Bundesverfassungsgericht:
Beschluss vom 8. April 1998
Aktenzeichen: 1 BvR 1773/96

(BVerfG: Beschluss v. 08.04.1998, Az.: 1 BvR 1773/96)

Tenor

Der Beschluß des Bundesgerichtshofs vom 24. Juni 1996 - NotZ 13/95 - und die Bescheide des Präsidenten des Landgerichts Berlin vom 28. Juli 1994 - D IV M 204-SH I - verletzen die Beschwerdeführer in ihren Grundrechten aus Artikel 12 Absatz 1 und Artikel 3 Absatz 1 des Grundgesetzes. Der Beschluß des Bundesgerichtshofs wird aufgehoben. Die Sache wird an den Bundesgerichtshof zurückverwiesen.

Die Bundesrepublik Deutschland hat den Beschwerdeführern die notwendigen Auslagen zu erstatten.

Gründe

A.

Das Verfahren betrifft die Frage, ob ein Anwaltsnotar eine Sozietät mit Rechtsanwälten oder Steuerberatern eingehen darf, die zugleich Wirtschaftsprüfer sind.

I.

1. Die Bundesnotarordnung (BNotO) vom 24. Februar 1961 (BGBl I S. 98) enthält keine ausdrückliche Regelung darüber, mit wem sich der nach § 3 Abs. 2 BNotO vorgesehene Anwaltsnotar - ein Rechtsanwalt, der das Amt des Notars im Nebenberuf ausübt - zur gemeinsamen Berufsausübung verbinden darf. Die Rechtsprechung nimmt an, daß er zugleich Steuerberater (BGHZ 53, 103), nicht jedoch Wirtschaftsprüfer (BGHZ 75, 296) sein kann.

2. Mitglieder einer Rechtsanwaltskammer können sich mit den Angehörigen anderer freier Berufe gemäß § 1 des Gesetzes über Partnerschaftsgesellschaften Angehöriger Freier Berufe (Partnerschaftsgesellschaftsgesetz - PartGG) vom 25. Juli 1994 (BGBl I S. 1744) zur Berufsausübung zusammenschließen. In der Funktion als Rechtsanwalt ist der Anwaltsnotar partnerschaftsfähig, in der Funktion als Notar jedoch nicht.

Gemäß § 1 Abs. 3 PartGG kann aber in den Vorschriften über einzelne Berufe die Möglichkeit zur Partnerschaft ausgeschlossen oder eingeschränkt werden.

3. Die Sozietätsmöglichkeiten für Rechtsanwälte sind außerdem in § 59 a der Bundesrechtsanwaltsordnung in der Fassung des Gesetzes vom 2. September 1994 (BGBl I S. 2278; im folgenden: BRAO) geregelt. Absatz 1 der Vorschrift bestimmt:

Rechtsanwälte dürfen sich mit Mitgliedern einer Rechtsanwaltskammer und der Patentanwaltskammer, mit Steuerberatern, Steuerbevollmächtigten, Wirtschaftsprüfern und vereidigten Buchprüfern in einer Sozietät zur gemeinschaftlichen Berufsausübung im Rahmen der eigenen beruflichen Befugnisse verbinden. § 137 Abs. 1 Satz 2 der Strafprozeßordnung und die Bestimmungen, die die Vertretung bei Gericht betreffen, stehen nicht entgegen. Rechtsanwälte, die zugleich Notar sind, dürfen eine solche Sozietät nur bezogen auf ihre anwaltliche Berufsausübung eingehen. Im übrigen richtet sich die Verbindung mit Rechtsanwälten, die zugleich Notar sind, nach den Bestimmungen und Anforderungen des notariellen Berufsrechts.

Auch in anderer Hinsicht sind die Soziierungsmöglichkeiten von Anwälten durch die Rechtsprechung erweitert worden. So war früher Anwälten die Bildung überörtlicher Sozietäten verwehrt. Seit der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 18. September 1989 (BGHZ 108, 290) wird dies als zulässig angesehen.

4. Das Gesetz über eine Berufsordnung der Wirtschaftsprüfer (Wirtschaftsprüferordnung) in der Fassung der Bekanntmachung vom 5. November 1975 (BGBl I S. 2803; im folgenden: WPO) enthält im Dritten Teil Regelungen über die Rechte und Pflichten der Wirtschaftsprüfer. In den §§ 43 a bis 44 b WPO in der Fassung des Gesetzes vom 15. Juli 1994 (BGBl I S. 1569) werden auch die Sozietätsmöglichkeiten mit Angehörigen freier Berufe aufgeführt. Anwaltsnotare sind hiervon nicht ausgenommen.

5. Eine Änderung der Bundesnotarordnung ist in Vorbereitung. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 21. März 1996 (BTDrucks 13/4184, S. 5) sieht folgende Regelungen vor:

§ 8

(1) ...

(2) Der Notar darf keinen weiteren Beruf ausüben. ... Der Anwaltsnotar darf zugleich den Beruf des Patentanwalts oder des Steuerberaters ausüben. Dabei hat er sich auf Beratung und Vertretung in Rechtsangelegenheiten zu beschränken und sich insbesondere einer wirtschaftsprüfenden Tätigkeit zu enthalten.

(3) und (4) ...

§ 9

(1) ...

(2) Anwaltsnotare dürfen sich nur miteinander, mit anderen Mitgliedern einer Rechtsanwaltskammer, Patentanwälten, Steuerberatern und Steuerbevollmächtigten zur gemeinsamen Berufsausübung verbinden oder mit ihnen gemeinsame Geschäftsräume haben.

(3) ...

Bei der Anhörung des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages zu diesem Entwurf am 25. Juni 1997 haben sich der Deutsche Anwaltverein, die Wirtschaftsprüferkammer, die Bundesrechtsanwaltskammer und der Verband Deutscher Anwaltsnotare für die Zulässigkeit der Berufsverbindung eines Anwaltsnotars mit einem Wirtschaftsprüfer oder vereidigten Buchprüfer ausgesprochen. Die Bundesnotarkammer, der Deutsche Notarverein und der Präsident des Oberlandesgerichts Düsseldorf haben sich gegen die Zulässigkeit einer Sozietät zwischen Anwaltsnotaren und Wirtschaftsprüfern gewandt.

