Bundespatentgericht:
Beschluss vom 4. April 2005
Aktenzeichen: 9 W (pat) 308/03

(BPatG: Beschluss v. 04.04.2005, Az.: 9 W (pat) 308/03)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Das Bundespatentgericht hat in dem besagten Beschluss entschieden, das Patent für eine Antriebsvorrichtung für Kraftfahrzeugschiebedächer aufrechtzuerhalten. Ein Unternehmen hatte Einspruch gegen das Patent eingereicht und argumentiert, dass die Erfindung keine erfinderische Tätigkeit darstellt und gegen den Stand der Technik verstößt. Das Gericht entschied jedoch, dass das Patent gültig ist, da die Antriebsvorrichtung neu und erfinderisch ist. Es wurde festgestellt, dass das Patent eine Lösung für das Problem der gleichmäßigen und geräuscharmen Verschiebebewegungen der Antriebskabel bei Kraftfahrzeugschiebedächern bietet. Das Gericht wies darauf hin, dass es keine ähnlichen Vorrichtungen gibt, die alle Merkmale des Patentanspruchs aufweisen. Es wurde auch festgestellt, dass die Erweiterungen des Patentschutzes in den rückwärtsbezogenen Unteransprüchen ebenfalls patentfähig sind. Insgesamt bleibt das Patent also bestehen.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

BPatG: Beschluss v. 04.04.2005, Az: 9 W (pat) 308/03


Tenor

Das Patent wird aufrechterhalten.

Gründe

I.

Gegen das am 30. November 2000 angemeldete und am 10. Oktober 2002 veröffentlichte Patent mit der Bezeichnung

"Antriebsvorrichtung für Kraftfahrzeugschiebedächer"

ist von der W... AG Einspruch erhoben worden.

Zur Begründung ihres Einspruchs verweist die Einsprechende auf folgende Druckschriften:

- DE 195 31 514 C1 (E1) - DE 39 10 263 C2 (E2)

- DE-PS 1 246 434 (E3) - DE-OS 1 555 536 (E4)

Die Einsprechende ist der Auffassung, der Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 1 beruhe gegenüber dem Stand der Technik nach der DE 195 31 514 C1 und der DE 39 10 263 C2 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit. Die Patentansprüche 2 bis 14 kennzeichneten für den Fachmann naheliegende Maßnahmen.

Die Einsprechende stellt den Antrag, das Patent zu widerrufen.

Die Patentinhaberin stellt den Antrag, das Patent aufrechtzuerhalten.

Sie ist der Meinung, der Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 1 sei gegenüber dem in Betracht gezogenen Stand der Technik patentfähig.

Der erteilte Patentanspruch 1 lautet:

" Antriebsvorrichtung für Kraftfahrzeugschiebedächer, mit einem Zahnritzel (10), das in beiden Drehrichtungen antreibbar ist, und zwei flexiblen jeweils mit einer schraubenlinienförmigen Draht-Arbeitswicklung (22) versehenen Antriebskabeln (6), die gegenüberliegend in zueinander parallelen Führungskanälen (7) drucksteif verschiebbar geführt sind, wobei das Zahnritzel (10) zur Umsetzung seiner Drehbewegungen in gegenläufige Verschiebebewegungen der beiden Antriebskabel (6) zwischen diesen angeordnet ist, dadurch gekennzeichnet, dass zwischen dem Zahnritzel (10) und den beiden Antriebskabeln (6) ein endloser, flexibler und zugfester Zahnriemen (18, 18') angeordnet ist, welcher an seiner Innenseite mit einer der Verzahnung (19) des Zahnritzels (10) komplementären Innenverzahnung (20) und an seiner Außenseite mit einer den schraubenlinienförmigen Arbeitswicklungen (22) der Antriebskabel (6) komplementären Außenverzahnung (21, 21') versehen ist, dass der Zahnriemen (18, 18') das Zahnritzel (10) partiell umschlingt und seine Innenverzahnung (20) im Umschlingungsbereich ständig mit der Verzahnung (19) des Zahnritzels (10) kraftschlüssig in Eingriff gehalten ist und dass der Zahnriemen (18, 18') an gegenüberliegenden Streckenabschnitten parallel zu den Antriebskabeln (6) geführt und seine Außenverzahnung (21, 21') an diesen Streckenabschnitten ständig mit den Arbeitswicklungen (22) der Antriebskabel (6) kraftschlüssig in Eingriff gehalten ist."

