Landgericht Wiesbaden:
Urteil vom 26. März 2014
Aktenzeichen: 10 O 36/13

(LG Wiesbaden: Urteil v. 26.03.2014, Az.: 10 O 36/13)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Das Landgericht Wiesbaden hat mit Urteil vom 26. März 2014 (Aktenzeichen 10 O 36/13) die Klage abgewiesen. Der Kläger, der bei der Beklagten über deren Online-Portal registriert ist, hatte Einsicht in seine bei der Beklagten gespeicherten Daten genommen und festgestellt, dass sein Basisscore mit 93,49 % angegeben wurde. Mit einem Anwaltsschreiben forderte er die Beklagte auf, Auskunft darüber zu erteilen, wie es zu diesem schlechten Basisscore gekommen ist. Die Beklagte reagierte und versendete eine Datenübersicht sowie ein Informationsblatt zum Schufa-Score-Verfahren. Der Kläger behauptete jedoch, dass die Auskünfte unzureichend seien und dass er nicht verstehen könne, wie es zu dem Scorewert gekommen ist. Er verlangt deshalb weitere Auskünfte von der Beklagten und die Erstattung seiner vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten.

Das Gericht entschied, dass die Beklagte ihre Auskunftsverpflichtungen gemäß § 34 Abs. 4 des Bundesdatenschutzgesetzes mit der Datenübersicht vom 28.5.2013 erfüllt hat. Die Datenübersicht enthielt alle relevanten Informationen über die personenbezogenen Daten des Klägers, die für die Berechnung der Wahrscheinlichkeitswerte verwendet wurden. Das Gericht stimmte dabei der Argumentation des Bundesgerichtshofs zu, der ebenfalls entschieden hatte, dass die Berechnung des Schufa-Scores und die verwendeten Vergleichsgruppen Geschäftsgeheimnisse der Beklagten sind und deshalb nicht offengelegt werden müssen.

Das Gericht wies auch den Klageantrag auf Erstattung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten ab, da keine Verzugsbegründung vorlag und die Kosten bereits bei Verzugsbegründung angefallen waren.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

LG Wiesbaden: Urteil v. 26.03.2014, Az: 10 O 36/13


Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger darf die Vollstreckung durch die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Tatbestand

Der Kläger ist bei der Beklagten über deren Online-Portal registriert. Dort kann er jederzeit tagesaktuell sämtliche zu seiner Person gespeicherte Daten abrufen.

Am 7.2.2012 nahm der Kläger Einsicht in seine bei der Beklagten gespeicherten Daten. Nachdem von ihm vorgelegten Internetauszug war sein Basisscore mit 93,49 % von möglichen 100 % angegeben.

Mit Anwaltsschreiben vom 4.10.2012 forderte der Kläger die Beklagte unter Fristsetzung zum 19.10.2012 auf, einzelfallbezogen und nachvollziehbar in allgemein verständlicher Form Auskunft darüber zu erteilen, wie es zu dem schlechten Basisscorewert in Höhe von 93,49 % kommt.

Die Beklagte reagierte mit Schreiben vom 16.10.2012 und erklärte, sie sei selbstverständlich bereit, die gesetzlichen Auskunftsansprüche der Betroffenen zeitnah zu erfüllen. Aus diesem Grund habe sie veranlasst, dass dem Kläger unmittelbar eine kostenlose Datenübersicht gemäß § 4 BDSG und ein Informationsblatt zum Scoreverfahren zugesendet werde.

Unter dem 28.5.2013 übersandte die Beklagte dem Kläger eine hiermit in Bezug genommene Datenübersicht einschließlich einem Informationsblatt zum Schufa-Score-Verfahren.

Der Kläger macht geltend, die Beklagte sei der ihr nach § 34 Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 BDSG geschuldeten Auskünfte bislang schuldig geblieben.

