Oberlandesgericht Düsseldorf:
Urteil vom 22. November 2012
Aktenzeichen: I-2 U 64/11

(OLG Düsseldorf: Urteil v. 22.11.2012, Az.: I-2 U 64/11)

Tenor

I.

Die Berufung gegen das Urteil der 4b. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 07.06.2011 wird zurückgewiesen.

II.

Die Beklagten haben auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

III.

Dieses Urteil und das Urteil des Landgerichts Düsseldorf sind für die Klägerin vorläufig vollstreckbar. Die Beklagten dürfen die Zwangsvollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 337.500,00 EUR abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV.

Die Revision wird nicht zugelassen.

V.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 337.500,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Die Klägerin nimmt die Beklagten aus dem deutschen Teil des europäischen Patents (Klagepatent) auf Unterlassung, Feststellung der Schadensersatz- und Entschädigungspflicht und Auskunft in Anspruch. Das Klagepatent wurde am 26.08.2003 unter Inanspruchnahme einer deutschen Priorität vom 27.08.2002 von der Klägerin und der R. P. G., damals noch firmierend unter S. W. S. S. G. und K. E. R.-P. Kunststoffverarbeitungs-Gesellschaft mbH, in deutscher Verfahrenssprache angemeldet. Die Patentanmeldung wurde am 25.05.2005 veröffentlicht, der Hinweis auf die Patenterteilung am 14.10.2009. Das Patent steht in Kraft. Eingetragene Inhaber sind die Klägerin und die R. P. G.. Gegen die Erteilung des Klagepatents wurde von verschiedenen Seiten beim Europäischen Patentamt (EPA) Einspruch eingelegt. Die Beklagte zu 1) ist dem Einspruchsverfahren beigetreten (Anlage B 2). Über den Einspruch wurde bislang nicht entschieden.

Das Klagepatent bezieht sich auf einen Flaschenkasten und das zugehörige Herstellungsverfahren. Die Patentansprüche 1 und 13 des Klagepatents lauten:

1. Flaschenkasten, mit einem Boden (4) und Seitenwänden (3), welche mindestens aus einem ersten Kunststoff gebildet sind, wobei mindestens an einer Seitenwand (3) mindestens ein Bereich (5) aus einem zweiten Kunststoff stoffschlüssig mit dem ersten Kunststoff verbunden ist, wobei der zweite Kunststoff flächig auf den ersten Kunststoff an- oder aufgespritzt ist und zwar in einem Bereich (5), der durch eine Dichtleiste (7) begrenzt ist, die durch eine von der Seitenwand (3) hervorstehende Dichtlippe gebildet ist und eine trennscharfe Abgrenzung der beiden Kunststoffe bildet.

und

13. Verfahren zur Herstellung eines Flaschenkastens mit einem Boden (4) und Seitenwänden (3) nach einem der vorhergehenden Ansprüche, wobei mindestens eine Seitenwand (3) aus einem ersten Kunststoff hergestellt wird, die mindestens eine Seitenwand (3) einen Teil der Form für das Spritzgießen bildet und ein zweiter Kunststoff in den Hohlraum zwischen Spritzgussform und erstem Kunststoff eingespritzt wird, wobei der zweite Kunststoff in einem Bereich (5) auf den ersten Kunststoff auf- oder angespritzt wird, der durch eine durch eine hervorstehende Dichtlippe gebildete Dichtleiste (7) begrenzt ist und der Flaschenkasten nach ausreichender Härtung des zweiten Kunststoffs von der Spritzgussform getrennt wird.

Die nachfolgend wiedergegebene Figur stammt aus der Klagepatentschrift und zeigt eine Seitenwand eines erfindungsgemäßen Flaschenkastens.

Mit Schreiben vom 08.11.2010 erklärte sich die R. P. G. damit einverstanden, dass die Klägerin unter anderem in dem Rechtsstreit gegen die Beklagten wegen einer Verletzung des Klagepatents allein und im eigenen Namen die Ansprüche auf Unterlassung, Rechnungslegung und Schadensersatzleistung an sich - die Klägerin - geltend macht.

Nach den Feststellungen des Landgerichts stellt die Beklagte zu 1), deren Geschäftsführer der Beklagte zu 2) ist, her und vertreibt Flaschenkästen. Deren konstruktiver Aufbau ergibt sich aus den Anlagen K 11 bis K 15 (angegriffene Ausführungsform) und ist nachstehend beispielhaft für einen Kasten wiedergegeben. Die Beschriftung der Abbildungen stammt von der Klägerin. Die beanstandeten Flaschenkästen tragen Herstellungsstempel aus dem Zeitraum von Januar 2001 bis August 2008 und wurden von den Beklagten in der Zeitschrift "Brauindustrie", Ausgabe 10/2006 (Anlage K 8) und auf der vom 14. bis 19.09.2009 in München stattfindenden Messe "d." beworben.

Abbildung

Die Klägerin hat erstinstanzlich die Ansicht vertreten, die angegriffene Ausführungsform mache von der technischen Lehre des Klagepatents wortsinngemäß Gebrauch.

Die Beklagte hat eine Verletzung des Klagepatents in Abrede gestellt und zudem die Ansicht vertreten, dass sich das Klagepatent im Einspruchsverfahren als nicht rechtsbeständig erweisen werde. Das dem Klagepatent zugrunde liegende Problem, eine durch Spaltbildung verursachte unsaubere Verbindung zweier Kunststoffe zu vermeiden, stelle sich nicht nur bei der Herstellung von Flaschenkästen, sondern allgemein bei der Kunststoffverarbeitung im Spritzgießverfahren. Daher sei der Gegenstand der Erfindung nach dem Klagepatent im Stand der Technik nahegelegt.

Mit dem angefochtenen Urteil vom 07.06.2011 hat das Landgericht nach einer Teilklagerücknahme in der Sache antragsgemäß

I.

die Beklagten verurteilt,

1. es unter Androhung der (näher bezeichneten) gesetzlichen Ordnungsmittel zu unterlassen,

einen Flaschenkasten, mit einem Boden und Seitenwänden, welche mindestens aus einem ersten Kunststoff gebildet sind, wobei mindestens an einer Seitenwand mindestens ein Bereich aus einem zweiten Kunststoff stoffschlüssig mit dem ersten Kunststoff verbunden ist, wobei der zweite Kunststoff flächig auf den ersten Kunststoff auf- oder angespritzt ist und zwar in einem Bereich, der durch eine Dichtleiste begrenzt ist, die durch eine von der Seitenwand hervorstehende Dichtlippe gebildet ist und eine trennscharfe Abgrenzung der beiden Kunststoffe bildet,

in der Bundesrepublik herzustellen, anzubieten, in den Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen;

2. es unter Androhung der (näher bezeichneten) gesetzlichen Ordnungsmittel zu unterlassen,

einen Flaschenkasten mit einem Boden und Seitenwänden gemäß Ziffer 1. in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken in das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland einzuführen oder zu besitzen, der mittels eines Verfahrens hergestellt worden ist, bei dem mindestens eine Seitenwand aus einem ersten Kunststoff hergestellt wird, die mindestens eine Seitenwand einen Teil der Form für das Spritzgießen bildet und ein zweiter Kunststoff in den Hohlraum zwischen Spritzgussform und erstem Kunststoff eingespritzt wird, wobei der zweite Kunststoff in einem Bereich auf den ersten Kunststoff auf- oder angespritzt wird, der durch eine durch eine hervorstehende Dichtlippe gebildete Dichtleiste begrenzt ist und der Flaschenkasten nach ausreichender Härtung des zweiten Kunststoffs von der Spritzgussform getrennt wird;

