Finanzgericht Baden-Württemberg:
Urteil vom 11. Mai 2011
Aktenzeichen: 14 K 4038/08

(FG Baden-Württemberg: Urteil v. 11.05.2011, Az.: 14 K 4038/08)

Tenor

1. Der Umsatzsteuerbescheid für 2001 vom 6. März 2007 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 13. August 2008 wird dahingehend geändert, dass die Umsatzsteuer 2001 in Höhe von xxx DM (= xxx EUR) festgesetzt wird. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger zu 70% und der Beklagte zu 30%.

3. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren wird für notwendig erklärt.

4. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Ermöglicht der noch zu erlassende Kostenfestsetzungsbeschluss eine Vollstreckung im Wert von mehr als 1.500,- EUR, hat der Kläger in Höhe des vollstreckbaren Kostenerstattungsanspruchs Sicherheit zu leisten. Liegt der vollstreckbare Kostenerstattungsanspruch im Wert bei 1.500,- EUR oder darunter, ist das Urteil hinsichtlich der Kosten ohne Sicherheitsleistung vollstreckbar. In diesem Fall kann der Beklagte der Vollstreckung widersprechen, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung in Höhe des vollstreckbaren Kostenerstattungsanspruchs Sicherheit leistet.

5. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger ist Heilpraktiker für Körperpsychotherapie und Tantralehrer. Das Gesundheitsamt erteilte ihm am xx.xx.19xx die Erlaubnis, die Berufsbezeichnung Heilpraktiker zu führen und die Heilkunde ohne Bestallung berufsmäßig auszuüben (Betriebsprüfungs-Handakten - Bp-Handakten - Bd. 1/3 Blatt 26). Nach einer Tantra- und C-Ausbildung, vor allem bei B, dem Gründer, Lehrer und Wegbereiter des internationalen C Instituts, gründete er 1994 das C-Institut in X. Im Streitjahr betrieb er das Institut als Einzelunternehmer.

Dessen Jahresprogramm enthält eine breite Palette von Gruppenangeboten, wie Workshops, Seminare und Trainings, die für den Teilnehmer €eine persönliche Entdeckungsreise in der tantrischen Kunst des Seins€ zum Inhalt haben. Daneben wird Paar- und Einzeltherapie angeboten. Auf der Internetseite des Instituts finden sich u.a. folgende Ausführungen:

... Therapie ...

Die Beschreibung weiterer Gruppenangebote ergibt sich aus dem Internetauftritt des Instituts (www. c...de), auf den verwiesen wird.

Daneben betreibt der Kläger seit xx.xx.19xx einen Handel mit Büchern, CDs und Zubehör, den Shop (s. Gewerbeanmeldung vom xx.xx.19xx, Gewerbesteuerakten Blatt 8).

Außerdem war der Kläger im Streitjahr als Autor tätig.

Bis einschließlich xxx hatte der Kläger von der Kleinunternehmerregelung des § 19 Umsatzsteuergesetz in der für das Streitjahr geltenden Fassung (UStG) Gebrauch gemacht. Die Umsätze aus dem C-Institut hatte er als von der Umsatzsteuer befreit eingestuft (§ 4 Nr. 14 UStG), die Erlöse aus seiner Autorentätigkeit dem ermäßigten Steuersatz unterworfen.

In 2006 fand eine Außenprüfung beim Kläger statt (Prüfungsbericht vom 27. Dezember 2006, Betriebsprüfungsakten - Bp-Akten - Blatt 31 ff.). Die Prüferin vertrat die Auffassung, auf die erzielten Einnahmen des Klägers aus Kursen, Workshops und Seminaren finde die Umsatzsteuerbefreiung keine Anwendung. Die Erlöse hieraus seien der Regelbesteuerung zu unterwerfen. Heilberufliche Leistungen seien nur dann steuerfrei, wenn bei der Tätigkeit ein therapeutisches Ziel im Vordergrund stehe. Das sei hier nicht der Fall. In seinem Jahresprogramm, das eine breite Palette von Tantra-Workshops, Seminaren und Trainings anbiete, wende sich der Kläger an alle interessierten Teilnehmer, die für eine €persönliche Entdeckungsreise in der tantrischen Kunst des Seins€ offen seien. Tantra sei ein aus dem Hinduismus bzw. Buddhismus kommender praktischer, ritueller und spiritueller Heilsweg der Befreiung von der Sinnenwelt durch die Sinne. Der Kläger verstehe sich dabei als Wegbegleiter auf diesem Weg der Selbsterfahrung.

Die Prüferin fand heraus, dass sich das Angebot auf Wochenendworkshops, Seminars, Seminare über Ostern, Pfingsten und den Jahreswechsel sowie Tantra-Feriengruppen erstreckt. Die Seminare finden in verschiedenen Tagungshäusern in Deutschland und W uns P statt. Nach den Programmangeboten liegt der Schwerpunkt der Arbeit des Klägers auf der Heilung in und durch Erotik und Sexualität, um zu einer tieferen und erfüllten Liebes- und Beziehungsfähigkeit zu gelangen. Die Gruppenangebote haben Titel wie €... Feuer ... Lust ... Sehnsucht ...€. Die in sehr untergeordnetem Umfang durchgeführten Einzel- und Paarsitzungen finden in den betrieblichen Räumlichkeiten in der ... straße x, X statt. Nach den Programmangaben schließen psychische Erkrankungen eine Teilnahme an den Kursen zumeist aus. Die Werbung hierfür erfolgt über das Internet, über Jahresprogramm-Flyer und über umfangreiche Anzeigenwerbung (Bp-Handakten Bd. 1/3, Blatt 16 ff., Bd. 2/3 Blatt 87 ff.). Die Preise für die Veranstaltungen sind fest kalkuliert. Frühbucher erhalten einen Rabatt. Die Abrechnung erfolgt direkt gegenüber den Teilnehmern. Eine Erstattung von Krankenversicherungen, Beihilfe, o.ä. ist nicht erfolgt. Werden Belege ausgestellt, lautet die Formulierung wie folgt: €€ für Teilnahme an dem Seminar Körper ... €€. Verschiedene Kunden nehmen wiederholt an Kursen teil, oft als Paar.

Die Prüferin kam zu dem Ergebnis, auch wenn die in den Gruppen gemachten Erfahrungen und angestoßenen Prozesse dem Teilnehmer zu einem anderen, besseren Umgang mit der eigenen Sexualität verhelfen würden, bestünden erhebliche Bedenken, ob die erbrachten Leistungen vor allem der medizinischen Behandlung einer Krankheit oder einer anderen Gesundheitsstörung dienten, bei der das therapeutische Ziel im Vordergrund steht. Da hierfür nur ein Arzt über hinreichenden Sachverstand verfüge, stellte sie anheim, ein Gutachten eines Amtsarztes einzuholen. Dass die Vorprüfung für die Jahre 1995-1997 noch zu einem anderen Ergebnis gekommen war, liege daran, dass im Zeitpunkt der Berichterstellung (6. Mai 1999, Bp-Akten Blatt 6, 10) noch von einer weiten Auslegung des § 4 Nr. 14 UStG ausgegangen wurde und erst seit der Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) in 2000 neue, engere Maßstäbe anzulegen seien. Ein Anspruch auf die Fortführung der Steuerbefreiung aus Gründen des Vertrauensschutzes sei durch das Ergebnis der Vorprüfung nicht begründet worden.

Die Prüferin ermittelte die Brutto-Umsätze (in DM) für 2001 wie folgt:

Erlöse Shop 7% 16% Bücherverkauf xxx Sonstige Verkäufe xxx

Die Aufteilung der Gesamterlöse in Höhe von xxx DM sei anhand der Folgejahre im Verhältnis 1/3 (ermäßigter) zu 2/3 (voller) Steuersatz vorgenommen worden.

