ArbG Hamburg:
Urteil vom 13. April 2016
Aktenzeichen: 27 Ca 486/15

(ArbG Hamburg: Urteil v. 13.04.2016, Az.: 27 Ca 486/15)

Tenor

1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 01.10.2015, zugegangen am 01.10.2015, zum 31.10.2015 beendet ist.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 1/4 und die Beklagte zu 3/4.

4. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf € 20.656,00 festgesetzt.

5. Die Berufung wird nicht gesondert zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses und um Weiterbeschäftigung.

Bei der Beklagten handelt es sich um eine Betriebskrankenkasse in der Rechtsform einer Körperschaft des öffentlichen Rechts mit ca. 400 Mitarbeitern. Es besteht ein Personalrat. Der am ... geborene Kläger ist seit dem 01.04.2014 als Referent Risikomanagement bei der Beklagten beschäftigt. Es wird Bezug genommen auf den Anstellungsvertrag vom 11.02.2014 (Anlage K1, Bl. 4 ff. d.A.). Sein monatlicher Bruttoverdienst betrug zuletzt € 5.164,00. Der Kläger ist ausgebildeter Sozialversicherungsfachangestellter mit Schwerpunkt Allgemeine Krankenversicherung. Er ist fortgebildeter Krankenkassenbetriebswirt, wobei er seinen Abschluss an der Verwaltungs- und Wirtschaftsakademie B. gemacht hat (Anlage B 7, Bl. 91 d.A.). Er hat an Seminaren zur Innenrevision teilgenommen (Anlagenkonvolut K4, Bl. 62 ff. d.A.). Die Stelle des Klägers als Referent Risikomanagement wurde im Rahmen eines Pilotprojektes neu geschaffen. Inhalt seiner Tätigkeit war u.a. der Auf- und Ausbau von Risikosteuerungsprozessen. Die Aufgaben des Risikomanagements wurden zwischenzeitlich auf den Vorstand übertragen, der im Bedarfsfalle von einem externen Dienstleister unterstützt wird.

Die Beklagte bestellte eine Mitarbeiterin zur Beauftragten für den Datenschutz. Da diese für längere Zeit krankheitsbedingt ausgefallen war, wandte sich der Vorstand der Beklagten im Juli 2014 an den Kläger und fragte bei diesem an, ob er bereit sei, aufgrund des langfristigen Ausfalls der Datenschutzbeauftragten diese Position auszufüllen. Mit Schreiben vom 01.08.2014 wurde der Kläger mit seiner Zustimmung zum stellvertretenden Datenschutzbeauftragten für einen Zeitraum von sechs Monaten vom 01.08.2014 bis 01.02.2015 bestellt (Anlage K3, Bl. 7 d.A.). Während der krankheitsbedingten Abwesenheit der Beauftragten für den Datenschutz nahm der Kläger ihre Aufgaben war.

Die Beklagte hörte den Personalrat mit Schreiben vom 21.08.2015 (Anlage B3, Bl. 43 ff. d.A.) und vom 14.09.2015 (Anlage B4, Bl. 45 ff.) zu der beabsichtigten ordentlichen Kündigung an. Der Personalrat widersprach der Kündigung (Anlage K8, Bl. 68 d.A.). Der Kläger forderte mit Schreiben vom 21.10.2015 die Beklagte zur Weiterbeschäftigung auf (Anlage K7, Bl. 67 d.A.).

Mit Schreiben vom 01.10.2015 erklärte die Beklagte die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses. Gegen diese Kündigung hat der Kläger am 13.10.2015 Kündigungsschutzklage erhoben und die Unwirksamkeit der Kündigung geltend gemacht. Die Klage ist der Beklagten am 22.10.2015 zugestellt worden.

Der Kläger ist der Ansicht, dass die Kündigung nicht durch dringende betriebliche Erfordernisse gerechtfertigt sei. Insbesondere sei der Beschäftigungsbedarf für ihn nicht entfallen. Der Kläger könne aufgrund seiner fachlichen Qualifikation und seiner Erfahrungen die Stelle eines Innenrevisors übertragen bekommen. Er erfülle jedenfalls das Anforderungsprofil, mit dem die Beklagte über ein Personalberatungsunternehmen die Stelle ausgeschrieben habe (Anlage K5, Bl. 65). An diesem €externen€ Profil müsse sich die Beklagte festhalten lassen, auch wenn eine interne Stellenausschreibung (Anlage B2, Bl. 42 d.A.) höhere Anforderungen stelle. Schließlich sei die Sozialauswahl fehlerhaft vorgenommen. Die Beklagte habe diese trotz der arbeitsvertraglichen Versetzungsklausel fehlerhaft beschränkt. Nach dem Widerspruch des Personalrats stehe ihm ein Weiterbeschäftigungsanspruch nach § 79 Abs. 2 BPersVG zu.

