Bundespatentgericht:
Beschluss vom 13. Dezember 2005
Aktenzeichen: 21 W (pat) 5/04

(BPatG: Beschluss v. 13.12.2005, Az.: 21 W (pat) 5/04)

Tenor

Auf die Beschwerde der Einsprechenden wird der angefochtene Beschluss aufgehoben und das Patent beschränkt aufrecht erhalten mit der Maßgabe, dass die erteilten Patentansprüche 1 bis 12 durch die in der mündlichen Verhandlung eingereichten Patentansprüche 1 bis 10 gemäß Hilfsantrag ersetzt werden.

Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I Auf die am 15. Februar 1990 unter Inanspruchnahme der Priorität der brasilianischen Anmeldung mit dem Aktenzeichen 8900666 vom 15. Februar 1989 beim Patentamt eingereichte Patentanmeldung ist das nachgesuchte Patent 40 04 729 mit der Bezeichnung "Wegwerfbare Hygienebinde" erteilt worden. Die Veröffentlichung der Erteilung ist am 10. Mai 2001 erfolgt.

Die Patentabteilung 45 hat das Streitpatent nach Prüfung des für zulässig erklärten Einspruchs mit Beschluss vom 22. Oktober 2003 aufrechterhalten. Zur Begründung ist in der Entscheidung ausgeführt, dass der Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 1 gegenüber jeder der von der Einsprechenden genannten Druckschriften E1: US 3 575 174 E2: EP 0 238 053 A2 E3: DE 37 18 076 A1 E4: EP 0 155 515 A1 E5: EP 0 091 412 A2 E6: US 4 701 177 E7: DE 27 21 816 A1 E8: US 4 655 759 E9: EP 0 249 405 A2 und E10: EP 0 136 524 A1 neu sei und gegenüber diesem Stand der Technik auf einer erfinderischen Tätigkeit des zuständigen Fachmanns beruhe.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Einsprechenden.

Die Einsprechende vertritt weiterhin die Auffassung, dass sich der Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 1 für den Fachmann in naheliegender Weise aus dem im Verfahren befindlichen Stand der Technik ergebe. Beispielsweise beruhe dieser Gegenstand angesichts der Druckschrift E2 in Verbindung mit einer der Entgegenhaltungen E1 oder E9 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Die Einsprechende beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und das Patent zu widerrufen.

Die Patentinhaberin beantragt sinngemäß, die Beschwerde zurückzuweisen, hilfsweise das Patent mit den in der mündlichen Verhandlung vom 13. Dezember 2005 eingereichten Patentansprüchen 1 bis 10 aufrechtzuerhalten.

Die Patentinhaberin macht geltend, der Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 1 sei neu und erfinderisch. Dies gelte insbesondere auch für den Gegenstand des Patentanspruchs 1 nach Hilfsantrag.

Der erteilte, mit Gliederungspunkten versehene Patentanspruch 1 lautet:

M1 Wegwerfbare Hygienebinde, mit M2 einem absorbierenden Element (3), M3 einer flüssigkeitsdurchlässigen Schicht (1) an der dem Körper zugewandten Oberseite, M4 einer flüssigkeitsundurchlässigen Schicht (2) an der dem Körper abgewandten Rückseite M5 und sich entlang von Längsrändern (9, 9') des absorbierenden Elements (3) und von demselben wegerstreckenden Seitenrändern (4, 5), M6 die elastische Elemente (6, 6') umfassen, gekennzeichnet durch M7 mindestens eine zumindest in dem absorbierenden Element (3) durch Verdichtung erhaltene Linie (10, 11, 12a, 12b, 12c, 12d, 13a, 13b)

M8 entlang und in der Nähe jedes Längsrandes (9, 9') des absorbierenden Elements (3).

