Landgericht Kiel:
Urteil vom 26. Mai 2009
Aktenzeichen: 16 O 40/09

(LG Kiel: Urteil v. 26.05.2009, Az.: 16 O 40/09)

Tenor

Die einstweilige Verfügung vom 08. April 2009 wird aufgehoben.

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wird zurückgewiesen.

Der Verfügungskläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Verfügungskläger kann die Zwangsvollstreckung durch die Verfügungsbeklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht diese vor Vollstreckung Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.

Tatbestand

Der Verfügungskläger (im Folgenden Kläger) hat gegen die Verfügungsbeklagte (im Folgenden Beklagte) am 08. April 2009 eine einstweilige Verfügung des aus Blatt 23 - 30 d.A. ersichtlichen Inhalts erwirkt.

Hiergegen hat die Beklagte Widerspruch eingelegt. Sie rügt, der Kläger sei nicht aktivlegitimiert für die hier geltend gemachten wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsansprüche und diese seien auch in materiellrechtlicher Hinsicht nicht gegeben.

Im Einzelnen:

Der Kläger behauptet, er sei ein rechtsfähiger Verband zur Förderung gewerblicher und/oder selbstständiger beruflicher Interessen. Ihm gehörten eine erhebliche Zahl von Unternehmen oder Unternehmern an, die im Verhältnis zur Beklagten Dienstleistungen gleicher oder verwandter Art auf dem selben Markt vertrieben. Er sei nach seiner personellen, sachlichen und finanziellen Ausstattung imstande, seine satzungsmäßigen Aufgaben der Verfolgung gewerblicher und/oder selbständiger beruflicher Interessen tatsächlich wahrzunehmen. Der hier gerügte, seiner Annahme zufolge wettbewerbs-rechtlich relevante Verstoß berühre auch die Interessen seiner Mitglieder.

Der Kläger hat zur Glaubhaftmachung den Vereinsregisterauszug AG K. VR ... als Anlage Ast 1 sowie seine Satzung als Anlage Ast 2 vorgelegt. Darauf wird Bezug genommen.

Was die Mitgliederzahl anbelangt, hatte er sich in der Antragsbegründung auf acht Unternehmen bzw. Verbände bezogen:

Z. e. sei dies eine Bet 3000 AG aus München, die mit rund 250 Filialen einer der führenden Anbieter von Pferde- und Sportwetten in Deutschland und zudem in diversen Töchtergesellschaften auch im Ausland tätig sei. Zur Gruppe gehöre auch ein Sportwetten-Portal im Internet. Bet 3000 AG sei über eine Tochtergesellschaft im Besitz von einer von fünfzehn aktiven Sportwettenlizenzen in Gibraltar.

Z.a. sei die Faber Lotto-Service GmbH in Bochum sein Mitglied, welche seit über 25 Jahren erfolgreich im Bereich Lotto als Partner stattlicher Lottogesellschaften tätig sei.

Sodann handele es sich um die G. GmbH, Stuttgart, die als gewerblicher Spielevermittler potentiell bundesweit tätig sei und in einer Vielzahl von Bundesländern über die notwendige Genehmigung verfüge.

Die JA... GmbH Hamburg sei als Tochterunternehmen der JA... AG im Deutschen Glückspielmarkt aktiv. Deren Online-Angebot richte sich in erster Linie an Pferdewetter.

Die JA... UK Limited London sei als Tochterunternehmen der JA... AG für den Europäischen Glücksspielmarkt zuständig. Über deren Internetportal würden verschiedene Lotterien, Sport- und Pferdewetten sowie Casino- und Pokerspiele angeboten.

Die Lotto K. GmbH Halle vermittle staatlich lizenzierte und garantierte Glücksspiel-produkte.

Die M. Media- und Marketing GmbH befasse sich mit verschiedenen Marketing-maßnahmen, insbesondere zur Gewinnung von Dauerschuldverhältnissen mit Endkunden für verschiedene Produkte. In diesem Zusammenhang betreue und berate M. auch Unternehmen aus dem Glücksspielwesen.