Auch die Berufspflichten und Mitwirkungsverbote sollen nach dem Gesetzentwurf präzisiert und verschärft werden. Hierfür soll nach § 24 BNotO ein vierter Abschnitt über die sonstigen Pflichten des Notars mit den §§ 25 bis 32 eingefügt werden. Außerdem ist vorgesehen, § 3 Abs. 1 Nr. 4 des Beurkundungsgesetzes vom 28. August 1969 (BGBl I S. 1513; im folgenden: BeurkG) dahin zu ändern, daß der Notar in allen Angelegenheiten einer Person ausgeschlossen ist, mit der er sich zur gemeinsamen Berufsausübung verbunden oder mit der er gemeinsame Geschäftsräume hat oder hatte. Mit diesen Vorschriften soll den bisher bestehenden Umgehungsmöglichkeiten entgegengewirkt und den mit der Größe und der Überörtlichkeit der Sozietäten wachsenden Gefährdungen der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Notars begegnet werden (BTDrucks 13/4184, S. 36 f.). Diesen Vorschlägen ist der Rechtsausschuß des Deutschen Bundestages in seinen Beschlußempfehlungen vom 1. April 1998 gefolgt. Er hat allerdings vorgeschlagen, bei der Änderung des Beurkundungsgesetzes die Mitwirkungsverbote abzuschwächen (BTDrucks 13/10589).

II.

1. Die sieben Beschwerdeführer sind als Rechtsanwälte und Notare in Berlin zugelassen. Sie sind Mitglieder einer großen überörtlichen Sozietät, die seit Januar 1995 ihren Sitz in Berlin, Düsseldorf, Frankfurt/Main, Köln, Leipzig und München hat. Mit Schreiben vom 14. Juli 1994 zeigten sie dem Präsidenten des Landgerichts Berlin an, daß sieben andere Sozietätsmitglieder, die ihr als Steuerberater oder Rechtsanwälte angehören, außerhalb der Sozietät auch als Wirtschaftsprüfer tätig sind. Auf Briefbögen und im Schriftverkehr der Sozietät wird darauf nicht hingewiesen. Soweit die Wirtschaftsprüfer in rechtlichen, wirtschaftlichen und steuerlichen Angelegenheiten innerhalb der Sozietät beraten, bleibt dies im Rahmen des § 33 des Steuerberatungsgesetzes in der Fassung des Sechsten Änderungsgesetzes vom 24. Juni 1994 (BGBl I S. 1387; im folgenden: StBerG). Nach dem für die Sozietät derzeit maßgeblichen Fusionsvertrag gehören zum Gegenstand der Sozietät nicht die Wahrnehmung der Vorbehaltsaufgaben der Wirtschaftsprüfer und nicht die Ausübung des Amtes als Notar.

2. Mit gleichlautenden Bescheiden vom 28. Juli 1994 ordnete der Präsident des Landgerichts Berlin gegenüber den Beschwerdeführern an, die Sozietät mit den sieben Wirtschaftsprüfern umgehend zu beenden.

3. Auf den hiergegen gestellten Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat das Kammergericht diese Bescheide mit der Begründung aufgehoben, daß es seit der Einführung des § 59 a BRAO an der dort vorausgesetzten ausdrücklichen gesetzlichen Verbotsvorschrift fehle, die es rechtfertigen könnte, Anwaltsnotare und sonstige Rechtsanwälte unterschiedlich zu behandeln.

Der Bundesgerichtshof hat die Bescheide des Präsidenten des Landgerichts wiederhergestellt und zur Begründung ausgeführt: Nach seiner ständigen Rechtsprechung, die auch die Billigung des Bundesverfassungsgerichts gefunden habe, sei dem Anwaltsnotar die Verbindung mit einem Wirtschaftsprüfer zur gemeinsamen Berufsausübung untersagt, auch wenn die sozietätsmäßige Verbindung weder durch die Gestaltung des Briefkopfes noch in anderer Weise in Erscheinung trete. Schon die Verbindung als solche berge die Gefahr von Interessenkonflikten, obwohl auch Wirtschaftsprüfer gemäß § 43 Abs. 1 WPO zur Unabhängigkeit und Unparteilichkeit verpflichtet seien. Es müsse schon der Anschein einer Gefährdung vermieden werden. Die den Anforderungen des Gesetzesvorbehalts genügende Regelung der Berufsausübung ergebe sich - auch nach der Änderung der Bundesrechtsanwaltsordnung - aus der Gesamtregelung der Bundesnotarordnung und des Beurkundungsgesetzes unter Berücksichtigung ihrer bisherigen Auslegung. Anwaltsnotaren die Sozietät mit einem Steuerberater zu gestatten, sie ihnen aber mit einem Wirtschaftsprüfer zu untersagen, verstoße auch nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG, weil der berufliche Wirkungskreis des Wirtschaftsprüfers im wesentlichen auf dem Gebiet betriebswirtschaftlicher Unternehmensprüfung liege und sich von der beratenden Tätigkeit des Rechtsanwalts wie auch des Steuerberaters grundlegend unterscheide.

III.

Mit ihrer Verfassungsbeschwerde wenden sich die Beschwerdeführer gegen den Beschluß des Bundesgerichtshofs und gegen die Bescheide des Präsidenten des Landgerichts Berlin. Sie rügen die Verletzung von Art. 3 Abs. 1, Art. 9 Abs. 1 und Art. 12 Abs. 1 GG.

1. Die angefochtenen Entscheidungen seien mit dem allgemeinen Gleichheitssatz nicht vereinbar. Sie verböten den Anwaltsnotaren die Sozietät mit den Wirtschaftsprüfern, obwohl sie ihnen mit Rechtsanwälten, Steuerberatern und Rechtsbeiständen erlaubt sei. Für diese Differenzierung gebe es keine hinreichende Grundlage. Dies gelte um so mehr, als die der Sozietät angehörenden Wirtschaftsprüfer zugleich entweder Rechtsanwalt oder Steuerberater oder beides seien. Die Tätigkeiten der Steuerberater und der Wirtschaftsprüfer deckten sich - mit Ausnahme der Vorbehaltsaufgaben - vollkommen. Auch die Berufspflichten von Steuerberatern und Wirtschaftsprüfern seien nahezu identisch. Nicht einmal die Durchführung von Abschlußprüfungen sei auf den Berufsstand der Wirtschaftsprüfer und vereidigten Buchprüfer beschränkt. Bei kleinen Kapitalgesellschaften und Personengesellschaften nähmen nach wie vor in großem Umfang Steuerberater und Rechtsanwälte diese Aufgaben wahr. Letztlich unterscheide den Wirtschaftsprüfer vom Steuerberater nur, daß er sich als Sachverständiger auf seinen einmal geleisteten Berufseid berufen könne (§ 410 Abs. 2 ZPO) und daß ihm die Prüfung mittelgroßer und großer Kapitalgesellschaften im Sinne von § 267 HGB vorbehalten sei. Gerade in diesem Bereich unterliege der Wirtschaftsprüfer aber besonderen Anforderungen an seine Unparteilichkeit und Unabhängigkeit, die denjenigen des Notars entsprächen. Er habe wie dieser das Recht und die Pflicht, Siegel zu führen, und dürfe die ihm übertragenen Aufträge nur persönlich durchführen.

