Bundespatentgericht:
Beschluss vom 2. November 2009
Aktenzeichen: 19 W (pat) 67/06

(BPatG: Beschluss v. 02.11.2009, Az.: 19 W (pat) 67/06)

Tenor

Der Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse H02K des Deutschen Patentund Markenamts vom 8. September 2006 wird aufgehoben und das nachgesuchte Patent mit den folgenden Unterlagen erteilt:

-Patentansprüche 1 bis 8 mit angepasster Beschreibung, Seiten 2, 2a, 3 bis 4, jeweils überreicht in der mündlichen Verhandlung, -übrige Unterlagen, Beschreibung, Seiten 1, 5 bis 8, und 2 Blatt Zeichnungen, Figuren 1 bis 4, für sich jeweils vom Anmeldetag 14. Juli 2005.

Gründe

I.

Das Deutsche Patentund Markenamt -Prüfungsstelle für Klasse H02K -hat die am 14. Juli 2005 eingereichte Anmeldung durch Beschluss vom 8. September 2006 mit der Begründung zurückgewiesen, dass der Gegenstand des Patentanspruchs 1 gegenüber dem Stand der Technik nicht erfinderisch sei.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Anmelderin.

Sie beantragt, den Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse H02K des Deutschen Patentund Markenamts vom 8. September 2006 aufzuheben unddas nachgesuchte Patent mit den folgenden Unterlagen zu erteilen: -Patentansprüche 1 bis 8 mit angepasster Beschreibung, Seiten 2, 2a, 3 bis 4, jeweils überreicht in der mündlichen Verhandlung, -übrige Unterlagen, Beschreibung, Seiten 1, 5 bis 8, und 2 Blatt Zeichnungen, Figuren 1 bis 4, jeweils vom Anmeldetag 14. Juli 2005.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

Die Beschwerde ist zulässig und hat mit dem geänderten Patentbegehren Erfolg.

1. Die Anmeldung betrifft einen Umrichtermotor.

In der Beschreibung wird dazu erläutert, dass zwei Bauformen für Motoren mit angebautem Umrichter üblich seien, nämlich radial und axial angebaute Umrichter. Für beide Bauformen werden Nachteile genannt, wobei bei der radialen Bauform die mangelnde Kompaktheit und daraus resultierend schwingungstechnisch ungünstige Konstellationen und ungenügende Kühlung besonders hervorgehoben werden (S. 1, Abs. 4).

Der Erfindung liegt die Aufgabe zugrunde einen radial aufgebauten Umrichtermotor derart weiterzubilden, dass diese Nachteile nicht mehr auftreten. (S. 2, dritter Absatz von unten der geltenden Beschreibung).

Dazu wird das Umrichtergehäuse möglichst nahe an den Motor gebracht, jedoch so, dass noch Kühlluft zwischen Motor und Umrichter durchströmen kann. Unterschiedlich hohe, an die Motorform angepasste Kühlrippen an dem Umrichtergehäuse und ein von Motor-Kühlrippen freier Bereich ermöglichen dabei einen minimalen Abstand.

Der geltende Anspruch 1 (mit einer für diesen Beschluss eingefügten Gliederung) beschreibt das wie folgt:

"Umrichtermotor, umfassenda) einen Motor (2) mit einem Lüfter (16) undb) einen Umrichter (4), der radial auf dem Motor (2) aufgesetztist, c) wobei eine dem Motor (2) zugewandte Seite (10) des Gehäuses des Umrichters (4) unterschiedlich hohe Kühlrippen (12)

aufweist, c1) deren stirnseitigen Enden in einer parallel zur Außenseitedes Motors (2) verlaufenden bogenförmigen Ebene enden, d) wobei das Gehäuse des Motors (2) bis auf einen dem Umrichter (4) zugewandten Bereich (20) berippt ist, d1) wobei der dem Umrichter (4) zugewandte Bereich (20) des Gehäuses des Motors (2) mit einer Wärmesperre (22) versehen ist, e) wobei die dem Motor (2) zugewandte Seite (10) des Gehäuses des Umrichters (4) mit Befestigungsdomen (30) versehen ist, f) und wobei der Lüfter (16) an eine Stirnseite des Motors (2)

axial angeordnet ist."

2.

Für diesen Sachverhalt ist der zuständige Fachmann ein Diplomingenieur (FH) der Fachrichtung Elektrotechnik, der über Berufserfahrung in der Entwicklung von Umrichtermotoren verfügt.

3.

Der Anspruch 1 ist ursprünglich offenbart.

