Oberlandesgericht Düsseldorf:
Urteil vom 8. November 2011
Aktenzeichen: I-20 U 37/11

(OLG Düsseldorf: Urteil v. 08.11.2011, Az.: I-20 U 37/11)

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 12. Januar 2011 verkündete Urteil der 4. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Düsseldorf aufgehoben und das Verfahren an das Gericht des ersten Rechtszugs zurückverwiesen.

Die durch das Berufungsverfahren verursachten Gerichtskosten werden niedergeschlagen, im Übrigen bleibt die Kostenentscheidung dem Schlussurteil vorbehalten.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 50.000,00 Euro abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Gründe

I.

Die Klägerin vertreibt Parfümerieerzeugnisse. Die ursprünglich mit dem Vertrieb befasste C. GmbH ist durch Verschmelzungsvertrag vom 14. Januar 2010 auf sie verschmolzen, die Verschmelzung ist am 3. Februar 2010 in das Handelsregister eingetragen worden. Die Klägerin ist Inhaberin der Gemeinschaftswortmarken „Joop!“, Registernummer CTM ... und „Lancaster“, Registernummer CTM …, die unter anderem für Parfümeriewaren (Klasse 3) eingetragen sind. Nach ihrem eigenen Vortrag ist sie zudem exklusive Lizenznehmerin bezüglich der Gemeinschaftsmarken „Davidoff“, Registernummer CTM …, „Jil Sander“, Registernummer CTM …, „Nikos“, Registernummer CTM …, und „Calvin Klein“, Registernummer CTM …, sowie der internationalen Markenregistrierungen „Chopard“, Registernummer IR …, und „Vivienne Westwood“, Registernummer IR …, die jeweils unter anderem für Parfümeriewaren (Klasse 3) eingetragen sind, und zur Wahrnehmung der Markenrechte im eigenen Namen berechtigt.

Die Beklagten handelten unter der Bezeichnung „M…de“ mit Parfümerieerzeugnissen. Mit Rechnung vom 4. November 2009 bestätigten sie einer Firma H. Handel die Bestellung von Parfüms der Marken „Gaultier“, „Kenzo“, „Trussardi Python“ und „Joop Homme“. Zumindest die Auslieferung von 50 Sets „Joop! Homme“ ist erfolgt. Die C. GmbH mahnte die H. Handel in der Folgezeit wegen des Vertriebs eines nicht mit ihrer Zustimmung in Verkehr gebrachten Parfümsets „Joop! Homme“ ab und forderte sie zur Unterlassung und zur Auskunft auf. Mit Schreiben vom 14. Januar 2010 erklärte die H. Handel das streitgegenständliche Parfumset von den Beklagten bezogen zu haben, wobei sie die vorgenannte Rechnung vorlegten. Die C. GmbH mahnte daraufhin die Beklagten wegen des Vertriebs dieses Parfumsets ab, weil dieses von ihr in den USA in Verkehr gebracht worden und ohne ihre Zustimmung in der Europäischen Wirtschaftsraum verbracht worden sei, und forderte sie zur Abgabe einer auf Kosmetik und Parfümprodukte der Marken „Davidoff“, „Joop!“, „Jil Sander“, „Chopard“, „Nikos“, „Jennifer Lopez“, „Vivienne Westwood“, „Calvin Klein“ und „Karl Lagerfeld“ bezogenen strafbewehrten Unterlassungserklärung auf. Ein Erfolg war dieser Abmahnung nicht beschieden.

Anfang 2010 mahnte die Klägerin die Firma F. ebenfalls wegen des Verkaufs eines Parfümsets der Marke „Joop! Homme“ und einen Herrn M. wegen des Verkaufs eines Parfüms der Marke „Davidoff Cool Water Woman“ ab. Beide benannten als Vorlieferanten die Beklagten.

