Bundespatentgericht:
Urteil vom 6. Oktober 2004
Aktenzeichen: 4 Ni 22/03

(BPatG: Urteil v. 06.10.2004, Az.: 4 Ni 22/03)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Beklagte ist eingetragener Inhaber des auch mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 0 196 881 (Streitpatent), das am 26. März 1986 unter Inanspruchnahme der Priorität der Patentanmeldung GB 85 08 121 vom 28. März 1985 angemeldet worden ist. Das in der Verfahrenssprache Englisch veröffentlichte Streitpatent, das beim Deutschen Patent- und Markenamt unter der Nr. 36 72 365 geführt wird, betrifft einen Rohrverbinder. Es umfasst drei Ansprüche, von denen Patentanspruch 1 in deutscher Übersetzung folgenden Wortlaut hat:

"Rohrverbinder mit einer Hülse (22) in der eine Einrichtung (21) angeordnet ist, um ein Rohr an der Außenfläche des Rohres aufzunehmen und zu klemmen, um das Rohr lösbar in der Hülse festzuhalten, wobei die Außenfläche der Hülse Sperrmittel (38, 39) aufweist, die das Einsetzen der Hülse in Bohrung in einer Durchführung in einer Richtung erlaubt, dem Herausziehen der Hülse aus der Durchführung in der entgegengesetzten Richtung Widerstand bietet;

dadurch gekennzeichnet, dass die Hülse (22) aus einem gegossenen Kunststoffmaterial besteht und die Sperrmittel einen flachen Ring (38) aufweisen, der im Körper der Hülse eingebettet ist, wobei ein abgewinkelter, äußerer Umfangsteil (39) an der Außenfläche der Hülse vorsteht, der Vorsprung eine Außenkante (40) hat, die an der Bohrung (23) im Durchgang (11), in welchen die Hülse eingesetzt ist, anliegt, um die Hülse im Durchgang zu klemmen und festzuhalten."

Wegen der unmittelbar und mittelbar auf Patentanspruch 1 zurückbezogenen Patentansprüche 2 und 3 wird auf die Streitpatentschrift verwiesen.

Die Klägerin behauptet, die Lehre des Streitpatents beruhe nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit. Zur Begründung beruft sie sich auf folgende Druckschriften:

- DE-OS 24 13 748 (D1),

- DE-OS 1 400 768 (D2) und - GB-PS 1 550 624 (D3).

Die Klägerin beantragt, das europäische Patent 0 196 881 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig zu erklären.

Der Beklagte beantragt.

die Klage abzuweisen.

Nach seiner Auffassung ist eine erfinderische Tätigkeit gegeben.

Gründe

Die zulässige Klage, mit der der in Artikel II § 6 Abs 1 IntPatÜG, Artikel 138 Abs 1a, Artikel 56 EPÜ vorgesehene Nichtigkeitsgrund der mangelnden Patentfähigkeit geltend gemacht wird, ist nicht begründet.

1. Das Streitpatent betrifft Rohrverbinder, die zum Verbinden von Rohrleitungen mit Gewinde- oder Ventilkörpern oder anderen Anschlussstücken verwendet werden. Zur Montage und Fixierung von Rohren in Ventilkörpern wurden in den letzten Jahren Klemmverbinder verwendet, deren Vorteil darin besteht, dass sie eine lösbare und sichere Verbindung herstellen und leicht vor Ort zu montieren sind. Die im Stand der Technik bekannten Rohrleitungs- und Verbindungssysteme bestehen in herkömmlicher Weise aus Kupfer oder Edelstahl; zunehmend werden jedoch auch Kunststoffventile und -leitungen hierfür eingesetzt, da dies zu einer erheblichen Kosteneinsparung betreffend Material und Herstellung führt.

Nach der Beschreibungseinleitung des Streitpatentes (Sp 1, Z 6 bis 12) ist aus der FR 2 227 483 ein Rohrverbinder mit einer Hülse bekannt, in der eine Klemmeinrichtung für die Rohrleitung angeordnet ist. Die Hülse ist in einer Bohrung des Anschlusskörpers montiert. Um ein Herausziehen der Hülse aus der Bohrung zu erschweren, weist diese an ihrer Umfangsfläche Zähne auf, die sich in der Wand der Bohrung verhaken. Da Hülse und Zähne einstückig ausgebildet sind, muss der Werkstoff der Hülse ausreichend hart sein, damit die Zähne in das Material des Anschlusskörpers eingreifen können. Derartige harte Materialien sind verhältnismäßig teuer.

2. Aus den Vorteilsangaben im Streitpatent (Sp 2, Z 60 bis 64) ergibt sich im Vergleich zu diesem Stand der Technik die Aufgabe, eine billigere Hülse für einen Rohrverbinder zu schaffen.