Der Anspruch 1 setzt sich aus den Merkmalen der ursprünglichen Ansprüche 1 bis 3 sowie aus Merkmalen, die der Beschreibung, Seite 5, Absatz 2 entnommenen sind, zusammen. Die Ansprüche 2 bis 8 entsprechen den ursprünglichen Ansprüchen 4, 5, 7, 8, 9, 11 und 12.

4.

Bevor die Ansprüche auf Patentfähigkeit geprüft werden können, ist festzustellen, wie sie der Fachmann versteht:

Der Begriff "radial aufgesetzt" sagt dem Fachmann, dass es sich um die gebräuchliche radiale Bauform, mit auf der (gewöhnlich zylindrischen) Mantelfläche aufgesetzten Stromrichter handelt, im Unterschied zu der ebenfalls üblichen axialen Bauform -mit an einer axialen Stirnfläche aufgesetzte Stromrichter -handelt.

Die Anmelderin sieht einen Unterschied zwischen dem im Anspruch 1 verwendeten Begriff "Gehäuse des Umrichters" und dem im Stand der Technik überwiegend verwendeten Begriff "Klemmenkasten". Dem kann sich der Senat nicht anschließen. Es mag zwar sein, dass es unterschiedliche historische Entwicklungen gegeben hat, dass einerseits komplette Umrichter mit Gehäuse den herkömmlichen Klemmenkasten ersetzten und andererseits der herkömmliche Klemmenkasten so modifiziert wurde, dass er den Umrichter aufnehmen konnte. In beiden Fällen ist das Ergebnis aber ein Umrichter in einem für ihn geeigneten Gehäuse, das den herkömmlichen Klemmenkasten ersetzt.

Merkmal d) könnte so verstanden werden, dass nur der dem Umrichter zugewandte Bereich frei von Rippen ist. Das ist jedoch unrealistisch. Zumindest die Bereiche der Wellenlager und der Füße sind normalerweise unberippt. Der Fachmann versteht somit dieses Merkmal so, dass (neben möglicherweise anderen unberippten Bereichen) auch der dem Umrichter zugewandte Bereich frei von Rippen ist.

Eine Wärmesperre kann jedes Bauteil sein, das einen Wärmeübergang verhindert oder vermindert. Das kann auch beispielsweise ein relativ gut wärmeleitender Strahlungsschild sein. Erst Anspruch 7 fordert ein thermisch schlecht leitendes Material. Eine isolierende Luftstrecke allein ohne ein als Wärmesperre erkennbares zusätzliches Bauteil sieht der Fachmann nach Überzeugung des Senats nicht als Wärmesperre an.

Der Begriff "Befestigungsdom" ist ungebräuchlich. Nach der Beschreibung Seite 7, Zeile 20 bis 31 und Figur 3, 4 sind darunter Befestigungsvorsprünge oder Befestigungsteile (nicht zwangsläufig einstückig mit dem Gehäuse) zu verstehen, deren Querschnitt relativ (im Verhältnis zu einem Klemmenkastensockel) klein ist (kleine Dichtflächen, S. 7, Z. 26 bis 30) um die Strömungswiderstände klein zu halten (S. 8, Z. 19 bis 28).

Unter einem Eigenlüfter nach Anspruch 4 versteht der Fachmann einen durch die Motorwelle angetriebenen Lüfter, im Unterschied zum dem Fremdlüfter nach Anspruch 5 mit eigenem Antrieb.

"Axial angeschlagen" nach Anspruch 6 sieht der Fachmann als gleichbedeutend mit "axial angeordnet" nach Anspruch 1.

5. Die Vorrichtung nach Anspruch 1 ist neu (3 PatG).

Die DE 36 42 724 A1 zeigt einen Umrichtermotor mit dem Umrichter in einem radial angeordneten Klemmenkasten 28, der mit Kühlrippen oder mit einer Fremdkühlung ausgestattet sein kann (Sp. 3, Z. 44 bis 50). In der Ausführungsform nach Figur 2 ist der Klemmenkasten in einem von Motorkühlrippen freien Bereich angeordnet (die oben sichtbare Rippe endet vor dem Klemmenkasten). Damit kann der Klemmenkasten näher am Motorgehäuse angeordnet werden, als bei einem vollständig verrippten Motorgehäuse. Es verbleibt aber ein freier Zwischenraum 34 zwischen Motorgehäuse 25 und Klemmenkasten 28, der von Kühlluft durchströmt ist (Sp. 5, Z. 56 bis 62). Damit ist mit den Worten des Anspruchs 1 bekannt ein:

"Umrichtermotor, umfassenda) einen Motor mit einem Lüfter 21, undb) einen Umrichter 1,28, der radial auf dem Motor aufgesetzt istd) wobei das Gehäuse 25 des Motors bis auf einen dem Umrichter 1, 28 zugewandten Bereich berippt istf) und wobei der Lüfter 21 an eine Stirnseite des Motors axialangeordnet ist (Sp. 5, Z. 23, 24).