Erlöse C-Institut 7% 16% Gruppengebühren xxx Einzel- und Paartherapie xxx Honorare Autorentätigkeit xxx Unentgeltliche Wertabgabe xxx

Die Erlöse aus Gruppengebühren umfassten alle Einnahmen aus Kursen, auch die auf dem ausländischen Konto gutgeschriebenen Beträge. Ausgehend davon, dass gemäß § 3a Abs. 1 UStG der Ort der sonstigen Leistung dort sei, wo der Unternehmer seinen Sitz habe, seien auch aus in der W oder in P durchgeführten Veranstaltungen erzielte Umsätze steuerbar. Sie gälten als im Inland erbracht. Die Voraussetzungen von § 3a Abs. 2 UStG und damit eine Verlagerung des Ortes der sonstigen Leistungen an den Ort, wo die Veranstaltungen stattfinden, seien nicht gegeben. Keine der dort genannten Leistungen würden erbracht. Eine unterrichtende Tätigkeit stünde dem vom Kläger geltend gemachten heilberuflichen Aspekt entgegen. Für die Eigennutzung des Pkws seien 80% des einkommensteuerlichen Werts angesetzt worden.

Die abziehbaren Vorsteuerbeträge (in DM) berechnete sie wie folgt:

Shop: xxx The C-Insitut: xxx Summe xxx

Die Vorsteuerbeträge seien durch die Steuerberaterin des Klägers ermittelt worden und hätten so übernommen werden können (Bp-Handakten 3/3 Blatt 62 f.).

Auf dieser Basis erließ der Beklagte am 6. März 2007 einen Umsatzsteuerbescheid für 2001. Umsätze zu 16% berücksichtigte er in Höhe von xxx DM, Umsätze zu 7% in Höhe von xxx DM und abziehbare Vorsteuerbeträge in Höhe von xxx DM. Umsatzsteuer setzte er in Höhe von xxx EUR fest.

Dagegen legte der Kläger Einspruch ein. Zur Begründung trug er vor, die im Prüfungsbericht vom 27. Dezember 2006 enthaltenen Beschreibungen der von ihm ausgeübten Tätigkeit im Rahmen des C-Instituts entspreche nicht den tatsächlichen Gegebenheiten. Die Darstellung der Inhalte und das Auftreten nach außen seien zu pauschal. Bei Einzeltherapien würden auch Rechnungen zur Vorlage bei den Krankenkassen unter Nennung der jeweiligen Krankheitsdiagnose und der Kennziffer aus der Gebührenordnung für Heilpraktiker (GebüH) gestellt. Der Hinweis in dem Jahresprogramm, dass bei psychischen Erkrankungen eine Teilnahme ggf. nicht möglich ist, sei nicht so zu verstehen, dass eine Teilnahme bei psychischen Erkrankungen meist ausgeschlossen ist. Nur psychiatrische, d.h. schwere psychische Erkrankungen, schlössen manchmal eine Teilnahme aus und würden daher vorher anamnestisch abgefragt. Die überwiegende Zahl seiner Kunden komme auf Empfehlung, explizit auf Empfehlung ihres Arztes oder ihres Psychotherapeuten. Diese sähen in seiner Behandlung eine therapeutisch wirksame Ergänzung. In die Seminare und Gruppen kämen Menschen mit Verletzungen und Leiden im Zusammenhang mit gestörter Liebes- und Beziehungsfähigkeit und sexuellen Störungen. Darüber hinaus hätten die Menschen aber auch eine Vielzahl an Gesundheitsstörungen (Ängste, Depressionen, Stresssyndrome, vegetative Störungen und psychosomatische Erkrankungen bis hin zu schweren Erkrankungen wie Multiple Sklerose oder Psychosen im nicht akuten Stadium). Über den engen Zusammenhang von Störungen der Liebes- und Beziehungsfähigkeit, einem gestörten Umgang mit den eigenen Gefühlen und mit Krankheiten fast aller Art gebe es inzwischen sehr umfangreiche wissenschaftliche Literatur. Das Heilangebot erreiche viele Menschen, die von den traditionellen Behandlungsangeboten nicht erreicht würden. Stellvertretend weist er auf Studien zur erhöhten Krankheits- und Sterblichkeitsrate nach Trennungen und Scheidungen sowie zum Verbreitungsgrad unbehandelter Depressionen hin. Folgende Gesundheitsstörungen (nach €Internationaler Klassifikation psychischer Störungen - lCD 10, Kapitel V - klinisch diagnostische Leitlinien€ Bern - Göttingen 2000) träten bei seinen Kunden auf:

€F30-F39 Affektive Störungen - vor allem depressive und bipolare Störungen,

€F40-F48 Neurotische, Belastungs- und somatoforme Störungen - vor allem Angst-, Zwangs- und Belastungsstörungen, häufig nach Trennungen,

€F50-F59 Verhaltensauffälligkeiten mit körperlichen Störungen und Faktoren - Essstörungen, Schlafstörungen, Sexuelle Funktionsstörungen, Psychische Faktoren, die körperliche Störungen bewirken,

€F60-F69 Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen, Paranoide, schizoide, emotional instabile, ängstliche (vermeidende), abhängige (asthenische), narzisstische Persönlichkeitsstörung, Störungen der Sexualpräferenz, Sexuelle Beziehungsstörung,

€F99 Nicht näher bezeichnete psychische Störungen.

Diese Klassifikation werde in der Regel zur Abrechnung mit Krankenkassen verwendet. Für jeden Kunden führe er eine Kartei mit Lichtbild. Bei Einführungsgruppen werde eine Kurzanamnese und beim Seminar eine ausführliche medizinische, psychologische und biographische Anamnese durchgeführt. Bei jeder Anmeldung werde abgeklärt, ob psychiatrische Vorerkrankungen vorhanden sind, um Kontrainindikationen, wie schwere Psychosen, frühzeitig zu erkennen.

Seine wesentlichen Therapiemethoden stünden in der Tradition der körperorientierten Psychotherapie nach ... u.a. Diese psychotherapeutischen Schulen hätten sich aus der Psychoanalyse entwickelt und bezögen sich auf die Ganzheit von Körper, Seele und Geist. Der Zugang über den Körper ermögliche eine tiefgreifende therapeutische Arbeit mit verletzten Gefühlen, mit gestörten und beeinträchtigten psychischen Strukturen und Verhaltensmustern. Angewendet würden u.a.

€ Bioenergetische und Biodynamische Körperpsychotherapie€ Hakomi Psychotherapie€ Tiefenpsychologische Körperpsychotherapie€ Voice Dialogue und€ Therapeutische Gruppendynamik nach dem Ansatz von C€ Sexualtherapie€ Gesprächspsychotherapie€ Atemtherapie€ Massagen€ Systemische und Paar-Therapie€ Encountertherapie€ Focusing€ Tanztherapie€ Meditation.

Diese Methoden seien ganzheitlich ausgerichtet. Bindeglied aller Methoden sei die Grundhaltung und Kompetenz von C als einer Methode, therapeutisch und psychosozial mit Menschen zu arbeiten. In dieser Methode habe er selbst Therapeuten und Gruppenleiter ausgebildet.

Eine ganzheitliche Behandlung beginne mit einer ganzheitlichen Diagnose. In diesem Verständnis komme der Selbstwahrnehmung und der Selbstverantwortung im Heilungsprozess eine besondere Bedeutung zu. Anstatt das Verhalten und Erleben eines Menschen mit klinischen, oft auch kränkenden Etiketten zu versehen, bemühe er sich um ein empathisches Verstehen, das den Kunden einlade, sich selbst besser zu verstehen. Deswegen werde im Dialog mit Kunden auf feststehende Diagnosen weitgehend verzichtet. Anstatt sich auf die Krankheit, die Störung oder das Problem zu fokussieren, wende er sich an das Potenzial eines Menschen (€Ressourcenaktivierung€). Zudem arbeite er mit der €Problemaktualisierung€. Im geschützten Umfeld der Gruppe könne der Kunde seine Problemmuster sowie auch mögliche Lösungsansätze unmittelbar erleben und integrieren.

