Bundespatentgericht:
Beschluss vom 23. April 2009
Aktenzeichen: 30 W (pat) 63/08

(BPatG: Beschluss v. 23.04.2009, Az.: 30 W (pat) 63/08)

Tenor

BPatG 152 Die Beschwerde der Anmelderin wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Zur Eintragung in das Markenregister angemeldet ist die Wortfolge Swiss Clinique Groupfür die Waren und Dienstleistungen

"Medizinische und schönheitschirurgische Dienstleistungen / Gesundheitsund Schönheitspflege für Menschen; Werbung / Geschäftsführung / Unternehmensverwaltung / Büroarbeiten; Chirurgische, ärztliche und schönheitschirurgische Instrumente und Apparate".

Die Markenstelle für Klasse 44 des Deutschen Patentund Markenamtes hat die Anmeldung wegen fehlender Unterscheidungskraft und eines bestehenden hohen Freihaltebedürfnisses zurückgewiesen. Die angemeldete Bezeichnung weise in Zusammenhang mit den beanspruchten Produkten ausschließlich beschreibend darauf hin, dass die so gekennzeichneten Dienstleistungen und Waren von einer Schweizer Klinik-Gruppe angeboten würden, für eine solche bestimmt oder geeignet seien. Wegen der problemlosen Verständlichkeit des Anmeldezeichens würden die angesprochenen Verkehrskreise dieses auch nicht als Hinweis darauf verstehen, dass die entsprechend gekennzeichneten Produkte von einem ganz bestimmten Unternehmen angeboten würden. Maßgeblich sei eine betriebskennzeichnende Unterscheidungskraft, so dass es ohne Belang sei, ob der angemeldeten Bezeichnung eine produktidentifizierende Unterscheidungskraft zukomme. Die von der Anmelderin angeführten Voreintragungen seien nicht vergleichbar.

Hiergegen hat die Anmelderin Beschwerde eingelegt. Auf die vom Senat übermittelten Ergebnisse einer Internetrecherche zur Verwendung der angemeldeten Kombination und einen entsprechenden Hinweis hat die Anmelderin ausgeführt, das Deutsche Patentund Markenamt habe in vergleichbaren Markenanmeldungen die Schutzfähigkeit bejaht. Unter Berufung auf das Gleichbehandlungsgebot führt sie hierzu eine Reihe von Markeneintragungen mit den Bestandteilen "Swiss", "Clinical" und "Group" an.

Die Anmelderin beantragt sinngemäß, den angefochtenen Beschluss der Markenstelle für Klasse 44 des Deutschen Patentund Markenamtes vom 4. Juli 2008 aufzuheben und die angemeldete Marke einzutragen.

Ergänzend wird auf den Inhalt der Akten und die der Anmelderin übersandten Ergebnisse einer Internetrecherche Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde der Anmelderin ist in der Sache ohne Erfolg.

Die angemeldete Marke ist von der Eintragung ausgeschlossen, da sie eine für den Wettbewerb freizuhaltende, beschreibende Angabe im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG ist.

1. Nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG sind solche Marken von der Eintragung ausgeschlossen, die ausschließlich aus Zeichen oder Angaben bestehen, die im Verkehr u. a. zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Bestimmung, der geographischen Herkunft oder sonstiger Merkmale der Waren und Dienstleistungen dienen können.

Auch Wortneubildungen kann der Eintragungsversagungsgrund des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG entgegenstehen, wenn sie sprachüblich gebildet sind und ihr beschreibender Aussagegehalt so deutlich und unmissverständlich ist, dass sie ihre Funktion als Sachbegriffe erfüllen können. Dies ist dann der Fall, wenn sich den angesprochenen Abnehmern eine konkret beschreibende Angabe ohne die Notwendigkeit besonderer Denkprozesse unmittelbar erschließt, wobei auch bei der Kombination fremdsprachiger Wörter die Verständnisfähigkeit des inländischen Publikums vor allem durch den gemeinsamen europäischen Markt nicht zu gering veranschlagt werden darf (vgl. EuGH GRUR 2006, 411, 413 (Nr. 26) -Matratzen Concord/Hukla; BGH GRUR 2001, 1047, 1049 -LOCAL PRESENCE, GLOBAL POWER; GRUR 2001, 735, 736 -Test it; Ströbele/Hacker, MarkenG, 8. Aufl., § 8 Rdn. 253, 260 m. w. N.). Dabei nimmt der Verkehr Kennzeichen von Waren und Dienstleistungen regelmäßig in der Form auf, wie sie ihm entgegentreten und ist erfahrungsgemäß wenig geneigt, sie begrifflich zu analysieren, um beschreibende Bedeutungen herauslesen zu können, so dass die angemeldete Wortfolge in ihrer Gesamtheit der Beurteilung zugrunde zu legen und keine zergliedernde Analyse vorzunehmen ist (vgl. BGH GRUR 2001, 162 -164 -RATIONAL SOFTWARE CORPORATION).

