Bundespatentgericht:
Beschluss vom 11. August 2005
Aktenzeichen: 25 W (pat) 172/03

(BPatG: Beschluss v. 11.08.2005, Az.: 25 W (pat) 172/03)

Tenor

Die Beschwerde der Widersprechenden wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die Bezeichnung VIOZAN ist am 9. September 1999 unter der Nummer 399 31 462 in das Markenregister eingetragen worden und beansprucht nach einer Beschränkung des Warenverzeichnisses Schutz noch für "Pharmazeutische zur Behandlung von Atemwegserkrankungen".

Gegen die Eintragung hat die Inhaberin der älteren Marke 167 213 Riopandie seit dem 23. November 1912 für "Ein Arzneimittel" eingetragen ist, Widerspruch erhoben.

Die Markenstelle für Klasse 5 hat mit Beschluss vom 22. April 2003 durch eine Beamtin des höheren Dienstes die Gefahr von Verwechslungen verneint und den Widerspruch zurückgewiesen. Auch wenn mangels einer Nichtbenutzungseinrede von Warenidentität sowie von einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke sowie von allgemeinen Verkehrskreisen auszugehen sei, bestehe keine Verwechslungsgefahr, selbst wenn ein strenger Maßstab an den markenrechtlichen Abstand anzulegen sei. Der Gesamtklang der Marken werde entscheidend durch die unterschiedlichen Konsonanten der jeweils betonten dritten Silbe "Z" bzw "P" verändert, die als Zahnlaut bzw Lippenlaut klanglich voneinander abwichen. Trotz der übereinstimmenden Vokalfolge ioa sei der klangliche Gesamteindruck ausreichend verschieden.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden. Trotz der Einschränkung des Warenverzeichnisses der angegriffenen Marke auf "Pharmazeutische Präparate zur Behandlung von Atemwegserkrankungen" sei eine Begegnung der Marken auf identischen oder zumindest hochgradig ähnlichen Waren nicht ausgeschlossen. Den strengen Anforderungen an den markenrechtlichen Abstand, der wegen der Warenlage und den angesprochenen Verkehrskreisen geboten sei, werde die angegriffene Marke in klanglicher Hinsicht nicht gerecht. Der Gesamteindruck der Marken werde durch Übereinstimmungen in der Zahl der Buchstaben und der Silben sowie im Sprech- und Betonungsrhythmus sowie in der prägnanten Lautfolge "-ioan" geprägt. Demgegenüber unterschieden sich die Anfangslaute "V" bzw "R" nicht so deutlich voneinander, wie von der Markenstelle angenommen; dies gelte auch für die Konsonanten "Z" bzw "P". Angesichts der bei Laien üblichen mündlichen Benennung und des übereinstimmenden Klanggerüsts sei mit Verwechslungen im Verkehr zu rechnen.

Die Widersprechende beantragt, den angegriffenen Beschluss aufzuheben und die Löschung der angegriffenen Marke anzuordnen.

Die Inhaberin der angegriffenen Marke beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen, Zunächst bestreitet sie eine rechtserhebliche Benutzung der älteren Marke für andere Waren als "Magen-Darm-Mittel gegen Sodbrennen und säurebedingte Magenbeschwerden". Da die Widerspruchsmarke nur hierfür benutzt werde, die angegriffene Marke dagegen für ein Präparat zur Behandlung von Atemwegserkrankungen, ergebe sich ein deutlicher Indikationsunterschied, so dass keine zu strengen Maßstäbe an den Abstand der Marken zu stellen seien. Da sich die Marken jedoch in klanglicher wie in schriftbildlicher Hinsicht erheblich unterschieden, sei Verwechslungsgefahr auszuschließen.

II.

Die zulässige Beschwerde der Widersprechenden ist erfolglos.

Auch nach Auffassung des Senat besteht zwischen den Marken nicht die Gefahr von Verwechslungen im Sinne des § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG.

Nachdem die Inhaberin der angegriffenen Marke gemäß §§ 43 Abs 1, 26 Abs 1 MarkenG die Benutzung der Widerspruchsmarke für alle Waren mit Ausnahme von "Magen-Darm-Mittel gegen Sodbrennen und säurebedingte Magenbeschwerden" bestritten hat und die Widersprechende eine weitergehende Benutzung ihrer Marke auch nicht geltend gemacht hat, ist auf Seiten der Widerspruchsmarke von diesen Waren auszugehen. Zugunsten der Widersprechenden ist aber im Rahmen der Integrationsfrage aufgrund der nach ständiger Rechtsprechung anzuwendenden erweiterten Minimallösung von "Magen-Darm-Mittel" der Hauptgruppe 60 der Roten Liste allgemein und mangels entgegenstehender Festschreibung im Warenverzeichnis ohne Beschränkung auf eine Rezeptpflicht, bestimmte Darreichungsformen oder enthaltene Wirkstoffe abzustellen (vgl BPatGE 41, 267, 270 - Taxanil / Taxilan; BPatG GRUR 2001, 513 - CEFABRAUSE / CEFASEL; BPatG MarkenR 2004, 361 - CYNARETTEN / Circanetten; Ströbele/Hacker, Markengesetz, 7. Aufl, § 26 Rdnr 219).