Sowohl Einzel- als auch Gruppenbehandlungen würden durchgeführt. Die Gruppenbehandlung biete bei den meisten leichten bis mittelschweren psychischen Störungen beste Heilungschancen, weshalb die Arbeit mit Gruppen auch im Mittelpunkt seiner Heiltätigkeit stehe. Deren Ansatz betrachte psychische Störungen im Wesentlichen als Ausdruck von Beziehungsstörungen. Sie arbeite sowohl mit den alten, aus der Vergangenheit stammenden Bindungsmustern (Arbeit mit dem €Inneren Kind€) als auch mit den aktuellen Beziehungen in der Gruppe. In den aktuellen Beziehungen zu anderen Gruppenteilnehmern würden Problemmuster nicht nur aktiviert, sondern mit Bewusstsein erforscht. Diese Beziehungen böten zugleich auch vielfältige Möglichkeiten, neue Verhaltens- und Erlebnisweisen kennenzulernen und zu erproben. In diesem Zusammenhang würden auch Kenntnisse und Fähigkeiten zum Schutz der psychischen und körperlichen Gesundheit vermittelt, die vom Patienten während und nach dem Ende der Behandlung in eigener Verantwortung weiter angewandt werden. Die Möglichkeit von ergänzenden therapeutischen Einzelgesprächen bestehe jederzeit, vor und während einer mehrtägigen Gruppenveranstaltung sowie auch im Anschluss daran, und werde (ggf. auch telefonisch) häufig wahrgenommen.

Die Einführungsveranstaltungen (meistens Wochenenden) dienten der Diagnose und dem Kennenlernen des Behandlungsansatzes und der Methode des C. Für viele stelle sich bereits nach einem Wochenende ein großer Behandlungserfolg ein. Andere sähen in Rücksprache mit ihm ihren weiteren Bedarf. Für das Seminar als dem Kern des therapeutischen Angebots sei immer mindestens ein Einführungswochenende und/oder ein Einzelgespräch Voraussetzung. Zusätzlich werde mit einem ausführlichen Fragebogen eine tiefgehende Anamnese erhoben, um eine optimale Begleitung zu gewährleisten. Ein Einführungswochenende sei vergleichbar mit den bis zu fünf Einzelsitzungen, die nach derzeitigem Kassenstandard bei Einzel-Psychotherapie der Orientierung und dem gegenseitigen Kennenlernen dienten. Erst nach diesen Sitzungen werde in der Regel ein längerfristiger Behandlungsvertrag abgeschlossen. Eine solche kontinuierlich Behandlung sei vergleichbar mit dem Seminar oder ersatzweise auch mit einer Reihe individuell zusammengestellter Gruppenveranstaltungen.

Der Behandlungsansatz basiere auf einem ganzheitlichen Verständnis des Menschen. Eine ganzheitliche Therapie verstehe Krankheit oder Gesundheitsstörung im Wesentlichen als eine Störung einer oder mehrerer der Bezüge zur Mitwelt, zum Körper und zur eigenen Seele. Diese Störungen basierten auf vorangegangenen psychischen Verletzungen und würden von ihm sehr differenziert diagnostiziert und behandelt. Die Verletzungen manifestierten sich unbehandelt früher oder später in verschiedensten ernsten psychischen oder körperlichen Symptomen. Bei vielen Menschen bestünden solche Symptome und Leiden bereits, auch wenn sie von der medizinischen und psychologischen Wissenschaft (noch) nicht diagnostiziert werden. Der Begriff Tantra werde vielfältig verwendet. Er verstehe darunter eine fernöstliche Weltanschauung, die sich durch ihre ganzheitliche und heilungsfördernde Einstellung auch im therapeutischen Sektor einer immer größeren Verbreitung erfreue. Speziell zwischen der modernen Sexualtherapie und dem Tantra gebe es vielfältige Verbindungen. Manche Institute böten Tantra-Fortbildungen speziell für Ärzte und Therapeuten an. Tantra werde im Internet von vielen Gesundheitsportalen als therapeutische Methode gelistet und beschrieben. Der teilweise zweifelhafte Ruf des Tantra komme dadurch zustande, dass der Begriff auch im Rotlichtmilieu benutzt, aber dort anders verstanden werde. Der Begriff selbst sage also nichts über die Seriosität aus.

Er verwende gegenüber seinen Kunden eine motivierende und Mut machende Sprache. Auf den Begriff der psychischen Krankheit werde im Dialog mit ihnen weitgehend verzichtet, u.a. um einer Stigmatisierung vorzubeugen und um die Zugangsschwelle zur Heilbehandlung niedrig zu halten. Heute werde der Begriff der €psychischen Störung€ jenem der €psychischen Krankheit€ vorgezogen, um eine Stigmatisierung der Betroffenen zu erschweren. Störung sei neutraler und entziehe sich einer - in diesen Fällen regelmäßig negativen - Bewertung mehr, als dies mit dem Begriff Krankheit möglich sei. Durch Kostenträger (Krankenkassen, Rentenversicherungen), die in ihrem Leistungskatalog den Krankheitsbegriff als elementare Voraussetzung eines Leistungsanspruchs haben, werde die Bezeichnung €Krankheit€ durch die Hintertür allerdings wieder eingeführt, indem von Störung mit Krankheitswert gesprochen werde. Gerade bei psychischen Störungen als Beeinträchtigungen vorübergehender Art möge diese Unterscheidung sinnvoll sein, um übermäßige und ungerechtfertigte Leistungsforderungen abzuwehren. Letztlich diene die Verwendung des Begriffs €Störung€ dem Zweck, den Paradigmenwechsel in der Beurteilung psychischer Probleme aus ärztlicher/therapeutischer Sicht auch im Sprachgebrauch zu dokumentieren. Er, der Kläger, gehe über den in der Psychotherapie inzwischen üblichen Verzicht auf den Begriff der €psychischen Krankheit€ noch hinaus und spreche nicht von €psychischen Störungen€, sondern von €Verletzungen€. Er verzichte bewusst auf eine Sprache, die den Kunden pathologisiere und damit die Symptome oft eher verfestige. Er verzichte in seiner Kommunikation mit Kunden auch auf medizinisches Fachvokabular, sondern mache Mut, spreche die tiefen Wünsche und Sehnsüchte an und vermittle eine Vision, für die es sich lohne, heil und gesund zu werden. Anstatt Krankheit zu beseitigen, was meistens nur zu Symptomverschiebungen führe, solle Gesundheit erlebbar und attraktiv werden. Dieser Ansatz komme in der Wahl der Titel und Ausformulierungen des Angebots zum Ausdruck. Er verzichte in seiner Selbstdarstellung, z.B. auf der Homepage, darauf, symptombezogene Heilungsversprechen zu machen. Zum einen würde das die falsche Klientel ansprechen, die eher passiv €behandelt€ werden will und nicht im ausreichenden Maße in der Lage oder bereit ist, aktiv an der eigenen Heilung mitzuarbeiten. Zum zweiten käme er damit möglicherweise in Konflikt mit dem Heilmittelwerbegesetz (HWG) oder dem Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb (UWG). Die tiefgehenden körperlichen und psychischen Prozesse hätten therapeutischen Charakter und therapeutische Ziele und setzten von Seiten der Leitung eine hohe therapeutische Kompetenz voraus, die er nachweisbar in vielen Jahren der Ausbildung und Erfahrung erworben habe. Auch die Beziehungen zwischen Kunden und Leitung hätten rein therapeutischen Charakter.

