 zu gelangen.

Der Patentanspruch 1 ist deshalb gewährbar.

Nach dem Patentanspruch 6 wird der Speicherbereich in Adreßräume eingeteilt. Die höchstwertigen Stellen des Adreßraums werden mit Hilfsregistern überwacht. In einem ersten Hilfsregister sind die höchstwertigen Stellen des Adreßbereichs des auszuführenden Fremdprogramms und in einem zweiten Hilfsregister die höchstwertigen Stellen der jeweilige Zugriffsadresse gespeichert. Über einen Komparator werden diese beiden Register verglichen, um ein Signal zu erzeugen, wenn sie nicht übereinstimmen.

Bei der DE 39 01 457 C2 ist zwar von Speicherbereichen die Rede, z.B. im Patentanspruch 1. Es geht dabei aber darum, welche Operationen, Lesen oder Schreiben, in diesem Speicherbereich zugelassen sind. Bei der hieraus bekannten Schaltung sind auch keine zwei Hilfsregister vorgesehen für die höchstwertigen Stellen des Adreßraumes des Fremdprogramms und der jeweiligen Zugriffsadresse. Ebensowenig ist ein Komparator vorhanden, um die Inhalte dieser beiden Register zu vergleichen und ein Sperrsignal zu erzeugen.

Die in der Druckschrift 2 genannte Aufgabe besteht darin, den Schutz der Programmstruktur auch dann zu gewährleisten, wenn Manipulationen am Prozessorstatus vorgenommen werden oder wenn das Betriebssystem manipuliert wird (Spalte 1, Zeile 66 bis Spalte 2, Zeile 2). Aufgrund dieser Aufgabe gibt es auch keinen Anlaß für den Fachmann, die Druckschrift 1 zusammen mit dieser Druckschrift zu betrachten.

Somit beruht auch der Gegenstand des Patentanspruchs 6 auf einer erfinderischen Tätigkeit, so daß auch dieser Patentanspruch gewährbar ist.

Die Patentansprüche 2 bis 5 enthalten Ausgestaltungen des Datenträgers nach dem Patentanspruch 1 und sind daher mit diesem gewährbar.

Grimm Dr. Schmitt Bertl Prasch Ju






BPatG:
Beschluss v. 28.05.2002
Az: 17 W (pat) 60/00


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/d5a7dd9dc669/BPatG_Beschluss_vom_28-Mai-2002_Az_17-W-pat-60-00




Diese Seite teilen (soziale Medien):

LinkedIn+ Social Share Twitter Social Share Facebook Social Share