II.

die Beklagten verurteilt, der Klägerin Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die in Ziffer I. 1. und 2. bezeichneten Handlungen seit dem 25.06.2005 begangen haben, und zwar unter Angabe

a) der Herstellungsmengen und -zeiten,

b) der Menge der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,

c) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und -preisen unter Einschluss von Typen- und Größenbezeichnungen sowie der Namen und Anschriften der Abnehmer,

d) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und -preisen unter Einschluss von Typen- und Größenbezeichnungen sowie der Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,

e) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,

f) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,

wobei den Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften ihrer Angebotsempfänger und der nichtgewerblichen Abnehmer statt der Klägerin einem von dieser zu benennenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, vereidigten Wirtschaftsprüfer mit Sitz in der Bundesrepublik Deutschland mitzuteilen, sofern die Beklagten dessen Kosten tragen und ihn ermächtigen und verpflichten, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Angebotsempfänger oder ein bestimmter Abnehmer in der Rechnung enthalten ist,

wobei die Angaben zu a) bis e) nur von der Beklagten zu 1) zu machen sind und den Zeitraum vom 25.06.2005 bis 14.11.2009 betreffen,

wobei die Angaben zu a) bis f) von den Beklagten ab dem 15.11.2009 zu machen sind;

III.

festgestellt, dass

1. die Beklagte zu 1) der Klägerin für die zu Ziffer I. 1. und 2. bezeichneten und in der Zeit vom 25.06.2001 bis zum 14.11.2009 begangenen Handlungen eine angemessene Vergütung zu leisten hat;

2. die Beklagten der Klägerin den ihr und der R. P. G. entstandenen Schaden zu ersetzen haben, der ihnen durch die zu Ziffer I. 1. und 2. bezeichneten, seit dem 15.11.2009 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.

IV.

den Beklagten die Kosten des Rechtsstreits zu 90 % und im Übrigen der Klägerin auferlegt.

Zur Begründung seiner Entscheidung hat das Landgericht ausgeführt, die angegriffene Ausführungsform mache von den Merkmalen der Klagepatentansprüche Gebrauch. Die Beklagten hätten dies in der Klageerwiderung zwar in Abrede gestellt, zu den Ausführungen der Klägerin in der Replik hätten sie aber keine Stellung mehr genommen und daher das schlüssige Verletzungsvorbringen der Klägerin mangels konkreten Bestreitens gemäß § 138 Abs. 3 ZPO zugestanden. Abgesehen davon liege aber auch eine Verletzung des Klagepatents vor. Eine Aussetzung der Verhandlung hat das Landgericht mit der Begründung abgelehnt, dass keine überwiegende Wahrscheinlichkeit für eine Vernichtung des Klagepatents bestehe. Bei dem maßgeblichen Fachmann handele es sich um einen Maschinenbauingenieur der Fachhochschule, der über einschlägige Erfahrungen auf dem Gebiet der Konstruktion und Herstellung von Flaschenkästen verfüge und dabei auch Kenntnisse über das Spritzgießen von Kunststoffen habe. Es sei nicht zu erkennen, aus welchem Grund der Fachmann die verschiedenen, gattungsfernen Stand der Technik beinhaltenden Entgegenhaltungen kombinieren sollte und dementsprechend einen herkömmlichen Flaschenkasten weiterbilden würde.

Mit ihrer Berufung verfolgen die Beklagten ihr Klageabweisungsbegehren weiter. Zur Begründung stützen sie sich allein darauf, dass das Klagepatent mit überwiegender Wahrscheinlichkeit widerrufen werde und daher die Verhandlung auszusetzen sei. Dazu vertreten sie die Auffassung, die Vielzahl der in den Entgegenhaltungen genannten Spezialbereiche zeige, dass es sich bei dem Problem der Abdichtung um ein allgemeines Problem im Kunststoffspritzguss handele, das dem Fachmann - einem Werkzeug- und Formbauer für Kunststofftechnik, der speziell Spritzgießwerkzeuge herstelle - geläufig sei. Aber selbst wenn der Fachmann so definiert werde, wie es das Landgericht getan habe, sei die erfindungsgemäße Lehre nahegelegt. Das objektiv der patentgemäßen Erfindung zugrundeliegende Problem bestehe letztlich allein in der Verbesserung des Herstellverfahrens für Zweikomponenten-Kunststoffformteile. Die Verwendung von Dichtleisten zur Lösung dieses Problems sei im Stand der Technik bekannt gewesen und hätte lediglich auf Flaschenkästen übertragen werden müssen. Dies habe auch der privat beauftragte Sachverständige J. (vgl. Anlage B 6) bestätigt.

Die Beklagten beantragen,

in Abänderung des Urteils des Landgerichts Düsseldorf vom 07.06.2011, Az. 4b O 88/10, die Klage abzuweisen und

den Rechtsstreit bis zur rechtskräftigen Entscheidung im parallelen Einspruchsverfahren auszusetzen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 07.06.2011 zum Aktenzeichen. 4b O 88/10 zurückzuweisen und

den Antrag auf Aussetzung des Rechtsstreits zurückzuweisen.

Die Klägerin ist der Auffassung, bereits die Entscheidungen des österreichischen Patentamts und verschiedener österreichischer Gerichte hinsichtlich paralleler Schutzrechte zeigten, dass mit einem Erfolg des gegen die Erteilung des Klagepatents eingelegten Einspruchs nicht zu rechnen sei. Die Herstellung von Flaschenkästen stelle ein eigenes Fachgebiet dar. Dies spiegele sich auch in der dem Klagepatent zugrundeliegenden Aufgabenstellung wieder. Entsprechend sei als maßgeblicher Fachmann ein Maschinenbauingenieur der Fachhochschule anzusehen, der über einschlägige Erfahrungen auf dem Gebiet der Konstruktion und auch der Herstellung von Flaschenkästen verfüge und dabei auch Grundkenntnisse über das Spritzgießen von Kunststoffen aufgrund praktischer Erfahrungen habe. Davon ausgehend werde sich das Klagepatent als rechtsbeständig erweisen, weil die jeweiligen Entgegenhaltungen gattungsfremd seien beziehungsweise ihnen andere technische Probleme zugrunde lägen und der Fachmann nur aufgrund einer Vielzahl von Gedankenschritten zur erfindungsgemäßen Lösung gelangen könne.

II.

Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.

Die Klage ist zulässig und begründet.

Die Klage ist zulässig.

Klägerin ist die in S. ansässige S. A. S. G.. Daran bestehen nach dem klägerischen Vorbringen, dem auch die Beklagten nicht entgegengetreten sind, keine Zweifel. Ob die Klägerin berechtigt ist, unter der Anschrift Z.straße in P. zu klagen, bedarf keiner Entscheidung, nachdem die Klägerin in der mündlichen Verhandlung einer Änderung des Rubrums zugestimmt und nunmehr den Sitz der Gesellschaft als ladungsfähige Anschrift angegeben hat.

Die Klage ist begründet.

Die Klägerin hat gegen die Beklagten Ansprüche auf Unterlassung, Feststellung der Pflicht zur Zahlung einer angemessenen Entschädigung und der Schadensersatzpflicht, Auskunft und Rechnungslegung aus Art. 64 Abs. 1 und 2 EPÜ, Art. 2 § 1 Abs. 1 S. 1 IntPatÜG, §§ 139 Abs. 1 und 2, 140b Abs. 1 PatG, §§ 242, 259 BGB. Eine Aussetzung der Verhandlung gemäß § 148 ZPO ist nicht veranlasst.

