Bundespatentgericht:
Beschluss vom 10. Juli 2007
Aktenzeichen: 21 W (pat) 306/05

(BPatG: Beschluss v. 10.07.2007, Az.: 21 W (pat) 306/05)

Tenor

Das Patent DE 199 21 614 wird widerrufen.

Gründe

I.

Auf die am 10. Mai 1999 unter Inanspruchnahme der Priorität der amerikanischen Patentanmeldung 078587 vom 13. Mai 1998 beim Deutschen Patent- und Markenamt eingereichte Patentanmeldung ist das nachgesuchte Patent unter der Bezeichnung "Konvertible Knochenzange" erteilt worden; die Veröffentlichung der Erteilung ist am 30. September 2004 erfolgt.

Gegen das Patent ist am 30. Dezember 2004 Einspruch erhoben worden.

Zur Begründung des Einspruchs hat die Einsprechende auf folgende Druckschriften verwiesen:

D1: US 5 569 258 D2: DE 94 21 125 U1.

Die Einsprechende ist der Auffassung, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 durch die Druckschriften D1 und D2 nahe gelegt sei.

Die Einsprechende hat auch unter Verweis auf Katalogseiten und die Kopie der Darstellung einer Knochenzange eine offenkundige Vorbenutzung geltend gemacht.

Mit Schriftsatz vom 9. Juli 2007 hat die einzige Einsprechende ihren Einspruch zurückgenommen.

Die Patentinhaberin hat dem Einspruchsvorbringen widersprochen und sinngemäß beantragt, das Patent unverändert aufrecht zu erhalten.

Die Patentinhaberin hat auch beantragt, den Einspruch hinsichtlich der offenkundigen Vorbenutzung als nicht substantiiert und folglich unzulässig zu verwerfen.

Die Patentinhaberin ist wie schriftsätzlich angekündigt zur mündlichen Verhandlung nicht erschienen.

Der Patentanspruch 1 (Merkmalsgliederung hinzugefügt) lautet:

M1 Umwandelbare bzw. konvertible Knochenzange, umfassend:

M2 ein vorderes Griffstück (206), das schwenkbar an einem Drehpunkt in einem M3 unteren bzw. Bodenschaftstück (202), welches einen Spitzenbereich und einen Griffbereich (218) aufweist, angelenkt ist;

M4 Verbindungs- bzw. Eingriffelemente (216, 217), wodurch das vordere Griffstück (206) mit M5 einem oberen Schaft-Schneidestück (201) verbunden ist, M6 um das obere Schaft-Schneidestück (201) gleitend relativ zu dem Spitzenbereich des unteren bzw. Bodenschaftstücks (202) vorzuschieben und zurückzuziehen, wenn das vordere Griffstück (206) relativ zu dem Griffbereich (218) des unteren bzw. Bodenschaftstücks (202) zusammengedrückt wird;

M7 Federelemente (207, 208), um dieser Kompression bzw. diesem Zusammendrücken zu widerstehen und das vordere Griffstück (206) von dem Griffbereich (218) des unteren bzw. Bodenschaftstücks (202) beabstandet zu halten; dadurch gekennzeichnet, dass M8 Freigabe- bzw. Löseelemente ermöglichen, dass das obere Schaft-Schneidestück (201) von der Vorderseite öffnet, um einen Zutritt für eine Reinigung zu ermöglichen, M9 und der obere Schaft (201), wenn er so geöffnet ist, durch Festlegungselemente (223) an dem Rest der Knochenzange festgelegt verbleibt, um sämtliche Teile der Knochenzange zu jeder Zeit in einer verbundenen Einheit zu erhalten.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die Zuständigkeit des Bundespatentgerichts für die Entscheidung über den Einspruch ergibt sich aus § 147 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 PatG in der bis einschließlich 30. Juni 2006 gültigen Fassung, da vorliegend die Einspruchsfrist nach dem 1. Januar 2002 zu laufen begonnen hat, der Einspruch vor dem 1. Juli 2006 eingelegt worden ist und das Bundespatentgericht auch nach Ablauf der befristeten Zuständigkeitsregelung des § 147 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 PatG durch das "Gesetz zur Änderung des patentrechtlichen Einspruchsverfahrens und des Patentkostengesetzes" vom 26. Juni 2006 (BGBl 2006, Teil I, Seite 1318) mangels einer ausdrücklichen entgegenstehenden Regelung für die in dem bezeichneten befristeten Zeitraum zugewiesenen Einspruchsverfahren nach dem allgemeinen Rechtsgrundsatz der fortwirkenden Zuständigkeit "perpetuatio fori" zuständig bleibt (vgl. hierzu ausführlich BPatG Beschl. v. 19. Oktober 2006 - 23 W (pat) 327/04).