Der Kläger genieße auch besonderen Kündigungsschutz nach § 4f Abs. 3 BDSG. Nachdem er sogar über das Befristungsende hinaus bis zur Übernahme durch den externen Datenschutzbeauftragten ab dem 11.04.2015 Aufgaben der erkrankten Datenschutzbeauftragten wahrgenommen habe, deren Bestellung nicht freiwillig erfolgt sei, gelte für ihn der nachwirkende Kündigungsschutz. Seine Bestellung sei im Übrigen auch nicht freiwillig gewesen, da die Beklagte ihre Pflicht nach dem BDSG habe erfüllen müssen. Einer analogen Anwendung des § 4f Abs. 3 BDSG bedürfe es insofern nicht.

Nach der Rücknahme des allgemeinen Feststellungsantrags beantragt der Kläger zuletzt,

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die ordentliche Kündigung der Beklagten 01.10.2015, zugegangen am 01.10.2015, zum 31.10.2015, beendet ist,

2. die Beklagte zu verurteilen, den Kläger über den 31.10.2015 hinaus bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens vor dem Arbeitsgericht Hamburg zum Aktenzeichen 27 Ca 486/15 zu unveränderten Bedingungen weiterzubeschäftigen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte trägt vor, dass der Beschäftigungsbedarf für den Kläger entfallen sei. Der Vorstand habe am 18.08.2015 einen Beschluss gefasst, die Aufgaben des Referenten Risikomanagement auf den Vorstand zu übertragen und im Bedarfsfall einen externen Dienstleister zur Unterstützung heranzuziehen (Anlage B1, Bl. 41 d.A.). Eine Beschäftigungsmöglichkeit bestehe für den Kläger nicht mehr. Der Kläger könne nicht die Stelle des Innenrevisors ausfüllen, da es ihm u.a. an dem erforderlichen BWL-Studium fehle. Maßgeblich sei insofern das Anforderungsprofil der internen Stellenausschreibung, nicht dasjenige der externen. Der Kläger verfüge nur über ein Studium an der Verwaltungs- und Wirtschafts-Akademie (VWA), was nicht mit einem Hochschulstudium gleichzusetzen sei. Es handele sich nicht um einen staatlich anerkannten Bildungsabschluss. Außerdem habe der Kläger keine Erfahrung als Innenrevisor. Eine Sozialauswahl sei nicht vorzunehmen gewesen, da die Stelle des Klägers singulär sei und es an einer Vergleichbarkeit mit anderen Stellen fehle. Im Übrigen habe der Kläger nicht die Qualifikation für die Stellen der Vorstandsreferentinnen, sodass diese auch nicht in die Sozialauswahl einzubeziehen seien. Ein Weiterbeschäftigungsanspruch nach § 79 Abs. 2 BPersVG bestehe nicht, da der Personalrat in seinem Widerspruch andere Mitarbeiter nicht konkret benannt und auch nichts zu ihrer sozialen Schutzbedürftigkeit gesagt habe.

Der Kläger habe keinen besonderen Kündigungsschutz als stellvertretender Datenschutzbeauftragter. Das BDSG sehe in § 4f Abs. 3 lediglich für den verpflichtend zu bestellenden Datenschutzbeauftragten nach § 4f Abs. 1 BDSG einen Sonderkündigungsschutz vor. Anders als im SGB IX sei jedoch kein Kündigungsschutz für einen Stellvertreter vorgesehen. Der stellvertretende Datenschutzbeauftragte sei lediglich freiwillig zu bestellen, sodass § 4f Abs. 3 BDSG nicht einschlägig sei. Eine Analogie verbiete sich im Hinblick darauf, dass die Problematik dem Gesetzgeber durch § 96 Abs. 3 SGB IX bewusst gewesen sei, er jedoch auf eine entsprechende Regelung im BDSG verzichtet habe.

Wegen des weiteren Sachvortrages der Parteien, ihrer Beweisantritte und der von ihnen überreichten Unterlagen sowie ihrer Rechtsausführungen im Übrigen wird ergänzend auf den gesamten Akteninhalt Bezug genommen (§ 46 Abs. 2 ArbGG, § 313 Abs. 2 ZPO).