Seine Tätigkeiten dienten demzufolge therapeutischen Zwecken. Er erstelle vor einem völlig anderen Menschenbild eine Diagnose für die Behandlungsbedürfnisse der Kunden. Auch müsse die Therapie und nicht die Diagnose als bloße Vorstufe des Heilprozesses als die wesentliche Tätigkeit des Arztes oder Heilpraktikers gelten. Das Ziel, nicht der Weg, sei entscheidend. Dass möglicherweise €gesunde Klienten€ an Seminaren und Gruppenveranstaltungen oder auch Paartherapien teilnähmen, könne kein Kriterium für seine therapeutische Zwecksetzung als Behandelnder sein. Es erschiene auch ungewöhnlich, einem Arzt, dessen Patienten sich wegen einer vermeintlichen Erkrankung bei ihm in schulmedizinische Behandlung begeben, die Umsatzsteuerbefreiung zu versagen, weil der Patient nach Diagnose doch nicht krank ist. Es gehe um die Ausrichtung der Therapie als solche. Die offene Formulierung in den Programmheften und im Internetauftritt, die eine Ausrichtung auf bestimmte Krankheitsformen vermeide, bedeute nicht, dass keine konkrete Ausrichtung auf Heilung gegeben sei. Sie resultiere vor allem daraus, dass alle ganzheitlichen Therapiemethoden (wie eben auch die tantrisch orientierten) auf die Einengung in bestimmte Krankheitsbilder verzichteten und nicht den Ist-, sondern den Soll-Zustand und damit das Ziel der Therapie in den Vordergrund stellten, z.B. Zufriedenheit, Schmerzfreiheit oder angstfreie Zustände. Aus den gleichen Gründen hießen heute Krankenkassen oft €Gesundheitskasse€ oder €Präven-tionskasse€.

Auch habe er die Erfahrung gemacht, dass die von ihm durchgeführten Seminare häufig Erkrankungen behandelten, die oft schambesetzt seien, wie z.B. sexuelle Störungen. Gerade hier könnten unter solchen Krankheiten leidende Menschen deutlich besser erreicht werden, wenn nicht die Krankheit offen benannt, sondern das Ziel eines erfüllten Sexuallebens €beworben€ werde. Die Werbetätigkeit in diesem Bereich sei, anders als bei Ärzten, nicht verboten und auch Teil völlig üblicher Geschäftsvorgänge.

Die Übernahme der Kosten für Heilbehandlungen sei nicht Voraussetzung für die Befreiung gemäß § 4 Nr. 14 UStG. Im Übrigen hätten Privatkassen teilweise die Kosten für Einzelbehandlungen übernommen (s. Rechnung vom 29. Januar 2001, Finanzgerichtsakte - FG-Akte - Blatt 31). Dabei handle es sich aber nur um einige wenige.

Ca. xx % der Kunden seien in den Jahren 2002-2004 auf Empfehlung gekommen, xx % hätten das Angebot im Internet gefunden, xx % seien durch Anzeigen aufmerksam geworden, xx % kämen nach Buchveröffentlichungen und Veröffentlichungen von Fachartikeln, xx % hätten auf die Auslage des Programmhefts reagiert, xx % hätten nicht mehr gewusst, was sie zum Kommen veranlasst habe oder hätten keine Angaben gemacht. Bei diesen Zahlen sei zu berücksichtigen, dass bei seinen Befragungen Mehrfachnennungen möglich gewesen sind.

Er habe mit folgenden psychosomatischen Kliniken zusammengearbeitet: Fachklinik ...

Dass die erbrachten Leistungen in den schulmedizinischen Sachverstand eines Amtsarztes fielen (s. Hinweis im Betriebsprüfungsbericht), bezweifle er. Schon die Grundansätze der Behandlungsmethoden seien zu verschieden.

Im Laufe des außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahrens legte der Kläger eine €ärztliche Stellungnahme bezüglich der therapeutischen Indikation und Wirksamkeit von C-Gruppenarbeit€ von Frau G (Ärztin, Psychotherapie, Akupunktur€ vom 29. Mai 2007 vor (Rechtsbehelfsakten Blatt 19), in der diese zum Ausdruck bringt, dass sie die therapeutische Kompetenz des Klägers schätze und erstaunt über die tiefgreifenden Prozesse sei, die selbst in schwierigen Behandlungsfällen durch den in diesen Gruppen gebotenen Erlebnisrahmen in Gang gesetzt würden. Sie empfehle diese Gruppenarbeit ihren Patienten als unterstützende Maßnahme zusätzlich zu der von ihr selbst durchgeführten tiefenpsychologisch fundierten Psychotherapie. Diese Kombination habe sich in bestimmten Fällen besonders bewährt wie z.B. bei nicht-organisch bedingten sexuellen Funktionsstörungen, aktuellen Beziehungskonflikten, psychosomatischen Erkrankungen des Urogenitaltrakts, depressiven Störungen, Panikattacken, Somatisierungsstörungen. Es bestehe kein Zweifel an der therapeutischen Wirksamkeit der C-Gruppen. Der gezielte Einsatz körpertherapeutischer Übungen ermögliche den Patienten einen Zugang zu verdrängten Emotionen, die sich oft als Ursache ihrer psychischen oder psychosomatischen Beschwerden herauskristallisierten. Der Gruppenrahmen unterstütze diesen Prozess zusätzlich. Bei den meisten Patienten stellten sich deutlich schnellere Heilungserfolge ein. Die €Bestätigung€ einer Dipl.-Psych. legte der Kläger ebenfalls vor (vom 15. Mai 2007, Rechtsbehelfsakten Blatt 21). Auch ein Muster-Anamnesebogen zum Tantra-Seminar aus den Jahren 2007/2008 wurde eingereicht (Rechtsbehelfsakten Blatt 34 ff.). Auf die in ihm gestellten Fragen wird im Einzelnen verwiesen.

Mit Einspruchsentscheidung vom 13. August 2008 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Er blieb bei der bereits von der Prüferin vertretenen Auffassung. Die erbrachten Leistungen des Klägers hätten nicht der medizinischen Behandlung einer Krankheit oder einer anderen Gesundheitsstörung gedient, bei der das therapeutische Ziel am Patienten im Vordergrund stand. Er habe keine Heilbehandlung im Bereich der Psychotherapie erbracht. Seine Behauptungen, dass seine Tätigkeit therapeutischen Zwecken dient, habe er in keiner Weise glaubhaft nachgewiesen. Die intensiv geführten Werbemaßnahmen und die Inhalte seiner angebotenen Seminare, Workshops und Therapien widersprächen ihnen. Tantra heiße u.a. die Lehre einer mystischen indischen Religion, die Kunst der Liebe, die Kunst des Seins. Tantra-Kurse vermittelten u.a. Techniken, Methoden und Praktiken, um die Sexualität im menschlichen Körper kennenzulernen. Bei den Kursen des Klägers stehe nicht eine Krankheit im Mittelpunkt, sondern das gesunde entwicklungsfähige Potential. Ihr Inhalt sei die Bewusstseinsfindung, bzw. Selbstfindung eines einzelnen oder in der Paarbeziehung. Auch die Programm-Flyer ließen in keiner Weise darauf schließen, dass Menschen mit Krankheiten oder gesundheitlichen Störungen angesprochen werden. So werde z.B. für das Seminar folgende Zielgruppe angesprochen: €Frauen, Männer und Paare, die ...€. Der Kläger spreche mit seiner Therapie einen völlig offenen Personenkreis an, egal ob gesund oder krank. Gemäß dem Vorwort des Flyers habe der Kläger die Funktion eines Wegbegleiters auf der persönlichen Entdeckungsreise eines Kunden und nicht die eines Heilpraktikers oder Therapeuten, der Patienten therapiere, bei denen seelische oder körperliche Erkrankungen zugrunde liegen. Selbst wenn sich beim Einzelnen gesundheitliche Störungen aufgrund seiner inneren Selbstfindung verbesserten, habe die Teilnahme an den Kursen etc. nicht die Vorbeugung, die Diagnose oder die Therapie einer Krankheit zum Ziel.

Der Kläger suche seine Kunden über eine Vielzahl von Werbematerial. Dies lasse nicht auf eine vorwiegend medizinisch therapeutische Ausrichtung seiner Tätigkeit schließen. Die angeblich geführte €Klientenkartei€ sei im Rahmen der Prüfung nicht vorgelegt worden. Auch Abrechnungen mit Krankenkassen lägen keine vor. Mit Ausnahme der zwei vorliegenden Bestätigungen (einer Ärztin und einer Psychotherapeutin) lägen auch keine Anhaltspunkte vor, dass der Kläger mit Kliniken oder Ärzten zusammenarbeitet. Die vorgelegten Bescheinigungen seien sehr allgemein gehalten und bestätigten lediglich die unterstützenden Maßnahmen der Gruppenarbeit. Der vorgelegte Fragebogen (Anamnesebogen) lasse keine andere Beurteilung der Leistungen zu. So wie nach Krankheiten und Gesundheitsstörungen gefragt werde, werde auch nach der Motivation gefragt. Zudem betreffe er nur das Tantra-Seminar.