Der früheren Rechtsprechung könne angesichts der gewandelten Verhältnisse im Berufsbild und im übrigen Recht der freien Berufe nicht mehr gefolgt werden. Insbesondere durch die Integration wirtschaftsberatender Tätigkeit in Sozietäten aus Vertretern verschiedener rechtsberatender Berufe werde eine verfassungsrechtliche Neubeurteilung erforderlich. Die Entwicklung sei zum einen durch die Zulassung überörtlicher Sozietäten, zum anderen aber auch durch den zunehmend stärker werdenden Wettbewerb großer internationaler Anwaltskanzleien und Wirtschaftsprüfungsgesellschaften bedingt. Entscheidend für den Erfolg im Wettbewerb sei die Fähigkeit, auf breiter Basis hochspezialisiertes Wissen unter Einschluß des Gesellschaftsrechts, des Steuerrechts, des Bilanzrechts und der Betriebswirtschaft anzubieten und damit den Beratungsbedarf der Wirtschaft abzudecken. Das Berufsbild der Notare habe sich in den letzten Jahren ebenfalls geändert. Sie übernähmen Aufgaben, deren Erfüllung häufig betriebswirtschaftliche Kenntnisse voraussetze, und träten außerhalb der ihnen vorbehaltenen Tätigkeiten auch in Konkurrenz zu Rechtsanwälten.

2. Das Verbot gemeinsamer Berufsausübung zwischen Anwaltsnotaren und Wirtschaftsprüfern verletze auch die Berufsausübungsfreiheit der Beschwerdeführer. Es fehle bereits an der erforderlichen gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage für das Sozietätsverbot. Zwar habe das Bundesverfassungsgericht in früheren Entscheidungen noch festgestellt, daß sich ein solches aus der Gesamtregelung der Bundesnotarordnung und des Beurkundungsgesetzes ergebe. Hieran könne man zweifeln, weil die §§ 1, 3 Abs. 1, § 9 Abs. 1 und § 14 BNotO sowie § 3 Abs. 1 Nr. 5 BeurkG allenfalls eine Zielsetzung vorgäben, nicht aber die zur Erreichung dieses Ziels gebotenen Mittel. Spätestens seit der Neuregelung des Berufsrechts für Wirtschaftsprüfer und Rechtsanwälte bedürfe es aber der dort vorbehaltenen ausdrücklichen gesetzlichen Grundlage, zumal das Bundesverfassungsgericht inzwischen die Anforderungen an die Bestimmtheit der Eingriffsgrundlage verschärft habe.

Die Notarstellung des Anwaltsnotars dürfe sich nicht als Hindernis für seine Sozietätsfähigkeit in der anwaltlichen Berufsausübung auswirken. Müßten die Rechtsanwälte das Notaramt niederlegen, so hätten sie einen seit Jahren ausgeübten Teil ihrer beruflichen Tätigkeit aufzugeben, womit ihre Berufsausübungsfreiheit erheblich beeinträchtigt werde. Davon gingen auch negative Wirkungen für ihr Ansehen aus, weil hierdurch der Eindruck entstehen könne, daß es Beanstandungen in der persönlichen Amtsausübung gegeben habe.

Im übrigen sei das Sozietätsverbot unverhältnismäßig. Objektiv werde die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Notars durch derartige Sozietäten nicht gefährdet. Pflichtenbindung, Dienstaufsicht und Beurkundungsverbote seien zudem ausreichende Mittel, etwaigen Gefahren zu begegnen.

3. Die angefochtenen Entscheidungen verletzten die Beschwerdeführer auch in ihrem Grundrecht aus Art. 9 Abs. 1 GG. Ein Eingriff in dieses Grundrecht sei nur zulässig, wenn er durch kollidierende Grundrechte Dritter oder durch sonstige verfassungsrechtlich geschützte Rechtsgüter eine Rechtfertigung finde. Eine solche gebe es nicht. Das Berufsbild des Notars als solches sei verfassungsrechtlich nicht geschützt, und seine Bewahrung könne daher eine Beeinträchtigung der Vereinigungsfreiheit nicht rechtfertigen.

IV.

Zu dem Verfahren haben sich geäußert: die Bundesregierung durch das Bundesministerium der Justiz, die Bayerische Staatsregierung durch die Bayerische Staatskanzlei, die Senatsverwaltung für Justiz von Berlin, die Landesregierung von Niedersachsen durch die Niedersächsische Staatskanzlei, die Landesregierung Nordrhein-Westfalen durch den Ministerpräsidenten und die Landesregierung Rheinland-Pfalz durch das Ministerium der Justiz sowie die Rechtsanwaltskammer Berlin, die Bundesnotarkammer, die Wirtschaftsprüferkammer, der Deutsche Notarverein und der Deutsche Anwaltverein.

1. Die Bayerische Staatskanzlei, der Ministerpräsident des Landes Nordrhein-Westfalen und das Ministerium der Justiz des Landes Rheinland-Pfalz halten die Verfassungsbeschwerde für unbegründet. Das Bundesministerium der Justiz, die Senatsverwaltung für Justiz von Berlin und die Niedersächsische Staatskanzlei stellen die Vor- und Nachteile von Sozietäten oder ständigen Kooperationen zwischen Notaren und Wirtschaftsprüfern sowie die Probleme dar, die sich für die Landesjustizverwaltungen bei der Aufsicht über die Notare stellen.

2. Die Rechtsanwaltskammer Berlin, die Wirtschaftsprüferkammer und der Deutsche Anwaltverein halten übereinstimmend die Verfassungsbeschwerde wegen Verletzung des Art. 3 Abs. 1 GG für begründet, weil es zwischen den Berufen des Steuerberaters und des Wirtschaftsprüfers keine substantiellen Unterschiede gebe und der Wirtschaftsprüfer hinsichtlich seiner Vorbehaltsaufgaben dem Amt des Notars näher stehe als der Steuerberater. Die Rechtsanwaltskammer Berlin und der Deutsche Anwaltverein teilen überdies die Auffassung der Beschwerdeführer, daß es für die angegriffene Berufsausübungsregelung an einer gesetzlichen Grundlage fehle. Auch in einer interprofessionellen Sozietät zwischen einem Anwaltsnotar, einem Wirtschaftsprüfer und einem Steuerberater sei es allerdings nicht möglich, daß die einzelnen Sozien in derselben Angelegenheit gleichzeitig beratend, prüfend und beurkundend tätig würden. Denkbar sei aber eine umfassende Dienstleistung in verschiedenen Angelegenheiten ein und desselben Mandanten. Vielfach sei die betriebswirtschaftliche und steuerrechtliche Betrachtungsweise des Wirtschaftsprüfers neben den rechtlichen Kenntnissen eines Rechtsanwalts für die Ausgestaltung der einzelnen Verträge gefragt. Auch der sachkundige Rat des in der Sozietät verbundenen Anwaltsnotars zu Beurkundungsfragen könne hilfreich sein, obgleich dieser Notar aufgrund der Inkompatibilität in derselben Angelegenheit die erforderlichen Beurkundungen nicht vornehmen könne. Die Vorteile der sozietätsmäßigen Verbindung gegenüber einer bloßen Kooperation lägen vor allem in dem gemeinsamen wirtschaftlichen Erfolg und der durch den Gesellschaftsvertrag gefestigten Zusammenarbeit.