Der mit Gliederungspunkten versehene Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag lautet:

M1 Wegwerfbare Hygienebinde, M2 mit einem absorbierenden Element (3), M3 einer flüssigkeitsdurchlässigen Schicht (1) an der dem Körper zugewandten Oberseite, M4 einer flüssigkeitsundurchlässigen Schicht (2) an der dem Körper abgewandten Rückseite M5 und sich entlang von Längsrändern (9, 9') des absorbierenden Elements (3) und von demselben wegerstreckenden Seitenrändern (4, 5), M6 die elastische Elemente (6, 6') umfassen, gekennzeichnet durch M7 mindestens eine zumindest in dem absorbierenden Element (3) durch Verdichtung erhaltene Linie (10, 11, 12a, 12b, 12c, 12d, 13a, 13b)

M8 entlang und in der Nähe jedes Längsrandes (9, 9') des absorbierenden Elements (3), M9 wobei die Verdichtungslinie 1,5 bis 5 mm breit ist und wobei M10 die Verdichtungslinien (A B, A' B') sich unter gegenseitiger Annäherung in den Menstruationsfluss nicht direkt aufnehmende Bereiche erstrecken bis sie sich treffen (C, C') und sich danach etwas weiter in beide Richtungen (D, D') erstrecken.

Hinsichtlich der erteilten Patentansprüche 2 bis 12 wird auf die Streitpatentschrift, hinsichtlich der Patentansprüche 2 bis 10 gemäß Hilfsantrag sowie hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II Die zulässige Beschwerde der Einsprechenden ist insoweit begründet, als sie zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur beschränkten Aufrechterhaltung des Streitpatents führt, da sich nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung zwar der Gegenstand des Patentanspruchs 1 nach Hilfsantrag, nicht jedoch der des mit dem Hauptantrag verfolgten erteilten Patentanspruchs 1 als patentfähig erweist.

1.) Die seitens des Senats von Amts wegen vorzunehmende Überprüfung des Einspruchsvorbringens hat ergeben, dass der Einspruch zulässigerweise erhoben worden ist. Denn der auf mangelnde Patentfähigkeit des Streitpatentgegenstandes gestützte Einspruch ist innerhalb der gesetzlichen Einspruchsfrist im Sinne des § 59 Abs. 1 Satz 4 PatG ausreichend substantiiert worden. Die Zulässigkeit des Einspruchs ist von der Patentinhaberin im Übrigen nicht bestritten worden.

2.) Die gemäß Hauptantrag verteidigten erteilten Patentansprüche 1 bis 12 und die Patentansprüche 1 bis 10 gemäß Hilfsantrag sind zulässig.

a) Gegen die Zulässigkeit der erteilten Patentansprüche 1 bis 12 bestehen keine Bedenken, da sie ihre inhaltliche Stütze in den ursprünglichen Anmeldungsunterlagen finden.

So umfasst der erteilte Patentanspruch 1 die Merkmale des ursprünglichen Patentanspruchs 1, der in seinem Oberbegriff hinsichtlich der Seitenränder der Hygienebinde und in seinem Kennzeichen hinsichtlich der Anordnung der Verdichtungslinien konkretisiert wurde. Die entsprechenden Offenbarungsstellen finden sich in der ursprünglichen Beschreibung (Seite 13, Zeilen 12 bis 25 und Seite 10, Zeilen 3 bis 12).

Die erteilten Patentansprüche 2 bis 12 entsprechen den ursprünglich eingereichten Patentansprüchen 2 bis 12, wobei lediglich im Patentanspruch 6 gemäß Anlage zum Erteilungsbeschluss ein offensichtlicher Rechtschreibfehler berichtigt worden ist.

b) Der Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag umfasst die Merkmale der erteilten Patentansprüche 1, 4 und 10. Insofern ist auch dieser Patentanspruch durch die ursprüngliche Offenbarung gedeckt. Sein Gegenstand erweitert den Schutzbereich des Streitpatents nicht (§ 22 Abs. 1 i. V. m. § 21 Abs. 1 Nr. 4 PatG).

Die Patentansprüche 2 bis 10 entsprechen - in dieser Reihenfolge - den erteilten Patentansprüchen 2, 3 und 5 bis 9 sowie 11 und 12.