Rückbezogene Patentansprüche 2 bis 14 sind dem Patentanspruch 1 nachgeordnet.

Im Prüfungsverfahren sind noch folgende Druckschriften in Betracht gezogen worden:

- DE 38 03 816 A1

- DE 38 09 949 A1 II.

Die Zuständigkeit des Bundespatentgerichts ist durch PatG §147 Abs.3 Satz 1 begründet.

Der Einspruch ist zulässig. Er hat aber keinen Erfolg.

1. Die geltenden Patentansprüche 1 bis 14 sind zulässig.

Das Patentbegehren ist der Patentschrift zu entnehmen und in den ursprünglichen Unterlagen offenbart.

Die erteilten Patentansprüche 1 bis 14 stimmen mit den ursprünglichen Patentansprüchen 1 bis 14 überein.

2. Das Patent betrifft eine Antriebsvorrichtung für Kraftfahrzeugschiebedächer.

Im Oberbegriff des Patentanspruchs 1 ist der Stand der Technik nach der DE 195 31 514 C1 berücksichtigt.

In der Beschreibungseinleitung ist sinngemäß ausgeführt, dass bei bekannten Antriebsvorrichtungen dieser Art das Zahnritzel mit seiner Verzahnung unmittelbar in die Arbeitswicklungen der Antriebskabel nach Art eines Zahnstangenantriebs eingreife. Wegen des kreisförmigen Querschnittsumfangs der Draht-Arbeitswicklungen und den unvermeidbaren Maßtoleranzen an den Antriebskabeln, dem Zahnritzel und den Führungselementen für die Antriebskabel lasse sich eine ideale Zahnform am Zahnritzel, die einem normalen optimierten Zahngetriebe entsprechen würde, nicht realisieren. Außerdem lasse sich nicht sicherstellen, dass immer mindestens ein Zahn des Zahnritzels mit jedem Antriebskabel in Eingriff ist, woraus ein ruckartiger, ungleichförmiger Vorschub der Antriebskabel resultiere. Dabei ändere sich der Wirkkreis des Zahnritzels durch Bewegungsspiel des Zahneingriffs, auch aufgrund von Ausweichbewegungen der Antriebskabel, wodurch auf die Rahmenstruktur des Schiebedachs und damit auf das Fahrzeugdach selbst übertragbare Schwingungsanregungen entstehen könnten. Im Ergebnis könne es zu einer als störend empfundenen Geräuschbildung bei Stell- und Antriebsbewegungen des Schiebedachs kommen, insbesondere dann, wenn das Zahnritzel durch einen Elektromotor angetrieben sei.

Das dem Patent zugrundeliegende und mit der Aufgabe formulierte technische Problem besteht daher darin, eine Antriebsvorrichtung der im Oberbegriff des Patentanspruchs 1 berücksichtigten Art bereitzustellen, mit welcher gleichförmige und geräuscharme Verschiebebewegungen der beiden Antriebskabel ohne Schwingungsanregungen ermöglicht werden.

Dieses Problem wird durch die Antriebsvorrichtung für Kraftfahrzeugschiebedächer mit den in Patentanspruch 1 angegebenen Merkmalen gelöst.

3. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 ist patentfähig.

a) Die ohne Zweifel gewerblich anwendbare Antriebsvorrichtung nach dem Patentanspruch 1 ist neu.