Im Unterschied zum Gegenstand des Anspruchs 1 trägt der Klemmenkasten 28 bei der Ausführungsform nach Figur 2 keine Kühlrippen. Die weiteren Ausführungsformen zeigen teilweise Kühlrippen, jedoch nicht auf der dem Motor zugewandten Seite. Eine Wärmesperre ist nicht erwähnt. Es bleibt auch offen, wie der Klemmenkasten nach Figur 2 befestigt ist. Eine Befestigung nur durch Aufstecken über die Steckerstifte 32 (Sp. 5, Z. 47 bis 52) schließt der Fachmann nach Überzeugung des Senats aus Stabilitätsgründen aus. Ein Klemmenkastensockel ist nicht dargestellt und würde auch -wie bei den weiteren Ausführungsbeispielen nach Figur 3 bis 7 -den freien Zwischenraum 34 ausfüllen.

Die DE 40 15 080 A1 zeigt einen Motor -wobei eine dem Motor zugewandte Seite des Gehäuses des Umrichters Kühlrippen aufweist -in dessen radial angeordnetem Klemmenkasten ebenfalls ein Umrichter angeordnet ist (Anspruch 1). Nach Figur 1 und 2 ist an der Unterseite des Klemmenkastens ein Wärmeverteiler 9 mit Kühlrippen 13 angeordnet. Diesen Wärmeverteiler rechnet der Fachmann nach Überzeugung des Senats wie den Deckel 5 dem Gehäuse des Umrichters zu, denn er verschließt das Gehäuse in gleicher Weise. Damit ist mit den Worten des Anspruchs 1 bekannt ein:

"Umrichtermotor, umfassenda) einen Motor mit einem Lüfter (funktionsnotwendig zur Erzeugung des Kühlluftstroms nach Sp. 4, Z. 15 bis 18 und 45 bis 50), undb) einen Umrichter, der radial auf dem Motor aufgesetzt istc) wobei eine dem Motor zugewandte Seite des Gehäuses 4, 5, 9 des Umrichters unterschiedlich hohe Kühlrippen 13 aufweist, c1) deren stirnseitige Enden in einer parallel zur Außenseite des Motors verlaufenden bogenförmigen Ebene enden (Fig. 2, Sp. 4, Z. 45 bis 50), Im Unterschied zum Gegenstand des Anspruchs 1, Merkmal d) ist dort das Gehäuse des Motors auch in dem dem Umrichter zugewandten Bereich berippt. Eine Wärmesperre und Befestigungsdome nach Merkmal d1) und e) sind nicht vorgesehen. Ein Lüfter an der Stirnseite nach Merkmal f) ist nicht ausdrücklich erwähnt.

Die DE 197 04 226 B4 zeigt einen Motor 1 mit einem Umrichter (7) in einem radial am Motor angeordneten Gehäuse 6, das auf einem Zwischenteil 5 angeordnet ist (Abs. 0027). Kühlrippen 8 reichen vom hinteren Teil des Umrichtergehäuses bis zum Motor, wo sie in einem Bogen(für sich Fig. 4) enden. Eine Wärmemesperre 9 ist zwischen dem Gehäuse 6 und dem Zwischenteil 5, eine weitere Wärmesperre 10 zwischen Gehäuse 6 und Kühlrippen 8 angeordnet (Abs. 0027). Damit ist mit den Worten des Anspruchs 1 bekannt ein

"Umrichtermotor, umfassend a) einen Motor (1) mit einem Lüfter, und b) einen Umrichter (6, 7), der radial auf den Motor (1) aufgesetzt istc) wobei eine dem Motor (1) zugewandte Seite des Gehäuses 6 des Umrichters (6, 7) unterschiedlich hohe Kühlrippen 8 aufweist (Abs. 27), c1) deren stirnseitige Enden in einer parallel zur Außenseite des Motors verlaufenden bogenförmigen Ebene enden (Fig. 4), f) und wobei der Lüfter (3) an eine Stirnseite des Motors (1) axial angeordnet ist (Abs. 0026)."