Die Zulässigkeit der gemäß Haupt- und Hilfsantrag verteidigten Patentansprüche ist von der Einsprechenden im Übrigen nicht in Frage gestellt worden.

3.) Das Streitpatent betrifft wegwerfbare Hygienebinden oder -einlagen nach dem Oberbegriff des erteilten Patentanspruchs 1, die eine höhere Gewähr für Dichtigkeit aufweisen und insbesondere einen wirkungsvolleren Kontakt mit den Außenflächen des Perinalbereichs eines Benutzers haben, wodurch das Risiko der Undichtigkeit an den Seiten des Produkts vermindert wird (Streitpatentschrift Spalte 1, 1. Absatz)

Wie in der Streitpatentschrift (Spalte 3, Zeile 57 bis Spalte 4, Zeile 1) weiter ausgeführt wird, ist eine gattungsgemäße wegwerfbare Hygienebinde aus der eingangs genannten Entgegenhaltung E2 bekannt. Bei diesem Stand der Technik sei zwischen einem absorbierenden Element und nicht absorbierenden, elastischen Seitenrändern eine unterbrochene Verschweissungslinie mit der Möglichkeit zur Ausbildung von Flüssigkeitskanälen in Kontakt mit dem absorbierenden Material angeordnet, so dass sich in Benutzung, im Schrittbereich einer Benutzerin, keine übermäßige Flüssigkeitsmenge aufgrund der Existenz einer durchgängigen, eine Absorption verhindernden Verschweißungslinie ansammle. Zur Anpassung der bekannten Hygienebinde an die Anatomie einer Benutzerin werde zudem die Aufeinanderstapelung von Lagen unterschiedlicher Abmessungen vorgeschlagen.

Es ist die Aufgabe des Streitpatents, die gattungsgemäße Hygienebinde derart weiterzubilden, dass sie die Nachteile des Standes der Technik überwindet und insbesondere die Gefahr einer Ansammlung von Flüssigkeit und somit Undichtigkeit an den Seiten wirkungsvoll verringert, sowie sich automatisch an die Anatomie einer Benutzerin anpasst, ohne neue Materialien und komplizierte sowie anspruchsvolle Strukturen, die schwer herzustellen sind, verwenden zu müssen, einfach sowie wirkungsvoll ist und ein günstiges Kosten-Nutzen-Verhältnis aufweist (Spalte 4, Zeilen 26 bis 36).

Gemäß dem erteilten Patentanspruch 1 wird diese Aufgabe durch eine wegwerfbare Hygienebinde gelöst, die gekennzeichnet ist durch mindestens eine zumindest in dem absorbierenden Element durch Verdichtung erhaltene Linie [Merkmal M7] entlang und in der Nähe jedes Längsrandes des absorbierenden Elements [Merkmal M8]. Diese Linien sind - den Angaben in der Streitpatentschrift (Spalte 4, Zeilen 37 bis 57) zufolge - genügend weit voneinander entfernt, so dass der durch die Oberschenkel der Benutzerin ausgeübte Druck auf das Produkt eine Ausstülpung zum Körper der Benutzerin hin bildet. Durch dieses Verdichten werde das Material zwischen den beiden Linien zum Körper der Benutzerin hin gedrückt, wodurch mehr Material für die Absorption an der Abflussstelle zur Verfügung stehe, d.h. dort wo der Absorptionsbedarf am größten sei. Auf diese Weise würde ein freies Fließen der Flüssigkeit mit der Möglichkeit, über die Haut zu entweichen, verhindert und somit die Leckagegefahr reduziert.

4.) Der Gegenstand des gemäß Hauptantrag verteidigten erteilten Patentanspruchs 1 beruht angesichts des aus den Entgegenhaltungen E2 und E9 bekannten Standes der Technik nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit des zuständigen Durchschnittsfachmanns, der als ein mit der Fertigung von Hygieneartikeln befasster, berufserfahrener Fachhochschulingenieur der Fachrichtung Verfahrenstechnik zu definieren ist.

