Bundespatentgericht:
Beschluss vom 25. Mai 2009
Aktenzeichen: 5 Ni 25/09

(BPatG: Beschluss v. 25.05.2009, Az.: 5 Ni 25/09)

Tenor

1.

Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

2.

Der Streitwert für das Verfahren vor dem Bundespatentgericht wird auf 30.000,--€ festgesetzt.

Gründe

I.

Der Beklagte ist Inhaber des am 2. August 2001 angemeldeten deutschen Patents 101 37 877 (Streitpatent), dessen Erteilung am 22. Juni 2006 veröffentlicht worden ist. Es trägt die Bezeichnung "Vorrichtung zum Schutz von Bauwerksteilen aus Beton gegen Feuchtigkeit" und umfasst 8 Patentansprüche. Patentanspruch 1 lautet wie folgt:

Vorrichtung zum Schutz von Bauwerksteilen aus Beton gegen Feuchtigkeit, insbesondere von das Tragwerk von Brücken bildenden Konstruktionsbetonplatten, die ein wannenförmiges Profil aufweisen, auf denen abgewinkelte, den Wannenrand bildende seitliche Abschlusselemente angeordnet und die mit einer Abdeckung aus feuchtigkeitsisolierendem Bahnmaterial versehen sind, wobei an den zu den seitlichen Abschlusselementen weisenden, freien Rändern der Abdeckung ein an diese dicht anschließendes, bandförmiges Profilstück zwischen der Konstruktionsbetonplatte und dem seitlichen Abschlusselement angeordnet ist und aus einer Basisplatte besteht, die einseitig als Feuchtigkeitssperre mindestens einen in das Material des benachbarten, seitlichen Abschlusselements greifenden, rippenartigen Vorsprung aufweist und zwischen der Basisplatte und dem Rand der Abdeckung mindestens eine Ausnehmung vorgesehen ist, dadurch gekennzeichnet, dass der rippenartige Vorsprung (47) unmittelbar von der Basisplatte (24) aus divergierende Flanken (41, 42) aufweist.

Die Klägerin greift das Streitpatent in vollem Umfang an. Sie macht geltend, der Gegenstand des Hauptanspruchs 1 und der auf diesen rückbezogenen Unteransprüche 2 bis 8 sei durch die Richtlinie 835.9101 "Hinweise für die Abdichtung von Ingenieurbauwerken (AIB)", Bild 22 der N...-AG, Ausgabe vom 1. September 1999 (Anlage K4) vorweggenommen. Diese Richtlinie habe die N...-AG am 10. März 2000 an einen breiten Verteilerkreis versandt. Weiter beruft sie sich auf eine Produktinformation "Dichtungsabschlussband K40" der S... GmbH entsprechend der oben genannten Richtlinie (Anlage K8).

Die Klage ist dem Beklagten am 9. Juni 2008 zugestellt worden. Mit Schriftsatz vom 9. Juli 2008, bei Gericht eingegangen am selben Tage, hat er auf das Streitpatent verzichtet. Die an das Deutsche Patentund Markenamt gerichtete Verzichtserklärung ist dort am 14. Oktober 2008 eingegangen.

Mit Schriftsatz vom 11. Dezember 2008 hat die Klägerin den Rechtstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt. Der Beklagte hat der Erledigungserklärung nicht widersprochen.

Die Parteien beantragen, jeweils dem Gegner die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

Die Klägerin trägt hierzu vor, die Klage sei bis zum Zeitpunkt des erledigenden Ereignisses, nämlich der Einreichung des Verzichts auf das Patent beim Deutschen Patentund Markenamt am 14. Oktober 2008, zulässig und begründet gewesen. Der Beklagte beruft sich im Wesentlichen darauf, dass die Klägerin aus der Nichtigerklärung des Streitpatents keinen rechtlichen Vorteil habe erlangen können.

Darüber hinaus beantragen die Parteien, den Streitwert für das Nichtigkeitsverfahren festzusetzen.

