Verwaltungsgericht Köln:
Urteil vom 26. Oktober 2006
Aktenzeichen: 1 K 6302/02

(VG Köln: Urteil v. 26.10.2006, Az.: 1 K 6302/02)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Das Verwaltungsgericht Köln hat mit Urteil vom 26. Oktober 2006 (Aktenzeichen 1 K 6302/02) entschieden, dass die Klägerin mit ihrem Anfechtungsantrag keinen Erfolg hat und die Klage abgewiesen wird. Die Kosten des Verfahrens, einschließlich der Kosten der Beigeladenen, trägt die Klägerin. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin hat die Möglichkeit, die Vollstreckung durch die Beklagte abzuwenden, indem sie eine Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu zahlenden Betrages erbringt. Die Revision wurde nicht zugelassen.

Im Tatbestand wird ausgeführt, dass der Nummernraum für das öffentliche Telefonnetz in Deutschland in verschiedene Gassen aufgeteilt ist. In der 0137-Gasse wurden seit dem Jahr 2000 von der Beigeladenen sogenannte MABEZ-Dienste angeboten. Diese Dienste werden von Programm- anbietern oder Rundfunkanstalten in Anspruch genommen. Ab April 2002 schloss die Beigeladene mit der Klägerin und anderen Interconnectionpartnern Verträge für die Durchführung von MABEZ-Diensten in deren Netz. Die Beigeladene stellte einen Entgeltgenehmigungsantrag für die Bezahlung ihrer Transportleistungen. Die Regulierungsbehörde genehmigte die Entgelte befristet bis zum 30.11.2002.

Die Klägerin erhob daraufhin Klage gegen den Bescheid der Regulierungsbehörde. Sie forderte eine sekundengenaue Abrechnung der von der Beigeladenen erbrachten Transportleistung. Die Klage wurde nun jedoch vom Verwaltungsgericht Köln abgewiesen. Das Gericht begründete seine Entscheidung damit, dass die Klägerin durch eine sekundengenaue Abrechnung keinen wirtschaftlichen oder rechtlichen Vorteil erzielen würde. Tatsächlich hätte sie bei sekundengenauer Abrechnung sogar mehr zahlen müssen. Die Klägerin konnte ihr Rechtsschutzinteresse nicht ausreichend darlegen. Der Feststellungsantrag der Klägerin wurde als unzulässig erklärt, da er eine abstrakte Rechtsfrage betrifft und nicht auf einen konkreten Sachverhalt bezogen ist.

Das Gericht entschied, dass die Klage abgewiesen wird und die Klägerin die Kosten des Verfahrens tragen muss. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beigeladene hat die Möglichkeit, ihre Forderungen durchzusetzen, indem sie eine Sicherheitsleistung hinterlegt. Die Revision wurde nicht zugelassen.

Anmerkung:

Die Inhaltsangabe enthält wichtige Informationen über die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Köln. Der Text wurde vereinfacht und auf die wichtigsten Punkte reduziert, um ihn verständlicher zu machen. Die Länge der Inhaltsangabe beträgt ca. ein Sechstel der Länge des Originaltextes.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

VG Köln: Urteil v. 26.10.2006, Az: 1 K 6302/02


Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen trägt die Klägerin.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar, für die Bei-geladene gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils bei-zutreibenden Betrages. Der Klägerin wird nachgelassen, die Vollstreckung durch die Beklagte durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils beizutreibenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Voll-streckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der Nummernraum für das öffentliche Telefonnetz in Deutschland ist für die ver- schiedenen Telekommunikationsdienste in Gassen aufgeteilt. In der Gasse 0137, die aus 10 Teilgassen besteht, wurden seit dem Jahr 2000 von der Beigeladenen soge- nannte MABEZ-Dienste angeboten. Das Kürzel „MABEZ" steht für „Massenverkehr zu bestimmten Zielen". Es bezeichnet ein hohes Verkehrsvolumen, das typischer- weise kurzfristig aufgrund einer Vielzahl gleichzeitig auftretender Anrufversuche auf- tritt und dem im Ziel nur eine begrenzte Zahl von Abfragemöglichkeiten zur Verfü- gung steht. Kunden, die diesen (Vote-Call-) Dienst in Anspruch nehmen, sind Pro- grammanbieter oder Rundfunkanstalten.