Aus der Druckschrift E2 ist - wie in der Streitpatentschrift in Spalte 3, Zeile 57 und 58 zutreffend dargelegt ist - eine wegwerfbare Hygienebinde mit den im Oberbegriff des erteilten Patentanspruchs 1 aufgeführten Merkmalen bekannt. Denn auch die in der E2 (vgl. die Figuren 1a und 1b mit zugehöriger Beschreibung Seite 3, linke Spalte, Zeilen 26 bis 57) beschriebene Hygienebinde (anatomic absorbent) verfügt über ein absorbierendes Element (absorbent substrate 3) und eine flüssigkeitsdurchlässige Schicht (permeable layer 1) an der dem Körper zugewandten Seite sowie über eine flüssigkeitsundurchlässige Schicht (impermeable layer 2) an der dem Körper abgewandten Seite [Merkmale M1 bis M4]. Ferner sind bei diesem Stand der Technik Seitenränder (flaps 4, 5) vorgesehen, welche sich entlang der Längsränder des absorbierenden Elements (3) und von demselben wegerstrecken und welche elastische Elemente (elastic strip 6) umfassen [Merkmale M5 und M6].

Der vorstehend definierte Fachmann wird im Rahmen seiner täglichen Routinearbeit bestrebt sein, die Eigenschaften dieser bekannten Hygienebinde zu verbessern, insbesondere was die Gefahr einer Ansammlung von Flüssigkeit und der damit verbundenen Undichtigkeit an den Seiten anbelangt.

Der einschlägigen Entgegenhaltung E9 (vgl. den Patentanspruch 1 und die Figuren 1 bis 3 mit zugehöriger Beschreibung Spalte 6, Zeile 49 bis Spalte 7, Zeile 30 sowie Spalte 2, Zeilen 23 bis 26 und Spalte 4, Zeilen 3 bis 18) entnimmt der Fachmann die Lehre, dass sich bei einer wegwerfbaren Hygienebinde (sanitary towel 1) die unerwünschte Flüssigkeitsausbreitung zu deren Seitenrändern hin und damit die Gefahr eines seitlichen Flüssigkeitsaustritts dadurch vermeiden lässt, dass in dem absorbierenden Element (absorbent pad 2) - entsprechend den Merkmalen M7 und M8 des erteilten Patentanspruchs 1 - durch Verdichtung erhaltene Linien (compression lines 8) vorgesehen werden, die sich entlang und in der Nähe jedes Längsrandes erstrecken und deren ausdrücklicher Zweck wie beim Streitpatentgegenstand darin zu sehen ist, dass sie ein freies Fließen der Flüssigkeit mit der Möglichkeit, über die Haut zu entweichen, verhindern.

Angesichts dieses für ihn offensichtlichen Vorteils der aus der Druckschrift E9 bekannten Maßnahme wird der Fachmann ohne weiteres auch beim gattungsbildenden Stand der Technik gemäß der E2 entsprechende Verdichtungslinien vorsehen. Auf diese Weise gelangt er, ohne erfinderisch tätig werden zu müssen, zum Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 1.

