Bundespatentgericht:
Beschluss vom 21. Juli 2005
Aktenzeichen: 25 W (pat) 210/03

(BPatG: Beschluss v. 21.07.2005, Az.: 25 W (pat) 210/03)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die Bezeichnung Freie Erfindungskünstlerist am 06. Februar 2001 für die Dienstleistungen Marketing, Unternehmensberatung, Bauwesen, Entwicklung neuer Verfahren und Erzeugnisse, Verwertung gewerblicher Schutzrechtezur Eintragung in das Markenregister angemeldet worden.

Nach Beanstandung wegen des Vorliegens von absoluten Schutzhindernissen nach § 8 Abs 2 Nr 1 u. 2 MarkenG hat die Markenstelle für Klasse 42 des Deutschen Patent- und Markenamts mit Beschluss vom 25. Juni 2002 die Anmeldung zurückgewiesen.

Die angemeldete Bezeichnung sage lediglich aus, dass die beanspruchten Dienstleistungen von freien Künstlern erbracht würden, und zwar solchen, die erfinden. Unter freien Künstlern verstehe man solche, die nicht abhängig seien, und zwar weder von Dritten noch von Konventionen. Da der Begriff "Künstler" nicht auf Musiker, Maler, Schauspieler etc. beschränkt sei, sondern Künstler jemand sei, der auf einem Gebiet über besondere Fähigkeiten verfüge, könnten auch "Erfinder" als "Künstler" zu betrachten sein. Die sprachüblich und sprachregelgerecht gebildete Marke besage, dass die beanspruchten Dienstleistungen von Künstlern, also gleichsam von Meistern, Experten, pfiffigen Personen auf dem Gebiet der Erfindung erbracht würden. Solche beschreibende Angaben seien aber für Mitkonkurrenten freizuhalten; ihnen fehle ferner die erforderliche Unterscheidungskraft. Der Umstand, dass es sich um eine neue, lexikalisch nicht nachweisbare Wortschöpfung handele, begründe ebenfalls keine Eintragungsfähigkeit. Denn der Verkehr sei daran gewöhnt, ständig mit neuen Wortbildungen konfrontiert zu werden, so dass auch eine eigenwillige und originelle Sachaussage durchaus als solche erkannt und nicht als betrieblicher Herkunftshinweis verstanden würde.

Die dagegen gerichtete Erinnerung der Anmelderin wurde mit Beschluss vom 16. Juli 2003 zurückgewiesen mit der Begründung, dass im Erstbeschluss zutreffend dargelegt worden sei, dass die angemeldete Bezeichnung in Zusammenhang mit den beanspruchten Dienstleistungen ausschließlich beschreibend darauf hinweise, dass dieselben von freien Künstlern erbracht würden, die erfinderisch tätig seien.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin, mit der sie sinngemäß beantragt, unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses der Markenstelle für Klasse 42 des Deutschen Patent- Markenamts vom 16. Juli 2003 die angemeldete Marke einzutragen.

Die Bezeichnung "Erfindungskünstler" sei weder lexikalisch erfasst noch mit einem klaren und vordergründigen Bedeutungsgehalt verbunden. Es handele sich vielmehr um ein Phantasiewort mit paradoxem Sinngehalt, da ein "Künstler" seiner Profession entsprechend nichts "erfinde" (im technischen Sinne). Dem Bestandteil "Künstler" könne daher keine sinnvolle Bedeutung in Zusammenhang mit "Erfindung" zugeordnet werden. Die von der Markenstelle vorgenommene Gleichstellung eines Künstlers mit "Meistern", "Experten" und "pfiffigen Personen" gehe am allgemein üblichen Gebrauch der Bezeichnung "Künstler" vorbei, da diesen Bezeichnungen allesamt eine begriffliche Nähe zu handwerklichem Schaffen zukomme, mit dem ein Künstler jedoch nichts zu tun habe.

Die angemeldete Bezeichnung stelle für die von ihr beanspruchten Dienstleistungen auch keine beschreibende Angabe dar, da Künstler nicht im Bereich der beanspruchten Dienstleistungen tätig seien. Daher sei auch nicht zu erwarten, dass die Bezeichnung sich zu einer waren- bzw. dienstleistungsbeschreibenden Angabe entwickeln könnte, so dass insoweit auch kein Freihaltungsbedürfnis bestehe.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg, weil die angemeldete Wortmarke für die beanspruchten Dienstleistungen nicht über das erforderliche Mindestmaß an Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG verfügt.

Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG ist nach ständiger Rechtsprechung im Hinblick auf die Hauptfunktion der Marke, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten, die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel für die von der Marke erfassten Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens gegenüber solchen anderer Unternehmen aufgefasst zu werden (vgl zur st Rspr BGH GRUR 2003, 1050 - Cityservice; EuGH GRUR 2003, 58 - COMPANYLINE zur GMV). Die Unterscheidungskraft ist zum einen im Hinblick auf die angemeldeten Waren oder Dienstleistungen und zum anderen im Hinblick auf die beteiligten Verkehrskreise zu beurteilen, wobei auf die mutmaßliche Wahrnehmung eines durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers der fraglichen Waren und Dienstleistungen abzustellen ist. Keine Unterscheidungskraft besitzen nach der Rechtsprechung vor allem solche Marken, denen die angesprochenen Verkehrskreise für die fraglichen Waren lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen (vgl. EuGH GRUR 2004, 674, 678 - Postkantoor). Jedoch hat der EuGH auch darauf hingewiesen, dass eine unmittelbar beschreibende Bedeutung nicht Voraussetzung für die Annahme fehlender Unterscheidungskraft ist. Vielmehr kann die Unterscheidungskraft auch aus anderen Gründen fehlen (vgl EuGH GRUR 2004, 674 - Postkantoor; GRUR 2004, 680 - Biomild). Maßgebend ist allein, ob der Verkehr in der angemeldeten Marke einen Herkunftshinweis erblickt oder nicht.

Ausgehend hiervon fehlt der angemeldeten Wortzusammensetzung "Freie Erfindungskünstler" für sämtliche beanspruchten Dienstleistungen die erforderliche Eignung, im Verkehr als Unterscheidungsmerkmal hinsichtlich ihrer Herkunft aus einem bestimmten Unternehmen angesehen zu werden.

Bei dem Bestandteil "Erfindungskünstler" handelt es sich um eine sprachregelgerechte Kombination des in seiner Bedeutung allgemein bekannten Substantivs "Erfindung" mit dem Begriff "Künstler", der seinem Bedeutungsgehalt nach nicht nur eine Person bezeichnet, die Kunstwerke hervorbringt oder darstellend, aufführend interpretiert, sondern auch jemanden, der auf einem Gebiet über besondere Fähigkeiten verfügt (vgl DUDEN, Deutsches Universalwörterbuch, 5. Aufl S 975). In Kombination mit dem Begriff "Erfindung" liegt ein Verständnis in letztgenanntem Sinne nahe. Dementsprechend beschreibt der Begriff "Erfindungskünstler" vorwiegend - aber nicht notwendigerweise - Personen, die über besonderes Geschick bzw. einen besonderen Ideenreichtum auf einem bestimmten Gebiet verfügen. Dabei wird dieser Begriff grundsätzlich in einem positiven, anerkennenden, wenn auch gelegentlich mit ironischen Unterton versehenen Sinn verstanden. Dies verdeutlichen auch die nachfolgenden anhand einer Google-Recherche ermittelten und mit der Anmelderin im Termin zur mündlichen Verhandlung erörterten Verwendungsbeispiele des Begriffs: img.geo.de/GEO/medizin_psychologie/gesundheit/2003_01_GEO_wissen_krebs/page2.html€SDSID: "... Ähnlich wie Bakterien, die gegen Antibiotika widerstandsfähig werden können, sind auch Krebszellen geradezu Erfindungskünstler darin, durch Veränderungen ..."; www.woodzmag.com/cms/woods ".... die Erfindungskünstler paaren Brit-Pop mit Synthi-Sound und kreieren garantiert aussagefreie Stücke, die trotzdem ins Ohr gehen..."; www.investorweb.de/kommentare/ ".... Die Großmeister der Globalisierungswirtschaft und die Erfindungskünstler neuer Geldeinsatzmöglichkeiten sind süchtig und verfallen dem Schuldenmachen, ...".