Nach Klageerhebung gab der Beklagte zu 1. mit Schreiben vom 19. April 2010 eine auf Parfüms der Marke und Produktlinie „Joop! Homme“ beschränkte Unterlassungserklärung gegenüber der C. GmbH ab, wobei er die Vertragsstrafe in das Ermessen der „Markeninhaberin“ stellte. Mit Schreiben vom 20. April 2010 teilte die Klägerin den Beklagten mit, dass diese Unterlassungserklärung den Klageanspruch nur zu einem geringen Teil erfülle und dass sie zu einer gütlichen Einigung nur bei Abgabe einer umfassenden Unterlassungserklärung bereit sei. Mit Schriftsatz vom 25. Mai 2005 erklärte sie den Rechtstreit im Verhältnis zum Beklagten zu 1. in Bezug auf den Unterlassungsantrag betreffend die Marke „Joop!“ für erledigt. Die Beklagten haben sich dieser Erledigungserklärung nicht angeschlossen.

Das Landgericht hat die Erledigung des die Marke „Joop!“ betreffenden Unterlassungsanspruch im Verhältnis zum Beklagten zu 1. festgestellt und die Beklagten im Übrigen zur Unterlassung des Vertriebs von Parfumprodukten der eingangs aufgelisteten Marken, der Erstattung der Abmahnkosten sowie zur Auskunft über die Vorlieferanten der drei konkret bezeichneter Verkäufe verurteilt. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klägerin sei zur Geltendmachung der Ansprüche aufgrund der vorgelegten Vollmachten, Ermächtigungen und Lizenzen berechtigt. Diese hätten die Beklagten lediglich pauschal bestritten. Die Beklagten hätten Rechte verletzt. Die Klägerin habe durch die Angabe der Herstellungscodes und die Benennung der drei Käufer ausreichend dargelegt, dass die Beklagten nicht für den europäischen Markt bestimmte Parfüms verkauft hätten. Gegenüber dem detaillierten Vortrag der Klägerin sei das Bestreiten der Beklagten mit Nichtwissen nicht substantiiert. Die Vermutung der Wiederholungsgefahr bestehe bezüglich aller Marken der Klägerin.

Hiergegen wenden sich die Beklagten mit ihrer Berufung. Sie tragen vor, die vom Beklagten zu 1. abgegebene Erklärung sei kein erledigendes Ereignis gewesen. Sie habe sich lediglich auf die Produktlinie „Joop! Homme“ bezogen, während der Klageantrag auf alle Parfüms der Marke „Joop!“ bezogen gewesen sei. Die Klägerin biete auch die Produktlinie „Joop! Femme“ an. Im Zeitpunkt der Abgabe der Erklärung sei die Klage im Übrigen noch beim unzuständigen Landgericht Köln anhängig und daher unzulässig gewesen. Der Beklagte zu 1. habe die Erklärung zudem gegenüber der C. GmbH abgegeben, die bereits am 3. Februar 2010 erloschen sei. Zu Unrecht habe das Landgericht ihr Bestreiten einer Berechtigung der an den Marken „Davidoff“, „Jil Sander“, „Nikos“, „Calvin Klein“, „Chopard“ und „Vivienne Westwood“, den Verkauf der beanstandeten Parfümsets „Joop! Homme“ und „Davidoff“ durch sie und deren Inverkehrbringen in den USA übergangen. Sie hätten lediglich eingeräumt, an die Firma H. Handel derartige Sets geliefert zu haben, die Lieferung der beanstandeten Sets jedoch gerade bestritten. Auch das Inverkehrbringen in den USA könnten sie nur mit Nichtwissen bestreiten. Dies gelte ebenfalls für das angebliche selektive Vertriebssystem der Klägerin. Soweit das Landgericht die Vermutung der Wiederholungsgefahr auf die übrigen Marken erstreckt habe, fehle es an der Voraussetzung der Feststellung der Luxusparfümeigenschaft. Jedenfalls die Marke „Nikos“ sei völlig unbekannt. Die Klägerin könne auch nicht einfach Ansprüche der C. GmbH auf sich überleiten. Der Grundsatz, dass die durch Organe oder Mitarbeiter begangenen Verletzungshandlungen keine Wiederholungsgefahr für den Rechtsnachfolger begründeten, müsse auch für einen Rechtsträgerwechsel auf Gläubigerseite gelten. Zudem sei der Antrag unbestimmt, da er auch jedwede neue Marken erfasse und sich auf alle nur denkbaren Fremdmarken erstrecke. Auch habe das Landgericht ihren Vortrag zum Insolvenzverfahren des Beklagten zu 1. im Zeitpunkt der Abmahnung und Klageeinreichung übergangen. Schließlich sei das Verhalten der Klägerin, in parallelen Verfahren gegen ihre Abnehmer, ihre Lieferanten und sie vorzugehen, rechtsmissbräuchlich. Die Entstehung und die Höhe der Abmahnkosten habe sie bereits in der Klageerwiderung bestritten.