Die Patentinhaberin hat demgegenüber in der mündlichen Verhandlung den Standpunkt vertreten, dass jede der beiden Druckschriften E2 und E9 eine in sich abgeschlossene technische Lehre widerspiegle. So verfolge die E2 - ebenso wie die Entgegenhaltungen E3 bis E6 - das Konzept, zur Erhöhung der Dichtigkeit von Hygienebinden an deren Längsrändern Seitenränder mit elastischen Elementen vorzusehen. Das gleiche Problem solle gemäß der E9 - ebenso wie beim Stand der Technik gemäß den Druckschriften E1, E7, E8 und E10 - mit anderen Mitteln, nämlich durch Verdichtungslinien im absorbierenden Element gelöst werden. Beide Entwicklungslinien seien jeweils von großen, weltweit operierenden Firmen beschritten worden und hätten jahrzehntelang nebeneinander existiert, ohne dass die Fachwelt auf den Gedanken gekommen sei, sie im Sinne der patentgemäßen Lehre zu kombinieren. Insofern sei der Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 1 nicht nur neu, sondern beruhe auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Dieser Sichtweise vermag sich der Senat nicht anzuschließen. Denn soweit die Patentinhaberin bei ihrer Argumentation auf das Beweisanzeichen "Zeitfaktor" abstellt, verkennt sie, dass es sich beim Streitpatentgegenstand - im wahrsten Sinne des Wortes - um einen Wegwerfartikel handelt, der täglich millionenfach verkauft wird. Fertigt ein Hersteller beispielsweise wegwerfbare Hygienebinden wie beim Stand der Technik nach der E2 mit elastischen Seitenrändern, so bedeutet sein Ansinnen, gleichzeitig Verdichtungslinien gemäß der E9 einzubringen, dass die Produktionsanlagen unter erheblichen Investitionen umgebaut werden müssen, was zwangsläufig zu einer Verteuerung des ansonsten vergleichsweise kostengünstigen Produkts und damit - angesichts der Konkurrenz - zu Absatzschwierigkeiten führen wird. Insofern ist in der Tatsache, dass bislang nur wegwerfbare Hygienebinden gemäß einer der beiden Herstellungsarten produziert worden sind, lediglich eine kluge kaufmännische Entscheidung der Produzenten von Hygienebinden, nicht jedoch ein Beleg dafür zu sehen, dass der Streitpatentgegenstand nur durch eine erfinderische Tätigkeit verwirklicht werden konnte (vgl. BGH GRUR 1987, 351, 353, re. Sp.- - "Mauerkasten II").

Im Übrigen muss der Zeitfaktor als Indiz für erfinderische Tätigkeit im vorliegenden Fall schon deswegen versagen, weil die patentgemäße Lehre dem Fachmann - wie bereits erörtert - durch den Stand der Technik nahegelegt war (vgl. BGH GRUR 1963, 568, 569, IV. - "Wimpernfärbestift"). Denn diese Lehre beschränkt sich ersichtlich auf den gleichzeitigen Einsatz zweier an sich bekannter vorteilhafter Maßnahmen, wobei die Patentinhaberin weder etwaige unerwartete Wirkungen noch einen die erfinderische Tätigkeit begründenden synergistischen Effekt für sich gelten machen kann.

Mit dem gemäß Hauptantrag verteidigten erteilten Patentanspruch 1 fallen aufgrund der Antragsbindung die auf diesen rückbezogenen erteilten Patentansprüche 2 bis 12.

5.) Dem Gegenstand des gemäß Hilfsantrag verteidigten Patentanspruchs 1 stehen Schutzhindernisse nicht entgegen. Denn die in diesem Patentanspruch beanspruchte - zweifelsohne gewerblich anwendbare (§ 5 PatG) - Hygienebinde ist gegenüber dem nachgewiesenen Stand der Technik neu (§ 3 PatG) und beruht diesem gegenüber auch auf einer erfinderischen Tätigkeit des vorstehend definierten Durchschnittsfachmanns (§ 4 PatG).

a) Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag ist - wie sich den Ausführungen zum erteilten Patentanspruch 1 unmittelbar entnehmen lässt - neu, da keine der im Verfahren befindlichen Druckschriften eine wegwerfbare Hygienebinde offenbart, welche gleichzeitig sich entlang der Längsränder erstreckende Seitenränder mit elastischen Elementen und durch Verdichtung erhaltene Linien im absorbierenden Element aufweist, wie dies insoweit in den Merkmalen M5 bis M7 des Patentanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag beansprucht wird.

b) Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit des Durchschnittsfachmanns.