1.

Das Klagepatent schützt mit den Patentansprüchen 1 und 13 einen Flaschenkasten und ein Verfahren zur Herstellung eines Flaschenkastens.

In der Beschreibung des Klagepatents wird ausgeführt, dass Flaschenkästen in zahlreichen Bereichen des Lebens vielfältig eingesetzt werden. Neben den üblichen funktionellen Aufgaben - wie die sichere Aufnahme von Flaschen - müssten Flaschenkästen zunehmend weiteren und komplexeren Anforderungen genügen. Dazu gehörten Anforderungen hinsichtlich der Bedienbarkeit, des Komforts bei der Handhabung sowie eines ästhetischen Gesamteindrucks. Eine ganze Reihe von Anforderungen, die sich teilweise widersprächen, müssten gleichzeitig erfüllt werden. So sollten Flaschenkästen nicht nur einfach herstellbar, robust beim Gebrauch sein sowie einer sicheren Aufnahme der Flaschen dienen, sondern auch Anforderungen an ein gutes Design und eine komfortable Handhabung erfüllen.

Den Gestaltungsmöglichkeiten von Flaschenkästen seien mit Rücksicht auf eine wirtschaftliche Herstellung und die im Alltagsgebrauch erforderliche Robustheit enge Grenzen gesetzt. Beispielsweise sei es erforderlich, Flaschenkästen aus einem einzigen Material - entweder einstückig oder durch Verschweißen mehrerer einzelner Teile - herzustellen, um die notwendige Robustheit zu erzielen. Um die Handhabbarkeit oder die Gestaltung des äußeren Erscheinungsbildes weiter zu optimieren, blieben dann nur noch wenige Möglichkeiten. Beispielsweise sei es im Stand der Technik bekannt, Flaschenkästen mit entsprechenden Marken oder Symbolen zu bedrucken. Zudem gebe es einige konstruktive Verbesserungen hinsichtlich der Handhabbarkeit, wie zum Beispiel die besondere Gestaltung des Griffbereichs oder die Teilbarkeit eines Flaschenkastens. Die EP zeige etwa Kästen mit zusätzlich angespritztem Kunststoff. Allerdings sei mit diesen Kästen das Problem eines unscharfen Übergangsbereichs zwischen den Kunststoffen verbunden. Das Patent US betreffe eine Kunststoffschüssel als Futternapf mit angespritztem rutschfesten Sockelboden. Durch ein Aufnahmereservoir in Form einer Nut im Napfbereich und Steuern des Gießdruckes werde überschüssiges Material in der Nut aufgetragen. Diese Möglichkeiten der Gestaltung und der Verbesserungen bei der Handhabbarkeit von Kunststoffbehältern, insbesondere Flaschenkästen, sei - so die Klagepatentschrift - bei weitem nicht ausreichend.

Dem Klagepatent liegt vor diesem Hintergrund die Aufgabe (das technische Problem) zu Grunde, einen Flaschenkasten bereitzustellen, der eine saubere scharfe Abschlusskante für den bereichsweise angespritzten Kunststoff schafft und damit ein sauberes äußeres Erscheinungsbild im Übergangsbereich des angespritzten Kunststoffs gewährleistet und bei leichter Herstellbarkeit und ausreichender Robustheit für den Alltagsgebrauch einen höheren Komfort für den Nutzer und bessere designerische Gestaltungsmöglichkeiten erlaubt.

Dies soll durch einen Flaschenkasten beziehungsweise ein Verfahren zu seiner Herstellung entsprechend den Klagepatentansprüchen 1 und 13 erreicht werden, deren Merkmale wie folgt gegliedert werden können:

1. Flaschenkasten, mit einem Boden (4) und Seitenwänden (3).

2. Boden (4) und Seitenwände (3) sind mindestens aus einem ersten Kunststoff gebildet.

3. Mindestens an einer Seitenwand (3) ist mindestens ein Bereich (5) aus einem zweiten Kunststoff stoffschlüssig mit dem ersten Kunststoff verbunden.

3.1 Der zweite Kunststoff ist flächig auf den ersten Kunststoff an- oder aufgespritzt, und zwar

3.2 in einem Bereich (5), der durch eine Dichtleiste (7) begrenzt ist,

3.2.1 die durch eine von der Seitenwand (3) hervorstehende Dichtlippe gebildet ist und

3.2.2 eine trennscharfe Abgrenzung der beiden Kunststoffe bildet.

Patentanspruch 13 weist folgende Merkmale auf:

1. Verfahren zur Herstellung eines Flaschenkastens mit einem Boden (4) und Seitenwänden (3) nach einem der vorhergehenden Ansprüche.

2. Mindestens eine Seitenwand (3) wird aus einem ersten Kunststoff hergestellt.

3. Die mindestens eine Seitenwand (3) bildet einen Teil der Form für das Spritzgießen.

4. Ein zweiter Kunststoff

4.1 wird in den Hohlraum zwischen Spritzgussform und erstem Kunststoff eingespritzt,

4.2 wird in einem Bereich (5) auf den ersten Kunststoff auf- oder angespritzt, der durch eine Dichtleiste (7) begrenzt ist,

4.3 wobei die Dichtleiste (7) durch eine hervorstehende Dichtlippe gebildet wird.

5. Der Flaschenkasten wird nach ausreichender Härtung des zweiten Kunststoffs von der Spritzgussform getrennt.

In der Beschreibung des Klagepatents wird ausgeführt, dass die Gestaltungsmöglichkeiten für einen Flaschenkasten in jeder Hinsicht gesteigert werden könnten, wenn der Kasten nicht nur aus einem einzigen Kunststoffmaterial gefertigt werde, sondern verschiedene Materialien mit unterschiedlichen Eigenschaften zum Einsatz kämen. Zum einen sei eine Vielfalt von Designgestaltungen möglich und zum anderen der Einsatz eines für das jeweilige Anforderungsprofil verschiedener Bereiche des Kastens passenden Kunststoffmaterials. So könnten beispielsweise die Wandbereiche aus unterschiedlich farbigen Kunststoffen aufgebaut sein, so dass ästhetische Gestaltungen oder farblich abgesetzte Bereiche geschaffen werden, um das Label anzubringen oder unmittelbar mittels der zusätzlichen Kunststoffe auszubilden. Andererseits sei es beispielsweise möglich, im Griffbereich eines Flaschenkastens ein weicheres, elastisches Kunststoffmaterial vorzusehen, das ein weiches Griffverhalten aufweise. Im Unterschied zum Stand der Technik werde dadurch die Beschränkung auf nur einen Kunststoff oder jedenfalls auf einen einzigen Kunststoff für einzelne, beweglich miteinander verbundene Teile überwunden.

a)

Die Dichtleiste in der Form einer aus der Seitenwand hervorstehenden Dichtlippe hat die Aufgabe, den Bereich, in dem der zweite Kunststoff aufgebracht wird, zu umgrenzen. Diese Maßnahme soll nach der Beschreibung des Klagepatents eine eindeutige Begrenzung des Aufspritzbereichs ermöglichen und saubere, scharfe Abschlusskanten sicherstellen (Abs. [0008] und [0024]), wie sie auch nach der Aufgabe des Klagepatents angestrebt werden (Abs. [0005]).