3. Die Bundesnotarkammer und der Deutsche Notarverein halten die Verfassungsbeschwerde für unbegründet. Nach ihrer Auffassung hat sich die bisherige Rechtslage nicht geändert. Die Vorbehaltsaufgaben seien bei den Wirtschaftsprüfern berufsbildprägend und verböten die Gleichbehandlung mit den Steuerberatern. Denn Wirtschaftsprüfer könnten zugleich eine weisungsabhängige und interessenwahrende Tätigkeit mit einer solchen kombinieren, in der sie unabhängig agieren sollten. Nur das Amt des Notars sei höchstpersönlich, der Wirtschaftsprüfer dürfe hingegen Mitarbeiter einsetzen, die er überwachen müsse. Ein Sozietätsverbot beschränke die Berufsausübung auch nicht empfindlich; im Bereich der Nur-Notariate werde seit Jahrzehnten die büroexterne Kooperation zwischen Notaren und Wirtschaftsprüfern erfolgreich praktiziert.

Zudem werde dem Vertrauen der Bevölkerung in die Integrität des Notaramts und damit dem Ansehen der Rechtspflege schwerer Schaden zugefügt, wenn die Rechtsberatung aus einer Hand, die die Beschwerdeführer erstrebten, in der Praxis ermöglicht würde. Bereits nach geltendem Recht bestünden zahlreiche Möglichkeiten, die Mitwirkungsverbote zu umgehen. Deren Einhaltung sei nur in beschränktem Umfang überprüfbar, da Adressaten der Mitwirkungsverbote nur die Notare seien. Ein umfassendes, auf sämtliche einschlägigen Berufsrechte ausgedehntes Kontroll- und Überwachungssystem stellte gegenüber einem Sozietätsverbot keinesfalls ein milderes Mittel dar. Im übrigen entferne sich das Berufsbild des Anwaltsnotars durch die Assoziierungsmöglichkeit mit Wirtschafts- und Buchprüfern um einen gefährlichen Schritt weiter vom Leitberufsbild des hauptberuflichen Notars. Der in eine solche Sozietät eingebundene Anwaltsnotar werde leicht zum "Stempelbeamten", der die ihm von seinen Sozien vorgelegten Entwürfe ohne das erforderliche Maß an Distanz und kritischer Überprüfung und ohne ausreichende Belehrung nur noch verlese und abstempele. Es entstünde zudem ein privilegierendes Sonderberufsrecht für Großsozietäten mit einer Verlagerung des Urkundsaufkommens aus den Amtsbezirken der hauptberuflichen Notare.

V.

Durch einstweilige Anordnung ist den Beschwerdeführern die Fortsetzung der Sozietät bis zur Entscheidung in der Hauptsache gestattet worden.

B.

Die Verfassungsbeschwerde ist begründet.

Das vom Bundesgerichtshof bestätigte Sozietätsverbot verstößt gegen Art. 12 Abs. 1 GG, weil es an einer ausreichenden gesetzlichen Grundlage fehlt (I). Außerdem verletzt es die Beschwerdeführer in ihrem verfassungsrechtlichen Anspruch auf Gleichbehandlung (II). Ob auch Art. 9 Abs. 1 GG als Prüfungsmaßstab heranzuziehen ist, kann deshalb offenbleiben.

I.

1. Sozietätsverbote für Anwaltsnotare sind Regelungen der Berufsausübung, die an Art. 12 Abs. 1 GG zu messen sind; dies hat das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden (BVerfGE 54, 237 <246>; 80, 269 <278>).

2. Nach Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG kann die Berufsausübung nur durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes geregelt werden.

a) An einer ausdrücklichen gesetzlichen Normierung fehlt es. Weder das Berufsrecht der Wirtschaftsprüfer oder der Anwälte noch das der Notare ordnet in einer besonderen Vorschrift ein entsprechendes Sozietätsverbot für Anwaltsnotare an. § 9 Abs. 1 BNotO gilt allein für den Nur-Notar. Das vom Bundesgerichtshof angenommene Sozietätsverbot wird nach dem Inhalt der angegriffenen Entscheidung aus der Gesamtregelung der Bundesnotarordnung und des Beurkundungsgesetzes unter Berücksichtigung ihrer Auslegung in Rechtsprechung und Schrifttum abgeleitet.

Das Fehlen einer ausdrücklichen Regelung bedeutet allerdings nicht notwendig, daß eine die Berufsausübung einschränkende Gerichtsentscheidung den Anforderungen des Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG widersprechen müßte. Der vorliegende Fall gibt keinen Anlaß, die Grenzen richterlicher Rechtsauslegung und Rechtsfortbildung bei Einschränkungen der freien Berufsausübung allgemein und abschließend festzulegen.

Die Auslegung des einfachen Gesetzesrechts einschließlich der Wahl der hierbei anzuwendenden Methode ist Sache der Fachgerichte. Auch aus dem in Art. 20 Abs. 3 GG angeordneten Vorrang des Gesetzes folgt kein Verbot für den Richter, vorhandene Lücken im Wege richterlicher Rechtsfortbildung zu schließen. Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der Schließung einer festgestellten Gesetzeslücke findet ihre Rechtfertigung unter anderem darin, daß Gesetze altern und daß sie in einem veränderlichen Umfeld sozialer Verhältnisse, gesellschaftpolitischer Anschauungen und rechtlicher Rahmenbedingungen stehen, das Auswirkungen auf ihr Verständnis haben kann (vgl. BVerfGE 82, 6 <11 f.>; 34, 269 <288 f.>). Umgekehrt kann sich aus derartigen Veränderungen auch ergeben, daß einer bisherigen Gesetzesinterpretation oder Rechtsfortbildung die Grundlage entzogen wird. Das gilt in besonderem Maße, wenn bei schwerwiegenden Grundrechtseingriffen Gesetzesänderungen den ursprünglich zur Begründung herangezogenen Kontext in wesentlicher Hinsicht ändern.

b) Die Erwägungen, mit denen der Bundesgerichtshof das Sozietätsverbot begründet, genügen nicht (mehr) den Anforderungen, die sich aus dem Gesetzesvorbehalt in Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG ergeben. Aus dem jetzt geltenden Regelwerk des Gesetzgebers läßt sich nicht entnehmen, daß die Unabhängigkeit des Notars, der im Hauptberuf Rechtsanwalt ist, mit dem Mittel des Sozietätsverbots gesichert werden soll.