Auf ein bestehendes Geschäftsgeheimnis könne sich die Beklagte nicht berufen. Der Tatbestand des Geschäftsgeheimnisses sei eng auszulegen und greife nur in wenigen Ausnahmefällen ein. Die bislang erteilten Auskünfte seien unzureichend. Die Datenübersicht enthalte lediglich allgemeine Hinweise über die Schufa selber, eine Auflistung von sogenannten Positiveinträgen, eine Tabelle aus der die einzelnen Scorewerte hervorgingen, sowie allgemeine Informationen über das Scoreverfahren.

Für den Kläger sei in keiner Weise nachvollziehbar, wie es letztlich zu dem schlechten Scorewert komme. Die verwendeten Datenarten seien in ihrer Bezeichnung viel zu unbestimmt. Aus ihnen erschließe sich nicht, wie es zu den persönlichen Scorewerten komme.

Zwar könne der Kläger aus der Datenübersicht erkennen, welche Datenarten bei der Scorewertberechnung zum Tragen kämen, jedoch erschlösse sich nicht, wie es trotz einwandfreien Schuldnerverhaltens zu solchen schlechten Scorewerten hinsichtlich des Basisscores und des Branchenscores komme.

Es bestünden erhebliche Zweifel an der Richtigkeit der Daten und den ermittelten Scorewerten. Der Kläger habe trotz jederzeit einwandfreien Zahlungsverhaltens Scorewerte von lediglich 92 bis 97 %. Insoweit könne das Geschäftsgeheimnis nur in sehr geringem Maße Berücksichtigung finden.

Dem Transparenzgedanken sei in größtmöglicher Art und Weise Rechnung zu tragen. Nur bei Offenlegung der genauen Merkmale, die die Scorewerte beeinflussten, sei nachvollziehbar, wie es zu dem Scorewert des Klägers komme. Dabei sei dem Kläger u.a. auch mitzuteilen, in welcher Vergleichsgruppe er von der Beklagten eingeordnet worden sei. Die Beklagte habe darüber Auskunft zu erteilen, welche Daten sie zu einer Bewertung des Zahlungsverhaltens der Vergleichsgruppe führe und welchen Einfluss die der Beklagten vorliegenden persönlichen Daten auf die Bildung des Scorewertes hätten.

Offen zu legen seien neben der Datengrundlage für die Scorewerte die ihnen zugrunde liegenden Wertskalen oder eine entsprechende prozentuale Einordnung.

Es dränge sich in hohem Maße der Verdacht auf, dass die Scorewertberechnung in willkürlicher Art und Weise vonstatten gehe.

Die Beklagte sei zur Erstattung des vorgerichtlich bei dem Kläger verbleibenden Restes der entstandenen anwaltlichen Geschäftsgebühr verpflichtet.

Der Kläger beziffert die entstandene Geschäftsgebühr auf 1.122,65 Euro und begehrt insoweit einen Gebührenrest in Höhe von 688,99 Euro.

Wegen der Einzelheiten des diesbezüglichen Vortrags des Klägers wird auf die Seiten 5 bis 7 der Klageschrift vom 12.12.2012 Bezug genommen.

Der Kläger stellt folgende Anträge:

1.Die Beklagte wird verurteilt, kostenfrei Auskunft zu erteilen über:a. die innerhalb der letzten zwölf Monate vor dem Zugang des Auskunftsverlangens übermittelten Wahrscheinlichkeitswerte für ein bestimmtes zukünftiges Verhalten des Klägers sowie die Namen und letztbekannten Anschriften der Dritten, an die die Werte übermittelt worden sind, sowohl in Bezug auf den Basisscore als auch in Bezug auf sämtliche Branchenscores;b. die Wahrscheinlichkeitswerte, die sich zum Zeitpunkt des Auskunftsverlangens nach den von Ihnen zur Berechnung angewandten Verfahren ergeben, sowohl in Bezug auf den Basisscore als auch in Bezug auf sämtliche Branchenscores;c. die zur Berechnung der Wahrscheinlichkeitswerte nach den Nummern 1 und 2 genutzten Datenarten, sowohl in Bezug auf den Basisscore, als auch in Bezug auf sämtliche Branchenscores, sowied. das Zustandekommen und die Bedeutung der Wahrscheinlichkeitswerte einzelfallbezogen und in allgemein verständlicher Form, sowohl in Bezug auf den Basisscore als auch in Bezug auf sämtliche Branchenscores.2.Die Beklagte trägt die Kosten für die außergerichtliche Inanspruchnahme des Prozessbevollmächtigten des Klägers in Höhe von 688,89 Euro zum Az.: 248/12.Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte macht geltend, der Klageantrag zu 1. sei zu unbestimmt und nicht vollstreckungsfähig, da er sich darauf beschränke, den Gesetzeswortlaut des § 34 Abs. 4 BDFG zu wiederholen.