Gründe

Die Klage ist nur teilweise zulässig und insoweit begründet.

Die Entscheidung beruht auf den nachfolgend kurz zusammengefassten rechtlichen und tatsächlichen Erwägungen (§ 46 Abs. 2 ArbGG, § 313 Abs. 3 ZPO):

I.

1. Die Klage ist hinsichtlich des Antrags zu 1. zulässig und im Übrigen unzulässig.

Das für den Feststellungsantrag erforderliche besondere Feststellungsinteresse folgt schon aus der Fiktion der Kündigungen als sozial gerechtfertigt nach § 13 Abs. 1 S. 2, § 4 S. 1, § 7 KSchG, wenn keine Kündigungsschutzklage erhoben wird, unabhängig davon, ob die nach § 23 KSchG für die Anwendbarkeit des § 1 KSchG maßgebliche Beschäftigtenzahl erreicht ist.

Der Antrag zu Ziffer 2. ist hingegen bereits unzulässig. Dieser Antrag ist zu unbestimmt. Mit dem Antrag zu 2. begehrt der Kläger die Weiterbeschäftigung €zu unveränderten Bedingungen€. Ein solcher Antrag hat keinen vollstreckungsfähigen Inhalt.

Nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO muss die Klageschrift die bestimmte Angabe des Gegenstandes und des Grundes des erhobenen Anspruchs sowie einen bestimmten Antrag enthalten. Dabei ist der Streitgegenstand so genau zu bezeichnen, dass der Rahmen der gerichtlichen Entscheidungsbefugnis keinem Zweifel unterliegt und die eigentliche Streitfrage mit Rechtskraftwirkung gemäß § 322 ZPO zwischen den Parteien entschieden werden kann (BAG v. 17.12.2015 - 8 AZR 54/14 -, Rn. 14, juris). Ein Leistungsantrag ist nur dann hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, wenn der Antrag und in der Folge ein stattgebendes Urteil die Leistung so genau bezeichnet, dass der Schuldner ohne weiteres erkennen kann, durch welche Verhaltensweisen er dem Urteilsspruch nachkommen kann und das Urteil vollstreckungsfähig ist (BAG v. 18.09.2014 - 8 AZR 757/13 -, Rn. 17, juris). Um vollstreckungsfähig zu sein, muss ein Vollstreckungstitel zur Weiterbeschäftigung verdeutlichen, um welche Art von Beschäftigung es geht, um den Schuldner vor unberechtigten Zwangsvollstreckungsmaßnahmen zu schützen. Hierzu ist es erforderlich aber auch ausreichend, wenn die Art der ausgeurteilten Beschäftigung des Arbeitnehmers aus dem Titel ersichtlich ist. Einzelheiten hinsichtlich der Art der Beschäftigung oder sonstigen Arbeitsbedingungen muss der Titel demgegenüber nicht enthalten. Dafür reicht es aus, wenn das Berufsbild, mit dem der Arbeitnehmer beschäftigt werden soll, sich aus dem Titel ergibt oder sich in vergleichbarer Weise ergibt, worin die Tätigkeit bestehen soll (BAG v. 15.04.2009 - 3 AZB 93/08 -, Rn. 20, juris, mwN; LAG Baden-Württemberg v. 09.11.2015 - 17 Ta 23/15 -, Rn. 32, juris).

Der Antrag des Klägers auf Weiterbeschäftigung enthält keine konkrete Bezeichnung der begehrten Tätigkeit. Er ist allein auf die Weiterbeschäftigung €zu unveränderten Bedingungen€ gerichtet, ohne zu konkretisieren, was hierunter zu verstehen ist. Insofern fehlt es an einer inhaltlichen Bestimmtheit. Diese ergibt sich aber auch nicht durch Auslegung. Nach seinem Arbeitsvertrag wurde der Kläger als €Referent Risikomanagement€ eingestellt. Allerdings wurde vom Kläger nicht bestritten, dass die Aufgaben umverteilt bzw. an einen externen Dienstleister vergeben wurden, sodass diese bisher ausgeübte Tätigkeit entfallen ist. Insofern hat der Kläger darauf hingewiesen, dass er auf der ausgeschriebenen Stelle des Innenrevisors beschäftigt werden könnte. Hinsichtlich der Sozialauswahl hat der Kläger auf die arbeitsvertragliche Versetzungsklausel abgestellt, sodass aus seiner Sicht auch die Beschäftigung als Vorstandsreferent vertragsgemäß sein könnte. Insofern lässt sich auch durch Auslegung nicht ermitteln, zu welcher Leistung die Beklagte verurteilt werden soll. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Kläger die Weiterbeschäftigung €zu unveränderten Bedingungen€ begehrt. Auch dieser Zusatz steht der Bestimmtheit entgegen, da unklar bleibt, was unter dieser Einschränkung zu verstehen ist (vgl. BAG v. 27.05.2015 - 5 AZR 88/14 -, Rn. 46, juris).