(1) Allerdings hat das Bundesverfassungsgericht in den Jahren 1980 und 1989 der Rechtsprechung noch zugestanden, Sozietätsverbote aus dem Gesamtzusammenhang des notariellen Berufsrechts und aus den hergebrachten Berufsbildern abzuleiten (vgl. BVerfGE 54, 237 <246 ff.>; 80, 269 <279>).

Daran ist aus heutiger Sicht im Ergebnis nicht festzuhalten. Seit den Entscheidungen zu den anwaltlichen Standesrichtlinien (vgl. BVerfGE 76, 171 <184>; 76, 196 ff.) ist zunehmend die gesetzgeberische Verantwortung für empfindliche Einschränkungen der Berufsfreiheit, zu denen auch die Sozietätsverbote gehören, eingefordert worden. Je stärker in grundrechtlich geschützte Bereiche eingegriffen wird, desto deutlicher muß das gesetzgeberische Wollen zum Ausdruck kommen (vgl. BVerfGE 87, 287 <317>). Schon bei der Überantwortung der Rechtsetzungskompetenz an einen Satzungsgeber muß der Gesetzgeber die Einschränkungen um so deutlicher vorgeben, je empfindlicher Berufsangehörige in ihrer freien beruflichen Betätigung beeinträchtigt werden (vgl. BVerfGE 94, 372 <390>). Da es dem Gesetzgeber obliegt, die Gefährdung von Rechtsgütern einzuschätzen, ihre Schutzwürdigkeit zu bewerten und die Mittel zu ihrem Schutz zu bestimmen, legt Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG dem Richter besondere Zurückhaltung auf, wenn er vornehmlich aus bloßen gesetzgeberischen Zielsetzungen die Wahl des geeigneten und erforderlichen Mittels abzuleiten sucht. Nach diesen verfassungsrechtlichen Vorgaben können einzelne Bestimmungen über Beurkundungsverbote in Verbindung mit dem Schweigen der Bundesnotarordnung zur besonderen Pflichtenbindung des Anwaltsnotars nicht länger als ausreichende gesetzliche Grundlage für die gerichtliche Festlegung der Mittel angesehen werden, die zur Gewährleistung der Unabhängigkeit des Anwaltsnotars erforderlich erscheinen.

(2) Darüber hinaus haben sich das Berufsrecht der Wirtschaftsprüfer und das der Rechtsanwälte in den letzten Jahren verändert. Der Gesetzgeber hat - in der Erkenntnis, daß die bisherigen Berufsausübungsregelungen rechtsstaatlichen Anforderungen nicht immer genügten (vgl. BTDrucks 12/4993, S. 22; BTDrucks 12/5685, S. 16 f. und BTDrucks 13/4184, S. 19) - unter anderem die Unvereinbarkeitsregelungen im anwaltlichen Berufsrecht entsprechend den Vorgaben in der Entscheidung BVerfGE 87, 287 neu formuliert. Das Partnerschaftsgesellschaftsgesetz, § 44 b WPO und § 59 a BRAO geben den Sozietätsmöglichkeiten der Wirtschaftsprüfer und Rechtsanwälte nunmehr einen klaren gesetzlichen Rahmen.

Es bedarf hier keiner Entscheidung dazu, wie § 59 a Abs. 1 BRAO zu verstehen ist. Möglicherweise regelt er bereits positiv, daß der Anwaltsnotar in seiner Eigenschaft als Anwalt, in der er allein sozietätsfähig ist, die Verbindung mit dem Wirtschaftsprüfer eingehen darf; möglicherweise läßt die Vorschrift bewußt eine Lücke, indem sie für den Anwaltsnotar eine abweichende Regelung im Notarrecht noch vorbehält. Keinesfalls aber hat der Gesetzgeber ein von der Rechtsprechung angenommenes Sozietätsverbot bestätigt oder selbst geregelt. Er war sich vielmehr der Notwendigkeit ergänzender Rechtsetzung im Notarrecht bewußt. Das ergibt sich auch aus dem gleichsinnigen Vorbehalt in § 1 Abs. 2 PartGG (vgl. die Begründung zum Regierungsentwurf in BTDrucks 12/6152, S. 10 f. unter Hinweis auf §§ 27 ff. WPO und die geplanten gesetzlichen Änderungen).

Jedenfalls können die durch Änderungen des Berufsrechts der Anwälte und sonstiger freier Berufe aufgeworfenen Fragen durch Richterrecht nicht mehr beantwortet werden. Das gilt nicht zuletzt deshalb, weil ein Sozietätsverbot empfindlich in die Berufsausübungsfreiheit eingreift. Es verlangt dem Anwaltsnotar die Aufgabe einer gewünschten Sozietät oder aber dem Anwalt unter Beibehaltung der Sozietät die Aufgabe seines Zweitberufes als Notar ab. Wie die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Notars gesichert wird und mit welchen Mitteln dies geschieht, wenn Gefahren drohen, hat vielmehr der Gesetzgeber zu entscheiden. Bis zu einer Reform des Notarrechts fehlt es daher an einer Legitimation für das früher in der Rechtsprechung entwickelte Sozietätsverbot zwischen dem Anwaltsnotar und dem Wirtschaftsprüfer.

II.

Auch inhaltlich hält das Verbot einer Sozietät zwischen Wirtschaftsprüfern und Anwaltsnotaren der verfassungsrechtlichen Prüfung nicht stand, solange der Anwaltsnotar selbst Steuerberater sein darf und auch nicht gehindert ist, sich mit kaufmännisch vorgebildeten Steuerberatern zur gemeinsamen Berufsausübung zusammenzuschließen. Zwar steht es dem Gesetzgeber im Rahmen des Art. 12 Abs. 1 GG weitgehend frei, wie er erkennbaren Gefährdungen für die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Notare vorbeugt. Es ist bereits dargestellt worden, daß es ihm obliegt, diese Gefährdungen einzuschätzen und ihnen durch Berufsausübungsregelungen zu begegnen. Sofern er Gefahren befürchtet und ihnen durch Einschränkungen der Berufsausübungsfreiheit oder durch die Prägung einheitlicher Berufsbilder begegnen will, müssen die Berufsausübungsregelungen allerdings so ausgestaltet werden, daß der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gewahrt wird (vgl. BVerfGE 75, 166 <177 f.>). Dies ist in der Entscheidung zu den Sozietäten zwischen Anwaltsnotaren und Kammerrechtsbeiständen oder Nur-Steuerberatern deutlich herausgestellt worden (vgl. BVerfGE 80, 269 <279>). Der Richter ist bei Auslegung und Anwendung des Gesetzes an dieselben Maßstäbe gebunden, die nach Art. 3 Abs. 1 GG auch den Gestaltungsraum des Gesetzgebers beschränken (vgl. BVerfGE 54, 224 <234 f.>). Dem werden die angegriffenen Entscheidungen nicht gerecht.