3. Patentanspruch 1 beschreibt demgemäß einena) Rohrverbinder mit einer Hülse (22);

b) in der Hülse (22) ist eine Einrichtung (21) angeordnet, um ein Rohr an der Außenfläche des Rohres aufzunehmen und zu klemmen, um das Rohr lösbar in der Hülse (22) festzuhalten;

c) die Außenfläche der Hülse (22) weist Sperrmittel (38, 39) auf, die das Einsetzen der Hülse (22) in eine Bohrung (19) eines Durchganges (11) in einer Richtung erlauben, dem Herausziehen der Hülse (22) aus dem Durchgang (11) in der entgegengesetzten Richtung Widerstand bieten;

d) die Hülse (22) besteht aus einem gegossenen Kunststoffmaterial;

e) die Sperrmittel (38, 39) weisen einen flachen Ring (38) auf, f) der im Körper der Hülse (22) eingebettet ist, g) wobei ein abgewinkeltes, äußeres Umfangsteil (39) an der Außenfläche der Hülse (22) vorsteht;

h) das vorstehende Umfangsteil (39) hat eine Außenkante (40), die an der Bohrung (19, im Anspruch irrtümlich als 23 bezeichnet) im Durchgang (11), in welchem die Hülse (22) eingesetzt ist, anliegt, um die Hülse (22) im Durchgang (11) zu klemmen und festzuhalten.

Ein Ausführungsbeispiel eines derartigen Rohrverbinders ist in der vorstehend wiedergegebenen Figur des Streitpatentes dargestellt. In einer Bohrung 19 eines Gewinde- oder Ventilkörpers 10 ist eine Hülse 22 über Sperrmittel 38, 39, 40 befestigt. Die Sperrmittel weisen einen flachen Ring 38 und ein äußeres Umfangsteil 39 mit einer Außenkante 40 auf. Das Umfangsteil 39 liegt mit der Außenkante 40 an der Wand der Bohrung 19 an und ist so abgewinkelt, dass es einerseits ein Einschieben der Hülse 22 in die Bohrung 19 erlaubt, andererseits jedoch ein Herausziehen der Hülse 22 aus der Bohrung 19 verhindert. Der flache Ring 38 des Sperrmittels ist in das gegossene Kunststoffmaterial der Hülse 22 eingebettet.

4. Der im Patentanspruch 1 angegebene Rohrverbinder ist patentfähig. Zuständiger Fachmann ist ein Diplom-Ingenieur der Fachrichtung Maschinenbau, der über eine mehrjährige Erfahrung auf dem Gebiet der Entwicklung und Konstruktion von Rohrleitungsverbindungen verfügt.

4.1 Der im Patentanspruch 1 angegebene Rohrverbinder ist neu. Das wird von der Klägerin nicht bestritten.

Aus der DE-OS 24 13 748 (D1), die der eingangs angeführten FR 2 227 483 entspricht und deren Figur 1 vorstehend wiedergegeben ist, ist eine Rohrverbindung bekannt, die unstreitig alle Merkmale des Oberbegriffs des Patentanspruchs 1 aufweist (Merkmale a. bis c. der Merkmalsgliederung). Diese bekannte Rohrverbindung weist einen Anschlusskörper 1 auf, in dem eine Hülse 3 angeordnet ist (S 4, Abs 2). Die Hülse 3, die am äußeren Ende einen Stützring 11 für das Rohr aufweist, ist außen über Zähne 4 in einer Bohrung des Anschlusskörpers 1 verhakt. In der Hülse 3 ist verschiebbar eine als Klemme bezeichnete Klemmeinrichtung 9, 13 angeordnet, die aus einem ringförmigen Endstück 13, Fingern 9 und daran angeordneten Klemmbacken 9a besteht.

Die Zähne 4 sind als Sperrmittel anzusehen; im Unterschied zum beanspruchten Rohrverbinder sind sie jedoch einstückig mit der Hülse ausgebildet und nicht als separates Teil, das in die Hülse aus Kunststoffmaterial eingegossen ist. Somit unterscheidet sich der beanspruchte Rohrverbinder hiervon durch die Merkmale d. bis h. des Patentanspruchs 1, da diese den Aufbau dieser separaten Sperrmittel betreffen.

Aus der GB 1 550 624 (D3) ist eine Rohrverbindung bekannt (vgl vorstehend wiedergegebene Figur), die eine Anschlusshülse 2, eine Rohrleitung 1 und eine Dichtung 5 aus Gummi aufweist, in welche eine Federscheibe 4 eingebettet ist. Die Federscheibe 4 ist an ihrem inneren Umfang mit auf das Rohr hin vorragenden Zähnen 9 versehen, die die Rohrleitung festhalten (S 2, Z 37 bis 42 und 50 bis 56). Die Dicht- und Klemmeinrichtung ist in einer Nut 3 der Anschlusshülse 2 angeordnet.

Da diese Rohrverbindung keine Hülse aufweist, unterscheidet sich der beanspruchte Gegenstand demgegenüber durch die eine Hülse mit Sperrmittel betreffenden Merkmale a. bis h. des Patentanspruchs 1.

