Bundespatentgericht:
Beschluss vom 4. Oktober 2000
Aktenzeichen: 28 W (pat) 106/00

(BPatG: Beschluss v. 04.10.2000, Az.: 28 W (pat) 106/00)

Tenor

Die Beschwerde der Widersprechenden wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Gegen die für die Bundesrepublik Deutschland Schutz begehrende IR-Markesiehe Abb. 1 am Endeeingetragen für die Waren

"P‰tisseries americaines, notamment cookies et cookies, brownies, muffins, cakes glaces"

ist Widerspruch erhoben aus der seit 1966 eingetragenen Marke 819081 Color-Radoeingetragen für "Zuckerwaren".

Der Widerspruch wurde mit zwei Beschlüssen der Markenstelle des Deutschen Patent- und Markenamtes wegen fehlender Verwechslungsgefahr zurückgewiesen mit der Begründung, der in beiden Marken hierfür allein infrage kommende, weil übereinstimmende Wortbestandteil "Colorado" könne bereits wegen seiner Kennzeichnungsschwäche als geographische Herkunftsangabe aus Rechtsgründen nicht kollisionsbegründend wirken. Darüber hinaus bestehe die IR-Marke aber auch noch aus weiteren Wortbestandteilen und einem schutzfähigem Bildbestandteil. Die Elemente seien zusammengenommen als Einheit zu sehen, so daß das Wort Colorado nicht als allein prägender Bestandteil hervortrete.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden mit dem Antrag, die Beschlüsse aufzuheben und dem Widerspruch stattzugeben.

Sie beruft sich darauf, daß es sich zum einen um preiswerte Süßwaren handle, bei deren Erwerb der Verkehr keine besondere Aufmerksamkeit aufwenden und zum anderen bei akustischer Wiedergabe die Marke auf das Wort "Colorado" verkürzen werde. Im übrigen seien die anderen Wortelemente schutzunfähig. Hinzu komme die gesteigerte Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke.

Die Markeninaberin ist diesem Vorbringen in allen Punkten entgegengetreten und hält die Marken nach ihrem Gesamteindruck für nicht verwechselbar.

II.

1. Die zulässige Beschwerde der Widersprechenden ist nicht begründet. Zwischen der schutzbegehrenden IR-Marke und der Widerspruchsmarke besteht keine Gefahr von Verwechslungen im Sinne der §§ 9 Abs 1 Nr 2, 42, 107, 114, 116 MarkenG.

Bei der Prüfung der Verwechslungsgefahr ist von der Ähnlichkeit der Waren, der Kennzeichnungskraft der prioritätsälteren Marke und der Ähnlichkeit der Marken auszugehen. Zwischen diesen Faktoren besteht eine Wechselwirkung, so daß ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Zeichen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Waren ausgeglichen werden kann und umgekehrt (BGH GRUR 2000 S 506, 508 - ATTACHÉ/TISSERAND).

2. Was die beiderseitigen Waren betrifft, ist von der Registerlage auszugehen. Die sich damit gegenüberstehenden Waren sind unbedenklich als ähnlich anzusehen, so daß an den von der schutzbegehrenden Marke einzuhaltenden Abstand deutliche Anforderungen zu stellen sind.