Die Klägerin geht unter Bezugnahme auf von ihr erwirtschaftete Umsätze, die sie durch eine eidesstattliche Versicherung des Herrn R... belegt, von einem Streitwert von ...,--€ aus. Demgegenüber hält der Beklagte ledigich einen Streitwert in Höhe von ...,--bis ...,--€ für angemessen. Wenn man den Streitwert analog zur Lizenzberechnung bestimme, ergebe sich bei einem Jahresumsatz von ...,--€, einem Lizenzfaktor von 3 % und einer Restlaufzeit von 13 Jahren ein Lizenzgewinn von ca. ...,--€. Bei einem Abschlag von einem Drittel aufgrund der Unsicherheit der Prognose über die Restlaufzeit verbleibe ein allgemeiner Wert von ...,--€. Dieser Wert werde jedoch dadurch gemindert, dass das Streitpatent gegenüber dem Basispatent in technischer rechtlicher und wirtschaftlicher Hinsicht nur eine geringfügige Verbesserung darstelle. Man könne deshalb bestenfalls von einem Lizenzfaktor von 0,5 % ausgehen. Auch werde sich künftig maximal 1/5 des zuvor bezeichneten Absatzes pro Jahr erreichen lassen. Dies alles führe zu einer erheblichen Reduzierung des Streitwerts.

II.

1. Nachdem die Klägerin den Rechtstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt und der Beklagte der Erledigungserklärung nicht widersprochen hat, entscheidet das Gericht unter Berücksichtigung des bisherigen Sachund Streitstandes nach billigem Ermessen nur noch über die Kosten des Verfahrens (§ 99 Abs. 1 PatG i.

V. m. § 91 a Abs. 1 Satz 1 und 2 ZPO). Danach hat der Beklagte die Kosten des Rechtstreits zu tragen.

a.

Im Rahmen der Ermessensentscheidung nach § 91 a ZPO ist der Grundgedanke des § 93 ZPO heranzuziehen, wonach der Beklagte keine Kosten zu tragen hat, wenn er keine Veranlassung zur Klageerhebung gegeben und den Klageanspruch sofort anerkannt hat. Dies ist hier nicht der Fall.

Der Beklagte hat den Klageanspruch entsprechend § 93 ZPO nicht sofort anerkannt. Nach der Rechtsprechung kommt dem Patentnichtigkeitsverfahren ein Anerkenntnis im zivilprozessualen Sinne nicht in Betracht, weil kein Anerkenntnisurteil (§§ 307, 313 b ZPO) ergehen kann. Die entsprechende Anwendung von § 93 ZPO ist jedoch dann möglich und geboten, wenn der Beklagte dem Nichtigkeitskläger in vergleichbarer Weise einen Erfolg des Klagebegehrens sichert. Der Kläger muss hinreichend sicher sein, aus dem Patent nicht mehr in Anspruch genommen zu werden. Das kann durch einen Verzicht auf das Streitpatent und gegebenenfalls auf Ansprüche aus dem Patent für die Vergangenheit geschehen. Der Verzicht wird nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 PatG erst mit Abgabe der schriftlichen Verzichtserklärung gegenüber dem Patentamt, die das Erlöschen das Patents unmittelbar herbeiführt, wirksam (BGH Urt. v. 8. Dezember 1983 -X ZR 15/82, Diesen Anforderungen ist der Beklagte nicht gerecht geworden. Er hat zwar innerhalb der Widerspruchsfrist gegenüber dem Bundespatentgericht auf das Streitpatent verzichtet; die nach § 20 PatG erforderliche Verzichtserklärung gegenüber dem deutschen Patentund Markenamt ist dort aber erst am 14. Oktober 2008 eingegangen. Der Beklagte hat die Klägerin damit nicht sofort so gestellt, dass sie nicht mehr damit rechnen musste, aus dem Streitpatent in Anspruch genommen zu werden.

BlPMZ 1984, 246 -"Isolierglasscheibenrandfugenfüllvorrichtung"; Urt. vom 29. Juli 2003 -X ZR 26/00, GRUR 2004, 138 -Dynamisches Mikrophon;

Benkard/Rogge § 81 Rdn. 37; Busse/Keukenschrjiver § 84 Rdn. 17).

b. Für die Kostenverteilung kommt es sonach darauf an, ob bzw. inwieweit die zulässige Klage voraussichtlich begründet gewesen wäre. Bei Berücksichtigung des bisherigen Sachund Streitstandes erweist sich der Gegenstand des Streitpatents als nicht patentfähig, so dass voraussichtlich der Beklagte im Rechtsstreit unterlegen wäre.

