Oberlandesgericht Hamm:
Urteil vom 7. Dezember 2004
Aktenzeichen: 4 U 101/04

(OLG Hamm: Urteil v. 07.12.2004, Az.: 4 U 101/04)

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das am 10. März 2004 verkündete Urteil der 4. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Essen wird, soweit sich der Rechtsstreit nicht in der Hauptsache erledigt hat, mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass im Verbotstenor der "insbesondere-Zusatz" entfällt.

Die Beklagten tragen die Kosten der Berufungsinstanz. Im Übrigen verbleibt es bei der Kostenentscheidung des landgerichtlichen Urteils.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die Berufung ist, soweit sich der Unterlassungsanspruch nicht durch die übereinstimmende Teilerledigungserklärung erledigt hat, unbegründet. Dem Kläger stehen sowohl der noch geltend gemachte Unterlassungsanspruch wegen eines Verstoßes gegen § 11 LMBG als auch der Zahlungsanspruch als Folge eines Wettbewerbsverstoßes der Beklagten zu.

1)

Der verbleibende Unterlassungsantrag ist jedenfalls ohne den "insbesondere-Zusatz" bestimmt genug im Sinne des § 253 Abs.2 S.2 ZPO. Das Verbot bezieht sich nun eindeutig auf das gewerbsmäßige Inverkehrbringen des Mittels, das früher mit "O" bezeichnet worden ist und nun jedenfalls unter dieser Bezeichnung nicht mehr vertrieben werden darf, unter Verwendung von nicht im Sinne des § 2 Abs. 1 LMBG zugelassenen Zusatzstoffen, nämlich von Rosskastaniensamen, Mäusedornpulver und Weinrebenblattpulver.

2)

Dem Kläger steht auch insoweit ein Unterlassungsanspruch nach §§ 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 2, 3, 4 Nr. 11 UWG in Verbindung mit § 11 Abs. 1 Nr. 1 a und Nr. 2 LMBG gegen die Beklagten zu.

a)

An der Aktivlegitimation des Klägers bestehen keine Zweifel. Er ist zur Geltendmachung des Anspruchs nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG befugt, da ihm eine erhebliche Zahl von Unternehmern angehört, die auf dem Markt der Nahrungsergänzungsmittel und Arzneimittel Waren gleicher oder verwandter Art betreiben.

b)

Die Beklagten sind nach § 8 Abs. 1 UWG zur Unterlassung verpflichtet, weil sie mit dem Inverkehrbringen des Mittels "O" mit den in der Anlage K 3 (Bl.18) wiedergegebenen Inhaltsstoffen dem § 3 UWG zuwider gehandelt haben. Diese Wettbewerbshandlung ist unlauter im Sinne dieser Vorschrift, weil die Beklagten damit einer Vorschrift zuwider gehandelt haben, die entsprechend § 4 Nr. 11 UWG auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln. Um eine solche Vorschrift handelt es sich gerade bei dem Zusatzstoffverbot des § 11 Abs. 1 Nr. 1 a und Nr. 2 LMBG, das dem vorbeugenden Gesundheitsschutz dient (vgl. BGH GRUR 2004, 1037, 1038 –Johanniskraut).

c)

In dem Vertrieb der Venen-Kapseln ist ein Verstoß gegen § 11 Abs. 1 Nr. 2 LMBG zu sehen. Bei dem Präparat handelt es sich um ein entgegen dem Verbot des § 11 Abs. 1 Nr. 1 a LMBG hergestelltes Lebensmittel. Das Nahrungsergänzungsmittel enthält nämlich nicht nach § 2 Abs. 1 LMBG zugelassene und damit verbotene Zusatzstoffe.

aa)

Bei den drei beanstandeten Stoffen Rosskastanien, Mäusedorn und Weinrebenblätter handelt es sich um Zusatzstoffe im Sinne des § 2 Abs. 1 LMBG. Insoweit sind zwar Stoffe ausgenommen, die natürlicher Herkunft sind und nach allgemeiner Verkehrsauffassung wegen ihres Nähr-, Geruchs- oder Geschmackswertes oder als Genussmittel verwendet werden. Diese Voraussetzungen, die aufgrund einer abstrakten Betrachtungsweise zu bejahen sein müssten (vgl. BGH, a.a.O., - Johanniskraut), liegen hier nicht vor.

bb)