Im Unterschied zum Gegenstand des Anspruchs 1 Merkmal d1) ist dort nicht das Gehäuse des Motors, sondern das Umrichtergehäuse mit Wärmesperren versehen. Befestigungsdome nach Merkmal e) sind nicht angesprochen und im Unterschied zu Merkmal d) ist der Motor auch im Bereich der Kühlrippen 8 an der Umrichter-Unterseite berippt.

Die weiteren Entgegenhaltungen wurden in der mündlichen Verhandlung nicht aufgegriffen. Der Senat hält sie für ferner liegend und sieht in ihnen keine der Patentfähigkeit entgegenstehenden Gesichtspunkte.

6. Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist auch erfinderisch (§ 4 PatG).

Der Senat sieht das Patentbegründete im Anspruch 1 in einer Kombination folgender Maßnahmen:

-Um den Umrichter möglichst nahe an das Motorgehäuse heranzubringen, wird der vom Umrichter beanspruchte Bereich von Motorrippen freigehalten (Merkmal d).

-Zum gleichen Zweck werden die Kühlrippen des Umrichters zwar beibehalten, aber unterschiedlich hoch gemacht, so dass sie sich der Motorform anpassen und der Umrichter bei gleicher mittlerer Kühlrippenhöhe noch näher an das Motorgehäuse heranrückt (Merkmal c, c1).

-Der Strömungsquerschnitt des dann schon sehr schmalen Zwischenraums zwischen Motorgehäuse und Umrichtergehäuse soll durch Befestigungselemente so wenig wie möglich verengt werden. Deshalb werden statt des üblichen Klemmenkastensockels mehrere Befestigungsdome mit relativ kleinem Strömungsquerschnitt verwendet (Merkmal e).

-Der schmale Zwischenraum birgt auch die Gefahr eines erhöhten Wärmeübergangs vom Motor zum Umrichter. Um das zu verhindern ist die Wärmesperre vorgesehen (Merkmal d1).

Der Stand der Technik zeigt dazu nur Einzelemente:

So zeigt die DE 36 42 724 A1 in Figur 2 einen Umrichtermotor, bei dem der Umrichter mit seinem Gehäuse zwischen die Motorkühlrippen eintaucht und so schon sehr nahe am Motorgehäuse im Kühlluftstrom des Motorlüfters liegt. Dort wird aber auf Kühlrippen auch beim Umrichtergehäuse verzichtet. Dort sind nur die Alternativen - motornahes Umrichtergehäuse ganz ohne Kühlrippen (Fig. 2) oder - motorfernes Gehäuse mit Kühlrippen (Fig. 3)

aufgezeigt. Der Senat hält es zwar für naheliegend, bedarfsweise auch bei dem Umrichter nach Figur 2 Kühlrippen im Kühlluftstrom anzuordnen. Das ist aber nur ein Element der Kombination.

Die DE 197 04 226 B4 und die DE 40 15 060 A1 zeigen zwar Umrichterkühlrippen, deren Enden sich bogenförmig an die Motorform anpassen, jedoch ist deren Umrichtergehäuse jeweils weiter vom Motor beabstandet als das der DE 36 42 724 A1, weil die Motorkühlrippen den Mindestabstand vorgeben. Sie erfüllen somit nicht den Zweck, das Umrichtergehäuse möglichst nahe an den Motor heranzubringen.

Die DE 197 04 226 B4 zeigt ebenfalls Wärmesperren, von denen die Wärmesperre 9 letztlich auch den Wärmeübergang vom Motor zum Umrichter verringern soll, aber auf der Umrichterseite. Die hier zugrundeliegende Problematik des verringerten Zwischenraums für die Belüftung tritt dort nicht auf.

Befestigungsdome oder ähnliche Befestigungselemente hält der Senat zwar an sich für üblich. Für ihre Anordnung in dem belüfteten Zwischenraum als Ersatz des üblichen Klemmenkastensockels zur strömungsgünstigen Befestigung des Umrichters fehlen jedoch Hinweise.

Die Einzelmerkmale mögen also für sich bekannt oder nahegelegt sein. Der Erfinder hat aber erkannt, dass durch eine Kombination dieser Merkmale der Umrichter sehr nahe, platzsparend und schwingungsarm am Motor angeordnet und gleichzeitig gut gekühlt werden kann. Dafür gibt es im Stand der Technik keine Hinweise.

Mit dem Anspruch 1 sind auch die Ansprüche 2 bis 8 gewährbar. Die Beschreibung ist das geltende Patentbegehren angepasst und berücksichtigt den wesentlichen Stand der Technik.

Bertl Kirschneck Dr. Kaminski, Dr. Scholzprö






BPatG:
Beschluss v. 02.11.2009
Az: 19 W (pat) 67/06


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