Gegen die Anerkennung von umsatzsteuerfreien Heilbehandlungen spreche zudem, dass die Kursgebühren auch bei Nichtteilnahme ggf. zu zahlen sind, d.h. ohne erbrachte Leistung des Klägers.

Letztlich sei es dem Kläger nicht gelungen, glaubhaft anhand von Beweismitteln nachzuweisen, dass er Patienten mit Krankheitssymptomen behandelte und er ausschließlich im therapeutischen Bereich tätig war. Seine Angaben seien allgemein gehalten und ohne konkrete Nachweise. Die vorgelegten Unterlagen sprächen eindeutig dafür, dass seine Tätigkeit nicht vorrangig im therapeutischen Bereich lag, sondern als Wegbegleitung von Menschen einzustufen ist, die auf der Suche nach ihrem Selbst sind. Wie bereits der begrifflichen Definition zu entnehmen sei, weise Tantra eine eher spirituelle, religiöse und keine medizinische Ausrichtung auf.

Die Voraussetzungen von § 4 Nr. 21 Buchst. a UStG lägen nicht vor. Im Streitfall gebe es keine allgemein- oder berufsbildende Einrichtung im Sinne dieser Vorschrift.

Hinsichtlich einer Steuerbefreiung nach § 3a Abs. 1 UStG mangele es bereits daran, dass die Gruppenleiterkurse nicht im Ausland stattfanden.

Dagegen erhob der Kläger am 28. August 2008 Klage. Zur Begründung führt er, vertreten durch seine Prozessbevollmächtigte, seinen außergerichtlichen Vortrag ergänzend aus, in 2001 habe er (in DM) Brutto-Umsätze aus dem C-Institut in der folgenden Höhe erzielt:

aus Gruppentherapie: xxx (davon ca. xxx,- im Ausland)aus Ausbildungstätigkeit xxx aus Paar- und Einzeltherapie xxx,- (FG-Akte Blatt 92)

Die auf im Ausland abgehaltene Kurse und Seminare entfallenden Umsätze seien in Deutschland nicht steuerbar. Die Voraussetzungen von § 3a Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a UStG lägen vor. Seine Tätigkeit in Workshops und Seminarveranstaltungen sei unterrichtend. Eine individuelle Betreuung sei erfolgt (Entwurf individueller Programme, Überwachung der Ausführung der Programme, Begleitung durch kritische Äußerungen und Anregungen).

Die erstellten Belege zur Kostenerstattung bei Krankenkassen habe er regelmäßig nicht in den Buchhaltungsunterlagen aufbewahrt, weil sie den Aufbewahrungspflichten der Abgabenordnung (AO) nicht unterlägen. Es sei nicht ungewöhnlich, dass ein Entgelt entrichtet werden muss, wenn ein Behandlungstermin nicht vor einem bestimmten Zeitpunkt abgesagt wird. Im psychotherapeutischen Bereich habe dieses Vorgehen sogar die therapeutische Zwecksetzung, zu konsequentem Verhalten anzuhalten.

Der Kläger beantragt,

1. den Umsatzsteuerbescheid für 2001 vom 6. März 2007 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 13. August 2008 aufzuheben,

2. die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären,

3. hilfsweise, die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise, die Revision zuzulassen.

Zur Begründung verweist er im Wesentlichen auf die Ausführungen in seiner Einspruchsentscheidung vom 13. August 2008. Ergänzend führt er aus, die Voraussetzungen von § 3a Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a UStG lägen nicht vor. Der Kläger habe keine unterrichtende Tätigkeit ausgeführt. Er trete in seinen Seminaren nicht in der Funktion eines Lehrers, sondern eines Beraters auf. In seinem Flyer €xxx€ schreibe er, dass die Gruppenarbeit auf ... In dem Flyer €xxx€ stehe: €In unseren Seminaren ...€

Nach § 4 Nr. 14 UStG steuerfreie Leistungen kämen in Betracht, wenn eine Versorgungs- oder Rehabilitationseinrichtung aufgrund eines Versorgungsvertrags gemäß §§ 11 Abs. 2, 23 Abs. 4, 40, 111 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) mit Hilfe von Fachkräften Leistungen zur medizinischen Vorsorge oder Rehabilitation erbringe. Dann seien regelmäßig sowohl die Leistungen der Einrichtung als auch die Leistungen der hierzu nach Maßgabe des Versorgungs- oder Rehabilitationsvertrags qualifizierten Fachkräfte an diese Einrichtungen steuerfrei. Leistungen zur Prävention und Selbsthilfe im Sinne von § 20 SGB V, die keinen unmittelbaren Krankheitsbezug hätten, weil sie lediglich den allgemeinen Gesundheitszustand verbesserten und insbesondere einen Beitrag zur Verminderung sozial bedingter Gesundheitschancen erbringen sollten, seien grundsätzlich keine nach § 4 Nr. 14 UStG befreiten Heilbehandlungen. Eine Steuerbefreiung komme daher im Streitfall nur für Leistungen in Betracht, die der Kläger aufgrund ärztlicher Anordnung oder im Rahmen einer Vorsorge- oder Rehabilitationsmaßnahme durchgeführt habe. Dies sei hier nicht der Fall gewesen. Der Zugang zu den Seminaren und Workshops sei frei gewesen. Den Teilnehmern stelle der Kläger eine Teilnahmebestätigung und Quittung für die Teilnahme aus (z.B. Teilnahme an dem Seminar €Körper ...€, s. Beispiele aus 2000, Bp-Handakten Bd. 3/3 Blatt 70 ff.). Teilweise erklärten die Kursteilnehmer in ihren Einkommensteuererklärungen die Kursgebühren als Betriebsausgaben oder Werbungskosten. Bei der Einzel- und Paartherapie wäre zu unterscheiden, inwieweit diese auf ärztliche Anordnung durchgeführt werden. Belege hierzu fehlten. Entgegen der Auffassung des Klägers wären diese nach § 147 Abs. 1 Nr. 5 AO bzw. § 22 Abs. 2 Nr. 1 UStG aufzuheben gewesen.

Am 20. Juli 2010 fand ein Erörterungstermin statt. Auf die Sitzungsniederschrift wird verwiesen (FG-Akte Blatt 116). In diesem gab das Gericht dem Kläger auf, jede einzelne der im Streitzeitraum von ihm erbrachten Leistungen wie folgt zu erläutern:

€Art der Leistung inklusive einer konkreten und detaillierten Leistungsbeschreibung (welche Leistung wurde erbracht - eventuell können mehrere Leistungsarten zusammengefasst werden),

€zu welchem Preis wurde die Leistung erbracht (in welcher Höhe wurde sie wem gegenüber abgerechnet, bspw. Patient, Krankenkasse),

€Grund für die Leistungserbringung (Muster: dem Schreiben der Klägerseite vom 23. Dezember 2008 als Anlage K 01 beigefügte €Rechnung€ - Symptome der Leistungsempfänger, Diagnose, Therapieform)

€Ort der Leistungserbringung.

Daraufhin übersandte der Kläger Übersichten über einzelne Leistungen bei der Einzel- und Paartherapie sowie beim Seminar €Körper ...€, auf deren Inhalt verwiesen wird (FG-Akte Blatt 124 ff.). Auch eine Übersicht der Diagnosen der einzelnen Teilnehmer bei der Einzel- und Paartherapie, für den Kurs Seminar 2001, dessen 1. Block und den Kurs €22.-24. Juni 2001€ reichte er ein (FG-Akte Blatt 132 ff.).