Insbesondere hat eine Marke, die sich aus einem Wort oder einer Wortfolge mit mehreren Bestandteilen zusammensetzt, von deren Inhalt jeder Merkmale der beanspruchten Waren beschreibt, selbst einen die genannten Merkmale beschreibenden Charakter im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG, es sei denn, dass ein merklicher Unterschied zwischen dem Wortinhalt und der bloßen Summe des Inhalts seiner Bestandteile besteht. Dabei führt die bloße Aneinanderreihung solcher beschreibenden Bestandteile ohne Vornahme einer ungewöhnlichen Änderung, insbesondere syntaktischer oder semantischer Art, nur zu einer Marke, die ausschließlich aus beschreibenden Zeichen oder Angaben besteht (EuGH GRUR Int. 2004, 410, 413 -BIOMILD; EuGH GRUR Int. 2004, 500, 507 -KPN-Postkantoor).

Hinsichtlich einer geographischen Herkunftsangabe muss die für die Bejahung eines Freihaltungsbedürfnisses erforderliche Beziehung zwischen den beanspruchten Waren und Dienstleistungen und dem fraglichen Ort nicht notwendigerweise auf der Herstellung der Waren oder der Erbringung der Dienstleistung in diesem Ort beruhen, sondern kann sich auch aus anderen Anknüpfungspunkten ergeben. Letztlich besteht ein Freihaltungsbedürfnis nicht nur an geographischen Angaben, die sich unmittelbar auf konkrete Eigenschaften der einschlägigen Waren und Dienstleistung beziehen, sondern auch an Ortsbezeichnungen, welche die Vorlieben der Verbraucher in anderer Weise beeinflussen können, z. B. dadurch, dass diese eine Verbindung zwischen Waren und Dienstleistungen und einem Ort herstellen, mit dem sie positiv besetzte Vorstellungen verknüpfen (vgl. EuGH GRUR 1999, 723 -Chiemsee; Ströbele/Hacker § 8 Rdn. 218 m. w. N.). Dabei besteht bei Namen von Ländern oder sonst wirtschaftlich bedeutenden Örtlichkeiten eine grundsätzliche Vermutung dafür, dass sie als geographische Herkunftsangaben zur freien Verwendung benötigt werden (vgl. EuG GRUR 2004, 148 -OLDENBURGER; Ströbele/Hacker § 8 Rdn. 221 m. w. N.).

Es ist zudem nicht erforderlich, dass die Zeichen oder Angaben, aus denen die Marke besteht, zum Zeitpunkt der Anmeldung bereits tatsächlich zu beschreibenden Zwecken für Waren oder Dienstleistungen wie die in der Anmeldung aufgeführten verwendet werden. Es genügt, wie sich schon aus dem Wortlaut des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG ergibt, dass die Zeichen oder Angaben zu diesem Zweck "dienen können".

2. Davon ausgehend liegt im vorliegenden Fall ein rechtserhebliches Freihaltebedürfnis an der angemeldeten Wortfolge "Swiss Clinique Group" vor. Die angesprochenen Verkehrskreise entnehmen der sprachüblich gebildeten Kombination aus der Bezeichnung "Clinique Group" und der Ortsangabe "Swiss" ohne weiteres die Bedeutung "Schweizer Klinik Gruppe". Im hier maßgeblichen Bereich der ästhetischen Medizin und der Schönheitschirurgie ist die Verwendung englischer und französischer Begriffe allgemein üblich. Die Wortmarke "Swiss Clinique Group" stellt eine Zusammensetzung aus zwei zum englischen Grundwortschatz gehörenden Begriffen und einem auch im Englischen ähnlich gebildeten französischen Wort dar. Bei derartigen, aus mehreren Bestandteilen kombinierten Marken ist es zulässig, zunächst die Bestandteile getrennt zu betrachten, soweit die Beurteilung des Schutzhindernisses auf einer sich anschließenden Prüfung der Gesamtheit dieser Bestandteile beruht (vgl. EuGH GRUR 2004, 943, 944 -SAT.2; GRUR 2006, 229, 230 -BioID).

Das englische Wort "Swiss" bedeutet im Deutschen "Schweizer, schweizerisch" und ist als geographische Herkunftsangabe zu verstehen (vgl. Duden-Oxford-Großwörterbuch Englisch, 3. Aufl. Mannheim 2005 (CD-ROM). Das französische Wort "Clinique" bedeutet "Klinik" und ist auch durch seine im Deutschen und Englischen ähnliche Aussprache ohne weiteres verständlich. Gerade im Zusammenhang mit der auch französischsprachigen Schweiz erscheint die Verwendung französischer Begriffe nicht ungewöhnlich. "Klinik" ist ein allgemein gebräuchlicher Begriff, um einen Bereich oder einen Ort der Ausübung einer medizinischen oder schönheitschirurgischen Tätigkeit zu bezeichnen. Hierbei handelt es sich in Bezug auf die angemeldeten Waren und Dienstleistungen um eine ohne weiteres beschreibende Sachangabe, da damit deren Art und der Ort ihrer Erbringung bezeichnet wird. Das englische Wort "Group" bedeutet "Bereich, Gruppe, Konzern" und wird in Zusammensetzungen verwendet, um Zusammenschlüsse in konkreten Wirtschaftssparten oder Dienstleistungsbereichen zu bezeichnen wie z. B. "bank group (Bankengruppe), business group (Handelskonzern), insurance group (Versicherungsgruppe)" (vgl. LEO -Online Wörterbuch der TU München).