Der frist- und formgerecht eingelegte Einspruch ist wenigstens hinsichtlich des vorgebrachten Einspruchsgrundes der mangelnden Patentfähigkeit in Bezug auf den genannten Stand der Technik gemäß den Druckschriften D1 und D2 zulässig, denn es sind innerhalb der Einspruchsfrist die den Einspruch rechtfertigenden Tatsachen im Einzelnen dargelegt worden, so dass die Patentinhaberin und insbesondere der Senat daraus abschließende Folgerungen für das Vorliegen oder Nichtvorliegen eines Widerrufsgrundes ziehen können.

Da der form- und fristgerecht eingelegte Einspruch somit zulässig war, ist das Verfahren nach der Rücknahme des Einspruchs von Amts wegen ohne die Einsprechende fortzusetzen (§ 147 Abs. 3 Satz 2 PatG a. F. i. V. m. § 61 Abs. 1 Satz 2 PatG).

Der Einspruch hat auch Erfolg, denn der Gegenstand des Patentanspruch 1 beruht nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit und ist deshalb nicht patentfähig (§§ 1, 4 PatG). Das Patent war daher zu widerrufen (§ 61 Abs. 1, § 21 Abs. 1 Nr. 1 PatG).

Der Streitpatentgegenstand betrifft eine konvertible Knochenzange, die allgemein als chirurgisches Instrument bei Operationen eingesetzt wird. Gemäß der Beschreibungseinleitung der Streitpatentschrift ist aus der Druckschrift D1 eine Knochenzange gemäß dem Oberbegriff des Anspruchs 1 bekannt, bei der zur Reinigung das obenliegende Shaft-Schneidestück vollständig von den übrigen Teilen der Knochenzange entfernt werden muss (siehe Absatz [0004]).

Ausgehend vom diesem nächstliegenden Stand der Technik liegt der Erfindung die objektive Aufgabe zugrunde, eine effektive Reinigung von Knochenzangen zu ermöglichen, ohne eine aufwendige Zerlegung und anschließende Zusammensetzung der Knochenzange vornehmen zu müssen (siehe auch Absatz [0006]).

Der Fachmann ist ein auf dem Gebiet der Entwicklung von chirurgischen Instrumenten tätiger Techniker.

Aus der Druckschrift D1 ist als nächstkommender Stand der Technik eine konvertible Knochenzange mit den Merkmalen gemäß den Merkmalsgruppen M1 bis M8 bekannt. Im Einzelnen offenbart die Druckschrift D1 (siehe insbesondere die Fig. 1 und 2 mit zugehöriger Beschreibung) eine M1= konvertible Knochenzange, umfassend:

M2= ein vorderes Griffstück (actuator lever 8), das schwenkbar an einem Drehpunkt 18 (pin) in einem M3= Bodenschaftstück, welches einen Spitzenbereich 4 (lower bar) und einen Griffbereich 6 (handle) aufweist, angelenkt ist;

M4= Verbindungselemente 23, 54 (lever slot, pin), wodurch das vordere Griffstück mit M5= einem oberen Schaft-Schneidestück 2 (upper bar) verbunden ist, M6= um das obere Schaft-Schneidestück gleitend relativ zu dem Spitzenbereich des Bodenschaftstücks vorzuschieben und zurückzuziehen, wenn das vordere Griffstück relativ zu dem Griffbereich des Bodenschaftstücks zusammengedrückt wird (siehe Spalte 3, Absatz 2);

M7= Federelemente 42, 44 (leaf springs), um dieser Kompression bzw. diesem Zusammendrücken zu widerstehen und das vordere Griffstück von dem Griffbereich des Bodenschaftstücks beabstandet zu halten (siehe Spalte 2, letzter Absatz).