Die Beklagte trägt vor, sie habe den gesetzlichen Auskunftsanspruch des Klägers bereits vollumfänglich erfüllt.

Die übermittelten Datenübersichten enthielten alle Informationen, auf die der Kläger nach § 34 Abs. 4 BDSG einen gesetzlichen Anspruch habe. Teilweise gingen die von der Beklagten bereitgestellten Informationen sogar über den gesetzlichen Auskunftsanspruch hinaus.

Die übermittelte Datenübersicht enthalte die neben den Personenstammdaten gespeicherten Einträge, eine Auskunft über die zur Person des Klägers in den letzten zwölf Monaten an die Vertragspartner übermittelten Wahrscheinlichkeitswerte sowie eine Auskunft über die aktuell berechneten Wahrscheinlichkeitswerte.

In der Datenübersicht der Beklagten sei zunächst einzelfallbezogen und nachvollziehbar das Zustandekommen der Wahrscheinlichkeitswerte dargestellt.

Ausgangspunkt seien die zu einer bestimmten Person gespeicherten Einträge, wobei bestimmte Daten nicht berücksichtigt würden.

Die gespeicherten Daten würden dann mit den anonymisierten historischen Daten der Beklagten verglichen. Es erfolge ein Vergleich der einzelnen Datenarten und eine Prüfung, ob es zu Zahlungsstörungen in der Vergleichsgruppe gekommen sei.

Die verwendeten Datenarten seien €bisherige Zahlungsstörungen€, €Kreditnutzung€, €Kreditaktivitäten des letzten Jahres€, €Länge Kredithistorie€, €Allgemeine Daten€ und €Anschriftendaten€. In der Datenübersicht werde zu jedem einzelnen Scorewert dargestellt, wie € auf der Grundlage der vorhandenen historischen Vergleichsdaten - das Risiko in der jeweiligen Datenart einzuschätzen sei. Dabei werde unter Differenzierung die Höhe des Risikos bewertet.

Die Bedeutung jedes einzelnen Scorewertes, zudem die Erfüllungswahrscheinlichkeit in Prozent angegeben werde, werde erläutert.

Ein über die bereits erteilte Auskunft hinaus gehender Anspruch des Klägers auf Auskunft über die €Parameter€ der Scorewertberechnung oder die €exakte Gewichtung der einzelnen Elemente bei der Scoreberechnung€ bestehe nicht. Der Gesetzgeber beschränke sich bei der Begründung zu § 34 Abs. 4 Nr. 4 BDSG ausschließlich auf die Offenlegung der genutzten Daten und verlange keine darüber hinaus gehende Angabe über die genauen Merkmale und Kriterien, die den Score maßgeblich beeinflusst hätten.

Der Auskunftsanspruch des Klägers sei durch das Geschäftsgeheimnis der Beklagten begrenzt und erstrecke sich aus diesem Grunde auch nicht auf die verwendete Scoreformel.

Die Beklagte stellt ihren Geschäftszweck und die Vorgehensweise beim Verfahren der Score-Berechnung dar. Wegen der Einzelheiten ihres diesbezüglichen Vorbringens wird auf ihren Schriftsatz vom 4.6.2013 Bezug genommen.