1. Die Unterschiede zwischen einem Steuerberater und einem Wirtschaftsprüfer sind nicht von solcher Art und solchem Gewicht, daß sie - unter Berücksichtigung des Normzwecks - die Ungleichbehandlung rechtfertigen könnten (vgl. zum Prüfungsmaßstab BVerfGE 95, 267 <316 f.>; stRspr).

a) Die große Nähe zwischen den Tätigkeiten der Steuerberater und derjenigen der Wirtschaftsprüfer hat der Bundesgerichtshof bereits in einer früheren Entscheidung zutreffend dargestellt (BGHZ 78, 237 <242 f.>).

Den Steuerberatern ist neben der Beratung und Vertretung in Steuersachen (§ 33 StBerG) die wirtschaftsberatende, gutachtliche oder treuhänderische Tätigkeit sowie die Erteilung von Bescheinigungen über die Beachtung steuerlicher Vorschriften in Vermögensübersichten und Erfolgsrechnungen (§ 57 Abs. 3 Nr. 3 StBerG) und auch die Tätigkeit als Wirtschaftsprüfer oder vereidigter Buchprüfer (§ 57 Abs. 3 Nr. 1 StBerG) erlaubt. Der Rahmen der Tätigkeiten der Wirtschaftsprüfer umfaßt den gesamten Aufgabenbereich des Steuerberaters. Zu den Vertretungs- und Beratungsaufgaben der Wirtschaftsprüfer gehören Beratung und Vertretung in steuerlichen Angelegenheiten (§ 2 Abs. 2 WPO), die Beratung in wirtschaftlichen Angelegenheiten und die Wahrung fremder Interessen (§ 2 Abs. 3 Nr. 2 WPO), aber auch das Auftreten als Sachverständiger auf den Gebieten der wirtschaftlichen Betriebsführung (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 WPO) und die treuhänderische Verwaltung (§ 2 Abs. 3 Nr. 3 WPO). Tätigkeiten der letztgenannten Art, wie Vermögensverwaltung, Testamentsvollstreckung, Konkursverwaltung und treuhänderische Aufgaben, zählen auch zu den genehmigungsfreien Nebentätigkeiten der Nur-Notare. Beratungsleistungen können Notare, Rechtsanwälte, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer erbringen, wobei Notare und Rechtsanwälte auf allen Gebieten beraten dürfen, die auch dem Steuerberater und dem Wirtschaftsprüfer erlaubt sind; Steuerberater und Wirtschaftsprüfer dürfen nur in begrenztem Umfang Rechtsberatung betreiben (§ 4 Abs. 3, § 5 Nr. 2 RBerG). Die Steuerberatung ist allen drei Berufsgruppen und auch den Notaren uneingeschränkt erlaubt (§ 3 Nr. 2 StBerG, § 2 Abs. 2 WPO, § 3 BRAO, § 24 BNotO/§ 4 Nr. 1 StBerG), ebenso wie die Beratung auf wirtschaftlichem Gebiet.

Auch die einseitige Interessenwahrnehmung, die den Wirtschaftsprüfern außerhalb der Vorbehaltsaufgaben erlaubt ist, unterscheidet sie nicht von Steuerberatern oder Anwaltsnotaren. Sie alle nehmen rechtliche, wirtschaftliche und steuerliche Interessen ihrer Mandanten wahr. Die Grenze zwischen rechtlicher und wirtschaftlicher Beratung ist oft fließend; die wirtschaftliche Beratung muß die rechtlichen Rahmenbedingungen beachten und die Rechtsberatung hat auf die wirtschaftlichen Folgen Bedacht zu nehmen. Mit Rücksicht hierauf ist Steuerberatern und Wirtschaftsprüfern auch die Rechtsberatung erlaubt (§ 4 Abs. 3, § 5 Nr. 2 RBerG). Befürchtete der Gesetzgeber, daß einseitige Interessenwahrnehmung die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Notars in Frage stellte, wäre nicht nur ein Sozietätsverbot, sondern in erster Linie die Einführung des Nur-Notariats geboten. Der Gefährdung kann jedenfalls nicht mit der unterschiedlichen Behandlung von Steuerberatern und Wirtschaftsprüfern begegnet werden. Sie vermag sie daher auch nicht zu rechtfertigen.

b) Auch Stellung und Organisation der Steuerberater und der Wirtschaftsprüfer gleichen sich. Bei beiden ist ausdrücklich geregelt oder anerkannt, daß sie neben der Interessenvertretung eine unabhängige Organstellung in der Rechtspflege einnehmen. Sowohl Steuerberater als auch Wirtschaftsprüfer sind in Kammern zusammengeschlossen, die im Rahmen der ihnen eingeräumten Selbstverwaltung die Einhaltung der beruflichen Pflichten überwachen (§§ 57 ff. WPO; §§ 73 ff. StBerG). Daneben sind sie gleichermaßen einer Berufsgerichtsbarkeit unterworfen (§§ 67 ff. WPO; §§ 89 ff. StBerG). Die sie treffenden Berufspflichten sind überwiegend parallel geregelt und decken sich weitgehend (§§ 43 ff. WPO; §§ 57 ff. StBerG). Angehörigen beider Berufsgruppen ist eine gewerbliche Tätigkeit untersagt (§ 43 a Abs. 3 Nr. 1 WPO; § 57 Abs. 4 Nr. 1 StBerG). Das verbindet sie zusätzlich mit Rechtsanwälten und Notaren, die ebenfalls nicht gewerblich tätig werden dürfen (vgl. § 43 a BRAO; § 8 BNotO).

c) Die verbleibenden Unterschiede, die sich allein aus den Vorbehaltsaufgaben der Wirtschaftsprüfer nach § 2 Abs. 1 WPO oder ihrer spezifischen Berufsstruktur ergeben könnten, rechtfertigen die Ungleichbehandlung nicht.

Solche Unterschiede in der Aufgabenstellung und -wahrnehmung von freiberuflich Tätigen können Unterschiede bei den Sozietätsmöglichkeiten nach sich ziehen. Das hängt davon ab, ob sich aus den durch eine berufliche Verbindung verursachten Wechselwirkungen Unterschiede von solchem Gewicht ergeben, daß der mit dem Sozietätsverbot verfolgte Zweck anderenfalls nur unvollständig erreicht würde.