2. Die Klage ist - soweit zulässig - auch begründet.

Der Kläger genießt als ehemaliger Datenschutzbeauftragter besonderen Kündigungsschutz nach § 4f Abs. 3 BDSG. Da der Kläger die Aufgaben eines Datenschutzbeauftragten tatsächlich wahrgenommen hat, kommt es nicht auf die Frage an, in welchem Umfang der stellvertretende Datenschutzbeauftragte allein aufgrund seiner Bestellung Kündigungsschutz hat.

Nach § 4f Abs. 3 S. 5 BDSG kann ein Beauftragter für den Datenschutz, der nach § 4f Abs. 1 BDSG zu bestellen ist, nur dann gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, welche die verantwortliche Stelle zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigen. Damit ist das Recht zur ordentlichen Kündigung vorübergehend ausgeschlossen (vgl. Greiner, in: Ascheid/Preis/Schmidt, Kündigungsrecht, 4. Aufl. 2012, BDSG, § 4f Rn. 16). Nach der Abberufung als Beauftragter für den Datenschutz ist die Kündigung innerhalb eines Jahres nach der Beendigung der Bestellung unzulässig, es sei denn, dass die verantwortliche Stelle zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigt ist (§ 4f Abs. 3 S. 6 BDSG). Damit hat der Gesetzgeber den Kündigungsschutz für den Beauftragten für Datenschutz u.a. an den der Betriebsratsmitglieder nach § 15 Abs. 1 S. 1, 2 KSchG angelehnt (BT-Drucks. 16/12011, S. 30). Dieser Schutz gilt nach dem Wortlaut des § 4f Abs. 3 S. 5 BDSG nur für solche Datenschutzbeauftragte, deren Bestellung nicht freiwillig erfolgt (so auch die Gesetzesbegründung BT-Drucks. 16/12011, S. 30).

a. Unstreitig ist die Beklagte nach § 4f Abs. 1 BDSG verpflichtet, einen Beauftragten für den Datenschutz zu bestellen. Dies hat die Beklagte getan, indem sie eine Mitarbeiterin zur Datenschutzbeauftragten bestellt hat. Die verpflichtete Stelle kann auch einen Vertreter bestellen. Die Bestellung eines Stellvertreters wird im BDSG nicht ausgeschlossen. Auch wenn es im Gesetz keine ausdrückliche Regelung gibt, besteht gleichwohl ein Bedürfnis, eine kontrollfreie Situation zu vermeiden, wenn der Beauftragte für den Datenschutz an einer Amtsausübung gehindert ist (Däubler, in: Däubler/Klebe/Wedde/Weichert, BDSG, 5. Aufl. 2016, § 4f Rn. 25a; ebenso Simitis, in: ders., BDSG, 8. Aufl. 2014, § 4f Rn. 145; Gola/Wronka, Handbuch Arbeitnehmerdatenschutz, 6. Aufl. 2013, Rn. 1478; Lembke, in: Henssler/Willemsen/Kalb, Arbeitsrecht Kommentar, 7. Aufl. 2016, BDSG, §§ 4f/4g Rn. 3). Insofern ist die Bestellung eines Stellvertreters zur Sicherstellung geeignet, dass die Aufgaben nach dem BDSG durchgehend wahrgenommen werden, auch wenn der Beauftragte für den Datenschutz vorübergehend verhindert ist. Hierdurch entsteht kein Kompetenzkonflikt, da nicht zeitgleich zwei Beauftragte für den Datenschutz tätig werden (vgl. zur Problematik der Kompetenzabgrenzung bei mehreren Datenschutzbeauftragten Franck/Reif, ZD 2015, 405, 406). Der Stellvertreter rückt nur für die Dauer des Vertretungsfalls nach und ersetzt den eigentlichen Datenschutzbeauftragten vollumfänglich (Franck/Reif, ZD 2015, 405, 407). Insofern handelt es sich für den Vertreter, der den Beauftragten auch bei einer kurzfristigen Verhinderung ersetzt, nicht um eine Verlagerung gesetzlich gewährleisteter Kompetenzen des Beauftragten (vgl. Simitis, in: ders., BDSG, 8. Aufl. 2014, § 4f Rn. 145). Damit ist die Bestellung eines Stellvertreters nicht vergleichbar mit der Problematik der Bestellung mehrerer Datenschutzbeauftragter.