Hierzu führte der Beklagte aus, der vom Kläger verwendete Diagnoseschlüssel sei vermutlich erst nach dem Erörterungstermin ausgearbeitet worden. Im Rahmen der Außenprüfung seien keine Kundendateien o.ä. vorgelegt worden. Sollte der Kläger die Diagnosen €aus dem Gedächtnis€ erstellt haben, dürfte dem Versuch, nachträglich die €medizinische Notwendigkeit€ für die Teilnahme der jeweiligen Personen an den Kursen darzulegen, keinerlei Beweiskraft zukommen. Aus den Unterlagen sei zu entnehmen, dass der Kläger Leistungen teilweise mit höheren Beträgen abgerechnet habe, als dies die GebüH vorsehe. Vielleicht seien Beträge für Leistungen in Rechnung gestellt worden, die selbst der Kläger in den für die Krankenkassen bestimmten Belegen für nicht in der GebüH enthalten angesehen habe. Grundsätzlich könne nur die heilkundliche Tätigkeit des Klägers steuerfrei sein. Die angebotenen Seminare hätten nicht vordergründig der medizinischen Heilbehandlung gedient. Wenn überhaupt dienten sie nur der Prävention und der Selbsthilfe im Sinne von § 20 SGB V. Durch sie habe allenfalls der allgemeine Gesundheitszustand verbessert werden können. Falls das Gericht erwäge, der Klage stattzugeben, beantrage er, der Beklagte, hiermit schriftsätzlich, ein Gutachten eines neutralen Mediziners einzuholen, um feststellen zu lassen, ob der Kläger in 2001 Heilbehandlungen im Sinne von § 4 Nr. 14 UStG durchgeführt hat.

Der Kläger erklärte, der Diagnoseschlüssel sei von ihm nach dem Erörterungstermin erstellt worden. Die nachträgliche Zuordnung der Diagnose zu den einzelnen Patienten sei ihm zum einen aufgrund seiner Aufzeichnung in der Patientendatei und den ausgefüllten Anamnesebögen möglich gewesen. Zum anderen zeichne sich seine Arbeit durch einen engen persönlichen Kontakt mit seinen Kunden aus, der es ihm ermögliche, sich, auch Jahre später noch, an den einzelnen Patienten und seine Probleme zu erinnern. Viele Patienten seien bei ihm jahrelang in Behandlung. Unterlagen aus der Kundendatei legte er vor (FG-Akte Blatt 177). Das vom Beklagten schriftsätzlich angeregte Sachverständigengutachten sei unzulässig. Ob er in 2001 Heilbehandlungen im Sinne von § 4 Nr. 14 UStG vorgenommen habe, sei eine Wertungs-, keine Tatsachenfrage. Der Heilcharakter seiner Tätigkeit ergebe sich aus zwei Komponenten: Die Betroffenen, die an Einzel-, Paar- oder Gruppenangeboten teilgenommen hätten, litten an einer behandlungsbedürftigen Störung oder einer Vorstufe hierzu und seine Tätigkeit diene der Diagnose, Heilung oder Linderung dieser Störungen. Heilpraktiker würden nicht aufgrund ärztlicher Indikation und ärztlicher Verordnung tätig, sondern selbständig und in eigener Verantwortung.

Das Gericht bat den Kläger am 20. April 2011 telefonisch darum, noch folgende Unterlagen vorzulegen:

€Gruppenangebote und deren Bezeichnungen in 2001

€Flyer für 2001

€Kundendateien oder -unterlagen für 2001

€Aufteilung der "Gruppengebühren" 2001 in Umsätze aus Gruppentherapien und Umsätze aus dem Seminar

€Zuordnung der Umsätze aus Gruppentherapie zu den einzelnen in 2001 durchgeführten Gruppenangeboten.

Am 11. Mai 2011 fand eine mündliche Verhandlung statt. Auf die Sitzungsniederschrift wird verwiesen. In der mündlichen Verhandlung übergab die Klägerseite eine Aufstellung, aus der sich die Aufteilung der Umsätze aus Gruppentherapie auf die einzelnen im Streitjahr durchgeführten Gruppenangebote ergibt. Auf sie im Einzelnen sowie auf die ergänzenden, auf Tonträger aufgezeichneten Ausführungen des Klägers in der mündlichen Verhandlung wird verwiesen.

Gründe

1. Die Klage ist zum Teil begründet. Entgegen der Auffassung des Beklagten unterwarf er die Umsätze des Klägers aus der Einzel- und Paartherapie sowie aus dem €Tantra ...€ zu Unrecht der Umsatzsteuer. Diese sind nach § 4 Nr. 14 UStG steuerfrei. Dagegen unterliegen die übrigen Umsätze des Klägers, entgegen dessen Auffassung, zu Recht der Umsatzbesteuerung.

a. Nach § 4 Nr. 14 Satz 1 UStG sind die Umsätze aus der Tätigkeit als Arzt, Zahnarzt, Heilpraktiker, Physiotherapeut (Krankengymnast), Hebamme oder aus einer ähnlichen heilberuflichen Tätigkeit im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes und aus der Tätigkeit als klinischer Chemiker steuerfrei. Wie sich aus der vorliegenden Bescheinigung (vom xx.xx. 19xx) ergibt, verfügte der Kläger über den Befähigungsnachweis, um als Heilpraktiker tätig zu sein. Wie auch beim Arzt, handelt es sich beim Heilpraktiker um einen Heilberuf und nicht um einen Heilhilfsberuf (s. § 1 Heilpraktikergesetz).

Bei richtlinienkonformer Auslegung setzt § 4 Nr. 14 Satz 1 UStG aber ferner voraus, dass der Unternehmer tatsächlich eine Heilbehandlung im Bereich der Humanmedizin durch ärztliche oder arztähnliche Leistungen erbringt. Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin im Sinne des Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b und c der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern (Richtlinie 77/388/EWG) umfassen nach der Rechtsprechung des EuGH, der sich der Bundesfinanzhof (BFH) angeschlossen hat, nur Tätigkeiten, die zum Zwecke der Vorbeugung, der Diagnose, der Behandlung und, soweit möglich, der Heilung von Krankheiten oder Gesundheitsstörungen für bestimmte Patienten ausgeführt werden (BFH-Beschluss vom 18. Februar 2008 V B 35/06, Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des Bundesfinanzhofs - BFH/NV - 2008, 1001).

Die Steuerbefreiungstatbestände des Art. 13 der Richtlinie 77/388/EWG sind nach ständiger Rechtsprechung des EuGH als Ausnahmen von dem allgemeinen Grundsatz, dass jede Dienstleistung gegen Entgelt der Mehrwertsteuer unterliegt, eng auszulegen (EuGH-Urteil vom 14. September 2000 C-384/98, BFH/NV 2001, Beilage 1, 31). Die restriktive Auslegung muss jedoch mit den Zielen im Einklang stehen, die mit den Befreiungen verfolgt werden, und den Erfordernissen des Grundsatzes der steuerlichen Neutralität entsprechen, auf dem das gesamte Mehrwertsteuersystem beruht. Ziel der in Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b und c der Richtlinie 77/388/EWG vorgesehenen Steuerbefreiungen ist es, die Kosten der Heilbehandlungen zu senken (EuGH-Urteil vom 18. November 2010 C-156/09,BFH/NV 2011, 179, m.w.N.).