Aufgrund dieser ohne weiteres verständlichen Bedeutung wird der Verkehr in dieser Wortkombination im Hinblick auf die beanspruchten Dienstleistungen entgegen der Auffassung der Anmelderin kein Phantasiewort mit paradoxem Sinngehalt erkennen, sondern einen grundsätzlich positiven, wenn vielleicht auch mit einem ironischen Unterton versehenen Sachhinweis auf die Erbringer der beanspruchten Dienstleistungen, nämlich dass diese über besonderes Geschick auf ihrem Fachgebiet bzw. über einen besonderen Ideenreichtum bei der Lösung von Aufgaben und Problemen in Zusammenhang mit den angemeldeten Dienstleistungen verfügen. Dieser sachbezogene Aussageinhalt wird verstärkt durch den Zusatz "Freie", welcher der Hervorhebung der Unabhängigkeit der so bezeichneten Personen- und/oder Berufsgruppe dient und dem Verkehr aus vergleichbar gebildeten Bezeichnungen wie "Freie Architekten" oder "Freie Ingenieure" allgemein bekannt ist. Die beiden Begriffe ergänzen sich daher in Bezug auf die beanspruchten Dienstleistungen zu einer schlagwortartigen Sachaussage über Unabhängigkeit und Fähigkeiten der Dienstleistungsanbieter.

Dass der Ausdruck "Erfindungskünstler" dabei möglicherweise mit einem (selbst)ironischen Unterton versehen ist, steht nach den modernen Werbegepflogenheiten seinem Verständnis als Sachaussage nicht entgegen. Die Wortfolge "Freie Erfindungskünstler" weist daher in Bezug auf die beanspruchten Dienstleistungen einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt auf, der ihrer Auffassung als individuelle Herkunftskennzeichnung entgegensteht.

Aufgrund dieses ohne weiteres erkennbaren sachbezogenen Aussagehalts der angemeldeten Bezeichnung ist für die Frage der Unterscheidungskraft auch nicht von Bedeutung, ob es sich bei der angemeldeten Bezeichnung "Freie Erfindungskünstler" um eine lexikalisch nicht nachweisbare Wortneuschöpfung handelt. Der Verkehr ist daran gewöhnt, insbesondere in der Werbung ständig mit neuen Begriffen konfrontiert zu werden, durch die ihm sachbezogene Informationen lediglich in einprägsamer Form übermittelt werden sollen, so dass auch bisher noch nicht verwendete, aber ohne weiteres verständliche Sachaussagen durchaus als solche erkannt und nicht als betriebliche Herkunftshinweise aufgefasst werden können (vgl. Ströbele/Hacker, Markengesetz, 7. Aufl, § 8 Rdnr 88). Zwar ist bei Wortkombinationen ein der Unterscheidungskraft entgegenwirkender etwaiger beschreibender Charakter nicht nur gesondert für jedes Wort bzw. jeden Wortbestandteil, sondern auch für das durch die Wörter gebildete Ganze festzustellen. Allein die bloße Kombination von schutzunfähigen Bestandteilen führt aber selbst bei einer Wortneuschöpfung nicht zwangsläufig zur Eintragungsfähigkeit; entscheidend ist vielmehr, ob der von der Wortkombination erweckte Eindruck in seiner Gesamtheit hinreichend weit von dem abweicht, der durch die bloße Zusammenstellung der Bestandteil entsteht und somit über die Summe dieser Bestandteile hinausgeht (vgl. EuGH MarkenR 2004, 111, 115 - BIOMILD/Campina-Melkunie). Das ist hier aber nicht der Fall. Die Wortkombination "Freie Erfindungskünstler" trifft einen sachbezogenen Aussage über die Dienstleistungsanbieter, ohne dass durch die Zusammenfügung der Wörter der sachbezogene Charakter der Wortkombination verloren geht.

Soweit sich dem Verkehr aufgrund der verallgemeinernden Aussage der Wortfolge "Freie Erfindungskünstler" die damit im Einzelfall repräsentierten tatsächlichen Inhalte nicht ohne weiteres sofort erschließen, steht dies einem Verständnis als bloße Sachangabe nicht entgegen (vgl BGH MarkenR 2000, 330 - Bücher für eine bessere Welt). Eine begriffliche Unbestimmtheit kann insbesondere erforderlich und gewollt sein, um einen möglichst weiten Bereich waren- oder dienstleistungsbezogener Eigenschaften, Vorteile oder Leistungsinhalte zu erfassen, ohne diese im Einzelnen zu benennen.

Weist das angemeldete Zeichen demnach in Bezug auf die beanspruchten Dienstleistungen und Waren keine ursprüngliche Unterscheidungskraft iS von § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG auf, bedarf es keiner Erörterung und Entscheidung, für welche Waren und Dienstleistungen das angemeldete Zeichen zudem eine beschreibende, freihaltungsbedürftige Angabe iS von § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG darstellt.

Die Beschwerde hat daher keinen Erfolg.

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BPatG:
Beschluss v. 21.07.2005
Az: 25 W (pat) 210/03


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