Ferner sei der Fachverband der Lotterieeinnehmer der Nordwestdeutschen Klassenlotterie e.V., Berlin, Mitglied des Klägers. Er habe seinerseits ihn, den Kläger durch seinen Beitritt mit der Wahrnehmung seiner gewerblichen Interessen beauftragt, was sich aus einem Bestätigungsvermerk des Fachverbandes Anlage Ast 3 ergebe. Neun seiner 57 Mitglieder hätten ihren Sitz in Schleswig-Holstein.

Seine vorgenannten Mitglieder erzielten 2008 einen Jahresumsatz von über 600 Millionen Euro. Zum weiteren Beleg hat sich der Kläger auf die eidesstattliche Versicherung seines Vorsitzenden (Anlage Ast 4) bezogen.

Nachdem die Beklagte u.a. die Antragsbefugnis des Klägers bestritten hatte, wie sich dies im Einzelnen aus dem Schriftsatz vom 22. April 2009 Seite 3 - 7 (Blatt 41 - 45) ergibt, hat der Kläger mit Schriftsatz vom 04. Mai 2009 (Blatt 64 ff.) seinen hierauf bezogenen Sachvortrag ergänzt und erweitert und im Termin weitere eidesstattliche Versicherungen mit dem Ziel der Glaubhaftmachung eingereicht. Insoweit wird auf die Anlagen Ast 13 ff. (Blatt 89 - 101) und Bl. 102 f. verwiesen.

Der Kläger behauptet, ihm sei am 03.04.2009 mitgeteilt und bekannt geworden, dass die Beklagte an jenem Tage in Tageszeitungen in Schleswig-Holstein wie etwa den Lübecker Nachrichten für €Lotto 6 aus 49€ und €Glücksspirale€ durch beigelegte Spielscheine (Anlage Ast 0 a) geworben habe.

Er sieht in der Gestaltung der Spielscheine und darüber hinaus auch im Internetauftritt der Beklagten wie dargestellt in der Anlage Ast 0 b Verstöße gegen die §§ 1, 5 und 7 des Glücksspielstaatsvertrags (GlüStV), wodurch die Beklagte Bestimmungen des UWG verletzt habe, so dass die einstweilige Verfügung zu Recht erlassen worden sei.

Für Einzelheiten wird auf den Antragsschriftsatz sowie den Schriftsatz vom 04. Mai 2009 Bezug genommen.

Der Kläger beantragt,

die einstweilige Verfügung vom 08. April 2009 zu bestätigen und der Beklagten auch die weiteren Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen.

Die Beklagte beantragt,

die einstweilige Verfügung vom 08. April 2009 aufzuheben und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.

Sie rügt die nicht hinreichend vorgetragene und belegte Aktivlegitimation und verneint einen Unterlassungsanspruch auch hinsichtlich der materiell-rechtlichen Voraussetzungen, wie sich dies aus ihrer Widerspruchsbegründung vom 22. April 2009 (Blatt 39 ff) ergibt.

Gründe

Die einstweilige Verfügung vom 08. April 2009 war auf den Widerspruch der Beklagten unter Zurückweisung des Verfügungsantrags aufzuheben. Denn der Kläger hat seine Aktivlegitimation nicht dargelegt.

Gem. § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG stehen die in § 8 Abs. 1 UWG genannten Unterlassungs-ansprüche rechtsfähigen Verbänden zur Förderung gewerblicher oder selbstständiger beruflicher Interessen zu, soweit ihnen eine erhebliche Zahl von Unternehmern angehört, die Waren oder Dienstleistungen gleicher oder verwandter Art auf demselben Markt vertreiben. Darüber hinaus müssen derartige rechtsfähige Verbände weitere im Gesetz im Einzelnen dargestellte Voraussetzungen erfüllen.

Ob letztere im Falle des Klägers gegeben sind, kann hier unerörtert bleiben, weil er schon nicht hinreichend dargelegt und glaubhaft gemacht hat, dass ihm tatsächlich eine erhebliche Zahl von Mitgliedern angehört, die auf dem betreffenden, nämlich auch räumlich maßgeblichen Markt der Beklagten tätig und durch eine - hier zugunsten des Klägers unterstellt wettbewerbswidrige - Maßnahme betroffen sind.