Ab April 2002 schloss die Beigeladene mit der Klägerin, die ebenfalls Betreiberin eines öffentlichen Telekommunikationsnetzes ist, und anderen Interconnectionpart- nern (ICP) für die Durchführung von MABEZ-Diensten in deren Netz Zusammen- schaltungsvereinbarungen, die für den Zeitraum ab dem 01.07.2002 u.a. die Erbrin- gung der Interconnection-Leistung ICP-O.7 (Verbindungen mit Ursprung in anderen nationalen Telefonnetzen und Mobilfunknetzen zum ICP-Vote-Call unter den Zu- gangskennzahlen 0137 1-9 im Online-Billing-Verfahren) vorsahen und stellte am 30.04.2002 bei der Regulierungsbehörde einen nach Hauptantrag und 2 Hilfsbegeh- ren gestaffelten Entgeltgenehmigungsantrag für die Erbringung ihrer im Rahmen von ICP-O.7 anfallenden Transportleistung.

Mit Bescheid vom 28.06.2002 genehmigte die Regulierungsbehörde - entspre- chend dem äußersten Hilfsantrag der Beigeladenen und unter Ablehnung des Antra- ges im Übrigen - befristet bis zum 30.11.2002 die Entgelte für den Transportanteil der Beigeladenen an der Leistung ICP-O.7 in den Rufnummerngassen 0137-1 bis 5 und -8 und -9 ab dem 01.07.2002 und in den Rufnummerngassen 0137-6 und -7 ab dem 01.08.2002 auf der Grundlage des sog. EBC 475-Systems in im Einzelnen be- zeichneter Höhe als Blocktarif (Einheitspreis pro Verbindung). Hinsichtlich des Block- tarifs unterstellte die Regulierungsbehörde eine durchschnittliche Verbindungsdauer von 30 Sekunden. Bei einer Überschreitung der durchschnittlichen Verbindungsdau- er um mehr als 30% sollte eine Nachberechnung der Transportkostenerstattung in Höhe der über die unterstellte Verbindungsdauer hinausgehenden tatsächlichen Verbindungsdauer erfolgen. Nach Ziff. 2 des Bescheides sollte die Genehmigung sich auf die bislang sowie die bis zum 10.07.2002 vereinbarten bzw. angeordneten Zusammenschaltungen erstre- cken, soweit die Leistungen in dem jeweiligen Vertrag oder der jeweiligen Anordnung enthalten seien. Zur Begründung führte die Regulierungsbehörde u.a. aus: Die Entgelte seien nach § 39 1. Alt. TKG (1996) genehmigungspflichtig, da der Zuführungs- bzw. Transitteil der Beigeladenen an der Leistung ICP-O.7 die Gewährung eines besonderen Netzzu- gangs betreffe. Auch wenn die Beigeladene die Leistung ICP-O.7 vom ICP einkaufe, erbringe sie selbst eine eigene Leistung, nämlich die Transportleistung, in ihrem Netz. Die Entgelte hierfür sowie für ersparte Aufwendungen des ICP würden vom Gesamtpreis gegenüber dem Endkunden abgezogen und von der Beigeladenen ein- behalten. Insofern zahle auch der ICP an die Beigeladene ein Leistungsentgelt. Die genehmigungspflichtigen Transportleistungsentgelte der Beigeladenen entsprächen bei Verbindungen mit Ursprung im eigenen Netz dem Entgelt für die Leistung Tele- kom-B.2, bei Verbindungen mit Ursprung in einem anderen Netz dem Entgelt für den Transitanteil, der in den Tarif O.2 einfließe, zuzüglich des pauschalierten Auszah- lungssatzes an den Ursprungs-ICP. Bei Verbindungen mit Ursprung in Mobilfunknet- zen werde das Entgelt für die Transportleistung aus dem Transitanteil der Leistung Telekom-O.2 in der Tarifzone I zuzüglich eines Zuschlages ermittelt. Die konkreten Zahlenwerte würden errechnet, indem die mit Bescheid vom 12.10.2001 genehmig- ten Werte für die Leistungen Telekom-B.2 bzw. für den Transitanteil aus Telekom- O.2 durch 2 dividiert würden, da die eingesetzten Beträge auf Minutenbasis geneh- migt worden seien, wohingegen der Preis für ICP-O.7 auf halbminütiger Basis kalku- liert werde.