Die Beklagten beantragen,

das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 12.01.2011, Az.: 34 O 112/10, aufzuheben und die Klage abzuweisen;

hilfsweise, das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 12.01.2011, Az.: 34 O 112/10, aufzuheben und die Sache an das Landgericht zurückzuverweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Die Berufung des Beklagten zu 2. sei bereits unzulässig, die Erteilung einer Prozessvollmacht für das Berufungsverfahren werde bestritten. Als Gesamtrechtsnachfolgerin der C. GmbH, deren Vertriebsverträge sie übernommen habe und deren Selektivvertrieb sie fortführe, sei sie aktivlegitimiert. Das angebliche Insolvenzverfahren des Beklagten zu 1. habe sie bestritten, Beweis habe der Beklagte insoweit nicht angeboten. Der Unterlassungsantrag sei im Verhältnis zum Beklagten zu 1. betreffend die Marke „Joop!“ erledigt, dessen Erklärung erfasse auch alle im Kern gleichartigen Verletzungsformen. Die Luxusparfumeigenschaft ihrer Markenparfüms habe der Bundesgerichtshof bereits festgestellt. Der Vorwurf des Rechtsmissbrauchs scheitere bereits daran, dass sie erst durch Auskunft der H. Handel von den Beklagten erfahren habe, zudem sei eine örtliche Zuständigkeit für die anderen Verletzer hier nicht gegeben. Die Abmahnkosten habe sie an ihre Prozessbevollmächtigten gezahlt, zudem wandele sich selbst ein Freistellungsanspruch bei einer endgültigen Zahlungsverweigerung in einen Zahlungsanspruch um.

Mit Schriftsatz vom 21. Januar 2011 hat der Beklagte zu 1. sich bei Meidung einer in das Ermessen der Klägerin gestellten Vertragsstrafe zur Unterlassung des Vertriebs von Parfüms der Marke „Joop!“ verpflichtet.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands erster Instanz wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil, Bl. 120 ff. d. GA., wegen des Parteivorbringens im Übrigen wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die Berufung der Beklagten ist zulässig. Sie führt zur Aufhebung des landgerichtlichen Urteils und zur Zurückverweisung an das Gericht des ersten Rechtszugs.

Die Berufung ist zulässig, auch die des Beklagten zu 2. Ausweislich der mit der Klageerwiderung vorgelegten Vollmacht vom 5. Mai 2010, Bl. 31 d. GA., hat der Beklagte zu 2. den Beklagtenvertretern eine Prozessvollmacht erteilt, die ausdrücklich das Recht zur Rechtsmitteleinlegung einschließt. Unter Hinweis auf diese Vollmacht hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 10. Mai 2010 die Zustellung der für den Beklagten zu 2. bestimmten Abschrift der Klageschrift an die Prozessbevollmächtigten beantragt und damit das Bestehen der Vollmacht i. S. des § 288 ZPO zugestanden, da auf dieser Grundlage in erster Instanz mündlich verhandelt worden ist. Hiervon kann sich die Klägerin nur unter den Voraussetzungen des § 290 ZPO lösen, dessen Voraussetzungen nicht erfüllt sind.

Das Verfahren im ersten Rechtszug leidet an einem wesentlichen Mangel, aufgrund dessen eine umfangreiche Beweisaufnahme unterblieben ist. Die Sache wird daher gemäß § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO unter Aufhebung des Urteils an das Gericht des ersten Rechtszuges zurückverwiesen. Einen entsprechenden Antrag haben die Beklagten gestellt.