Grundsätzlich ist anerkannt (vgl. die Darstellung bei Köhler in Hefermehl/Köhler/ Bornkamm, UWG, 27. Aufl., § 8 Rn. 3.42), dass keine Mindestanzahl von Mitgliedern erforderlich ist, sondern es sich um eine rechtliche Wertung handelt, bei der unter anderem zu berücksichtigen ist, wie viele Unternehmen auf dem relevanten Markt tätig sind. Daher reicht es für die Aktivlegitimation aus, wenn Unternehmer aus dem Kreis der Mitbewerber nach Anzahl und/oder Größe, Marktbedeutung oder wirtschaftlichem Gewicht in der Weise repräsentativ vertreten sind, dass ein missbräuchliches Vorgehen des Verbandes ausgeschlossen werden kann.

Unter Beachtung dieser Grundsätze verneint die Kammer eine hinreichende Anzahl von Mitgliedern des Klägers.

Die Beklagte ist aufgrund des Regionalitätsprinzips lediglich im Lande Schleswig-Holstein tätig, was bedeutet, dass der Kläger zum Beleg seiner Antragsbefugnis substantiiert darzulegen und glaubhaft zu machen hatte, dass eine erhebliche Zahl von Mitgliedern auf diesem regional umgrenzten Markt der Glücksspielangebote aktiv tätig sind, was die Beklagte überwiegend in Abrede gestellt hatte.

Es mag sein, dass die Bet 3000 AG 250 Filialen in Deutschland unterhält. Ob und wie viele sich davon in Schleswig-Holstein betätigen, ist nicht klar. Selbst wenn zugunsten des Klägers unterstellt wird, dass Bürger des Landes Schleswig-Holstein Dienste der in München ansässigen Bet 3000 AG in Anspruch nehmen, wäre diese Gesellschaft auch nur ein Mitglied, das für allein genommen noch nicht Voraussetzung des Gesetzes - eine erhebliche Zahl von Mitgliedsunternehmen - erfüllt. Denn die Anzahl der Filialen ist damit nicht gemeint, sondern das Unternehmen als juristische Person.

Was die Faber Lotto Service GmbH anlangt, ist unstreitig, dass diese keine in Schleswig-Holstein akquirierten Spielaufträge bei der Beklagten einspielt, wie es das im GlüStV festgelegte und vom Bundesverfassungsgericht durch Beschluss vom 24.10.2008 (1 BvR 928/08) bestätigte Regionalitätsprinzip verlangt.

Das gilt unstreitig ferner für die Firma G. GmbH, hinsichtlich derer der Kläger zudem nicht dargelegt hat, dass sie überhaupt in Schleswig-Holstein tätig ist.

Auch dass die JA... GmbH, Hamburg, sowie die JA... UK Ltd. aktiv Geschäfte in Schleswig-Holstein betreiben, behauptet der Kläger nicht.

Was die Lotto K. GmbH, Halle, anlangt, hatte die Beklagte glaubhaft gemacht, was der Kläger auch nicht in Abrede gestellt hat, dass diese ihr Internet-Angebot eingestellt hat, nachdem durch den GlüStV (vergl. § 4 Abs. 4) die Veranstaltung und Vermittlung öffentlicher Glücksspiele im Internet verboten wurde.

Ob diese Bestimmung - wie überhaupt der GlüStV insgesamt - europarechtswidrig ist, was in der Literatur vertreten wird, musste hier nicht entschieden werden, nachdem das Bundesverfassungsgericht zumindest seine Verfassungsgemäßheit bejaht hat.

Die M. Media- und Marketing GmbH stellt schon keinen auf dem relevanten sachlichen Markt tätigen Mitbewerber der Beklagten dar, weil sie sich unstreitig mit verschiedenen Marketingmaßnahmen befasst, damit nicht im Glücksspielmarkt aktiv ist, sondern lediglich Kunden betreut, die sich auf diesem Gebiet betätigen. Das reicht nicht aus.

Die Kammer hält auch die nach der Behauptung der Klägerin in Schleswig-Holstein ansässigen neun Mitglieder des Fachverbandes der Lotterieeinnehmer der Nordwestdeutschen Klassenlotterie e.V. Berlin für keine hinreichende, da erhebliche Zahl von Mitgliedern, zumal zum Umfang der auf diese entfallenden Umsätze und damit ihre Marktbedeutung vom Kläger nichts vorgetragen wurde.