Am 19.07.2002 hat die Klägerin hiergegen Klage erhoben.

Die Beigeladene hat auf Anfrage des Gerichts mit Stellungnahme vom 09.08.2006 Folgendes ausgeführt: In den Monaten Juli 2002 bis November 2002 seien insgesamt 13.094 Verbindungen mit einer Gesamtdauer von 12.550 Minuten zum Vote-Call-Dienst der Klägerin in der Gasse 0137 registriert worden. Die durchschnittliche Dauer je Verbindung habe mithin 0,95845 Minuten bzw. 57,50725 Sekunden betragen, was zu einem Gesamtumsatz von 4.937 Euro geführt habe. Dieser Gesamtumsatz beziehe sich allerdings auf die im Zeitraum vom 01.07.2002 bis 30.11.2002 mit der Leistung ICP-O.7 erbrachte Leistung insgesamt, wohingegen im streitgegenständlichen Bescheid nur die Entgelte für den von der Beigeladenen erbrachten Transportanteil an der Leistung ICP-O.7 (blocktarifiert) genehmigt worden seien. Dieser stelle nur einen kleinen Anteil am genannten Gesamtumsatz dar. Bei sekundengenauer Abrechnung hätte die Klägerin für die im Rahmen von 13.094 Verbindungen mit einer Gesamtdauer von 12.550 Minuten erbrachte Transportleistung der Beigeladenen insgesamt 108,40 Euro zahlen müssen. Da die durchschnittliche Verbindungsdauer 57,5 Sekunden betragen habe und damit 91% über der durchschnittlichen Verbindungsdauer von 30 Sekunden gelegen habe, seien die Voraussetzungen einer Nachberechnung aufgrund der Nach- zahlungsklausel erfüllt gewesen, d.h. die Beigeladene hätte zusätzlich über den abgerechneten Blocktarif hinaus weitere 27,5 Sekunden an Verbindungsleistungen abrechnen können, was zum exakt gleichen Ergebnis wie bei sekundengenauer Abrechnung geführt hätte. Tatsächlich seien der Klägerin für die erbrachte Trans- portleistung für die Zeit von Juli bis November 2002 auf der Basis der genehmigten Blocktarife aber nur 57,85 Euro berechnet worden. Bei sekundengenauer Abrechnung hätte die Klägerin deshalb 50,55 Euro mehr zahlen müssen. Die Beigeladene habe allerdings keine Nachberechnung durchgeführt und den Differenzbetrag von 50,55 Euro nicht nachgefordert, weil der Aufwand ein Vielfaches dieses Differenzbetrages betragen hätte. Die Beigeladene verzichte nochmals ausdrücklich und förmlich auf eine Nacherhebung diese Betrages. Aus diesem Grunde habe sie auch die rückwirkende Aufhebung der Nachzahlungsklausel bei der Regulierungsbehörde beantragt.