Ob und in welchen Fällen eine Stellvertretung nach dem BDSG geboten ist, kann vorliegend offen bleiben. Auf die Pflicht zur Bestellung eines Stellvertreters kommt es nicht an. Wird jedenfalls ein stellvertretender Datenschutzbeauftragter bestellt und nimmt dieser im Verhinderungsfall die Aufgaben eines Datenschutzbeauftragten iSd § 4f Abs. 1 BDSG wahr, bedeutet dies, dass ebenfalls die Schutzvorschriften nach § 4f Abs. 3 BDSG einschlägig sind (vgl. Däubler, in: Däubler/Klebe/Wedde/Weichert, BDSG, 5. Aufl. 2016, § 4f Rn. 25a; Franck/Reif, ZD 2015, 405, 407; so wohl im Ergebnis auch Lembke, in: Henssler/Willemsen/Kalb, Arbeitsrecht Kommentar, 7. Aufl. 2016, BDSG, §§ 4f/4g Rn. 24). Ist die Stelle nach § 4f Abs. 1 BDSG zur Bestellung eines Beauftragten für den Datenschutz verpflichtet, ist die Rechtsstellung auch auf den Stellvertreter zu übertragen, soweit der Vertretungsfall eingetreten ist. Auch wenn der Stellvertreter freiwillig bestellt wurde und grundsätzlich kein Kündigungsschutz besteht, gilt dies für den Vertretungsfall nicht. Der Vertreter, der vollumfänglich die Aufgaben des Vertretenen wahrnimmt, ist kein Datenschutzbeauftragter €2. Klasse€. Vielmehr bedarf er im Vertretungsfall des Schutzes vor etwaigen Nachteilen aufgrund seiner Amtsführung.

Der Anwendung des Kündigungsschutzes nach § 4f Abs. 3 BDSG auf den stellvertretenden Beauftragten für den Datenschutz steht nicht entgegen, dass das SGB IX in § 96 Abs. 3 SGB IX einen besonderen Kündigungsschutz für das stellvertretende Mitglied der Schwerbehindertenvertretung regelt, der Gesetzgeber bei der Einführung des BDSG hierauf jedoch verzichtet hat. Die Aufgaben des stellvertretenden Mitglieds der Schwerbehindertenvertretung sind gesondert ausgestaltet. Insbesondere können die Vertrauensperson und der Stellvertreter nach § 95 Abs. 1 S. 4 SGB IX nach Absprache parallel tätig werden, mithin gleichzeitig ihre Aufgaben wahrnehmen. Insofern lässt sich aus dem Schweigen des BDSG zu einer Stellvertretung - die Gesetzesbegründung enthält hierzu keinen Hinweis - nicht entnehmen, dass der Gesetzgeber eine solche ausschließen wollte. Im Übrigen enthält auch § 15 Abs. 1 KSchG keinen eigenen Kündigungsschutz zugunsten der Ersatzmitglieder des Betriebsrats. Gleichwohl genießen Ersatzmitglieder im Vertretungsfall den Kündigungsschutz der Betriebsratsmitglieder. Weder in § 15 Abs. 1 KSchG noch in § 4f Abs. 3 BDSG geht es um einen originären Kündigungsschutz der Ersatzmitglieder bzw. Stellvertreter, sondern lediglich um den Schutz während und nach Eintritt des Vertretungsfalls. Aus diesem Grund bedarf es keiner analogen Anwendung der Kündigungsschutzvorschriften, sodass auch die Voraussetzungen der Analogie - insbesondere das Vorliegen einer ungewollten Regelungslücke - nicht gegeben sein müssen.