Die aus beschreibenden Bestandteilen sprachlich zusammengesetzte Wortfolge "Swiss Clinique Group" in ihrer Gesamtheit enthält damit keinen Aussagegehalt, der über die Bedeutung ihrer einzelnen Bestandteile hinausgeht (vgl. EuGH GRUR 2006, 229, Rn. 29 -BioID). Eine beschreibende Verwendung im vorgenannten Sinne zeigen auch die der Anmelderin übersandten Belege. So wird die Zusammensetzung "Clinique Group" auch unter Verwendung der Ortsangabe "Swiss" im obengenannten Sinn bereits verwendet (vgl. "Germany«s Helios Clinic Groups..." sowie "Leading Swiss Clinic Group..." unter www.ehealtheurope.net; "Gesundheit Nord -Clinic Group Bremen..." unter www.infopark.com).

Es liegt für die fachlich informierten Verkehrskreise in Bezug auf die beanspruchten Waren und Dienstleistungen daher nahe, die angemeldete Bezeichnung "Swiss Clinique Group" als "Schweizer Klinik-Gruppe" zu verstehen. In Bezug auf diese Waren und Dienstleistungen ergibt die angemeldete Bezeichnung "Swiss Clinique Group" die zur Beschreibung geeignete, naheliegende Sachaussage, dass es sich nach Art und Beschaffenheit um Waren oder Dienstleistungen handelt, die unter dem Dach einer in der Schweiz ansässigen Unternehmensgruppe medizinischer oder schönheitschirurgischer Kliniken angeboten oder erbracht werden bzw. hierfür bestimmt sind oder dort Verwendung finden.

Selbst wenn der Begriff "Swiss Clinique Group" auf eine Wortschöpfung durch die Anmelderin zurückzuführen wäre, so ist er doch sprachüblich gebildet, ohne weiteres verständlich und deshalb zur Beschreibung der Waren und Dienstleistungen geeignet, so dass seine freie Benutzung durch Dritte gewährleistet sein muss (vgl. BGH GRUR 2005, 578, 580 -LOKMAUS). Die Angabe eines Ausstattungsmerkmals bzw. einer Bestimmungsoder Inhaltsangabe der beanspruchten Waren und Dienstleistungen ist eine wichtige Sachinformation, die auch unabhängig von ihrer wirtschaftlichen Bedeutung und davon, ob möglicherweise andere Angaben zur Bezeichnung dieser Merkmale gebräuchlich sind, den Mitbewerbern zur Beschreibung ihrer Waren und Dienstleistungen zur Verfügung stehen muss (vgl. EuGH a. a. O. -Postkontoor).

Die Anmelderin kann sich zur Ausräumung der Schutzhindernisse auch nicht auf eine ihrer Meinung nach abweichende Eintragungspraxis und Rechtsprechung berufen. Zum einen sind die von der Anmelderin genannten Marken, die jeweils eines der Elemente "Swiss" oder "Group" beinhalten, nicht mit der angemeldeten Wortfolge vergleichbar, da es sich größtenteils um Wort/Bildmarken handelt, die ihre Schutzfähigkeit auf ein zusätzliches Bildelement oder eine besondere graphische Ausgestaltung gründen oder um Wortmarken, die ein zusätzliches Wortelement enthalten (vgl. MGM-Medical Group München) oder die abweichende Warenund Dienstleistungsklassen beanspruchen. Zum anderen erwächst selbst aus Voreintragungen ähnlicher oder übereinstimmender Marken unter dem Gesichtspunkt des Gleichbehandlungsgebots (Art. 3 GG) grundsätzlich kein Eintragungsanspruch für spätere Markenanmeldungen, da es sich bei der Entscheidung über die Eintragbarkeit einer Marke nicht um eine Ermessens-, sondern um eine gebundene Entscheidung handelt, die jeweils einer auf den Einzelfall bezogenen Prüfung unterliegt (vgl. BGH GRUR 1997, 527, 528 -Autofelge; BGH BlPMZ 1998, 248, 249 -Today; GRUR 2005, 578 -LOKMAUS; BGH GRUR 2008, 1093, 1095

[18] -Marlene-Dietrich-Bildnis; EuGH a. a. O. -BioID; BPatG PMZ 2007, 160 -Papaya; vgl. Ströbele/Hacker, Markengesetz, 8. Aufl., § 8 Rdnr. 25, 26 m. w. N.).

Die Beschwerde ist daher zurückzuweisen.

Dr. Vogel von Falckenstein Paetzold Hartlieb Cl






BPatG:
Beschluss v. 23.04.2009
Az: 30 W (pat) 63/08


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