Die Beklagte ist der Auffassung, dass die Erstattung außergerichtlicher Kosten mangels Verzugs ausscheide, eine zusätzliche Geschäftsgebühr nicht entstanden sei, der Streitwert und damit auch die Geschäftsgebühr zu hoch angesetzt sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf ihre zu den Gerichtsakten gelangten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist zulässig.

Es kann dahingestellt bleiben, wie sich der Zuständigkeitsstreitwert zutreffend bemisst.

Nachdem sich die Beklagte in der mündlichen Verhandlung insoweit rügelos eingelassen hat, ist die sachliche Zuständigkeit des erkennenden Gerichts jedenfalls gemäß § 39 ZPO gegeben.

Der Klageantrag zu 1. ist auch hinreichend bestimmt (§ 253 ZPO).

Unbeschadet dessen, dass er sich im Wesentlichen auf den Wortlaut des § 34 Abs. 4 BDSG beschränkt, lässt er hinreichend erkennen, welches Auskunftsverhalten von der Beklagten begehrt wird.

Dabei wären im Falle einer Verurteilung im Rahmen des Vollstreckungsverfahrens auch hinreichende Konkretisierungen eröffnet.

Die Klage ist unbegründet.

Der Kläger dringt mit seinem Klageantrag zu 1. nicht durch.

Ihm steht gegen die Beklagte kein Anspruch gemäß § 34 Abs. 4 BDSG auf die begehrten Auskünfte zu.

Die Beklagte hat die ihr gemäß § 34 Abs. 4 BDSG obliegenden Auskunftsverpflichtungen jedenfalls mit ihrer unter dem 28.5.2013 übermittelten Datenübersicht erfüllt.

Die Datenübersicht der Beklagten vom 28.5.2013 wird den Anforderungen des § 34 Abs. 4 BDSG gerecht, wie sie der Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 28.1.2014 €Az.: VI ZR 156/13- im Einzelnen behandelt hat.

Das erkennende Gericht schließt sich den Erwägungen des Bundesgerichtshofes, auf die im Einzelnen Bezug genommen wird, in vollem Umfang an.

Die dem Kläger übermittelte Datenübersicht vom 28.5.2013 hat über alle personenbezogenen Daten des Klägers informiert, die für die Berechnung der Wahrscheinlichkeitswerte maßgeblich waren und verwendet wurden.

Insofern ist dem Kläger hinreichend die Möglichkeit eröffnet worden, eine Überprüfung vorzunehmen und gegebenenfalls inkorrekte Daten berichtigen zu lassen.

Im Rahmen der Datenübersicht sind das Zustandekommen und die Bedeutung der Wahrscheinlichkeitswerte nachvollziehbar erläutert worden.

Eine Nachrechenbarkeit war nicht erforderlich.

Die Berechnung selbst, die Gewichtung der in den Scorewert eingeflossenen Merkmale und die verwendeten Vergleichsgruppen unterlagen dem berechtigten Interesse der Beklagten an der Wahrung ihrer Geschäftsgeheimnisse.

Der Klageantrag zu 2. ist ebenfalls unbegründet.

Hier kann dahingestellt bleiben, ob die Beklagte ihre Auskunftsverpflichtung auch schon vor der Datenübersicht vom 28.5.2013 nachgekommen ist.

In Ermangelung sonstiger Darlegungen des Klägers war eine Verzugsbegründung (§§ 286, 280 BGB) und damit eine Rechtsgrundlage für die geltend gemachten vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten allenfalls mit dem Anwaltsschreiben des Klägers vom 4.10.2012 verbunden.

Die Anwaltskosten gingen damit jedoch nicht ursächlich auf einen bestehenden Verzug zurück und stellten damit keinen Verzugsschaden dar, weil sie bereits bei Verzugsbegründung angefallen waren.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit und Sicherheitsleistung folgt aus §§ 708 Nr. 1, 711 ZPO.






LG Wiesbaden:
Urteil v. 26.03.2014
Az: 10 O 36/13


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/gerichtsentscheidung/cde60de10b43/LG-Wiesbaden_Urteil_vom_26-Maerz-2014_Az_10-O-36-13




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