Entgegen dem ersten Anschein erfüllt die Dichtlippe die genannte Funktion jedoch nicht allein dadurch, dass sie für den eingespritzten Kunststoff eine seitliche Umgrenzung des jeweiligen Bereichs darstellt. Eine solche Aufgabe würde auch durch eine in der Seitenwand eingebrachte Schulter, einen Absatz oder eine Kante erfüllt, wie sie beispielweise aus der in der Klagepatentschrift genannten EP bekannt sind. Die Patentanmeldung zeigt in der Figur 6 im Querschnitt den aus einem ersten Kunststoff gebildeten Griff eines Flaschenkastens, der eine Schulter oder Stufe ausbildet. An den Griff wird in den Bereich zwischen der Schulter oder Stufe bündig an diese anschließend der zweite Kunststoff angespritzt (vgl. Figur 6 und Sp. 7 Z. 42-57 der Anlage B 5). An diesem Stand der Technik sieht die Klagepatentschrift als nachteilig an, dass derartige Flaschenkästen einen unscharfen Übergangsbereich zwischen den Kunststoffen aufweisen (Abs. [0003]). Wenn daher entsprechend der Aufgabe des Klagepatents mittels einer erfindungsgemäßen Dichtlippe das Problem unscharfer Übergangsbereiche gelöst werden soll, muss die Wirkung einer Dichtlippe über die einer Schulter oder Stufe, wie sie aus dem Stand der Technik bekannt sind, hinausgehen.

Die Beschreibung des Klagepatents enthält in dieser Hinsicht den Hinweis, dass die Dichtlippe für eine trennscharfe Abgrenzung der beiden Kunststoffflächen erforderlich ist, da die angespritzte Kunststoffschmelze flüssig ist und das An- oder Aufspritzen des zweiten Kunststoffs unter Druck erfolgt (Abs. [0025]). Der Fachmann erkennt daraus, dass der unscharfe Übergangsbereich zwischen den beiden Kunststoffen im Stand der Technik dadurch entsteht, dass die Kunststoffschmelze über den durch die Schulter oder Stufe begrenzten Bereich hinaus in den Bereich, an dem der erste Kunststoff an der Spritzgussform anliegt, gedrückt wird. Wird nämlich der aus dem ersten Kunststoff gebildete Teil des Flaschenkastens als Bestandteil der Spritzgussform für das Einbringen des zweiten Kunststoffs verwendet (vgl. Abs. [0019] und Patentanspruch 13), wie dies auch im Stand der Technik bekannt war (Sp. 3 Z. 9-13 und Sp. 7 Z. 50-53 der Anlage B 5), gibt es an den Innenflächen des für den zweiten Kunststoff bereitgestellten Hohlraums einen Übergang vom ersten Kunststoff zu der aus einem anderen Material - in der Regel aus Stahl - gebildeten übrigen Spritzgussform. Je nach Schließdruck des Formwerkzeugs und Elastizität des aus dem ersten Kunststoff gebildeten Formteils bildet sich an ihrem Übergang bei entsprechendem Druck der Schmelze ein Spalt zwischen dem erstem Kunststoff und der übrigen Spritzgussform, in den die Schmelze tritt, wenn sie entsprechend flüssig ist (vgl. auch das Gutachten des privat von den Beklagten beauftragten Sachverständigen J., Anlage B 6, dort S. 5 f). Diese zu einem unscharfen Übergangsbereich führende Spaltbildung ist zwischen den Parteien unstreitig.

Die Dichtlippe sorgt nun dafür, dass die andere Hälfte der Spritzgussform nicht mehr unmittelbar an der aus dem ersten Kunststoff gebildeten Seitenwand des Flaschenkastens anliegen kann, sondern an der von der Seitenwand hervorstehenden Dichtlippe. Dies hat zur Folge, dass das aus dem ersten Kunststoff gebildete Formteil mit der Dichtlippe unter dem Schließdruck der Formwerkzeuge etwas verformt wird, nämlich in dem Maße, wie die Dichtlippe von der Seitenwand hervorsteht. Die dadurch verursachten Rückstellkräfte wirken der Spaltbildung zwischen dem ersten Formteil und der übrigen Spritzgussform entgegen, womit es zu einer abdichtenden Funktion kommt, deretwegen das Klagepatent für die fraglichen Bauteile die Begriffe "Dichtleiste" und "Dichtlippe" wählt.

Bei alledem ist zu berücksichtigen, dass es sich beim Klagepatentanspruch 1 um einen Vorrichtungsanspruch handelt, dessen Gegenstand nicht auf einen durch ein bestimmtes Verfahren hergestellten Flaschenkasten beschränkt ist. Den einzigen Verweis auf das Herstellungsverfahren enthält Merkmal 3.1, wobei aufgrund des Wortlauts des Klagepatentanspruchs ("... auf- oder angespritzt ist") freilich nur das Ergebnis des Auf- oder Anspritzens, nämlich die Anordnung des zweiten Kunststoffs in einem von einer Dichtleiste begrenzten Bereich des ersten Kunststoffs zur technischen Lehre gehört. Die Dichtleiste muss damit auch noch am fertigen, aus zwei Kunststoffen hergestellten Flaschenkasten von der Seitenwand hervorstehen. Im Übrigen muss sie lediglich geeignet sein, im Zusammenwirken mit einer Spritzgussform den aus dem ersten Kunststoff gebildeten Flaschenkasten, der den anderen Teil der Spritzgussform bildet, auf den Schließdruck der Formwerkzeuge hin zu verformen und dadurch abzudichten. Für eine solche Verformung genügt es regelmäßig, wenn die übrige Spritzgussform weniger elastisch ist als der aus Kunststoff gebildete Flaschenkasten und der Schließdruck hoch genug ist.

b)

Die vorstehend erläuterte Funktionsweise der Dichtlippe korrespondiert mit dem ein Verfahren zur Herstellung erfindungsgemäßer Flaschenkästen schützenden Patentanspruch 13, der von der Klägerin ebenfalls geltend gemacht wird. Demnach wird zunächst eine Seitenwand aus einem ersten Kunststoff hergestellt (Merkmal 2), die einen Teil der Spritzgussform bilden soll (Merkmal 3). In den aus der Seitenwand und der anderen Formhälfte gebildeten Hohlraum wird der zweite Kunststoff gespritzt (Merkmal 4.1). Dabei soll der Bereich, auf den der zweite Kunststoff gespritzt wird, durch eine Dichtleiste begrenzt sein (Merkmal 4.2), die durch eine hervorstehende Dichtlippe gebildet wird (Merkmal 4.3). Damit begrenzt die Dichtlippe aber auch den Hohlraum des Formwerkzeugs und entfaltet ihre Dichtwirkung im Zusammenwirken mit der anderen Hälfte des Formwerkzeugs. Nach dem Aushärten wird der fertige Flaschenkasten aus der Form getrennt (Merkmal 5). Auch hier weist der Flaschenkasten nach dem letzten Verfahrensschritt die Dichtleiste in Form einer hervorstehenden Dichtlippe auf. Denn würde die Dichtlippe während des Spritzgussvorgangs plastisch verformt und eingeebnet, könnte sie einen Bereich, in den der zweite Kunststoff auf- oder angespritzt wird, weder begrenzen (Merkmal 4.2) noch ihre Dichtfunktion im Zusammenwirken mit der Spritzgussform erfüllen (Merkmal 4.3).

2.

Das Landgericht ist zutreffend zu dem Ergebnis gelangt, dass die angegriffene Ausführungsform die Lehre des Klagepatentanspruchs 1 wortsinngemäß verwirklicht. Zudem stellt die angegriffene Ausführungsform ein Erzeugnis im Sinne von § 9 S. 2 Nr. 3 PatG dar, das unmittelbar durch das im Klagepatentanspruch 13 beschriebene Verfahren hergestellt wurde. Dagegen wenden sich die Beklagten auch in der Berufung nicht.