Das Landgericht hat die Lieferung der von der Klägerin beanstandeten Parfümsets „Joop! Homme“ und „Davidoff Cool Water Woman“ durch die Beklagte als unstreitig behandelt und damit den Kern ihres Verteidigungsvorbringens verfehlt. Die Beklagten haben lediglich eingeräumt, die Firma H. Handel mit entsprechenden Parfümsets beliefert zu haben. Dass sich darunter das streitgegenständliche befunden habe, haben sie hingegen ebenso bestritten (Bl. 23 d. GA.) wie die Behauptung, die von den Firmen F. und M. bezogen Parfümsets stammten von ihnen (Bl. 71/72, 86 d. GA.). Es stellt einen schweren Verfahrensfehler i.S. des § 538 Abs. 2 Nr. 1 ZPO dar, wenn das erstinstanzliche Gericht den Anspruch der Partei auf rechtliches Gehör dadurch verletzt, dass es den Kern ihres Vorbringens verkennt und daher eine entscheidungserhebliche Frage verfehlt (BGH, NJW 2001, 1500). Streitiges Vorbringen darf nicht als unstreitig behandelt werden (Zöller-Heßler, ZPO, 27. Aufl., § 538 Rn 18).

Auf dieser Rechtsverletzung beruht das angefochtene Urteil. Die Beklagten sind nicht gehindert, die Lieferungen der streitgegenständlichen Sets mit Nichtwissen zu bestreiten. Die Firma H. Handel kann - ebenso wie die Firmen F. und M. - noch andere Lieferanten gehabt haben, eine Verpflichtung der Beklagten zur Erfassung der Codenummern der Parfümsets behauptet selbst die Klägerin nicht. Die von den vorgenannten Firmen erteilten Auskünfte, Lieferanten seien die Beklagten gewesen, vermögen nach dem Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme die Vernehmung der zuständigen Mitarbeiter als Zeugen nicht zu ersetzen.

Das Landgericht hat zudem in einer Reihe weiterer Punkte die die Beklagten treffende Substantiierungslast grundlegend verkannt. Die Beklagten sind nicht gehindert, auch die Aktivlegitimation der Klägerin bezüglich der nach ihrem Vortrag lizenzierten Marken, das Inverkehrbringen der streitgegenständlichen Parfümsets „Joop! Homme“ und „Davidoff Cool Water Woman“ in den USA, den Vertrieb der übrigen Markenparfüms im Rahmen eines selektiven Vertriebssystems und im Hochpreissegment sowie die Vereinbarung der Abrechnung der Vergütung der Abmahnung mit einer Mittelgebühr auf der Basis eines Gegenstandswertes von 100.000,00 Euro mit Nichtwissen zu bestreiten. Daran ändert die - teilweise - erfolgte Substantiierung des Klägervortrags nichts. Die Beklagten haben keinen Einblick in den Geschäftsbetrieb der Klägerin. Zur Organisation des klägerischen Vertriebssystems, insbesondere zur Codevergabe und Abgabe der Artikel an die nationalen Händler, und zu den von der Klägerin getroffenen vertraglichen Vereinbarungen können sie von daher überhaupt nichts vortragen. Den Vertrieb im Rahmen eines selektiven Vertriebssystems haben sich die Beklagten lediglich hilfsweise zu Eigen gemacht (Bl. 100 d. GA.)

Die Klägerin hat auch keinen der - unstreitig - ihr obliegenden Beweise erbracht. Die von ihr zum Beweis der Lizenzgewährung vorgelegten Erklärungen der Markeninhaber tragen die landgerichtliche Feststellung nicht. Anders als ein Lizenzvertrag, der als Privaturkunde den Beweis für das Bestehen einer solchen Lizenzvereinbarung erbringen kann, erbringt ein solches Schreiben allenfalls den Beweis dafür, dass der Unterzeichner eine solche Erklärung abgegeben hat. Es handelt sich folglich um die schriftliche Erklärung einer Auskunftsperson, die die Zivilprozessordnung als Beweismittel nicht vorsieht und deren Verwertung der Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme entgegensteht. Soweit sich die Klägerin hinsichtlich der Einordnung der übrigen Markenparfüms unter die Luxusparfüms auf die Entscheidung „Markenparfümverkäufe“ des Bundesgerichtshofs (GRUR 2006, 421) stützt, steht dem allein schon der Zeitablauf entgegen. Das Landgericht wird daher zu allen diesen Punkten Beweis zu erheben haben.