(1) Im Zusammenhang mit den Vorbehaltsaufgaben sind aber keine spezifischen Rechte oder Pflichten des Wirtschaftsprüfers zu erkennen, die tatsächlich oder dem Anschein nach auf die Unabhängigkeit oder Unparteilichkeit des mit ihm verbundenen Anwaltsnotars Einfluß nähmen. Bei den Vorbehaltsaufgaben ist den Wirtschaftsprüfern die Durchführung betriebswirtschaftlicher Prüfungen, insbesondere solche von Jahresabschlüssen großer Wirtschaftsunternehmen, und die Erteilung von Bestätigungsvermerken über die Vornahme und das Ergebnis solcher Prüfungen unter Führung eines Siegels vorbehalten. Gerade in diesem Bereich unterliegt der Wirtschaftsprüfer aber besonders strengen Anforderungen an seine Unabhängigkeit und Unparteilichkeit. Hat er schon allgemein seinen Beruf unabhängig, gewissenhaft, verschwiegen und eigenverantwortlich auszuüben und sich jeder Tätigkeit zu enthalten, die mit seinem Beruf oder mit dem Ansehen des Berufs unvereinbar ist, so hat er sich nach § 43 Abs. 1 Satz 2 WPO insbesondere bei der Erstattung von Prüfberichten und Gutachten unparteiisch zu verhalten und sich nach § 43 Abs. 2 Satz 2 WPO der besonderen Berufspflichten bewußt zu sein, die ihm aus der Befugnis erwachsen, gesetzlich vorgeschriebene Bestätigungsvermerke zu erteilen. Daraus wird deutlich, daß Wirtschaftsprüfer im öffentlichen Interesse mit einer Verantwortung vor der Öffentlichkeit besondere Aufgaben wahrnehmen, was die Anforderung rechtfertigt, auch außerhalb des Berufs darauf zu achten, sich des ihnen entgegengebrachten Vertrauens würdig zu erweisen (§ 43 Abs. 2 Satz 3 WPO). Solche Gesetzesbindung weist nicht auf ein gegenüber dem Steuerberater überschießendes Gefährdungspotential im Hinblick auf den in derselben Sozietät tätigen Anwaltsnotar hin.

Angesichts der Verpflichtung zu Unabhängigkeit und Unparteilichkeit ähneln sich vielmehr die den Rechtsanwälten jeweils zusätzlich möglichen Berufe des Notars und des Wirtschaftsprüfers. Auch der Notar ist hierzu nach § 14 Abs. 1 BNotO nicht nur bei der Beratung und Beurkundung im Zusammenhang mit Verträgen - wegen möglicher Divergenzen in den Interessen der Vertragspartner - verpflichtet. Die Verpflichtung trifft den Notar gerade auch, wenn er etwa im Zusammenhang mit Testamenten, Schenkungen oder einer Vermögensverwaltung einseitig tätig wird. In eben dieser Weise muß sich auch der Wirtschaftsprüfer im öffentlichen Interesse einer Parteinahme zugunsten seines Mandanten enthalten, wenn er im Bereich der Vorbehaltsaufgaben tätig wird. Der Notar ist Träger eines öffentlichen Amtes (§ 1 Abs. 1 BNotO); auch der Wirtschaftsprüfer, der zwar kein öffentliches Amt bekleidet, ist öffentlich eingebunden, wie seine Bestellung (§ 1 WPO), die Ableistung des Berufseides (§ 17 WPO), das Recht und die Pflicht zur Siegelführung (§ 48 WPO) und die Berufsaufsicht durch die Wirtschaftsprüferkammer zeigen.

Es ist deshalb fernliegend, im Hinblick auf diese besondere Pflichtenbindung des Wirtschaftsprüfers objektive Gefahren für die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Anwaltsnotars oder einen Ansehensverlust zu besorgen. Eine solche Gefahr ist auch in den Stellungnahmen nicht aufgezeigt worden. Anhaltspunkte dafür, daß es für den Anwaltsnotar in der Sozietät mit einem Steuerberater zu anderen und weniger schwerwiegenden Konfliktlagen kommt als bei derjenigen mit einem Wirtschaftsprüfer, sind auch von den Berufsverbänden nicht dargelegt worden.

(2) Wesentliche - das Sozietätsverbot rechtfertigende - Unterschiede zwischen Steuerberatern und Wirtschaftsprüfern sehen die Stellungnahmen allerdings gerade darin, daß die Wirtschaftsprüfer häufig in großen Gesellschaften organisiert sind und auch ihrerseits nur den Anschluß an besonders große Rechtsanwaltskanzleien suchten.

Soweit hierdurch eine Gefährdung des unabhängigen Notariats wegen der Abhängigkeit von wirtschaftlich einflußreichen Mandanten befürchtet wird, wäre eine solche mit Sozietätsverboten nicht behebbar. Sie kann jeden Freiberufler treffen und entsteht durch die wirtschaftliche Macht des die notarielle Dienstleistung nachfragenden Mandanten; sie nimmt nicht ab, wenn dem Auftraggeber ein Nur-Notar, eine kleine Sozietät oder jedenfalls eine Sozietät ohne Wirtschaftsprüfer gegenübersteht.

Ebenso ist die behauptete Gefährdung durch Dauermandate nicht von einer Sozietät zwischen Anwaltsnotaren und Wirtschaftsprüfern abhängig. Wesentliche Unterschiede bestehen zwischen den Berufsgruppen insoweit nicht; denn auch Rechtsanwälte und Steuerberater haben nicht selten langjährige umfassende Mandatsbeziehungen, die gerade bei Großmandaten auch gepflegt werden. Mittelständische Unternehmen wiederum überlassen häufig einem Steuerberater dauerhaft Teilbereiche der Personalverwaltung und wenden sich hinsichtlich aller anfallenden Rechtsfragen und Rechtsstreitigkeiten an nur eine Anwaltskanzlei. Entwicklungen dieser Art sind - soweit erkennbar - nicht davon abhängig, daß den Kanzleien auch Wirtschaftsprüfer angehören.

d) Der vom Bundesgerichthof ergänzend genannte Differenzierungsgrund, daß die Sozietät zwischen Anwaltsnotar und Wirtschaftsprüfer eine unerwünschte Änderung im allgemeinen Rechtsbewußtsein bewirken könnte, kann das Sozietätsverbot ebenfalls nicht tragen.

(1) Es ist schon zweifelhaft, ob im vorliegenden Fall beim Bürger der Eindruck eines umfassenden Dienstleistungsangebots erweckt wird, wenn der als Wirtschaftsprüfer qualifizierte Steuerberater nach außen mit seiner zusätzlichen Berufsqualifikation nicht auftritt und auch die Vorbehaltsaufgaben nicht innerhalb der Sozietät wahrnimmt. Wird die Qualifikation bekannt, was man bei dauerhaften Mandatsbeziehungen unterstellen kann, wäre der Eindruck einer umfassenden Beratung nicht einmal irreführend. Diese wäre unter Hinzuziehung aller Berufsgruppen tatsächlich möglich. Irreführend wäre allein der Eindruck, daß in ein und derselben Angelegenheit beraten und beurkundet werden könnte. Diese Irreführung hängt aber nicht davon ab, ob der Sozietät Wirtschaftsprüfer angehören. Sie beruht schon auf der Doppelstellung des Anwaltsnotars, der durch Mitwirkungsverbote gebunden ist.