Da die Beklagten zur Benutzung der mit den Klagepatentansprüchen 1 und 13 geschützten technischen Lehre nicht berechtigt sind, ergeben sich die tenorierten Rechtsfolgen. Diesbezüglich wird auf die Ausführungen des Landgerichts zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen. Ergänzend sei nur darauf hingewiesen, dass die Klägerin aufgrund der Erklärung der R. P. G. vom 08.11.2010 Leistung an sich allein verlangen kann.

3.

Eine Aussetzung der Verhandlung bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung in dem gegen die Erteilung des Klagepatents gerichteten Einspruchsverfahren ist auch im Berufungsverfahren nicht geboten, § 148 ZPO. Zwar ist die Frage der Aussetzung eines Patentverletzungsstreits in zweiter Instanz unter etwas weniger strengen Gesichtspunkten als in der ersten Instanz zu beurteilen, wenn bereits ein erstinstanzliches Urteil zugunsten des Patentinhabers vorliegt, aus dem dieser - auch im Fall der Aussetzung - gegen Sicherheitsleistung vollstrecken kann. So kann in einer solchen Situation der Umstand, dass ein gegen ein erteiltes Patent ergriffener Rechtsbehelf sich nur auf bereits gewürdigten Stand der Technik stützt, nicht von vornherein eine Zurückweisung des Aussetzungsbegehrens rechtfertigen (OLG Düsseldorf Mitt 1997, 257 - Steinknacker). Aber auch nach dieser Entscheidung ist eine Aussetzung erst dann geboten, wenn die Vernichtung oder der Widerruf des Patents nicht nur möglich, sondern wahrscheinlich sind (OLG Düsseldorf InstGE 7, 139 - Thermocycler).

Dagegen, dass der Einspruch gegen die Erteilung des Klagepatents Erfolg hat, spricht im vorliegenden Fall bereits der Umstand, dass das Deutsche Patent- und Markenamt (DPMA) mit Beschluss vom 02.12.2008 das deutsche Patent in einem Umfang aufrechterhalten hat, der mit dem Klagepatent weitgehend identisch ist. Das wird auch von den Beklagten nicht weiter in Zweifel gezogen. Soweit sie sich auf neuen, erstmals in dem das DE betreffenden Einspruchsverfahren eingereichten Stand der Technik berufen, steht nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit ein Widerruf des Klagepatents zu erwarten.

Die EP (Anlage D 4) offenbart einen aus Kunststoff hergestellten Flaschenkasten mit einem Tragegriff mit besserer Griffigkeit. Dafür ist die Oberfläche des Tragegriffs ganz oder teilweise mit einer aus einem anderen Kunststoff, einem Plastomer, hergestellten Schicht gebildet. Es wird beschrieben, dass die Schicht in den Tragegriff eingelassen sein kann, so dass sie nicht übersteht, und direkt auf den Tragegriff gespritzt werden kann. Der Tragegriff kann sich in der Mitte des Kastens, aber auch innerhalb der Seitenwand befinden (Abs. [0008] bis [0014], [0016] bis [0030] der Anlage D 4). Damit offenbart die D 4 die Merkmale 1 bis 3.1 des Klagepatentanspruchs 1.

Der aus der D 4 bekannte Flaschenkasten unterscheidet sich, was die Abgrenzung des für den zweiten Kunststoff vorgesehenen Bereichs angeht, nicht von dem in der EP offenbarten Flaschenkasten, der lediglich eine Schulter oder Stufe in der Seitenwand als Abgrenzung aufweist. Soweit in der D 4 beschrieben ist, dass die Schicht in den Tragegriff eingelassen ist, geht der Offenbarungsgehalt der D 4 nicht über eine Schulter oder Stufe in der Seitenwand hinaus, bis zu der das Plastomer eingespritzt wird. Damit fehlt es an einer durch eine von der Seitenwand hervorstehende Dichtlippe gebildeten Dichtleiste, und es stellt sich ebenfalls das Problem eines unscharfen Übergangsbereichs, wenn die Schmelze des zweiten Kunststoffs über die Schulter oder Stufe in der Seitenwand tritt. Ausgehend von der D 4 besteht das objektiv zu lösende technische Problem daher wie beim Klagepatent darin, einen Flaschenkasten aus Kunststoff bereitzustellen, der eine saubere scharfe Abschlusskante für den bereichsweise aufgespritzten Kunststoff schafft und damit ein sauberes äußeres Erscheinungsbild im Übergangsbereich gewährleistet.

Vor diesem Hintergrund ist das Landgericht für die Frage, ob die Erfindung im Stand der Technik nahegelegt ist, zutreffend von einem Maschinenbauingenieur mit Fachhochschulabschluss als Durchschnittsfachmann ausgegangen, der über einschlägige Erfahrungen auf dem Gebiet der Konstruktion und Herstellung von Flaschenkästen verfügt und dabei auch Kenntnisse über das Spritzgießen von Kunststoffen hat. Die abweichende Auffassung der Beklagten, nach der der Fachmann ein Maschinenbauingenieur mit mehrjähriger Erfahrung im Bereich des Spritzgusses und insbesondere beim Bau von Spritzgussformen sei, wird dem technischen Gebiet, in dem sich die Erfindung bewegt, nicht gerecht. Gegenstand des Patents ist ein Zwei-Komponenten-Flaschenkasten und ein Verfahren zu seiner Herstellung. Die Klägerin hat von den Beklagten unbestritten dargelegt, dass Konstruktion, Herstellung und Vertrieb von Flaschenkästen einen eigenen Wirtschaftszweig mit auf diesem Gebiet spezialisierten Unternehmen darstellt. Flaschenkästen müssen in Konstruktion und Gestaltung spezifischen Anforderungen insofern genügen, als die Seitenwände aus Gründen der Materialersparnis, aber auch aus Gründen des geringeren Gewichts zunehmend dünner ausgestaltet werden. Gleichzeitig werden verstärkt ästhetische Gesichtspunkte betont, wobei namentlich glatte Seitenwände gewünscht sind. Das versagt es dem Konstrukteur, auf Versteifungsrippen zurückzugreifen. Dennoch müssen die Flaschenkästen nicht unerheblichen Belastungen, insbesondere während des palettenweisen Transports zum Beispiel vom Abfüllbetrieb zum Groß- und Einzelhändler, über einen nicht unbeträchtlichen Zeitraum standhalten. Dies rechtfertigt es, als maßgeblichen Fachmann einen Maschinenbauingenieur (FH) mit mehrjähriger Erfahrung auf dem Gebiet der Konstruktion und Herstellung von Flaschenkästen anzusehen.