Denn aus keiner der in Betracht gezogenen Druckschriften ist eine Antriebsvorrichtung für Kraftfahrzeugschiebedächer mit allen im Patentanspruch 1 angegebenen Merkmalen bekannt. Insbesondere weist keine der Antriebsvorrichtungen einen flexiblen Zahnriemen zwischen einem antreibenden Zahnritzel und zwei in Führungskanälen drucksteif verschiebbar geführten flexiblen Antriebskabeln auf.

Die Einsprechende hat die Neuheit auch nicht bestritten.

b) Die Lehre nach dem Patentanspruch 1 beruht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Als Durchschnittsfachmann nimmt der Senat einen Ingenieur der Fachrichtung Maschinenbau an, der bei einem Kfz-Hersteller/-Zulieferer mit der Konstruktion von Schiebedächern befasst ist und über mehrjährige Berufserfahrung verfügt.

Eine Antriebsvorrichtung für Kraftfahrzeugschiebedächer mit den Merkmalen nach dem Oberbegriff des erteilten Patentanspruchs 1 geht unbestritten aus der DE 195 31 514 C1 hervor. Ein in beiden Drehrichtungen antreibbares Zahnritzel 20 (Spalte 3, Zeilen 63-67) ist zur Umsetzung seiner Drehbewegungen in gegenläufige Verschiebebewegungen zweier Antriebskabel 8, 9 zwischen diesen angeordnet (Figur 10). Die Antriebskabel sind flexibel und jeweils mit einer schraubenlinienförmigen Arbeitswicklung versehen. Sie sind gegenüberliegend in zueinander parallelen Führungskanälen drucksteif verschiebbar geführt (Spalte 3, Zeilen 10-17; Spalte 5, Zeilen 45-52; Figuren 1, 10, Pos. 6, 7).

Insoweit ist die Ausgestaltung nach dem erteilten Patentanspruch 1 Stand der Technik.

Will der Fachmann eine derartige Antriebsvorrichtung im Hinblick auf Geräusch- und Schwingungsreduzierung (vgl. o.g. Aufgabe) weiterbilden, so mag er Veranlassung haben, den Antriebseingriff der Paarung Zahnritzel/Antriebskabel zu verbessern. Denn er erkennt diese Kraftübertragungspaarung als wegen der geometrisch nicht optimal aneinander anpassbaren Gestalt der miteinander in Eingriff gelangenden Abschnitte der zusammenwirkenden Getriebeglieder (Ritzelzähne/Arbeitswicklung) besonders sensibel gegenüber maßlichen Ungenauigkeiten. Aus dieser Erkenntnis heraus mag sich die Anregung ergeben, auf dem übergeordneten allgemeinen Gebiet der Getriebe (F16H) nach Lösungsmöglichkeiten zu suchen. Dort ist die DE 39 10 263 C2 zu finden, die verschiedene Ausführungen von Koppelgliedern zwischen drehend und linear bewegten Bauteilen zeigt. Bei allen diesen Ausführungen besteht das Koppelglied aus einer endlosen, elastisch verformbaren, steifgesetzten Kette. Diese Kette kann eine doppelseitige Verzahnung aufweisen und auch durch einen zwecks Gliederbildung mit Einschnitten versehenen, durch Form der Einschnitte steifgesetzten Zahnriemen gebildet sein (Figur 5a, rechte Hälfte). Gemäß einem speziellen Anwendungsfall ist die Kette mit ihrer verzahnten Innenseite über eine mit einer komplementären Verzahnung versehene angetriebene Umlenkrolle 4 geführt. An den Außenseiten der zwischen den Umlenkungen gegenüberliegenden Kettentrume steht die Kette jeweils mit einer Zahnstange 1, 2 in Zahneingriff. Dabei wird die Antriebskraft von der Umlenkrolle über die steifgesetzte Kette auf die Zahnstangen übertragen oder umgekehrt (Figur 14).