(2) Zutreffend ist allerdings, daß sich das Berufsbild des Anwaltsnotars von dem des Nur-Notars durch die Zulassung einer Sozietät mit Wirtschaftsprüfern noch weiter entfernt. Diesem Gesichtspunkt kommt aber kein solches Gewicht zu, daß er die Ungleichbehandlung rechtfertigen könnte.

Die Bundesnotarordnung läßt unterschiedliche Ausgestaltungen des Notarberufs zu. Nach § 3 BNotO stehen das Nur-Notariat und das Anwaltsnotariat als gleichberechtigte Notariatsformen nebeneinander. Daneben gibt es in den Bezirken der Oberlandesgerichte Karlsruhe und Stuttgart noch landesrechtliche Sonderformen (§§ 114, 115 BNotO). Durch die Zulassung überörtlicher Sozietäten im Jahre 1989 (BGHZ 108, 290) haben sich die Berufsbilder des Anwaltsnotars und des Nur-Notars noch weiter voneinander entfernt, weil letztere auf einen engen örtlichen Wirkungskreis beschränkt sind. Da es inzwischen praktisch keine großen überörtlichen Sozietäten mehr gibt, denen nicht auch Anwaltsnotare angehören, hat diese Berufsform in gewisser Weise auch Eingang in die Bundesländer gefunden, in denen das Nur-Notariat gilt, obwohl auch der Anwaltsnotar Beurkundungen weiterhin nur im eigenen Amtsbereich vornehmen darf (§ 10 a Abs. 2 BNotO).

Zwar ist den Berufsbildern des Notars, dem des Nur-Notars und dem des Anwaltsnotars, die Ausübung eines öffentlichen Amtes gemeinsam (§ 1 BNotO). In Anbetracht der unterschiedlichen gesetzlichen und tatsächlichen Ausgestaltungen des Notarberufs ist es aber darüber hinaus kaum möglich, von einem einheitlichen Berufsbild des Notars auszugehen. Dies bedarf aber keiner Vertiefung. Jedenfalls kann die Beurteilung des beruflich zulässigen Verhaltens sich nicht allein am Berufsbild des Nur-Notars orientieren, wenn das Anwaltsnotariat als eine von der Bundesnotarordnung zugelassene Form des Notarberufs Besonderheiten nach sich zieht. Zu diesen Besonderheiten gehören insbesondere die Möglichkeiten, sich mit Angehörigen anderer (freier) Berufe zur gemeinsamen Berufsausübung zu verbinden.

e) Sonstige Gründe, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer hinsichtlich der Sozietätsfähigkeit mit Anwaltsnotaren unterschiedlich zu behandeln, ergeben sich auch nicht aus den von den Berufsverbänden offengelegten Mißbrauchs- und Umgehungsmöglichkeiten oder dem von den Justizverwaltungen eingeräumten Vollzugsdefizit bei der Notaraufsicht.

(1) Die vom Deutschen Notarverein und von der Bundesnotarkammer aufgeführten Möglichkeiten, die gesetzlichen Mitwirkungsverbote nach § 3 Abs. 1 Nr. 5 BeurkG, § 16 BNotO und § 45 Abs. 3 in Verbindung mit § 45 Abs. 2 Nr. 2 BRAO zu umgehen, hängen nicht davon ab, ob ein Sozius nur Steuerberater oder ob er auch Wirtschaftsprüfer ist. Die Erfahrungen wurden vielmehr mit den bisher bestehenden Sozietäten gewonnen. Es ist nicht einsichtig, warum diese Defizite nicht etwa durch verschärfte Mitwirkungsverbote, sondern allein durch das hier angegriffene Sozietätsverbot behoben werden könnten (so aber die genannten Berufsverbände: vgl. BTDrucks 13/4184, S. 36 ff. und die Stellungnahme der Bundesnotarkammer hier im Verfahren). An den beschriebenen Mißständen würde sich bei Beibehaltung der bisherigen Rechtslage nichts ändern.

(2) Die Dienstaufsicht über die Notare (§§ 92 ff. BNotO) wird durch die Öffnung der Sozietäten für Wirtschaftsprüfer nicht erheblich erschwert.

Zwar nimmt die Anzahl der Personen, mit denen sich Anwaltsnotare zur gemeinsamen Berufsausübung verbinden können, um den Anteil der Steuerberater zu, die anderenfalls die Sozietät zugunsten der Wirtschaftsprüfertätigkeit aufgäben. Ein rein zahlenmäßiger Vergleich greift aber zu kurz. Denn jede Aufsicht wird durch die Offenlegung von Verflechtungen erleichtert. Das gilt nicht nur für die Aufsicht über die Notare, sondern gleichermaßen für die berufsrechtliche Kontrolle der Wirtschaftsprüfer. Eine solche Berufsaufsicht wird aber durch die von den Beschwerdeführern installierten und in Großkanzleien zur Vermeidung des Parteiverrats (§ 356 StGB) auch notwendigen Computerprogramme zur Prüfung von Kollisionen eher verbessert. Ohnedies erschließt sich aus den Stellungnahmen nicht, inwiefern die feste Kooperation zwischen Notaren und Wirtschaftsprüfern, die üblich ist und sich der Kenntnis der Dienstaufsicht entzieht, die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Notars weniger gefährdet als eine Sozietät.

III.

Die beanstandete Entscheidung des Bundesgerichtshofs wird aufgehoben. Damit erübrigt sich eine Aufhebung der Bescheide des Präsidenten des Landgerichts Berlin, die bereits vom Kammergericht aufgehoben worden sind. Solange der Gesetzgeber keine weitere Regelung zur Sicherung der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Notars getroffen hat, kann die Rechtsprechung ein Verbot der Sozietätsbildung von Anwaltsnotaren mit Wirtschaftsprüfern nicht aufrecht erhalten. Welche Wege der Gesetzgeber dabei einschlägt, ist ihm überlassen. Hält er Sozietätsverbote für das geeignete Mittel, so ist ihm deren Einführung grundsätzlich nicht verwehrt, wenn er die verschiedenen Berufsgruppen und Berufsqualifikationen gleichheitsgemäß behandelt.

C.

Die Entscheidung ist zu Abschnitt B I mit 8:0 Stimmen und zu Abschnitt B II mit 7:1 Stimmen ergangen.






BVerfG:
Beschluss v. 08.04.1998
Az: 1 BvR 1773/96


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/d09cf00219f5/BVerfG_Beschluss_vom_8-April-1998_Az_1-BvR-1773-96




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