3. Dabei legt der Senat eine normale Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke zugrunde. Die von der Inhaberin der älteren Marke behauptete erhöhte Kennzeichnungskraft ist von der IR-Markeninhaberin bestritten worden und nicht in allen für die behauptete Tatsache maßgeblichen Umstände unstreitig oder amtsbekannt und damit nicht liquide ist (vgl BPatG GRUR 1997, 840, 842 re Sp 2. Absatz - Lindora/Linola). Daß die Widerspruchsmarke seit 1990 benutzt wird, und zwar mit jährlichen Umsätzen zwischen ... und ... Mio DM und Werbeauf wendungen zwischen ... und ... Mio für die Jahre 1990 bis 1994, bzw Umsätzen von ... und ... Mio und Werbeaufwendungen zwischen ... und ... Mio in den Jah ren 1995 bis 1999, läßt noch nicht zwingend den Schluß auf eine erhöhte Bekanntheit im Rechtssinne zu. Umsatzzahlen für sich genommen stellen nämlich regelmäßig keine ausreichende Grundlage für eine Beurteilung der Kennzeichnungskraft einer Marke dar. Hinzutreten müssen Angaben zum Bekanntheitsgrad in konkreten Prozentzahlen - bezogen auf die angesprochenen Verkehrsbeteiligten und konkrete Produkte, die Aufschluß geben über die maßgebliche Verkehrsgeltung. Sie müssen zB in Form von Statistiken, die von amtlichen oder zumindest neutralen Institutionen erstellt worden sind, von Verkehrsbefragungen durch demoskopische Unternehmen oder von sonstigen objektiven Erkenntnissen in der jeweiligen Branche hinzutreten (vgl Althammer/Ströbele, MarkenG, 6. Aufl, § 9 Rdn 139). Solche aufschlußreicheren Angaben hat die Widersprechende nicht gemacht. Im übrigen ist die gesteigerte Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke auch nicht gerichtsbekannt. Im Hinblick auf die langjährige Benutzung mit doch ganz erheblichen Umsatzzahlen und nicht geringen Werbeaufwendungen kann der Widersprechenden jedoch eingeräumt werden, daß sie innerhalb der Bandbreite von "normaler Kennzeichnungskraft" einen Rang besetzt, mit dem sie sich von solchen Marken, die nur eingetragen und unbenutzt sind, deutlich unterscheidet und ihr daher ein größerer Schutzumfang zuzubilligen ist. Dadurch vergrößert sich jedoch der angesichts der Warenähnlichkeit zu verlangende Abstand nur geringfügig.

4. Es ist hier, auch wenn es sich um billige Waren des täglichen Bedarfs handelt, nach der Rechtsprechung des EuGH auf den durchschnittlich informierten und aufmerksamen Endverbraucher abzustellen, so daß sich dieser Gesichtspunkt weder kollisonsfördernd, noch -hemmend auswirkt (EuGH WRP 98, 848 - Gut Springenheide).

5. Insgesamt ist daher bei der Beurteilung der Markenähnlichkeit von einem deutlichen einzuhaltenden Abstand auszugehen, dem die IR-Marke jedoch gerecht wird.

Hinsichtlich der Beurteilung einer unmittelbaren Markenähnlichkeit ist ganz offensichtlich, daß die Marken in ihrer Gesamtheit deutliche Unterschiede aufweisen und eine Verwechslungsgefahr nur in klanglicher Hinsicht über die identische Wortfolge "Colorado" in Betracht zu ziehen ist. Ausgangspunkt für diese Überlegung ist der für das Kennzeichnungsrecht maßgebliche Grundsatz, daß zur Beurteilung der zeichenrechtlichen Verwechslungsgefahr von Marken auf den Gesamteindruck des jeweiligen Zeichens abzustellen ist. Der Schutz eines aus einem Kombinationszeichen herausgelösten Elements ist dem Markenrecht nämlich fremd. Es wäre mithin rechtsfehlerhaft, ohne weiteres eine Zeichenkollision lediglich aufgrund eines aus einem Gesamtzeichen isoliert entnommenen Elements festzustellen zu wollen. An diesem Grundsatz, der auch für den Fall gilt, daß sich das ältere Zeichen klanglich identisch in dem jüngeren Kombinationszeichen wiederfindet, hat sich durch das neue Markengesetz nichts geändert.

Allerdings kann eine unmittelbare Verwechslungsgefahr "dem Gesamteindruck nach" ausnahmsweise dann gegeben sein, wenn die Vergleichszeichen nur in einem Bestandteil übereinstimmen, sofern dieser den Gesamteindruck der jeweiligen Gesamtkennzeichnung alleine prägt. Das bedeutet aber umgekehrt, daß die anderen Zeichenteile für den Gesamteindruck vernachlässigbar zurücktreten müssen, was nur in Betracht kommt, wenn der Gesamteindruck eines kombinierten Zeichens nicht durch gleichgewichtigte Elemente bestimmt, sondern von einem Element allein geprägt wird, wobei eine bloße Mitprägung nicht ausreicht (vgl BGH Markenrecht 2000, S 20 - RAUSCH / ELFI RAUCH).