Hier käme nur in Betracht, dass die Stoffe wegen ihres Nährwertes eingesetzt werden. Um ein gebräuchliches Lebensmittel, das regelmäßig dazu bestimmt ist, als solches verzehrt zu werden (vgl. BGH WRP 2004, 1277 –Honigwein), handelt es sich bei diesen Stoffen nach Auffassung der Verbraucher sämtlich nicht. Erstmals im letzten Schriftsatz haben die Beklagten überhaupt etwas dazu vorgetragen, worin jedenfalls bei Rosskastanienpulver und Mäusedornpulver der Nährwert bestehen soll. Ob dieser Vortrag ungeachtet der Regelung des § 531 Abs. 2 ZPO überhaupt noch zugelassen werden kann, kann letztlich dahin stehen. Auch wenn dieser Vortrag berücksichtigt werden könnte, reicht er nicht aus. Er besagt nur, dass diese Mittel einen Nährwert haben können und deswegen schon gelegentlich eingenommen oder Tieren verabreicht worden sein sollen. Daraus ergibt sich aber nichts dafür, dass die Mittel nach allgemeiner Verkehrsauffassung auch überwiegend als charakteristische Lebensmittelzutaten verwandt werden. Aus dem nunmehr vorgelegten Gutachten folgt aber eindeutig, dass dem Rosskastaniensamen im Bereich der Volksmedizin eine Wirkung auf das ganze Gefäßsystem und besonders auf die Venen zugeschrieben worden ist und dass ein entsprechender Extrakt in hohen Dosen sogar als Arzneimittel in diesem Bereich verwendet wird. Das Gleiche gilt für Mäusedorn. Diese Pflanze mag zwar frisch, insbesondere in Bezug auf ihre jungen Triebe als Nahrungsmittel verzehrt werden können. Eine solche Verwendung ist dem hiesigen Verbraucher aber nicht geläufig. Wenn ihm Mäusedorn begegnet ist, dann in Form des aus ihrer Wurzel extrahierten Trockenpulvers, das angeblich zur unterstützenden Therapie von Beschwerden bei chronisch venöser Insuffizienz eingesetzt wird.

Es kommt hinzu, dass es im Hinblick auf die Weinrebenblätter nach wie vor an jedem Vorbringen dazu fehlt, wieso diese einen Nährwert haben sollen. Allein das reicht schon, um § 2 Abs. 1 LMBG zu bejahen.

cc)

Der Hinweis auf Art. 1 der bislang nicht umgesetzten Richtlinie 89/107/EWG gilt nicht für Stoffe, die aus anderen als technologischen Gründen zugesetzt werden. Das zeigt bereits der Wortlaut des Art. 1 Abs. 2. Die drei genannten Stoffe werden nicht aus technologischen Gründen zugesetzt. Der Bundesgerichtshof hat klargestellt, dass die Richtlinie keine andere, nämlich eine konkrete Auslegung des Begriffs Zusatzstoff in § 2 Abs. 1 LMBG verlangt (vgl. BGH a.a.O. –Johanniskraut, S. 1039).

dd)

Unstreitig sind sämtliche Stoffe auch nicht als Zusatzstoffe zugelassen.

d)

In Bezug auf diesen Unterlassungsanspruch ist durch die von den Beklagten abgegebene und vom Kläger angenommene Unterlassungserklärung die Wiederholungsgefahr nicht entfallen. Der zugleich vorliegende Verstoß gegen § 11 Abs. 1 LMBG bewirkt, dass die Beklagten nicht schon dann aus dem Verbot herauskommen, wenn sie nur die Bezeichnung Venen-Kapseln für das Mittel nicht mehr verwenden. Sie müssen es vielmehr auch unterlassen, ein solches Mittel unter anderer Bezeichnung mit diesen Zusatzstoffen zu vertreiben. Dieser zweite Verbotsinhalt wird von der eingeschränkten Unterlassungserklärung nicht erfasst. Der Unterlassungsanspruch im Hinblick auf den Vertriebs des nicht verkehrsfähigen Mittels unter Verwendung dieser Zusatzstoffe bleibt deshalb von der Teilunterwerfung unberührt (vgl. BGH WRP 2002, 1075 –Teilunterwerfung).

3)

Die der Höhe nach unstreitigen Abmahnkosten nebst Zinsen kann der Kläger im Rahmen eines Aufwendungsersatzanspruchs erstattet verlangen entsprechend der nun erfolgten gesetzlichen Regelung in § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG für Abmahnungen nach dem 8. Juli 2004.

Dem Antrag der Beklagten, die Revision zuzulassen, war nicht zu entsprechen. Ein Revisionsgrund im Sinne des § 543 Abs. 2 ZPO liegt nicht vor. Es geht um eine Einzelfallentscheidung. Außerdem hat der Bundesgerichtshof zu den grundlegenden Problemen, auch was unter einem Zusatzstoff im Sinne des § 2 Abs. 1 LMBG zu verstehen ist, schon in den erwähnten Entscheidungen Honigwein und Johanniskraut Stellung genommen.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 97 Abs.1, 91 a Abs.1 ZPO. Auch soweit die Parteien den Rechtsstreit teilweise für erledigt erklärt haben, müssen die Beklagten die anteiligen Kosten tragen. Denn der Kläger hätte ohne das erledigende Ereignis nach dem bisherigen Sach- und Streitstand auch insoweit obsiegt, als er sich gegen die Verwendung einer irreführenden Bezeichnung im Sinne des § 17 Abs. 1 Nr. 5 LMBG gewandt hat. Denn mit der Verwendung der Bezeichnung "Venen-Kapseln" haben die Beklagten unter den gegebenen Umständen jedenfalls gegen § 17 Abs. 1 Nr. 5 a LMBG verstoßen, weil sie dem Mittel Wirkungen im Bereich des Venenschutzes beigelegt haben, die nach den Erkenntnissen der Wissenschaft nicht hinreichend gesichert sind.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr.10,

711, 713 ZPO.






OLG Hamm:
Urteil v. 07.12.2004
Az: 4 U 101/04


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