Allerdings kann für das Wissen des Fachmanns nicht nur von einem streng auf die von ihm bearbeitete Spezialmaterie beschränkten Wissen ausgegangen werden. Über den zum jeweiligen technischen Spezialgebiet gehörenden Stand der Technik hinaus ist das zu berücksichtigen, was sich der maßgebliche Durchschnittsfachmann bei seiner Ausbildung an allgemeinem Grundlagenwissen angeeignet hat. Zusätzlich ist das Wissen auf technischen Nachbargebieten oder auf einem übergeordneten allgemeinen technischen Gebiet heranzuziehen, auf dem sich in größerem Umfang gleiche oder ähnliche Probleme stellen (BGH BlPMZ 1989, 133 - Gurtumlenkung). Im vorliegenden Fall kann vom hier maßgeblichen Fachmann aufgrund seiner Ausbildung und Qualifikation grundsätzlich erwartet werden, dass er sich zur Lösung des technischen Problems nicht auf die Recherche des unmittelbar gattungsgemäßen Standes der Technik, mithin auf vorbekannte Flaschenkästen und die Art ihrer Herstellung beschränkt, sondern auch Methoden der Spritzgießtechnik im Allgemeinen und gegebenenfalls sogar solchen gattungsfremden Stand der Technik einbezieht, bei dem nach Art der sich dort stellenden Probleme vom Prinzip her Lösungen auf dem Gebiet der Spritzgießtechnik zu erwarten sind, wie er sie benötigt (vgl. BGH GRUR 2010, 992, 995 - Ziehmaschinenzugeinheit II). Denn auch wenn die Erfindung das technische Gebiet der Flaschenkästen betrifft, ist es eine Tatsache, dass die Flaschenkästen praktisch ausschließlich im Kunststoffspritzguss hergestellt werden und das zu lösende Problem (unsauberer Übergangsbereich beim Zweikomponentenspritzen) auf diesem Gebiet liegt, mithin nicht auf die Herstellung von Flaschenkästen beschränkt ist. Dies hat auch in der IPC-Klasse des Klagepatents Niederschlag gefunden, das neben der Klasse ("Behältnisse zur Lagerung oder zum Transport von Gegenständen oder Materialien") auch die Klasse ("Formen oder Verbinden von Kunststoffen" - "Formgebung in einer Form" - "Spritzgießen") angibt. In welchem Umfang jeweils Wissen aus einem anderen technischen Fachbereich zu berücksichtigen ist, ist eine Frage der tatrichterlichen Beurteilung im Einzelfall. Es kommt dabei stets darauf an, ob von dem Durchschnittsfachmann im konkreten Fall erwartet werden kann, dass er sich für die Lösung eines bestimmten Problems auch auf einem anderen technischen Gebiet umsieht (BGH BlPMZ 1989, 133 - Gurtumlenkung; GRUR 2010, 992, Rn 33 - Ziehmaschinenzugeinheit II).

Vor diesem Hintergrund kann nicht mit der für eine Aussetzung der Verhandlung erforderlichen Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werde, dass der Fachmann zur Lösung des Problems an der Seitenwand der Flaschenkästen eine Dichtleiste in der Form einer Dichtlippe vorgesehen hätte. Ob der Stand der Technik am Prioritätstag dem Fachmann den Gegenstand der Erfindung nahegelegt hat, erfordert nicht nur, dass der Fachmann in der Lage gewesen ist, die erfindungsgemäße Lösung des technischen Problems aus dem Vorhandenen zu entwickeln, sondern es bedarf über die Erkennbarkeit des technischen Problems hinausreichender Anstöße, Anregungen, Hinweise oder sonstiger Anlässe, um den Weg der Erfindung zu beschreiten (BGH GRUR 2009, 746 - Betrieb einer Sicherheitseinrichtung; 2010, 407 - einteilige Öse; 2012, 378 - Installiereinrichtung II). An beidem fehlt es hier.

Es begegnet bereits durchgreifenden Zweifeln, dass die Anordnung einer Dichtlippe, wie sie das Klagepatent vorsieht, eine allgemeingültige Lehre im Bereich der Spritzgusstechnik darstellt, mit der sich das dem Klagepatent spezifisch zugrunde liegende Problem lösen lässt. Insofern mag es sein, dass der Fachmann Stand der Technik allgemein zur Spritzgießtechnik und auch aus benachbarten Fachgebieten, zu denen die Konstruktion und Herstellung von Behältern und Gehäusen gehören, herangezogen hätte. Es ist jedoch fernliegend anzunehmen, der Fachmann hätte ohne weitere Anregungen auch noch in weiter entfernten Fachgebieten recherchiert. Ungeachtet dessen ist nicht ersichtlich, welchen Anlass der Fachmann haben sollte, den aus der D bekannten Flaschenkasten mittels einer gegebenenfalls im Stand der Technik beschriebenen Dichtlippe weiter zu bilden.

a)

Die JP (Anlage D 9a, in deutscher Übersetzung als Anlage D 9b) betrifft ein Zweikomponenten-Spritzgießverfahren. Damit gehört die Entgegenhaltung zu einem übergeordneten Technikbereich, das der Fachmann berücksichtigen wird. Allerdings hat bereits das Landgericht darauf hingewiesen, dass der D 9 ein anderes technisches Problem zugrunde liegt als der Herstellung eines Zweikomponenten-Flaschenkastens ausgehend von der D 4. Während die D 9 mit der Ausbildung eines Wulstes am Werkstück einen durch die Werkstückschrumpfung bedingten Spalt zwischen der Werkstückoberfläche und der Werkzeugfläche abdichten möchte, dient die Dichtleiste nach der Lehre des Klagepatents dazu, die durch den Druck des eingespritzten zweiten Kunststoffs bedingte Bildung eines Spalts zwischen Werkstück und Werkzeug zu verhindern. Allein das Vorsehen eines Wulstes, mit dem ein bereits infolge der Werkstückschrumpfung entstandener Spalt verschlossen wird, verhindert noch nicht das Übertreten der Kunststoffschmelze über den Wulst, wenn sie bei entsprechendem Druck eingespritzt wird. Um zur erfindungsgemäßen Lösung zu gelangen, bedarf es vielmehr zunächst der Erkenntnis, dass der Spalt erst durch die unter Druck eingespritzte Kunststoffschmelze entsteht, und in einem zweiten Schritt der Schlussfolgerung, dass die Spaltbildung dadurch verhindert werden kann, dass der Spritzling unter dem auf die Dichtleiste wirkenden Schließdruck des Formwerkzeugs so verformt wird, dass die Rückstellkraft der Spaltbildung entgegenwirkt. Diese Lehre lässt sich der Entgegenhaltung D 9 nicht entnehmen. Es ist nicht ersichtlich, warum der Fachmann veranlasst sein sollte, den aus der D 9 bekannten Wulst auf einen aus der D 4 bekannten Flaschenkasten zu übertragen, wenn der Wulst in der D 9 der Lösung eines anderen Problems dient, als es der D 4 zugrunde liegt.

b)

Aufgrund der vorstehenden Erwägungen kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass die patentgemäße Lehre durch eine Kombination der D 4 mit der EP