Daß der Verkehr in Anwendung dieser Grundsätze die schutzbegehrende IR-Marke auf die Wortfolge "Colorado" zur Benennung als Kenn- oder Merkwort verkürzen und damit diesem Bestandteil allein prägende Wirkung zukommen lassen wird, ist für den Senat beim direkten Markenvergleich und damit bei der Beurteilung der unmittelbaren Verwechslungsgefahr nicht nachvollziehbar. Zwar ist in der IR-Marke der Begriff "Colorado" deutlich hervorgehoben, jedoch nicht in einem solchen Maße, daß dahinter der weitere Bestandteil "Cookie Co" und "Fresh baked Goodies" völlig untergingen. Hinzukommt, daß der siegelartige Rundrahmen um die gesamte Darstellung sowie die mindestens ebenso auffällig in die Mitte des "Siegels" gesetzte und es in zwei Teile zerlegende Einfassung der Worte "Cookie Co" sowie die untere Hälfte symmetrisch zu "Colorado" ausfüllende Wortfolge "FRESH BAKED GOODIES" Elemente sind, die einander im Rahmen des Gesamtzeichens sinnfällig ergänzen. Dabei werden "Colorado" und "Cookie Co" im selben Schrifttyp wiedergegeben. Da "Cookie Co" auch nicht lediglich als eine firmenmäßige Angabe aufgefaßt werden kann, denn korrekt wäre die Bezeichnung "Cookie & Co", ist dieses Zeichenelement nicht derart kennzeichnungsschwach, daß es etwa völlig zu vernachlässigen wäre.

Selbst wenn man die Wortfolge "FRESH BAKED GOODIES" aufgrund der zurückhaltenden grafischen Ausgestaltung in wesentlich kleineren Buchstaben, die sich von den anderen Wortelementen auch durch den anderen Schrifttyp abhebt und zusätzlich unter dem Gesichtspunkt einer rein beschreibenden Sachangabe an der Mitprägung nicht teilnehmen läßt, sind nach Auffassung des Senats immer noch die beiden anderen Wortelemente gleichgewichtig nebeneinander stehend und damit die Marke in klanglicher Hinsicht prägend. Der Verkehr wird das Zeichen daher klanglich mindestens als "COLORADO COOKIE Co" und damit als Folge gleichgewichtiger Worte erfassen. Insofern geht das Wort "Colorado" im klanglichen Gesamteindruck des Zeichens auf, ist nicht geeignet die IR-Marke alleine zu prägen und damit auch nicht kollisionsbegründend (vgl BGH Markenrecht 1999 S 57 LIONS).

Mangels ausreichender Markenähnlichkeit nach dem Gesamteindruck scheidet damit eine unmittelbare klangliche Verwechslungsgefahr aus.

6. Nach Auffassung des Senats besteht auch nicht die Gefahr, daß die Marken im Sinne von § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG gedanklich miteinander in Verbindung gebracht werden, zumal unter diese Formulierung des Gesetzes nicht jede wie immer geartete gedankliche Assoziation fällt (vgl EuGH GRUR 1998 S 387 - Springende Raubkatze). Für den Senat ergaben sich weder Anhaltspunkte für die Annahme einer Serienmarke, noch wurden dahingehende Gesichtspunkte von der Widersprechenden vorgetragen.

Bei Abwägung aller maßgeblichen Gesichtspunkte ist der Senat daher der Auffassung, daß bei einem Zusammentreffen beider Marken keine Verwechslungsgefahr besteht, so daß die Beschwerde keinen Erfolg haben konnte. Der Senat hatte für die Auferlegung von Kosten keine Veranlassung (§ 71 Abs 1 MarkenG).

Stoppel Grabrucker Martens Hu Abb. 1 http://agora/bpatgkollision/docs/28W(pat)106-00.1.3.gif






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