Die von den Beklagten begehrte Abweisung der Klage ohne Beweisaufnahme kommt hingegen nicht in Betracht. Die Klage ist weder unzulässig, noch stellt die Verschmelzung der ursprünglich mit dem Vertrieb befasste C. GmbH auf die Klägerin deren Aktivlegitimation grundsätzlich in Frage.

Der Klageantrag ist nicht unbestimmt. Er ist auf Parfümprodukte der konkret benannten Marken beschränkt, die von den Beklagten beanstandete Erfassung jedweder neuer Marken und die Erstreckung auf alle nur denkbaren Fremdmarken ist nicht gegeben.

Klage ist auch nicht rechtsmissbräuchlich. Der Umstand, dass die Klägerin wegen der streitgegenständlichen Parfümsets gegen die Beklagten und ihre Abnehmer sowie Lieferanten in verschiedenen Verfahren vorgeht, rechtfertigt vorliegend den Vorwurf rechtsmissbräuchlichen Verhaltens nicht. Zwar können sich Anhaltspunkte für ein missbräuchliches Verhalten unter anderem daraus ergeben, dass ein Gläubiger bei einem einheitlichen Verstoß gegen mehrere verantwortliche Unterlassungsschuldner getrennte Verfahren anstrengt und dadurch die Kostenlast erheblich erhöht, obwohl eine streitgenössische Inanspruchnahme auf der Passivseite mit keinerlei Nachteilen verbunden wäre (GRUR 2006, 243 - MEGA SALE). Voraussetzung für einen Vorwurf wegen Anstrengung getrennter Verfahren ist demnach, dass eine streitgenössische Inanspruchnahme auf der Passivseite mit keinerlei Nachteilen verbunden wäre. Diese Voraussetzung ist vorliegend schon deshalb nicht erfüllt, weil die Beklagten gerade bestreiten, Lieferanten der streitgegenständlichen Parfümsets zu sein. Durch eine gemeinsame Inanspruchnahme mit den Abnehmern würde sich die Klägerin eines erforderlichen Beweismittels berauben.

Die Klägerin ist hinsichtlich der Marken „Joop!“ und „Lancaster“ aktivlegitimiert, bezüglich der übrigen Marken kommt es auf das Ergebnis der Beweisaufnahme an. Der Unterlassungsanspruch der C. GmbH ist im Zuge von deren Verschmelzung auf die Klägerin im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf diese übergegangen. Die Ausführungen des Bundesgerichtshofs zur Schuldnachfolge fußen auf der Zurechnung von Handlungen Beauftragter an den Betriebsinhaber nach § 14 Abs. 7 MarkenG bzw. § 8 Abs. 2 UWG und sind daher auf eine Rechtsnachfolge auf Gläubigerseite nicht übertragbar. Hier kommt es nicht auf eine Handlung, sondern allein auf den Fortbestand des ausgeübten Rechts an. Das Markenrecht ist kein höchstpersönliches Recht, die Marke ist frei übertragbar. Die geltend gemachten Unterlassungsansprüche können zusammen mit dem Markenrecht abgetreten werden (BGH, GRUR 2006, 329 Tz. 21 - Gewinnfahrzeug mit Fremdemblem). Im Falle einer Gesamtrechtsnachfolge bedarf es der Abtretung nicht. Der Übergang erfordert hier nur, dass auch in der Person des Klägers noch die Voraussetzungen für die Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs vorliegen (BGH, GRUR 1999, 1100 - Generika-Werbung; Köhler/ Bornkamm, UWG, 29. Aufl., § 8 Rn. 3.24). Hinsichtlich der eigenen Marken „Joop!“ und „Lancaster“ ist die Klägerin mit der Verschmelzung folglich automatisch in die Rechtsposition der C. GmbH eingerückt, Bezüglich der lizenzierten Marken mag es - je nach Gestaltung der Lizenzverträge - der Zustimmung der Markeninhaber bedurft haben.