Der Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag unterscheidet sich von dem erteilten Patentanspruch 1 unter anderem durch das Merkmal M10, wonach sich die Verdichtungslinien unter gegenseitiger Annäherung in den Menstruationsfluss nicht direkt aufnehmende Bereiche erstrecken sollen, bis sie sich treffen, wobei ferner vorgesehen ist, dass sie sich danach etwas weiter in beide Richtungen erstrecken.

aa) Die auch bezüglich des Patentanspruchs 1 nach Hilfsantrag gattungsbildende Druckschrift E2 vermag für sich genommen den Fachmann nicht dazu anzuregen, die hilfsweise beanspruchte Lehre zu verwirklichen. Dieser Entgegenhaltung lassen sich nämlich - wie bereits dargelegt - keinerlei Hinweise entnehmen, dass es von Vorteil sein könnte, überhaupt Verdichtungslinien in das absorbierende Element der dort beschriebenen Hygienebinde einzubringen, wie dies durch die Merkmale M7 und M8 gelehrt wird.

bb) Aber auch durch Einbeziehung der Druckschrift E9 gelangt der Fachmann nicht zur Lehre des Patentanspruchs 1 nach Hilfsantrag. Diese Entgegenhaltung (vgl. die Figuren 1 und 4 und die Beschreibung Spalte 6, Zeile 49 bis Spalte 7, Zeile 35) offenbart zwar Verdichtungslinien (compression lines 8, 17), die sich auch in Bereiche hinein erstrecken, wo der Menstruationsfluss nicht direkt anfällt, jedoch ist an eine gegenseitige Annäherung und ein Zusammentreffen der Verdichtungslinien (8, 17) sowie an eine anschließende Weitererstreckung in Längsrichtung der Hygienebinde, wie dies im Merkmal M10 beansprucht wird, bei diesem Stand der Technik nicht gedacht.

cc) Auch die Entgegenhaltung E7 (vgl. die Figur 2 mit zugehöriger Beschreibung Seite 15, drittletzter Absatz) vermag dem Fachmann die beanspruchte Lehre nicht nahezulegen, da die dort offenbarte Hygienebinde (Vorlage) zwar Verdichtungslinien (Linienprägungen 15) aufweist, die jedoch über ihre gesamte Längserstreckung voneinander beabstandet verlaufen.

dd) Entsprechendes gilt für die Druckschrift E1 (vgl. die Figur 2 und die Beschreibung Spalte 3, Zeile 54 bis Spalte 4, Zeile 31), welche zwar eine wegwerfbare Hygienebinde (sanitary napkin 10) mit Verdichtungslinien (embossed channels 22) beschreibt, die jedoch über die Längserstreckung der Hygienebinde (10) im wesentlichen parallel zueinander verlaufen und lediglich in den Endbereichen durch jeweils eine sich quer erstreckende Verdichtungslinie (22) miteinander verbunden sind. Darüber hinaus ist an eine Fortsetzung der solchermaßen vereinigten Verdichtungslinien in Längsrichtung der Hygienebinde, wie dies des weiteren im Merkmal M10 des Patentanspruchs 1 nach Hilfsantrag beansprucht wird, beim Stand der Technik nach Entgegenhaltung E1 nicht gedacht.

ee) Die verbleibenden, eingangs genannten Druckschriften gehen - wie der Senat im Einzelnen überprüft hat - über den Offenbarungsgehalt der Entgegenhaltungen E1, E2, E7 und E9 nicht hinaus. Sie haben in der mündlichen Verhandlung im Übrigen keine Rolle gespielt.

6.) Die auf den Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag rückbezogenen Patentansprüche 2 bis 10 betreffen vorteilhafte und nicht selbstverständliche Ausgestaltungen der wegwerfbaren Hygienebinde nach Patentanspruch 1. Sie haben deshalb zusammen mit diesem Patentanspruch Bestand.

Dr. Winterfeldt Engels Dr. Maksymiw Dr. Häußler Pr






BPatG:
Beschluss v. 13.12.2005
Az: 21 W (pat) 5/04


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