Die Klägerin trägt vor: Sie verfüge über das notwendige Rechtsschutzinteresse zur Durchführung des Verfahrens. Selbst wenn nach den von der Beigeladenen getroffenen Feststellungen eine sekundengenaue Abrechnung für sie keine Vergünstigung hinsichtlich der im Genehmigungszeitraum zu zahlenden Entgelte bedeute, werde sie längerfristig besser gestellt, da eine sekundengenaue Abrechnung für sie insgesamt günstiger und sicherer kalkulierbar sei. Im Übrigen reiche das Interesse der Klägerin weit über das vorliegende Verfahren hinaus. So seien mehrere Verfahren ruhend gestellt, um den Ausgang des vorliegenden Verfahrens abzuwarten. Zumindest seit 2003 führe die Klägerin MABEZ-Veranstaltungen mit einer durchschnittlichen Verbindungsdauer durch, die mehrere Sekunden unterhalb des genehmigten Blocktarifs lägen. Auch in den anderen Verfahren wende die Klägerin sich gegen eine Blocktarifierung und fordere eine sekundengenaue Abrechnung oder einen Blocktarif, der ihrer durchschnittlichen Verbindungsdauer - und nicht der durchschnittlichen Verbindungsdauer sämtlicher Marktteilnehmer - entspreche. Wenn in der vorliegenden Konstellation ein Rechtsschutzinteresse verneint würde, könne ein Wettbewerber niemals ein blocktarifiertes Entgelt angreifen, da im Zeit- punkt der Klageerhebung nie eine 100 %ige Gewissheit bestehen könne, ob der Blocktarif unter- oder überschritten werde. So sei es auch im vorliegenden Fall gewesen. Bei der Beurteilung der Frage des Bestehens eines Rechtsschutzinteresses müsse deshalb auf die Verhältnisse im Zeitpunkt der Klageerhebung abgestellt werden. Eine andere Betrachtungsweise sei im Hinblick auf den durch Art. 4 Rahmenrichtlinie 2002/21/EG garantierten umfassenden und effektiven Rechtsschutz untragbar. Im Übrigen stehe sich die Klägerin bei Verwirklichung ihres Rechtsschutzzieles jedenfalls nicht wirtschaftlich schlechter, da die Höhe der Transportkostenerstattung bei sekundengenauer Abrechnung notwendigerweise der Blocktarifierung einschließlich Nachberechnung entspräche. Die Nachberechnung könne auch nicht außer Betracht bleiben, da die Beigeladene verpflichtet sei, ihre Nachzahlungsansprüche gegenüber der Klägerin durchzusetzen. Dies ergebe sich aus § 29 TKG (1996), der auch eine Unterschreitung der genehmigten Entgelte verbiete. Der von der Beigeladenen ausdrücklich erklärte Verzicht entfalte keine rechtlichen Wirkungen, da es hierzu gemäß § 397 BGB eines Erlassvertrages bedurft hätte, dem die Klägerin nicht zugestimmt habe. Im Übrigen wäre eine derartige Vereinbarung wegen § 134 BGB iVm § 29 Abs. 2 TKG (1996) unwirksam. Die Nachforderungsansprüche seien auch noch nicht verjährt, da die Verjährung durch Verhandlungen iSd § 203 BGB gehemmt worden sei, die in den von der Klägerin und der Beigeladenen im vorliegenden verwaltungsgerichtlichen Verfahren abgegebenen Stellungnahmen und Erörterungen zu erblicken seien.

Sollte ein Rechtsschutzinteresse gleichwohl verneint werden, so sei jedenfalls die hilfsweise beantragte Feststellung, dass die Blocktarife der Beigeladenen für die Vorleistung ICP-O.7 nicht den Maßstäben der Entgeltregulierung nach § 24 TKG (1996) entsprächen, zulässig. Der Antrag stelle eine bloße Erweiterung der Klage nach § 173 VwGO iVm § 264 Nr. 2 ZPO und keine Klageänderung dar. Selbst wenn eine Klageänderung vorliege, sei diese als sachdienlich anzusehen. Die Klägerin verfüge auch über das erforderliche Feststellungsinteresse. Ferner stehe dem Feststellungsantrag auch nicht die grundsätzliche Subsidiarität der Feststellungsklage entgegen, da die Beklagte bereits mehrfach und bis zuletzt die Entgelte ohne die begehrte sekundengenaue Abrechnung genehmigt habe. Die Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes und die Prozessökonomie geböten eine schnellstmögliche Klärung der Genehmigungsfähigkeit einer Blocktarifierung. Die nach allem zulässige Klage habe auch in der Sache Erfolg. Hierzu trägt die Klägerin umfänglich vor.