A2 (Anlage D 10) im Stand der Technik nahegelegt war. Es ist bereits fraglich, ob der Fachmann die D 10, die eine Zweikomponenten-Dichtung betrifft und damit gattungsfremden Stand der Technik bildet, überhaupt herangezogen hätte. Abgesehen davon liegt aber auch der D10 - wie der D 9 - ein anderes Problem zugrunde als dem Klagepatent. Nach dem in der D 10 offenbarten Verfahren soll eine thermoplastische Dichtungskomponente unter hohem Druck in eine Nut spritzgegossen werden, die in einer Trägerkomponente - umlaufend um eine fluidtragende Öffnung - eingebracht ist. Damit soll das Problem gelöst werden, dass die Trägerkomponente nach dem Formen und der Werkzeugbearbeitung in der Dicke variiert, sich verformt oder sich absenkt und einer adäquaten Abdichtung an den Schnittstellen zwischen der ersten Komponente und den Schließfächern der Gießform entgegensteht. Die daher beim Spritzguss der zweiten Komponente entstehenden Grate sollen nach der Lehre der D 10 dadurch verhindert werden, dass an der Trägerkomponente am Rand der Nut ein überhöhter Abschnitt - beispielsweise eine Lippe - ausgebildet ist. Die D 10 begegnet mit der Dichtlippe dem Problem der Werkstückschrumpfung, nicht aber der durch den Spritzgussdruck verursachten Spaltbildung. Zwar sollen die überhöhten Lippen nach der D 10 unter Hitze und Druck über ihre Elastizitätsgrenze hinaus durch das Formwerkzeug zerquetscht oder zusammengedrückt werden, um eine Hochdruckbarriere entlang den Rändern der Nut zu bilden, mithin einer Spaltbildung durch den Spritzgussdruck entgegenwirken. Nach dem Entfernen der Gießform sind die Barrieren aber nicht mehr sichtbar; die früheren, erhöhten oder überhöhten Lippen sind nun aufgrund von Materialverdrängung bündig mit der Oberfläche der Trägerkomponente. Die D 10 führt damit selbst dann, wenn sie der Fachmann in Betracht ziehen würde, nicht zur Lehre des Klagepatents, die für den fertigen Flaschenkasten ausdrücklich eine den Bereich des zweiten Kunststoffs umgrenzende Dichtleiste in der Form einer aus der Seitenwand hervorstehenden Dichtlippe vorsieht.

c)

Die GB (Anlage D 11) ist im Vergleich zu den übrigen Entgegenhaltungen noch weiter vom Gegenstand der Erfindung entfernt, weil sie ein Verfahren beschreibt, mit dem ein Wärmesenkteil mit Kunststoff umspritzt werden kann. Damit bildet die D 11 gattungsfremden Stand der Technik. Es ist naheliegend, das Wärmesenkteil aus einem wärmeleitenden Material, etwa aus Metall und nicht aus Kunststoff zu fertigen. Entsprechend wird im Rahmen eines Ausführungsbeispiels Druckgussaluminium als Material für die Wärmesenke genannt. Es wird aber an keiner Stelle offenbart, dass das Einlegeteil aus Kunststoff gebildet sein soll.

Abgesehen davon gelten die Ausführungen zu den Entgegenhaltung D 9 und D 10 für die D 11 gleichermaßen. Denn auch mit der D 11 soll das Problem der Werkstückschrumpfung und der damit verbundenen Gratbildung gelöst werden. Soweit in der D 11 die Rede davon ist, dass die wulstförmige Rippe eine Quetschzone definiere und beim Schließen der Formwerkzeuge durch die Bewegung der oberen Formplatte verformt werde, ergibt sich daraus nichts anderes. Denn es handelt sich um eine plastische, mithin bleibende Verformung, die dazu dienen soll, die Werkstückoberfläche auf das durch die Werkzeughälften definierte Maß zu vereinheitlichen (vgl. S. 7 Z. 11 bis S. 8 Z. 5 der Anlage D 11). Eine von der Seitenwand hervorstehende Dichtlippe am Zwei-Komponenten Spritzgussteil wird damit ebenso wenig offenbart wie in der D 4. Zudem wird in der D 11 an keiner Stelle darauf hingewiesen, dass der Schließdruck auf die Rippe zu einer (elastischen) Verformung des Werkstücks führen soll, deren Rückstellkraft einer Spaltbildung entgegenwirkt.

d)

Die vorstehende Begründung steht auch der Annahme entgegen, die Lehre des Klagepatents werde durch eine Kombination der D mit der DE (Anlage D 12) nahegelegt. Diese will mittels Dicht- oder Quetschkanten einer durch die Werkstückschrumpfung bedingten Gratbildung entgegenwirken und betrifft insofern ein anderes Problem als das Klagepatent. Dafür ist ein Kunststoffbauelement, vorzugsweise als Bodenplatte für Kondensatoren, vorgesehen, bei dem um Ausnehmungen herum umlaufende Hochkanten als Dicht- oder Quetschkanten ausgebildet sind. Diese Kanten sollen den Übergang von den Ausnehmungen zu der Bodenplattenfläche abdichten und gleichzeitig die unterschiedliche Stärke der Bodenplatte ausgleichen, wenn in die Ausnehmungen elastisches plastisches Material gespritzt wird. Für eine Verformung des Kunststoffelements, mit der eine durch den Einspritzdruck bedingte Spaltbildung verhindert werden soll, ist der D 12 nichts zu entnehmen. Zwar ist in der D 12 die Rede von Dicht- oder Quetschkanten, denen beim Einspritzen des elastischen Kunststoffs in die Ausnehmungen eine Dichtfunktion zukommt. Diese Kanten quetschen sich jedoch bei der Einlage in das Werkzeug breit. Es ist nicht ersichtlich, dass die Kanten nach dem Einspritzvorgang weiterhin existent sind. Dagegen spricht vielmehr, dass durch sie die Unterschiede in der Materialstärke der Bodenplatten ausgeglichen werden sollen (S. 4 Z. 18-28 und S. 5 Z. 1-10 der Anlage D 12).

e)

Dass die in den vorstehenden Entgegenhaltungen beschriebenen Wulste, Dichtlippen oder Quetschkanten der Lösung eines anderen Problems dienen, als es dem Klagepatent zugrunde liegt, ist auch nicht mit Blick auf den Auszug aus dem Fachbuch "Injection des polymères" (Anlage D 13) unbeachtlich. Abgesehen davon, dass dieses im Jahr 2003 veröffentlichte Fachbuch nicht zum Stand der Technik gehört, hat die Klägerin zutreffend darauf hingewiesen, dass sich der Textauszug allein mit der Gratbildung aufgrund von Werkzeugnähten von Spritzgussformen befasst, nicht aber mit dem An- oder Aufspritzen eines zweiten Kunststoffs auf einen eine Werkzeughälfte bildenden ersten Kunststoff. Zudem weist die dargestellte Lösung, nämlich die Werkzeughälften richtig zu bemessen und auf eine gleichmäßig und durchgehende Verteilung der Schließkräfte zu achten, in keiner Weise auf die durch eine hervorstehende Dichtlippe gekennzeichnete erfindungsgemäße Lehre hin.

f)

Die Entgegenhaltung EP B (Anlage D 13) führt in Kombination mit der D ebenfalls nicht zur erfindungsgemäßen Lösung. Die D 19 betrifft ein Verfahren zur Herstellung eines Thermoplastteils mit einer eingespritzten Elastomerdichtung. Dafür wird in einem ersten Schritt das Thermoplastteil nach einem herkömmlichen Spritzgießverfahren hergestellt und eine Nut zur Aufnahme der Gummi- oder LSR-Dichtung ausgespart. Um die Dichtung ohne Überspritzungen einspritzen zu können, werden zudem zu beiden Seiten der Nut parallel verlaufende Dichtprofile ausgeformt, die beim Einspritzen des Gummis oder LSR die Nut abdichten sollen. Allerdings werden auch diese Dichtprofile beim Schließvorgang vor dem Einspritzen des Gummis oder LSR zum Inneren der Nut hin plastisch verformt (Abs. [0014] und Fig. 1-5 der Anlage D 19). Dort bilden sie Hinterschneidungen, die ein Herausfallen des zweiten Kunststoffs aus der Nut verhindern sollen (Abs. [0013] bis [0016] und Figuren 1 bis 5 der Anlage D 19). Ein Zwei-Komponenten-Spritzgussteil mit einer umlaufenden Dichtleiste in Form einer aus der Seitenwand hervorstehenden Dichtlippe beziehungsweise ein Verfahren zur Herstellung einer solchen Vorrichtung im Sinne des Klagepatents wird nicht offenbart.