Da die Knochenzange Freigabeelemente in Form von in Kanälen 24, 25 eingreifenden Flanschen 16 (siehe Fig. 5, 6) an der Vorderseite des Schaftes (siehe Fig. 2) und Freigabeelemente in Form von einem in einen Kanal 85 eingreifenden Flansch 82 (siehe Fig. 3, 4) an der Rückseite des Schaftes (siehe Fig. 2) aufweist, sind aus der Druckschrift D1 gemäß Merkmalsgruppe M8 somit auch Freigabeelemente bekannt, die es ermöglichen, dass das obere Schaft-Schneidestück von der Vorderseite öffnet, um einen Zutritt für eine Reinigung zu ermöglichen.

Im Unterschied zum Gegenstand des Anspruchs 1 ist aus der Druckschrift D1 kein Festlegungselement gemäß Merkmalsgruppe M9 bekannt, um den oberen Schaft, wenn er geöffnet ist, an dem Rest der Knochenzange festzulegen, um sämtliche Teile der Knochenzange zu jeder Zeit in einer verbundenen Einheit zu erhalten.

Um bei einer Knochenzange gemäß der Druckschrift D1 eine effektive Reinigung durchzuführen, ist aufgrund der intensivsten Verschmutzung im Bereich der Schneidspitze 60 der obere Schaft 2 von der Knochenzange zu lösen. Da eine Knochenzange nach jedem Gebrauch zu reinigen ist, ist es für den Fachmann selbstverständlich, dass für eine effektive Reinigung dieser häufig auftretende Vorgang so ausgestaltet sein muss, dass die Zerlegung und der Zusammenbau schnell und unkompliziert vorgenommen werden können. Dem Fachmann ist aufgrund seines technischen Allgemeinwissens bekannt, dass häufig voneinander zu lösende und zu verbindende Teile zur Optimierung dieses Vorganges und zur Vermeidung von Fehlern beim Zusammenbau durch Festlegungselement miteinander verbunden werden können. Die Ausgestaltung dieser Festlegungsmittel ist im Anspruch 1 nicht näher spezifiziert und gemäß der Beschreibung des Streitpatents können neben einer "länglichen Verbindung" 223 (siehe Fig. 1) Schlingen aus Draht oder einem anderen Material, Streifen, Bänder oder Hebel verwendet werden (vgl. S. 4, rechte Spalte unten). Der Anspruch 1 beansprucht somit lediglich ganz allgemein ein beliebiges Festlegungsmittel, dessen Anbringungsort an den zu verbindenden Teilen ebenfalls beliebig ausgewählt sein kann. Bestimmte zueinander gehörige Teile durch "Festlegungsmittel" miteinander zu verbinden ist aber dem Fachmann in seinem Fachgebiet und auch aus der täglichen Lebenserfahrung heraus allgemein bekannt. Für den Fachmann ist es daher nahe liegend, zur Verminderung des Aufwandes bei der Reinigung der Knochenzange gemäß der Druckschrift D1 Festlegungselemente gemäß Merkmalsgruppe M9 zwischen dem oberen Schaft und der restlichen Knochenzange vorzusehen.

Der Fachmann gelangt somit, ohne erfinderisch tätig zu werden, zum Gegenstand des Anspruchs 1.

Mit dem nicht gewährbaren Anspruch 1 fallen aufgrund der Antragsbindung auch die weiteren untergeordneten Patentansprüche 2 bis 7 (vgl. BGH GRUR 1997, 120 - Elektrisches Speicherheizgerät).

Dr. Winterfeldt Dr. Morawek Bernhart Karcher Pü






BPatG:
Beschluss v. 10.07.2007
Az: 21 W (pat) 306/05


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