Die Klägerin beantragt,

1. den Bescheid der Regulierungsbehörde vom 28.06.2002 (BK 4e-02-015/E30.04.02) aufzuheben,

2. hilfsweise festzustellen, dass der vorgenannte Bescheid rechtswid- rig war,

3. weiter hilfsweise festzustellen, dass Blocktarife gemäß § 24 TKG (1996) unzulässig sind.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie trägt vor: Der Klägerin fehle für ihren Hauptantrag das Rechtsschutzbedürfnis, da die Klägerin durch die mit diesem erstrebte sekundengenaue Abrechnung der Transportleistung der Beigeladenen keine wirtschaftliche oder rechtliche Besserstellung erreichen könne, wie sich aus der Stellungnahme der Beigeladenen vom 09.08.2006 ergebe. Für den hilfsweise gestellten Fortsetzungsfeststellungsantrag fehle das Fortsetzungsfeststellungsinteresse, da keine Wiederholungsgefahr bestehe. Die Dauer des Blocktarifs sei von der Regulierungsbehörde in den nachfolgenden Entgeltgenehmigungen erheblich abgesenkt worden. Im letzten Bescheid vom 13.04.2006 sei ein Blocktarif mit einer Dauer von nur noch 9 Sekunden bis zum 30.11.2006 genehmigt worden.

Sofern die Klägerin losgelöst vom vorliegenden Fall die Klärung der allgemeinen Frage zur Entscheidung stellen wolle, ob ein Blocktarif genehmigt werden dürfe, sei die Klage unzulässig, weil kein konkretes Rechtsschutzbegehren bezogen auf einen konkreten Fall geltend gemacht werde.

Die Beigeladene beantragt ebenfalls,

die Klage abzuweisen.

Sie trägt vor: Hauptantrag und erster Hilfsantrag seien mangels Rechtsschutzinteresses der Klägerin unzulässig. Hierzu verweist sie auf ihre Stellungnahme vom 09.08.2006.

Entgegen der Auffassung der Klägerin sei es auch sowohl mit EG-Recht als auch mit dem Grundgesetz vereinbar, die Rechtsschutzgewährung von einem Rechtsschutzinteresse abhängig zu machen, da Klagen von Bürgern nach beiden Rechtskreisen nicht der Klärung abstrakter Rechtsfragen, sondern der Verfolgung wirtschaftlicher oder sonstiger schutzwürdiger Interessen dienten. In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Europäischen Gerichtshofs sei anerkannt, dass ein bei Klageerhebung bestehendes Rechtschutzinteresse auch im Entscheidungszeitpunkt fortbestehen müsse. Auch der weiter hilfsweise gestellte Feststellungsantrag sei unzulässig. Dieser stelle keine privilegierte Klageerweiterung nach § 264 ZPO, sondern eine Veränderung des Klagegrundes und damit eine Klageänderung dar, der widersprochen werde. Die Kla- geänderung sei im Hinblick darauf, dass blocktarifierte Abrechnungen bereits Gegen- stand anderer Klageverfahren seien, auch nicht sachdienlich. Im Übrigen sei der Feststellungsantrag auch unzulässig, weil er gegen den Subsidiaritätsgrundsatz des § 43 Abs. 2 S. 1 VwGO verstoße. Die von der Klägerin anhängig gemachten Anfechtungsklagen gegen nachfolgende Genehmigungen von Blocktarifierungen durch die Regulierungsbehörde seien nicht mangels wirtschaftlichen Vorteils wegen fehlenden Rechtsschutzinteresses unzulässig. Die Klägerin könne ihre mit dem Feststellungsantrag verfolgten Rechte daher in diesen Verfahren geltend machen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge.

