Bundespatentgericht:
Beschluss vom 30. August 2005
Aktenzeichen: 27 W (pat) 224/04

(BPatG: Beschluss v. 30.08.2005, Az.: 27 W (pat) 224/04)

Tenor

Auf die Beschwerde der Widersprechenden wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 25 vom 21. Juli 2004 aufgehoben, soweit der Widerspruch hinsichtlich der Waren "Webstoffe und Textil-Waren (soweit in Klasse 24 enthalten) zurückgewiesen wurde.

Im Umfang der Aufhebung wird die Löschung der Marke 303 16 329 für die vorgenannten Waren angeordnet.

Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die Widersprechende hat gegen die Eintragung der als Wort-/Bildmarke unter der Registernummer 303 16 329 eingetragenen Bezeichnungfür

"Webstoffe und Textilwaren (soweit in Klasse 24 enthalten); Bekleidungsstücke, Schuhwaren, Kopfbedeckungen"

Widerspruch eingelegt aus ihrer prioritätsälteren für

"Strumpfwaren, gewirkte und gestrickte Bekleidungsstücke, Bekleidungsstücke, Leib-, Tisch- und Bettwäsche, Web- und Wirkstoffe, Filz, sämtliche Waren unter Verwendung von Baumwolle hergestellt"

eingetragenen Wortmarke 798 800 cottonita.

Die Markenstelle für Klasse 25 des Deutschen Patent- und Markenamts hat mit Beschluss vom 13. Januar 2004 den Widerspruch zurückgewiesen, weil trotz engster Ähnlichkeit bis Identität der Waren keine Verwechslungsgefahr zwischen den Marken gegeben sei. In ihrer Gesamtheit unterschieden die Marken sich deutlich voneinander. Die grafische Gestaltung unterscheide die jüngere Marke von der Widerspruchsmarke. Der Punkt in der Mitte zwischen den Wortbestandteilen der jüngeren Marke schließe eine schriftbildliche Verwechslungsgefahr aus und führe auch dazu, dass bei der klanglichen Wiedergabe eine Sprechpause eintrete, die auch insoweit die Marken voneinander unterscheidbar mache, zumal der Verkehr sich angesichts des schwachen, weil verständlich auf Baumwolle hinweisenden Bestandteils "cotto-" bzw. "cotton" auf die abweichenden Markenbestandteile konzentriere. Auf die von der Markeninhaberin in Abrede gestellte rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke komme es daher nicht an.

Dagegen wendet sich die Widersprechende mit ihrer Beschwerde, mit der sie die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und die Löschung der jüngeren Marke begehrt. Sie trägt vor: In beiden Marken sei das Wort "cotton" nur ansatzweise enthalten und erkennbar, so dass dieser Bestandteil nicht ohne weiteres unbeachtlich sei. Bei der klanglichen Wiedergabe beider Marken sei ein Unterschied nur in den unbetonten Endsilben gegeben. Angesichts der großen Ähnlichkeit bis Identität der jeweils beanspruchten Waren sei daher eine Gefahr von Verwechslungen zwischen den Vergleichsmarken gegeben.

Dagegen wendet sich die Markeninhaberin, die die Zurückweisung der Beschwerde beantragt. Sie hält die Unterschiede zwischen den Vergleichsmarken für ausreichend, um dem angesprochenen Publikum eine sichere Unterscheidung der Marken zu ermöglichen und schließt sich insoweit der Argumentation der Markenstelle an. Die Unterschiede würden außerdem dadurch verstärkt, dass die jüngere Marke durch den abgesetzten Bestandteil "nino", der im Spanischen "Kind" bedeute, einen anderen begrifflichen Inhalt habe als die Widerspruchsmarke mit ihrer weiblichen Verkleinerungsform "ita". Die Nichtbenutzungseinrede erhält die Markeninhaberin aufrecht.

II.

Die zulässige Beschwerde hat in der Sache teilweise Erfolg. Die Markenstelle hat die Gefahr von Verwechslungen der Vergleichsmarken i.S.v. § 42 Abs. 2 Nr. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG jedenfalls im Hinblick auf die im Tenor genannten Waren zu Unrecht verneint.

Bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr sind die miteinander in Wechselbeziehung stehenden Komponenten der Waren- und Markenähnlichkeit sowie der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke (st. Rspr., vgl. EuGH GRUR 1998, 922, 923 - Canon; MarkenR 1999, 236, 239 - Lloyd/Loints; BGH, GRUR 2003, 1040, 1042 - Kinder; GRUR 2003, 1044, 1045 - Kelly; GRUR 2005, 326 - il Padrone/II Portone) zu berücksichtigen, wobei ein geringer Grad der Ähnlichkeit der Waren durch einen größeren Grad der Ähnlichkeit der Marken ausgeglichen werden kann und umgekehrt (st. Rspr., vgl. EuGH GRUR 1998, 387, 389 Tz. 23 f. - Sabèl/Puma; EuGH GRUR 1998, 922, 923 Tz. 16 f. - Canon; BGH GRUR 1999, 241, 243).

Es besteht vorliegend kein Anhaltspunkt, bei der Widerspruchsmarke trotz ihres durch den Anklang an "cotton" deutlich sprechenden Charakters eine besondere Schwächung der Kennzeichnungskraft anzunehmen. Im Hinblick auf einen Teil der Waren besteht auch Identität zwischen den beiderseitigen Warenverzeichnissen, nämlich bei Webstoffen. Für diese - aber auch nur für diese - hält der Senat aufgrund der in der mündlichen Verhandlung ausführlich erörterten, bereits im Verfahren vor dem Patentamt eingereichten Unterlagen sowie die mit Schriftsatz vom 23. August 2005 übermittelten weiteren Rechnungskopien die erforderliche rechtserhaltende Benutzung als Herstellerkennzeichnung für hinreichend glaubhaft gemacht. Dies gilt auch, soweit in den Rechnungen die Bezeichnung "cottonitasoft" auftaucht, denn diese ist zwanglos als "cottonita" mit einem beschreibenden Zusatz zu verstehen, bei dem lediglich die Leertaste zwischen den Wörtern weggelassen wurde. Der Prüfung einer Verwechslungsgefahr zwischen den Vergleichsmarken sind angesichts der glaubhaft gemachten Benutzungslage ausschließlich Webstoffe zugrunde zu legen, die weiteren mit der Widerspruchsmarke beanspruchten Waren ungeachtet ihrer Identität bzw. engen Ähnlichkeit dagegen nicht.

Zwischen Webstoffen und Textilwaren - soweit in Klasse 24 enthalten - besteht eine enge Ähnlichkeit; im Hinblick auf Bekleidungsstücke, Schuhwaren und Kopfbedeckungen vermag der Senat eine solche dagegen nicht zu bejahen. Wie aus zahlreichen Markenbeschwerdeverfahren vor dem Senat im Zusammenhang mit Bekleidungsstücken und Kopfbedeckungen gerichtsbekannt ist, werden Marken, die für Webstoffe verwendet werden, nur in bestimmten, eher als Ausnahmen anzusehenden Fällen zur Kennzeichnung von textilen Endprodukten verwendet, beispielsweise bei Sportbekleidung, die aufgrund des Einsatzes bestimmter Stoffe bestimmte Eigenschaften aufweisen, auf die ihre Anbieter besonders hinweisen wollen. Ansonsten ist es eher unüblich, dass Halbfabrikate wie Stoffe unter derselben Marke angeboten werden wie fertige Bekleidung. Dass es im vorliegenden Fall anders sein könnte, dass insbesondere die Widersprechende auch auf dem Fertigproduktsektor der Textilbranche tätig wäre oder sonst selbständig in Erscheinung träte oder solches beabsichtigte, ist nichts vorgetragen; auch die vorgelegten Rechnungskopien für die Lieferung von Webstoffen an einen Bekleidungshersteller, der für Fertigprodukte für Endabnehmer bekannt ist, belegen nichts dergleichen. Es ist daher von dem eher größeren Abstand auszugehen, der allgemein zwischen Vor- und Endprodukten festzustellen ist, die nicht auf denselben Märkten bzw. nicht denselben Abnehmern angeboten werden (vgl. auch EuG, Urt. vom 13. Dezember 2004 - T-8/03 - EMILIO PUCCI/EMIDIO TUCCI). Gegenüber Schuhwaren besteht allenfalls eine sehr entfernte Ähnlichkeit; hier ist ein gemeinsamer Markenauftritt mit Webstoffen nur in noch selteneren Ausnahmefällen zu erwarten.