Vor diesem Hintergrund müssen sowohl die €ärztlichen Heilbehandlungen€ (Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 77/388/EWG) als auch die €Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin€ (Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 77/388/EWG) einen therapeutischen Zweck haben. Daraus folgt zwar nicht zwangsläufig, dass die therapeutische Zweckbestimmtheit einer Leistung in einem besonders engen Sinne zu verstehen ist. Insofern kommen nach der Rechtsprechung des EuGH ärztliche bzw. arztähnliche Leistungen, die zum Zwecke der Vorbeugung erbracht werden, grundsätzlich für eine Steuerbefreiung nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b bzw. c der Richtlinie 77/388/EWG in Betracht. Selbst wenn sich schließlich herausstellt, dass Personen, die sich vorbeugenden Untersuchungen oder anderen ärztlichen bzw. arztähnlichen Maßnahmen unterziehen, an keiner Krankheit oder Gesundheitsstörung leiden, steht die Einbeziehung dieser Leistungen in die Begriffe €ärztliche Heilbehandlung€ und €Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin€ im Einklang mit dem Zweck, die Kosten der Heilbehandlungen zu senken. Daher fallen auch die ärztlichen bzw. arztähnlichen Leistungen, die zum Schutz einschließlich der Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung der menschlichen Gesundheit erbracht werden, unter die Steuerbefreiungsregelung dieser Vorschrift (vgl. EuGH-Urteil vom 20. November 2003 C-212/01,BFH/NV 2004, Beilage 2, 111). Dagegen sind Leistungen, die keinem solchen therapeutischen Ziel dienen, vom Anwendungsbereich des Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b und c der Richtlinie 77/388/EWG ausgeschlossen und unterliegen der Umsatzsteuer (EuGH-Urteile vom 10. September 2002 C-141/00, BFH/NV 2003, Beilage 1, 30; vom 6. November 2003 C-45/01, BFH/NV 2004, Beilage 1, 40; vom 20. November 2003 C-212/01, BFH/NV 2004, Beilage 2, 111 und vom 20. November 2003 C-307/01, BFH/NV 2004, Beilage 2, 115).

Bei Berücksichtigung dieser Grundsätze sind die vom Kläger in den Streitjahren erzielten Umsätze aus seiner Tätigkeit im Rahmen des C Instituts unterschiedlich zu beurteilen. Danach sind seine Umsätze aus der Einzel- und Paartherapie (xxx,- DM brutto) sowie aus dem €Tantra ...€ (xxx,- DM brutto) nach § 4 Nr. 14 UStG steuerfrei, die übrigen Umsätze dagegen, entsprechend der Beurteilung des Beklagten, steuerpflichtig.

aa. Einzel- und Paartherapie

Aus den im Laufe des Klageverfahrens vorgelegten Unterlagen ergibt sich, dass die Symptome, die der Kläger im Rahmen der Einzel- und Paartherapie behandelte (bspw. Depressionen, Allergien, Asthma, Neurodermitis, Erektionsstörung, Schlafstörung, verschiedene Formen der Persönlichkeitsstörung, Schmerzen beim Koitus; vgl. im Einzelnen die €Diagnosen€ der Übersicht €K 11€, FG-Akte Blatt 136 ff.), Krankheiten sind. Aufgrund der beruflichen Qualifikation des Klägers als Heilpraktiker, der Intensität von Einzel- und Paargesprächen und nach Einsichtnahme in die Kundendatei des Klägers in der mündlichen Verhandlung sind die von ihm gestellten Diagnosen, nach Ansicht des Senats, glaubhaft. Diese Krankheiten behandelte der Kläger. Die Art der Behandlung ergibt sich aus der Übersicht €K 11€ (FG-Akte Blatt 136 ff.). Unter Nennung des entsprechenden Schlüssels der GebüH, bezeichnete der Kläger die Art der Behandlung, die er in der mündlichen Verhandlung ausführlich beschrieb, entweder als €Psychologische Exploration€ oder als €Psychotherapie€. Sollte diese Form der Behandlung besonders oder erfolglos sein, führt dies, entgegen der Auffassung des Beklagten, nicht dazu, ihr den therapeutischen Charakter abzusprechen.

Da es sich bei den Symptomen, die der Kläger behandelte, eindeutig um Krankheitssymptome handelt, ist für die Umsatzsteuerfreiheit nicht ausschlaggebend, dass die Kosten der Heilbehandlung nicht von den gesetzlichen Krankenkassen erstattet wurden. Die Übernahme der Kosten durch die gesetzlichen Krankenkassen ist zwar ein wichtiges Indiz für das Vorliegen einer Krankheit, dafür alleine aber nicht ausschlaggebend. Insbesondere ist zu berücksichtigen, dass dieses Indiz um so mehr an Wirkung verliert, als die Krankenkassen im Zuge sog. Gesundheitsreformen immer mehr auch Kosten für eindeutige Heilbehandlungen nicht übernehmen. Hinzu kommt, dass die gesetzlichen Krankenkassen bei der Erstattung von Kosten neuartiger Heilbehandlungsmethoden, um es vorsichtig auszudrücken, zurückhaltend sind, was für die umsatzsteuerliche Behandlung nicht ausschlaggebend sein darf (so auch Urteil des Finanzgerichts - FG - Köln vom 19. Januar 2006 10 K 5354/02, Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 2006, 774). Von privaten Krankenkassen wurden im Übrigen einzelne Rechnungen über Einzeltherapien beglichen.

bb. €Tantra ...€

Ebenso ergibt sich aus den im Laufe des Klageverfahrens vorgelegten Unterlagen, dass die Symptome, die der Kläger im Rahmen des €Tantra ...€ behandelte (bspw. Burnout Syndrom, verschiedene Formen der Depressionen, Migräne, Erektionsstörung, verschiedene Formen der Persönlichkeitsstörung, verschiedene Phobien; vgl. im Einzelnen die €Übersicht der Diagnosen K 6, 8-10€, FG-Akte Blatt 127 ff., 132 ff.), Krankheiten sind. Auch hier sind die vom Kläger gestellten Diagnosen, nach Ansicht des Senats, wegen dessen beruflicher Qualifikation als Heilpraktiker und nach Einsichtnahme in seine Kundendatei in der mündlichen Verhandlung, glaubhaft. Zudem waren dem Kläger, so seine detaillierten und überzeugenden Ausführungen in der mündlichen Verhandlung, alle Teilnehmer des Seminars entweder aus anderen Kursen oder aus einem Einzelgespräch, das vor diesem Seminar geführt wurde, bereits bekannt (Abspielpunkt: 00:02:33). Voraussetzung für die Teilnahme an dem Seminar war entweder die Teilnahme an einer der €offenen Gruppen€ oder das Einzelgespräch (Abspielpunkt: 00:18:05). Im Übrigen war, nach der Anmeldung zum Seminar, vor der Teilnahme daran ein ausführlicher mehrseitiger Anamnesebogen auszufüllen (Abspielpunkt: 00:02:50, Rechtsbehelfsakten Blatt 34 ff., FG-Akte Blatt 163). Auf dieser Grundlage konnte der Kläger dann eine Diagnose erstellen und einen entsprechenden Therapieansatz wählen. Im Ergebnis behandelte der Kläger die Krankheiten. Die Art der Behandlung ergibt sich aus der Übersicht €K 5€ (FG-Akte Blatt 125 f.). Danach arbeitete er mit psychotherapeutischer Methodik, wie €diagnostischer Exploration auf Körperebene und psychologischer Ebene€, €Gesprächstherapeutischer Rahmung€, €Körperpsychotherapeutischen und tanztherapeutischen Interventionen€, €Gruppendynamischen und systemischen Interventionen€, €Ressourcenaktivierung und Dekonstruktion negativer Kognitionen und Verhaltensschemata (Verhaltenstherapie)€, €Inner Bonding Therapie (Innere Kind - Arbeit)€, €Auflösen von negativen Glaubensmustern und positiver Neukonditionierung€ und €ergänzendem Achtsamkeits- und Sensibilitätstraining€. Die Arbeitsform wechselte von Explorationen, Interventionen und Übungen in der Großgruppe, in Kleingruppen, in Paaren und in Einzelarbeit. Sollten diese Formen der Behandlung besonders oder erfolglos sein, führt dies, entgegen der Auffassung des Beklagten, nicht dazu, ihr den therapeutischen Charakter abzusprechen.