Gründe

Die Klage ist unzulässig.

1. Für den Hauptantrag fehlt das Rechtsschutzinteresse. Die Klägerin begehrt mit ihrem Anfechtungsantrag die Aufhebung der im Bescheid vom 28.06.2002 genehmigten Blocktarifierung, um eine sekundengenaue Ab- rechnung der Transportleistung der Beigeladenen im Rahmen des Tarifs ICP-O.7 zu erreichen. Eine sekundengenaue Abrechnung der im Genehmigungszeitraum erbrachten Transportleistung der Beigeladenen würde ihre rechtliche oder wirtschaftliche Stellung jedoch nicht verbessern. Aus der Stellungnahme der Beigeladenen vom 09.08.2006, deren inhaltliche Richtigkeit von der Klägerin nicht in Zweifel gezogen worden ist, ergibt sich, dass die Klägerin auf der Basis der genehmigten Blocktarifierung an die Beigeladene im Genehmigungszeitraum vom 01.07.2002 bis 30.11.2002 für die von der Beigeladenen erbrachte Transportleistung tatsächlich lediglich 57,85 Euro gezahlt hat. Bei sekundengenauer Abrechnung hätte sie nach den von ihr nicht bestrittenen Angaben der Beigeladenen 108,40 Euro, also sogar 50,55 Euro mehr, zahlen müssen. Selbst wenn die Klägerin aufgrund der (bislang noch genehmigten) Nachzahlungsklausel mit einer Nachveranlagung zu rechnen hätte - wovon aufgrund des Verzichts der Beigeladenen jedenfalls tatsächlich nicht auszugehen ist - würde dies ebenfalls nur zu dem exakt gleichen Gesamtentgelt wie bei sekundengenauer Abrechnung in Höhe von 108,40 Euro führen, wie die Beigeladene im Einzelnen - auch insoweit unwidersprochen durch die Klägerin - dargelegt hat. Dies macht deutlich, dass die Klägerin durch eine Aufhebung des angefochtenen Bescheides nichts gewonnen hätte. Soweit die Klägerin ausgeführt hat, sie stehe sich im Falle einer sekundengenauen Abrechnung „längerfristig" besser, betrifft dies nicht die Aufhebung der konkret in Rede stehenden Genehmigung, sondern allenfalls spätere Folgegenehmigungen, die Gegenstand anderer Klageverfahren sind.

Auch der Hinweis auf Art. 19 Abs. 4 GG und Art. 4 der Rahmenrichtlinie 2002/21/EG führt zu keiner abweichenden Betrachtungsweise. Die genannten Vorschriften zwingen insbesondere nicht dazu, das Rechtsschutzinteresse nicht als Sachurteilsvoraussetzung, sondern als bloße Klagevoraussetzung anzusehen, mit der Folge, dass es lediglich im Zeitpunkt der Klageerhebung vorliegen müsste. Weder das Grundgesetz noch Gemeinschaftsrecht verpflichtet die Gerichte dazu, abstrakte Rechtsfragen zu beantworten, die nicht oder nicht mehr der Verfolgung konkreter wirtschaftlicher oder sonst schutzwürdiger Interessen dienen. In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) und des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) ist vielmehr anerkannt, dass es mit dem Gebot, effektiven Rechtschutz zu gewährleisten, vereinbar ist, die Rechtsschutzgewährung von einem vorhandenen und fortbestehenden Rechtsschutzinteresse abhängig zu machen.