g)

Der GLS-Leitfaden "O- D. G." (Anlage D 14) offenbart ebenfalls keine von der Seitenwand hervorstehende Dichtlippe oder -leiste. Der Verweis der Beklagten auf den Abschnitt 3.3 "Shut-Off Designs" ist unbehelflich, weil der trennscharfe Übergang vom ersten zum zweiten Kunststoff ("sharp transition area between the TPE and the substrate") nicht durch Dichtleisten im Sinne der Lehre des Klagepatents hergestellt wird. Es hat vielmehr den Anschein, dass der trennscharfe Übergang durch Nuten erreicht wird (vgl. Fig. 3a-3c der Anlage D 20), die durch das Formwerkzeug erzeugt werden beziehungsweise in die das Formwerkzeug eintaucht, so dass ein Übertreten des zweiten Kunststoffs auf die angrenzende Fläche verhindert wird. Lediglich die Figur 3c zeigt eine aus dem Substrat hervorstehende Anordnung, die als "Mechanical Interlock" bezeichnet wird. Dabei handelt es sich aber um Bauelemente, die dafür sorgen sollen, dass der aus dem zweiten Kunststoff gebildete Überzug besser auf der Oberfläche haftet beziehungsweise vor abrasiven Kräften geschützt ist. Der Fachmann erhält jedoch keine Anregung, solche aus der Seitenwand hervorstehenden Anordnungen als Dichtleiste oder -lippe im Sinne der Lehre des Klagepatents zu verwenden, um einen trennscharfen Übergang zwischen den Kunststoffen herzustellen.

h)

Die US (Anlage D 26) ist bereits nicht in deutscher Übersetzung vorgelegt worden und beschäftigt sich im Übrigen mit einem anderen technischen Problem als dem, das dem Klagepatent zugrunde liegt. Die Entgegenhaltung betrifft Kunststoffbauteile, auf die eine Gummidichtung gespritzt werden soll. Aufgrund unterschiedlicher Wärmeausdehnungskoeffizienten kann es dazu kommen, dass der Angusskanal nicht richtig positioniert ist und teilweise oder vollständig durch die Ringschulter für den Radialkragen des Gummimaterials verschlossen wird und die gummielastische Masse unkontrolliert abfließt. Dem soll nach der D 26 dadurch abgeholfen werden, dass die Ringschulter radial weiter nach außen versetzt wird. Anhaltspunkte für die Lösung des Problems des durch den Gießdruck verursachten Spalts zwischen dem Formwerkzeug und dem ersten Formteil erhält der Fachmann aus dieser Entgegenhaltung nicht.

i)

Der Ausbildung einer Dichtlippe, wie sie teilweise in den vorgenannten Entgegenhaltungen offenbart wird, auf der Seitenwand eines Flaschenkastens stehen - worauf die Klägerin zu Recht hingewiesen hat - auch gestalterische Erwägungen entgegen, die den Fachmann davon abhalten, die dargestellten Lösungen in Betracht zu ziehen. Denn ausweislich der Klagepatentschrift soll die Verwendung eines zweiten Kunststoffs unter anderem eine Vielfalt von Designgestaltungen ermöglichen (Abs. [0007]). Dem widerspricht - jedenfalls auf den ersten Blick - die allein aufgrund technischfunktionaler Erwägungen bedingte Ausbildung einer Dichtlippe auf der Seitenwand des Flaschenkastens. Es ist auch nicht so, dass dem Fachmann keine Alternativen zur Lösung des technischen Problems zur Verfügung standen, die ihn von den Auswirkungen einer Dichtleiste auf das Design eines Flaschenkastens hätten absehen lassen. In der D 4 selbst wird beschrieben, dass die aus dem zweiten Kunststoff bestehende Schicht als loser Teil am Traggriff angebracht sein kann, zum Beispiel mechanisch verbunden oder angeklebt ist (Abs. [0013]) der Anlage D 4). Dadurch sind unsaubere Übergänge zwischen erstem und zweitem Kunststoff ausgeschlossen. Soll es hingegen bei einem stoffschlüssigen Auf- oder Anspritzen des zweiten Kunststoffs bleiben und sollte der Fachmann erkannt haben, dass eine der Verformung des ersten Spritzlings entgegenwirkende Rückstellkraft die Spaltbildung verhindern kann, wird sich dem Fachmann die Frage stellen, warum er nicht den gesamten Spritzling mit Übermaß herstellt (vgl. das Gutachten des von den Beklagten privat beauftragten Sachverständigen J., Anlage B 6, dort S. 5-7), statt lediglich einen Wulst vorzusehen, der unter Umständen gestalterischen Möglichkeiten zuwiderläuft. Die Klägerin hat zudem aufgezeigt, dass auch eine Reduzierung des Drucks, mit dem die Kunststoffschmelze eingespritzt wird, die Veränderung der Viskosität der Schmelze oder ein höherer Schließdruck der Formwerkzeuge eine Lösung des Problems darstellen könnten. Eine weitere Lösung zeigt die D 20, die zur Begrenzung des für den zweiten Kunststoff vorgesehenen Bereichs Nuten vorsieht, in die das Formwerkzeug abdichtend eingreifen kann. Vor diesem Hintergrund ist nicht ersichtlich, welche Anregungen im Stand der Technik den Fachmann hätten veranlassen sollen, den in der Entgegenhaltung D 4 beschriebenen Flaschenkasten mit einer Dichtleiste im Sinne der Lehre des Klagepatents zu versehen.

j)

Zu einem anderen Ergebnis führt auch nicht das von den Beklagten privat in Auftrag gegebene Gutachten von Prof. Dr. J. (Anlage B 6). Es wird nicht dargestellt, was den Fachmann dazu hätte veranlassen sollen, zur Schaffung trennscharfer Übergänge zwischen den beiden Kunststoffen eine Dichtleiste in der Form einer von der Seitenwand des Flaschenkastens hervorstehenden Dichtlippe vorzusehen. Die Ausführungen des Gutachters beziehen sich lediglich darauf, dass es für den Fachmann naheliegend gewesen sei, Überlegungen dahingehend anzustellen, wie bei einem Flaschenkasten ein sauberer Übergang zwischen den beiden Kunststoffen erzielt werden könne. Im Übrigen erschöpft sich die Darstellung darin, dass dies mit einer im Stand der Technik bekannten Dichtlippe möglich gewesen sei und es keinen Anhaltspunkt dafür gebe, die vorbekannte Technik nicht auch auf die Herstellung von Flaschenkästen anzuwenden. Das Gutachten bleibt jedoch jede Erklärung schuldig, welche Anregung - positiv - der Fachmann erhielt, um tatsächlich den aus dem Stand der Technik bekannten Flaschenkasten mit einer erfindungsgemäßen Dichtleiste auszustatten. Dies gilt erst Recht für die Stellungnahme von Prof. Dr. K. (Anlage D 21).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711, 108 ZPO.

Es bestand keine Veranlassung, die Revision zuzulassen, weil die hierfür in § 543 ZPO aufgestellten Voraussetzungen ersichtlich nicht vorliegen. Als Einzelfallentscheidung hat die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO noch erfordern die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung oder die Fortbildung des Rechts eine revisionsgerichtliche Entscheidung im Sinne des § 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.

Dr. T. K. Dr. B. Dr. V.






OLG Düsseldorf:
Urteil v. 22.11.2012
Az: I-2 U 64/11


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/cf17def22357/OLG-Duesseldorf_Urteil_vom_22-November-2012_Az_I-2-U-64-11




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