Entgegen der Ansicht der Klägerin ist der Rechtsstreit aber auch nicht hinsichtlich der von ihr begehrten Feststellung der Erledigung der gegen den Beklagten zu 1. gerichteten Unterlassungsklage bezüglich der Marke „Joop!“ zur Entscheidung reif.

Zwar scheitert der Antrag auf Feststellung der Erledigung nicht daran, dass die Klage im Zeitpunkt des erledigenden Ereignisses unzulässig gewesen wäre. Allein die Anhängigkeit bei einem örtlich unzuständigen Gericht im Zeitpunkt des Eintritts des erledigenden Ereignisses vermag eine für die Klägerin nachteilige Entscheidung nicht zu begründen. Im Rahmen von § 91a ZPO sind naheliegende hypothetische Entwicklungen zu berücksichtigen (BGH, GRUR 2010, 1037 Tz. 13 - Unzuständigkeitsrüge). Wird der Kläger durch das Gericht auf dessen offensichtliche örtliche Unzuständigkeit hingewiesen, ist nach der Lebenserfahrung ohne Weiteres zu erwarten, dass er den Verweisungsantrag an das zuständige Gericht stellen wird. Dieses voraussehbare Verhalten ist deshalb als Teil des Sachverhalts im Zeitpunkt der Kostenentscheidung zu berücksichtigen (BGH, GRUR 2010, 1037 Tz. 14 - Unzuständigkeitsrüge). Für eine einseitige Erledigungserklärung gilt insoweit nichts anderes.

Eine Beurteilung, ob die Klage im Zeitpunkt des erledigenden Ereignisses, der Abgabe der Unterlassungserklärung vom 19. April 2010, begründet war, ist auf der Grundlage des derzeitigen Sachstandes allerdings nicht möglich. Auch insoweit kommt es auf das Ergebnis der vom Landgericht durchzuführenden Beweisaufnahme an. Die Abgabe der Unterlassungserklärung stellt kein Anerkenntnis dar. Nicht selten unterwirft sich der Abgemahnte nur deswegen, weil er an einer Fortsetzung der beanstandeten, aus seiner Sicht aber unbedenklichen Handlung kein Interesse hat und einem Streit vor Gericht aus dem Wege gehen möchte. In diesem Fall muss im Verfahren geklärt werden, ob der Gläubiger das Verhalten zu Recht beanstandet hat (Köhler/Bornkamm, UWG, 29. Aufl. § 12 Rn. 1.37). Vorliegend hat der Beklagte zu 1. sogar ausdrücklich klargestellt, dass mit seiner Erklärung keine über die Verpflichtung zur Unterlassung hinausgehender Gehalt verbunden sein soll. So hat er die Erklärung vom 19. April 2010 „ohne Anerkennung einer Rechtspflicht“ abgegeben (Anlage B 1).

Im Übrigen weist der Senat vorsorglich daraufhin, dass die vorgenannte Unterlassungserklärung allenfalls die Feststellung einer teilweisen Erledigung bezüglich der Marke „Joop!“ trägt. Der Beklagte zu 1. hat mit Schreiben vom 19. April 2010 lediglich eine auf Parfüms der Marke und Produktlinie „Joop! Homme“ beschränkte Unterlassungserklärung abgegeben.

Die Reichweite einer Unterlassungsverpflichtung ist durch Auslegung zu ermitteln. Ein unmittelbarer Rückgriff auf die Grundsätze, die für die Auslegung eines in gleicher Weise formulierten Unterlassungstitels gelten, kommt nicht in Betracht, weil einem Unterlassungsvertrag der Charakter eines vollstreckbaren Titels fehlt (BGH, GRUR 1997, 931, 932 - Sekundenschnell). Die Parteien sind bei der inhaltlichen Ausgestaltung eines Unterlassungsvertrages frei, seine Auslegung richtet sich deshalb nach den allgemeinen für die Vertragsauslegung geltenden Grundsätzen (BGH, GRUR 1997, 931, 932 - Sekundenschnell). Maßgebend ist demnach der wirkliche Wille der Vertragsparteien, §§ 133, 157 BGB, bei dessen Ermittlung neben dem Erklärungswortlaut die beiderseits bekannten Umstände wie insbesondere die Art und Weise des Zustandekommens der Vereinbarung, deren Zweck, die Wettbewerbsbeziehung zwischen den Vertragsparteien sowie deren Interessenlage heranzuziehen sind (BGH, GRUR 2006, 878 Tz. 18 - Vertragsstrafevereinbarung).