Die Einsprechende ist der Meinung, bei einer Übertragung dieser Art von Kopplung auf eine gattungsgemäße Antriebsvorrichtung für Kraftfahrzeugschiebedächer habe der Fachmann ohne erfinderisches Zutun zum Gegenstand des erteilten Patentanspruches 1 kommen können.

Dieser Auffassung folgt der Senat nicht. Zur Übertragung der Antriebskräfte sind nämlich nach Figur 14 der DE 39 10 263 C2 Getriebeglieder verwendet, die entweder schon von Hause aus starr (Ritzel, Zahnstange) oder durch besondere Maßnahmen bewusst versteift (steifgesetzte Kette) sind. Dabei ist die Kette zwar an sich flexibel, jedoch durch spezielle Gestaltungsmaßnahmen so steifgesetzt, dass keine Bewegungsmöglichkeit zum Ausweichen aus dem Zahneingriff mit der Zahnstange besteht. Sie ist demnach als starres Bauteil im Hinblick auf die Paarung Kette/Zahnstange zu betrachten auf den den Antriebskabeln abgewandten Seiten. Der Fachmann kann daraus somit nur die Lehre entnehmen, zur störungsfreien Übertragung der Antriebskräfte nur solche Getriebeglieder miteinander in Eingriff zu bringen, die in ihrer gegenseitigen Andruckrichtung starr sind bzw. sich starr verhalten. Die DE 39 10 263 C2 führt demnach von der durch den erteilten Patentanspruch 1 gekennzeichneten Bauform weg, denn bei dieser wird die Antriebskraft im Gegensatz zu der nach der DE 39 10 263 C2 über eine Paarung zweier flexibler Bauteile übertragen, nämlich über den Zahnriemen und das flexible Antriebskabel. Zwar ist dieses in einem Führungskanal drucksteif geführt, muss allerdings zur leichtgängigen Längsbewegung Spiel zu der Führungskanalwandung (vgl. DE 195 31 514 C1, Spalte 3, Zeilen 45-62) und also eine Bewegungsmöglichkeit in zum Zahnriementrum senkrechter Richtung haben (Vibration). Auch die Führung des Zahnriemens an seinen parallel zu den Antriebskabeln verlaufenden Trumen auf den den Antriebskabeln abgewandten Seiten zum kraftschlüssigen Eingriff mit den Antriebskabeln kann den Effekt der Flexibilität dieser Antriebspaarung nicht aufheben. Um also eine solche Antriebspaarung zu verwenden, musste der Fachmann sich von der Lehre der starren Antriebselemente nach der DE 39 10 263 C2 abwenden.

Auch die übrigen Entgegenhaltungen können die beanspruchte Ausgestaltung nicht nahelegen.

Zwar kommen auch bei Antriebsvorrichtungen für Kraftfahrzeugschiebedächer Zahnriemen als antriebsübertragende Getriebeglieder zur Anwendung, wie die Einsprechende ausführt (DE-PS 1 246 434, DE-OS 1 555 536), jedoch sind diese nicht als Koppelglied zwischen Zahnritzel und Antriebskabel für das Schiebedach angeordnet.

Die beiden übrigen Druckschriften DE 38 03 816 A1 und DE 38 09 949 A1 gehen in Bezug auf den Gegenstand vorliegender Anmeldung über den Stand der Technik nach der DE 195 31 514 C1 nicht hinaus.

Mit der Antriebsvorrichtung nach dem Patentanspruch 1 sind auch die Gegenstände der rückbezogenen Unteransprüche patentfähig, die vorteilhafte Weiterbildungen der Antriebsvorrichtung nach dem Patentanspruch 1 betreffen und zumindest keine Selbstverständlichkeiten darstellen.

Petzold Richter Dr.Fuchs-Wissemann ist urlaubsbedingt an der Unterschrift verhindert.

Petzold Küstner Reinhardt Bb






BPatG:
Beschluss v. 04.04.2005
Az: 9 W (pat) 308/03


Link zum Urteil:
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