Vgl. BVerfG, Beschluss vom 14.12.2004 - 2 BvR 1451/04 -, NJW 2005, 1855 (1856); BVerfGE 96, 27; EuGH, Urteil vom 19.10.1995, Rs. C-19/93 - Rendo -, Slg. I-3319 (3353), Rdn. 13.

Die Anfechtungsklage ist nach allem mangels Rechtsschutzinteresses unzulässig.

2. Der als erster Hilfsantrag gestellte Fortsetzungsfeststellungsantrag ist gleichfalls unzulässig. Er ist nicht statthaft, da sich die im angegriffenen Bescheid ausgesprochene Entgeltgenehmigung mit ihrem Fristablauf am 30.11.2002 nicht erledigt hat. Nach ständiger Rechtsprechung der Kammer gehen von einer befristeten Entgeltgenehmigung auch nach Fristablauf weiterhin Rechtswirkungen aus, da sie die Rechtsgrundlage für die von der Beigeladenen erhobenen Entgelte bildet. Ob es darüber hinaus auch an einem Fortsetzungsfeststellungsinteresse bzw. einer Wiederholungsgefahr fehlt, weil bei Folgeentscheidungen von der Regulierungsbehörde andere Blocktarife genehmigt worden sind, kann daher auf sich beruhen.

3. Der äußerst hilfsweise gestellte Feststellungsantrag ist ebenfalls unzulässig. Es kann offen bleiben, ob in der Stellung des Feststellungsantrages eine Klageände- rung zu erblicken ist und - sofern diese Frage bejaht wird - die Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 91 VwGO vorliegen. Der Feststellungsantrag ist nämlich auch aus anderen Gründen unzulässig. Nach § 43 Abs. 1 VwGO ist eine Feststellungsklage nur statthaft, wenn die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses begehrt wird. Hierunter ist die sich aus einem konkreten Sachverhalt aufgrund einer Rechtsnorm ergebende rechtliche Beziehung einer Person zu einer anderen Person oder einer Sache zu verstehen.

Vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 14. Aufl., § 43 Rdn. 11 mwN.

Die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses kommt somit nur in Bezug auf einen bestimmten, bereits überschaubaren Sachverhalt, nicht dagegen zur Beantwortung abstrakter, nicht auf einen konkreten Sachverhalt bezogener Rechtsfragen in Betracht.

Kopp/Schenke, a.a.O., § 43 Rdn. 13 und 17.

Mit ihrem hier in Rede stehenden Hilfsantrag begehrt die Klägerin jedoch gerade die gerichtliche Feststellung zu einer derartigen abstrakten Rechtsfrage, nämlich der nicht auf eine konkrete Entgeltgenehmigung bezogenen Frage, ob „Blocktarife gemäß § 24 TKG (1996) unzulässig sind". Im Übrigen ist die Feststellungsklage auch wegen ihrer Subsidiarität zur Anfechtungsklage unzulässig, § 43 Abs. 2 S. 1 VwGO. Sofern man nicht sogar die vorliegende - grundsätzlich statthafte und nur aus anderen Gründen unzulässige - Anfechtungsklage als vorrangig ansehen will, stehen - wie die Beigeladene zu Recht ausgeführt hat - jedenfalls die von der Klägerin erhobenen Anfechtungsklagen gegen spätere ICP-O.7-Blocktarifierungsgenehmigungen, die aller Voraussicht nach nicht aus den oben genannten Gründen mangels Rechtsschutzinteresses unzulässig sind, dem Feststellungsantrag entgegen.

Nach allem war die Klage mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO für die Klägerin abzuweisen. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen waren gemäß § 162 Abs. 3 VwGO für erstattungsfähig zu erklären, weil diese einen Antrag gestellt und sich daher einem eigenen Kostenrisiko ausgesetzt hat, § 154 Abs. 3 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO, § 709 und § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und das Urteil nicht von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht, § 135 S. 2 iVm § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 2 VwGO.






VG Köln:
Urteil v. 26.10.2006
Az: 1 K 6302/02


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