Danach wollte sich der Beklagte zu 1. gegenüber der Markeninhaberin unterwerfen, als seinerzeit noch die C. GmbH eingetragen war. Die Erklärung ist von daher als Unterwerfung gegenüber der Klägerin auszulegen, die im Zuge der Verschmelzung im Wege der Gesamtrechtsnachfolgerin in deren Stellung eingerückt ist.

Die Unterwerfung erfasst allerdings nur Parfüms der Produktlinie „Joop! Homme“. Schon die Formulierung Parfüms „der Marke und Produktlinie 'Joop! Homme'“ spricht für einen engen, auf die konkrete Produktlinie beschränkte Verpflichtung. Etwas anderes lässt sich auch der Art und Weise des Zustandekommens der Vereinbarung, deren Zweck sowie der Interessenlage der Parteien ableiten. Naturgemäß geht die Interessenlage der Parteien einer Unterlassungsvereinbarung auseinander. Während der Gläubiger eine möglichst umfassende Verpflichtung will, wird der Schuldner bestrebt sein, sich nicht zu mehr zu verpflichten, als er unbedingt muss. Dabei kann sich aus der Art und Weise des Zustandekommens der Vereinbarung das Bestreben des Schuldners ergeben, hinter dem für die Ausräumung der Wiederholungsgefahr eigentlich erforderlichen zurückzubleiben, in der Hoffnung, der Gläubiger werde sich gleichwohl damit zufriedengeben, um nicht die Mühen eines Rechtsstreits, der immer mit Unsicherheiten behaftet ist, auf sich nehmen zu müssen. So liegt der Fall hier. Die Klägerin hat zunächst die Abgabe einer allgemein formulierten, alle Parfümprodukte aller ihrer Marken erfassende Unterlassungserklärung gefordert. Wäre der Beklagte zu 1. hiermit einverstanden gewesen, hätte er diese vorbereitete Erklärung unterzeichnen können. Dabei hätte er auch die übrigen Marken streichen können, wenn er zu einer Unterlassung bezüglich aller Parfüms der Marke „Joop!“ bereit gewesen wäre. Hierzu war jedoch nicht bereit, wie der dem Begriff „Marke“ hinzugefügte einschränkende Zusatz „und Produktlinie“ unmissverständlich klarstellt. So hat die Klägerin im Übrigen die Unterlassungserklärung des Beklagten zu 1. auch verstanden. Sie führt in ihrem Antwortschreiben vom 20. April selbst aus, die Unterlassungserklärung erfülle den Klageanspruch nur zu einem geringen Teil, weil sie „auf die Marke Joop! und sogar noch weiter auf die Produktlinie 'Homme' eingeschränkt worden“ sei.

Die Kosten des Berufungsverfahrens sind nach § 21 GKG niederzuschlagen, da sie durch eine unrichtige Sachbehandlung, die Versagung rechtlichen Gehörs, verursacht worden sind. Im Übrigen ist die Kostenentscheidung dem Schlussurteil vorzubehalten. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.

Es besteht keine Veranlassung, die Revision zuzulassen. Die hierfür in § 543 Abs. 2 ZPO niedergelegten Voraussetzungen sind nicht gegeben. Die relevanten Rechtsfragen sind durch die zitierten höchstrichterlichen Entscheidungen beantwortet. Als reine Einzelfallentscheidung hat die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO, noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine revisionsgerichtliche Entscheidung i.S. des § 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.






OLG Düsseldorf:
Urteil v. 08.11.2011
Az: I-20 U 37/11


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