Was die weiteren im Termin zur Glaubhaftmachung eingereichten eidesstattlichen Versicherungen betrifft, hinsichtlich derer die Beklagte gerügt hatte, sie lägen ihr nur unvollständig vor, gilt ungeachtet dessen das Folgende:

Die Firma k. GmbH (Anlage Ast 15) soll zwar ausweislich der eidesstattlichen Versicherung ihres Geschäftsführers Mitglied beim Kläger sein. Auch hierbei handelt es sich aber nicht um einen sachlich relevanten Mitbewerber, sondern diese Gesellschaft entwickelt für gewerbliche Spielevermittler PR-Konzepte. Das reicht aus den im Zusammenhang mit der Firma M. dargestellten Gründen nicht aus.

Der Geschäftsführer ... der Braun Lotto-System-Service GmbH (Anlage Ast 19) hat in seiner eidesstattlichen Versicherung lediglich dargestellt, er sei Partner €zahlreicher staatlicher Lottogesellschaften€. Ob dies auch für die Beklagte gilt, ist offen, wird vom Kläger jedenfalls nicht behauptet. Auch diese Firma scheidet daher als für die Beurteilung der Aktivlegitimation wesentliches Mitglied aus.

Entsprechendes wurde oben bereits im Zusammenhang mit der Firma G. GmbH dargestellt, aus deren eidesstattlicher Versicherung Anlage Ast 21 sich nichts Abweichendes ergibt.

Die eidesstattlichen Versicherungen der Herren CC und DD, die diese für den Deutschen Buchmacherverband Essen e.V. abgegeben haben (Anlagen Ast 26 und Ast 27) ergeben nicht, dass Buchmacher auf dem Gebiet des Landes Schleswig-Holstein, also im ausschließlichen Betätigungsbereich des Beklagten, geschäftlich tätig sind. Eine diesbezügliche Behauptung wird auch vom Kläger nicht aufgestellt.

Unsubstantiiert ist ferner dessen Behauptung und die zum Beleg in Bezug genommene eidesstattliche Versicherung eines EE (Anlage Ast 29), welcher erklärt hat, er sei Präsident (Vorstand) des Verband Europäischer Wettunternehmer a.s.b.l., der offenbar im Ausland ansässig ist und dem angeblich eine Vielzahl privater Europäischer Wettunternehmer angehören. Das ist unzulänglich, um eine sachliche und örtliche Relevanz zu belegen.

Es mag sein, dass mit der eidesstattlichen Versicherung eines FF für eine Lotto-Team Fonds B.V. aus den Niederlanden belegt ist, Glücksspieler aus Schleswig-Holstein könnten dort an Gewinnspielen teilnehmen.

Diese Gesellschaft wäre dann aber lediglich neben der Bet 3000 AG und den neun Lotterieeinnehmern der Nordwestdeutschen Klassenlotterie ein weiterer Mitbewerber.

Was die Tipp 24 AG anlangt, ergibt sich aus der eidesstattlichen Versicherung Blatt 103 d.A., dass diese im Bereich der gewerblichen Lottovermittlung im Internet tätig gewesen sei. Wie oben bereits ausgeführt, wurde, untersagt § 4 Abs. 4 GlüStV derartige Aktivitäten. Es mag auch wohl sein, dass die Tipp 24 AG z.Zt. in allen Bundesländern Verwaltungsstreitigkeiten gegen den GlüStV führt. Das ändert indessen nichts daran, dass vor Feststellung der Verfassungs- oder Europarechtswidrigkeit des GlüStV die Veranstaltung von Glücksspielen im Internet untersagt ist, so dass auch Tipp 24 AG als relevanter Mitbewerber ausscheidet.

Fehlt dem Kläger damit bereits die nachzuweisende Aktivlegitimation, so war die einstweilige Verfügung unter Zurückweisung des Verfügungsantrags mit der Kostenfolge aus § 91 ZPO aufzuheben.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 6 und 711 ZPO.






LG Kiel:
Urteil v. 26.05.2009
Az: 16 O 40/09


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