Da der Kündigungsschutz des Beauftragten für Datenschutz an denjenigen des Betriebsrats nach § 15 Abs. 1 KSchG angelehnt ist, sind auch die Rechtsgrundsätze zu übertragen (vgl. BT-Drucks. 16/12011, S. 30; Däubler, in: Däubler/Klebe/Wedde/Weichert, BDSG, 5. Aufl. 2016, § 4f Rn. 73b; ErfK-Franzen, 16. Aufl. 2016, § 4f BDSG Rn. 9). Während der Dauer des Vertretungsfalls gilt der Kündigungsschutz nach § 4f Abs. 3 S. 5 BDSG (Deeg/Müller, ArbRAktuell 2010, 365, 366). Ein nachwirkender Kündigungsschutz greift hingegen nur dann ein, wenn auch tatsächlich die Aufgaben eines Datenschutzbeauftragten wahrgenommen wurden. Bei einem Ersatzmitglied des Betriebsrats reicht es nicht aus, dass ein Vertretungsfall eingetreten ist, um einen nachwirkenden Kündigungsschutz zu erlangen. Vielmehr muss das Ersatzmitglied auch konkrete Betriebsratsaufgaben tatsächlich wahrgenommen haben (BAG v. 19.04.2012 - 2 AZR 233/11 -, Rn. 41, juris; KR-Etzel/Kreft, 11. Aufl. 2016, § 15 KSchG Rn. 90). Entsprechendes gilt auch für den Beauftragten für Datenschutz. Auch für diesen ist im Gesetz nach Ende der Amtszeit eine €Abkühlungsphase€ vorgesehen, während derer sich eine mögliche Verärgerung des Arbeitgebers über die Amtsführung legen soll. Dies rechtfertigt es, eine solche €Abkühlungsphase€ nur dann anzunehmen, wenn eine Amtstätigkeit erfolgt ist, aufgrund derer überhaupt eine negative Reaktion des Arbeitgebers in Betracht kommen kann.

b. Unter Anwendung der vorstehenden Rechtsgrundsätze konnte die Beklagte den Kläger nach § 4f Abs. 3 S. 6 BDSG im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung am 01.10.2015 nur außerordentlich kündigen, jedoch nicht ordentlich aus betriebsbedingten Gründen. Zwar war der Kläger zu diesem Zeitpunkt wohl nicht mehr Beauftragter für den Datenschutz, da sowohl seine befristete Bestellung abgelaufen als auch der Vertretungsfall mit der Bestellung eines externen Datenschutzbeauftragten abgelaufen war. Jedoch kann sich der Kläger aufgrund seiner Tätigkeit als Datenschutzbeauftragter auf den nachwirkenden Kündigungsschutz berufen.

Der Kläger wurde von der Beklagten mit Schreiben vom 01.08.2014 zum stellvertretenden Datenschutzbeauftragten bestellt, da die Datenschutzbeauftragte aus krankheitsbedingten Gründen absehbar für einen längeren Zeitraum verhindert war. Auf dieser Grundlage ist der Kläger tätig geworden. Der Kläger hat damit das Amt des Beauftragten für Datenschutz wahrgenommen, sodass es nicht maßgeblich ist, ob die Bestellung eines Stellvertreters freiwillig erfolgt ist. Aus diesem Grund war die Kündigungsmöglichkeit innerhalb eines Jahres gem. § 4f abs.3 S. 6 BDSG eingeschränkt. Da die Beklagte innerhalb eines Jahres nach Amtsbeendigung eine ordentliche Kündigung ausgesprochen hat und diese nicht auf einen wichtigen Grund zur Kündigung ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist stützen kann, ist diese nach § 4f Abs. 3 S. 6 BDSG i.V.m. § 134 BGB nichtig.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 46 Abs. 2 S. 1 ArbGG i. V. m. § 92 ZPO.

Die Entscheidung über den Wert des Streitgegenstandes beruht auf den Vorschriften der § 61 Abs. 1 ArbGG, § 3 ZPO, § 42 Abs. 2 GKG. Der Wert des Streitgegenstandes des Kündigungsschutzantrages war mit dem dreifachen Bruttomonatsgehalt zu bemessen, der Antrag auf Weiterbeschäftigung mit einem Bruttomonatsgehalt.

Einer gesonderten Zulassung der Berufung bedurfte es nicht. Die Berufungsmöglichkeit ergibt sich bereits aus § 64 Abs. 2 lit. c ArbGG bzw. § 64 Abs. 2 lit. b ArbGG. Im Übrigen lagen die Voraussetzungen einer Berufungszulassung nach § 64 Abs. 3 ArbGG nicht vor.






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Az: 27 Ca 486/15


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