Die Klägerin stützt die Klage insbesondere auf eine Richtlinie der deutschen Bahn, Nr. 835.9101 (Anlage K4), welche bezüglich der hier maßgeblichen technischen Details anhand einer Abbildung (Bild 22, Anlage K6) näher erläutert ist und auf eine Produktinformation "Dichtungsabschlussband K40" (Anlage K8) vor. Diese Druckschriften, die zum vorveröffentlichten Stand der Technik im Sinne des § 3 PatG zählen, stehen dem Gegenstand des Streitpatents jeweils neuheitsschädlich entgegen. Hinsichtlich der Anlage K8 ergibt sich dies bereits ganz augenscheinlich aus der Übereinstimmung der dortigen Zeichnung mit den Figuren 1 und 2 in der Streitpatentschrift. Insbesondere ist in der Darstellung der K8 neben den übereinstimmenden Merkmalen 1 bis 5 gemäß der Merkmalsanalyse der Klägerin (Anlage K2) eindeutig zu erkennen, dass dort auch das kennzeichnende Merkmal 6 realisiert ist, nämlich dass der rippenartige Vorsprung unmittelbar von der Basisplatte aus divergierende Flanken aufweist. Auch das Bild 22 in Anlage K4 bzw. K6 zeigt einen mit dem Gegenstand des Streitpatents identischen Aufbau, wobei wiederum insbesondere die divergierenden Flanken der rippenartigen Vorsprünge zu erkennen sind.

2. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 2 Abs. 2 Satz 4 PatKostG i. V. m. § 63 GKG. Im Patentnichtigkeitsverfahren bemisst sich die Höhe des Streitwerts nach dem objektiven Wert des Streitpatents, nämlich dem wirtschaftlichen Interesse der Allgemeinheit an dessen Vernichtung. Dieser Wert wird bestimmt durch den gemeinen Wert des angegriffenen Patents, zuzüglich der Schadenersatzforderungen, die in der Vergangenheit durch die Verletzung des Patents entstanden sind (vgl. Schulte, Patentgesetz, 8. Auflage, § 2 PatKostG Rdn. 36 f.). Patentverletzungsverfahren, die aus dem Streitpatent geführt wurden, hat es in der Vergangenheit nicht gegeben. Somit verbleibt der gemeine Wert des als rechtsbeständig zu unterstellenden Patents, der sich nach dem Gewinn, der mit dem patentierten Gegenstand erzielt wird, richtet. Dieser Gewinn kann nach herrschender Auffassung aus dem Jahresumsatz, hochgerechnet auf die Restlaufzeit des Patents, ermittelt werden, bei dem ein angemessener Lizenzsatz zugrunde gelegt wird (vgl. BGH GRUR 1985, 511 -Stückgutverladeanlage). Nach diesen Grundsätzen ergibt sich hier folgende Berechnung:

Die Klägerin hat ihre Umsatzzahlen aus den Jahren 2001 bis 2008 vorgelegt und deren Richtigkeit mittels eidesstattlicher Versicherung des Herrn R... bekräftigt. Wenn man diese Umsatzzahlen addiert, ergeben sich ...,--€ und somit, geteilt durch 8, ein durchschnittlicher Jahresumsatz von ...,--€. Weiter ist zu berücksichtigen, dass der Beklagte bzw. die S... GmbH mögliche Abnehmer der Klägerin darauf hingewiesen hat, dass das Kappenfugenband durch das Streitpatent geschützt sei und Nachahmerprodukte möglicherweise einen Patentverletzungstatbestand darstellten. Dies ist belegt durch die von der Klägerin erwirkte einstweilige Verfügung vom 19. Juni 2007 vor dem LG Düsseldorf, mit der dem Beklagten und der S... GmbH eben diese Behauptungen untersagt worden sind. Diese einstweilige Verfügung ist durch Urteil des LG Düsseldorf vom 10. Juni 2008 aufrechterhalten worden. In Anbetracht dieses Umstandes hält es der Senat für angemessen, zu dem oben genannten Umsatz der Klägerin ...,--€ hinzuzuaddieren. Auszugehen ist demnach von einem Jahresumsatz von ...,--€. Wenn man einen Lizenzfaktor von 2 % zugrunde legt, ergeben sich aus diesem Jahresumsatz ...,--€ "Gewinn"; diese multipliziert mit der Restlaufzeit des Streitpatents von 13 Jahren zum Zeitpunkt der Klageerhebung ergibt einen Betrag von ...,--€. Zieht man hiervon ein Drittel ab wegen der unsicheren Prognose für die Restlaufzeit (vgl. BGH GRUR 1985, 511 -Stückgutverladeanlage) ergibt sich ein aus Sicht des Senats angemessen geschätzter Streitwert von ...,--€.

Schuster Gutermuth Hildebrandt Pü






BPatG:
Beschluss v. 25.05.2009
Az: 5 Ni 25/09


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