Da es sich bei den Symptomen, die der Kläger behandelte, eindeutig um Krankheitssymptome handelt, ist es auch hier aus den unter 1. a. aa. dargelegten Gründen für die Umsatzsteuerfreiheit nicht ausschlaggebend, dass die Kosten der Heilbehandlung nicht von den gesetzlichen Krankenkassen erstattet wurden.

cc. Übrige Gruppenangebote

Für die übrigen Gruppenangebote, die Titel tragen wie €€ Feuer € Lust € Sehnsucht €€, legte der Kläger dagegen keine Diagnosen für die einzelnen Teilnehmer vor. Inwiefern in diesen Fällen Krankheiten therapiert wurden, erschließt sich dem erkennenden Senat daher nicht. Da allerdings der Kläger die Steuerfreiheit der hieraus erzielten Umsätze begehrt, trägt er die Feststellungslast für die hier entscheidungserheblichen Tatsachen. Sofern die für die Umsatzsteuerbefreiung erforderlichen Feststellungen nicht möglich sind, geht dies zu seinen Lasten.

Überdies ist hierbei zu berücksichtigen, dass sich der Kläger mit diesen Gruppenangeboten nicht ausschließlich an Kranke, sondern an alle Personen wandte, auch solche, die sich bspw. mit ihrer Teilnahme eine Steigerung ihres Wohlbefindens versprachen. Jedenfalls war deren Teilnahme nicht ausgeschlossen (Abspielpunkt: 00:17:19). Der Kläger selbst bezeichnete diese Gruppen als €offene Gruppen€, an denen man voraussetzungslos, also ohne dass zuvor ein Einzelgespräch geführt oder eine andere Gruppe besucht wurde, teilnehmen konnte (Abspielpunkte: 00:02:26, 00:02:34). Auch war vor der Teilnahme kein Anamnesebogen, sondern lediglich ein Anmeldebogen auszufüllen. Abgefragt wurden mit ihm ausschließlich die psychotherapeutische Vorerfahrung, ob der Teilnehmer in einer psychiatrischen Behandlung ist und die Vorerfahrung mit Tantra (Abspielpunkt: 00:02:39). Bereits aus diesen Gründen ist nicht ersichtlich, dass der Kläger in diesen Kursen Heilmaßnahmen durchführte. Eine Steuerbefreiung der hieraus erzielten Umsätze nach § 4 Nr. 14 UStG scheidet daher aus.

Nachdem die Umsatzsteuerfestsetzung für 2001 Gegenstand des Klageverfahrens ist, kann sich der Kläger nicht erfolgreich auf Vertrauensschutz berufen. Die für den Streitfall maßgebliche Entscheidung des EuGH (Urteil vom 14. September 2000 C-384/98, Umsatzsteuer-Rundschau - UR - 2000, 432), wonach ärztliche bzw. arztähnliche Leistungen nur dann nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b oder c der Richtlinie 77/388/EWG steuerfrei sind, wenn sie der medizinischen Betreuung von Personen durch das Diagnostizieren und Behandeln von Krankheiten oder anderen Gesundheitsstörungen dienen, erging bereits im September 2000. In der einschlägigen Fachpresse wurde sie zeitnah veröffentlicht (bspw. in der UR im Oktoberheft des Jahres 2000). Möglichkeiten, sich für den Streitzeitraum auf die Auswirkungen dieser Rechtsprechung einzustellen, bestanden daher bereits ab diesem Zeitpunkt.

b. Entgegen der Auffassung des Klägers sind die Umsätze aus den €übrigen Gruppenangeboten€, die auf im Ausland abgehaltene Kurse und Seminare entfallen, nach § 3a Abs. 1 UStG in Deutschland steuerbar. Die Voraussetzungen von § 3a Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a UStG liegen nicht vor.

Nach § 3a Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a UStG werden die kulturellen, künstlerischen, wissenschaftlichen, unterrichtenden, sportlichen, unterhaltenden oder ähnlichen Leistungen einschließlich der Leistungen der jeweiligen Veranstalter sowie die damit zusammenhängenden Tätigkeiten, die für die Ausübung der Leistung unerlässlich sind, abweichend von § 3a Abs. 1 UStG, dort ausgeführt, wo der Unternehmer jeweils ausschließlich oder zum wesentlichen Teil tätig wird. § 3a Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a UStG setzt die Bestimmung über den Dienstleistungsort in Art. 9 Abs. 2 Buchst. c der Richtlinie 77/388/EWG um. Die nationale Vorschrift ist unter Beachtung der maßgebenden gemeinschaftsrechtlichen Vorschrift auszulegen. Unterrichtende Leistungen liegen vor, wenn der Unternehmer planmäßig ein bestimmtes Lernziel vermittelt (BFH-Urteil vom 23. September 1993 V R 132/89, Bundessteuerblatt - BStBl - II 1994, 272). Die Leistungen bestehen im Vermitteln von Wissen, Fähigkeiten, Fertigkeiten, Handlungsweisen und Einstellungen durch Lehrer an Schüler in organisierter und institutionalisierter Form (BFH-Urteil vom 13. Januar 1994 IV R 79/92, BStBl II 1994, 362). Auf die Art und das Niveau der vermittelten Fertigkeiten kommt es dabei nicht an. Dagegen liegt eine davon abzugrenzende Beratungsleistung bei der Vermittlung von Informationen zur Lösung konkreter Probleme und bei Auswertung der Informationen durch den Berater vor (BFH-Urteil vom 18. Juni 2009 V R 34/08, BFH/NV 2010, 69). Wie der Beklagte zu Recht ausführte, ist demnach mitentscheidend, ob Informationen eher abstrakt weitergegeben werden oder der Behandlung spezifischer Fragestellungen dienen. Laut den Ausführungen des Klägers zu seiner Arbeit und seinem Auftreten in Flyern und im Internet überwiegt letzteres. So begleitete er jeden einzelnen seiner Kunden bei der Selbstfindung und Konfliktlösung. Seine Tätigkeit ist danach als beratend und nicht als unterrichtend einzustufen. Jedenfalls ist nicht zu ersehen, dass der Kläger in den drei in 2001 im Ausland abgehaltenen Kursen (zwei Ferienworkshops und ein Einführungswochenende; €... Sein ... Liebe ... Erotik ...€), aus deren Angeboten er laut seiner in der mündlichen Verhandlung am 11. Mai 2011 dem Gericht übergebenen Übersicht Umsätze erzielte, unterrichtend tätig war. Weder ergibt sich das aus den Akten noch aus den Ausführungen des Klägers in der mündlichen Verhandlung.

c. Die Umsatzsteuer für 2001 berechnet sich wie folgt:

festgesetzte Umsatzsteuer:(Umsatzsteuerbescheid vom 6. März 2007) xxx DM./. Umsatzsteuer xxx DM (Tantra Seminar = brutto: xxx/Umsatzsteuer: xxx Einzel- und Paartherapie = brutto: xxx/Umsatzsteuer: xxx) + Vorsteuer (xx % der bislang berücksichtigten Vorsteuer in Höhe von xxx DM)xxx DM= neu festgesetzte Umsatzsteuer xxx DM (= xxx EUR)

2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 136 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung (FGO). Die Kosten waren verhältnismäßig im Umfang des Obsiegens bzw. Unterliegens zu teilen.

3. Die Klägerseite beantragte, die Zuziehung eines Bevollmächtigten zum Vorverfahren für notwendig zu erklären. Dem Verfahren lag ein Sachverhalt zugrunde, der in rechtlicher Hinsicht nicht von vornherein als einfach zu beurteilen war. Die Klägerseite durfte sich daher eines Rechtskundigen bedienen, um eine erfolgversprechende Rechtsverfolgung zu erreichen. Der Senat hält hiernach die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig (§ 139 Abs. 3 Satz 3 FGO).

4. Der Ausspruch der vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 151 FGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 709, 711 Zivilprozessordnung.

5. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO nicht vorliegen.






FG Baden-Württemberg:
Urteil v. 11.05.2011
Az: 14 K 4038/08


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/cf33e2dd4efb/FG-Baden-Wuerttemberg_Urteil_vom_11-Mai-2011_Az_14-K-4038-08




Diese Seite teilen (soziale Medien):

LinkedIn+ Social Share Twitter Social Share Facebook Social Share