Die Vergleichsmarken unterscheiden sich nach Auffassung des Senats in eher geringem Maße. Die grafische und schriftbildliche Gestaltung mögen die jüngere Marke von der älteren absetzen; klanglich bleibt eine große Übereinstimmung in drei von vier Silben, wobei die jeweiligen Endsilben sich zwanglos als italienische bzw. spanische Verkleinerungssuffixe verstehen lassen, die der Verkehr allerdings aus der Erinnerung nur schwer auseinanderhalten können wird. Der denkbare Anklang von "nino" an die spanische Bezeichnung für "Kind" bzw. "Junge" dürfte weiten Teilen des Verkehrs nicht bekannt sein, und jene, die diese Bezeichnung kennen, werden angesichts des Fehlens der Tilde - "nino" statt "ni–o" - diese Assoziation verwerfen, noch bevor sie als Stütze des Erinnerungsbildes gedanklich verankert wird. Dass der Punkt in der jüngeren Marke den Verkehr veranlassen könnten die jüngere Marke mit einer Pause zwischen "cotto" und "nino" auszusprechen, ist nach der - durch die Aussprache der jüngeren Marke auch durch die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung bestätigten - Lebenserfahrung nicht zu erwarten. Der Punkt dürfte allenfalls dann eine relevante Rolle spielen, wenn er dazu dient, als "dot" eine Domain im Internet zu kennzeichnen, und er deswegen ausdrücklich ausgesprochen wird. In allen anderen Fällen wird der Verkehr, der mit vielerlei werbeüblichen Schrift- oder Grafikverwendungen vertraut ist, einen Punkt, der innerhalb eines Wortes oder einer Wortkombination auftritt, als bloßes Gestaltungsmittel auffassen, nicht anders als eine Binnengroßschreibung oder die unterschiedliche Verwendung von Groß- und Kleinbuchstaben, und das Markenwort "cotto.nino" als akustische Einheit empfinden und wiedergeben.

Nach den oben genannten Grundsätzen ist aufgrund der festgestellten Tatsachen eine Verwechslungsgefahr im markenrechtlichen Sinne nur gegeben, soweit identische bzw. sehr ähnliche Waren betroffen sind, denn hier sind die strengsten Maßstäbe anzulegen. Die dargestellten geringen Unterschiede zwischen den Marken reichen daher nicht aus, um im Bereich der Webstoffe und Textilwaren Verwechslungen auszuschließen. Anders sieht es dagegen bei den weiterhin mit der jüngeren Marke beanspruchten Bekleidungsstücken, Schuhwaren und Kopfbedeckungen aus. Bei der hier generell anzunehmenden größeren bis zur Unähnlichkeit reichenden Warenferne reichen die gegebenen Unterschiede zwischen den Vergleichsmarken noch aus, um die Gefahr, dass das Publikum die Marken verwechselt, mit hinreichender Sicherheit auszuschließen.

Es ist auch nicht anzunehmen, dass das Publikum zwischen den Marken eine gedankliche Verbindung im Sinne einer assoziativen Verwechslungsgefahr herstellt, die einen gemeinsamen Hersteller vermuten ließe, denn der gemeinsame Bestandteil "cotto-" bzw. "cotton" ist als produktbezeichnungsnaher Begriff für sich besehen nicht selbständig geeignet, auf einen bestimmten Hersteller der Waren hinzuweisen. Derartige Vermutungen liegen daher fern.

Es sind keine Gründe ersichtlich, von dem Grundsatz des § 71 Abs 1 Satz 2 MarkenG abzuweichen, dass jeder Beteiligte seine Kosten selbst trägt.

Richter Schwarz ist wegen Urlaubs an der Unter-

schriftsleistung verhindert.

van Raden Prietzel-Funkvan Raden Ju






BPatG:
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Az: 27 W (pat) 224/04


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