Die von der Klägerin noch genannte DE-OS 14 00 768 wurde von ihr lediglich zum Hintergrundwissen des zuständigen Fachmanns angeführt. Sie betrifft eine Abschlusskappe für einen Zapfen und keinen Rohrverbinder.

4.2 Ein Rohrverbinder mit den Merkmalen des Patentanspruchs 1 wird dem zuständigen Fachmann durch den im Verfahren befindlichen Stand der Technik auch unter Berücksichtigung seines Fachwissens nicht nahegelegt.

Beim Stand der Technik gemäß der DE-OS 24 13 748 sind die Zähne 4 werkstoffeinstückig mit der Hülse 3 ausgebildet. Um eine ausreichende Verankerung der Hülse im Anschlusskörper 1 zu erhalten, ist für die Zähne und damit für die gesamte Hülse die Verwendung eines relativ harten Werkstoffes erforderlich, der teuer ist.

Dieser Nachteil wird nach dem Streitpatent mit den Merkmalen d. bis h. des Patentanspruchs 1 beseitigt. Die Sperrmittel, die aus einem flachen, in die Hülse eingebetteten Ring und einem nach außen vorstehenden Umfangsteil bestehen, können in ihrer Härte unabhängig vom Material der Hülse entsprechend den jeweiligen Anforderungen ausgewählt werden. Somit kann die Hülse selbst aus einem kostengünstigen Kunststoff hergestellt werden. Außerdem ermöglicht die Abwinkelung des Umfangsteils ein einfaches Einschieben der Hülse in die Bohrung.

Für diese Merkmale liefert der von der Klägerin angeführte Stand der Technik keine Anregungen.

Die GB-PS 1 550 624 (D3) zeigt dem Fachmann, wie er eine Dicht- und Klemmeinrichtung 5, 4 für eine Rohrleitung 1 in einer Anschlusshülse 2 befestigen kann. Dort sind zwei Möglichkeiten beschrieben. Zum einen ist erläutert, im Hauptkörper 6 und in der Kappe 3 der Anschlusshülse einander entsprechende Nuten vorzusehen, die Dicht- und Klemmeinrichtung in der Nut 3 anzuordnen und beide Teile der Anschlusshülse miteinander zu verschweißen (S 2, Z 24 bis 28). Alternativ hierzu ist beschrieben, die Dicht- und Klemmeinrichtung bei der Herstellung in die Anschlusshülse 2 einzugießen, wodurch sich ebenfalls eine Anordnung in einer nach innen offenen Nut ergibt (S 2, Z 29 bis 36). Beide Ausführungen weisen vom Streitgegenstand weg, da sie keine Verklemmung einer Hülse in einer Bohrung, sondern eine Befestigung eines Vorrichtungsteils in einer Nut zeigen.

Entgegen der Auffassung der Klägerin kann die Halterung der Rohrleitung in dieser Dicht- und Klemmeinrichtung 5, 4 ebenfalls nicht zum Streitgegenstand führen. Denn wesentliche Aufgabe dieses Vorrichtungsteils ist eine gleichzeitige Halterung und Abdichtung der Rohrleitung. Beim Streitpatent kommt es jedoch auf eine Abdichtung der Hülse im Anschlusskörper nicht an. Außerdem bestehen von der Funktion her grundsätzliche Unterschiede. Denn die bekannte Rohrleitung besteht aus Kunststoff oder einem weichen Metall (S 1, Z 10 bis 15), so dass zum sicheren Greifen der Rohrleitung eine hohe Elastizität der Federscheibe erforderlich ist. Demgegenüber sind Hülse und Anschlusskörper vergleichsweise starr ausgebildet, so dass es auf eine Federwirkung der Sperrmittel offensichtlich nicht ankommt. Der Fachmann wird daher diese Teillösung nicht näher in seine Überlegungen einbeziehen.

Die DE-OS 14 00 768 (D2) wird der Fachmann ebenfalls nicht in Betracht ziehen. Auf dem Gebiet der Rohrverbindungen wird seit Jahrhunderten entwickelt, so dass es auf diesem Gebiet einen riesigen Stand der Technik gibt. Der Fachmann wird sich daher nicht auf Nachbargebieten umschauen - außer wenn sich ein Nachbargebiet unmittelbar aufdrängt. Dies ist hier nicht der Fall. Denn vierteilige Verbindungen mit Anschlusskörper, Hülse, Sperrmittel und Rohrleitung sind bereits in vielfältigen Variationen bekannt. So zeigt auch die DE-OS 24 13 748 (D1) bereits eine Vielzahl unterschiedlicher Befestigungsmöglichkeiten der Hülse im Anschlusskörper. Es besteht daher kein Anlass, bei einer Zapfen-/Abschlusskappenverbindung zu recherchieren.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs 2 PatG iVm § 91 Abs 1 Satz 1 ZPO, der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 99 Abs 1 PatG iVm § 709 ZPO.

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