Den danach zu berücksichtigenden Mitteln der Hauptgruppe 60 der Roten Liste stehen auf Seiten der angegriffenen Marke die grundsätzlich ähnlichen "Pharmazeutischen Präparate zur Behandlung von Atemwegserkrankungen" gegenüber. Diese Mittel können als "Antitussiva / Expektorantia" in die Hauptgruppe 24 der Roten Liste oder aber als "Broncholytika / Antiasthmatika" in die Hauptgruppe 28 der Roten Liste fallen. Denkbar wäre auch eine Zuordnung zu den "Rhinologika / Sinusitismittel" entsprechend der Hauptgruppe 72 der Roten Liste. In jedem Fall besteht allerdings ein deutlicher Indikationsunterschied zu den Magen-Darm-Mitteln der Hauptgruppe 60, zu der das Präparat der Widersprechenden gehört.

Nachdem die sich gegenüber stehenden Präparate nach der Registerlage nicht rezeptpflichtig sind, sind die allgemeinen Verbraucher in die Beurteilung der Verwechslungsgefahr mit einzubeziehen. Der Senat legt dabei das vom EuGH entwickelte Verbraucher-Leitbild zugrunde, das auf einen durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Verbraucher abstellt (vgl Ströbele/Hacker, Markengesetz, 7. Aufl, § 9, Rdnr 156 mwN) und dessen Aufmerksamkeit unterschiedlich hoch sein kann, der jedoch allem, was mit der Gesundheit zusammenhängt, mit größerer Aufmerksamkeit begegnet als vielen anderen Dingen des täglichen Lebens (vgl BGH GRUR 1995, 50 - Indorektal / Indohexal).

Bei seiner Entscheidung geht der Senat mangels anderer Anhaltspunkte von einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft und damit von einem normalen Schutzumfang der Widerspruchsmarke aus.

Ist nach alledem nur von einer durchschnittlichen Ähnlichkeit der sich gegenüberstehenden Waren auszugehen, sind bei Berücksichtigung einer normalen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke zur Vermeidung einer Verwechslungsgefahr mittlere Anforderungen an den Markenabstand zu stellen, denen die angegriffene Marke genügt.

Dabei ist zu beachten, dass wegen der Registerlage eher mit mündlichen Benennungen gegenüber dem schriftbildlichen Vergleich zu rechnen ist. Die Abweichungen bei den Anfangs- und Mittelkonsonanten bewirken trotz der Übereinstimmungen in der Silbenzahl, der Vokalfolge "I-O-A" und der - aufgrund ihrer vielfachen Verwendung allerdings eher kennzeichnungsschwachen - Endlaute "-AN" eine noch hinreichende Abweichung im Gesamteindruck. So heben sich sowohl die Anfangskonsonanten "R" bei der Widerspruchsmarke ebenso auffällig von dem Anfangskonsonanten "V" der angegriffenen Marke ab wie die klangstarken Mittelkonsonanten "P" bzw "Z". Diese Unterschiede führen zu einer deutlichen Abweichung im Gesamtklangbild beider Marken. Zu beachten ist weiterhin, dass der Wortanfang in aller Regel stärker beachtet wird als die übrigen Markenbestandteile (vgl. Ströbele/Hacker, Markengesetz, 7. Aufl, § 9 Rdnr 184), wobei dies besonders in Fällen gilt, in denen - wie hier - die Endlaute häufig für Markenbildungen verwendet werden und deshalb der Verkehr seine Aufmerksamkeit umso mehr auf die weiteren Bestandteile richtet. Aufgrund der Kürze der beiden Markenwörter und der etwas größeren Aufmerksamkeit auch der allgemeinen Verbraucherkreise und unter Berücksichtigung der eingeschränkten Anforderungen an den Markenabstand sprechen die Abweichungen daher insgesamt gegen eine klangliche Verwechslungsgefahr.

Auch bei einem schriftbildlichen Markenvergleich sind die Annäherungen nicht so ausgeprägt, dass unter Berücksichtigung der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke und der allenfalls durchschnittlichen Ähnlichkeit der sich gegenüberstehenden Waren eine Verwechslungsgefahr zu bejahen wäre. Im Vordergrund steht dabei die drucktechnische Schreibweise in den beiden möglichen Formen "VIOZAN / RIOPAN" bzw "Viozan / Riopan", da eine handschriftliche Wiedergabe wegen der weitgehend maschinellen Bearbeitung von Bestellungen bzw. Rezepten pharmazeutischer Produkte zunehmend an Bedeutung verliert. Dabei ist zu berücksichtigen, dass das Schriftbild der Marken erfahrungsgemäß besser eine ruhige oder auch wiederholte Wahrnehmung der Bezeichnung gestattet als das schnell verklingende Wort, zumal den dann im Vordergrund stehenden Fachkreisen aufgrund ihrer beruflichen Praxis und Erfahrung im Umfang mit Arzneimitteln eher Abweichungen im Schriftbild auffallen und diese daher Markenverwechslungen weniger unterliegen als Endverbraucher. Bei Beachtung dieser Voraussetzungen genügt der zwischen den Marken bestehende Abstand bei drucktechnischer Schreibweise mittleren Anforderungen, da die Kontur der in allen Schreibweisen groß geschriebenen Anfangskonsonanten "V" bzw. "R" ebenso deutlich erkennbar voneinander abweicht wie die Mittelkonsonanten "Z / z" bzw "P / p".

Die vorgenannten Umstände und insbesondere die deutlich erkennbaren Abweichungen bei den Anfangs und Mittelkonsonanten reichen auch aus, um bei der eher seltenen handschriftlichen Wiedergabe der Markenwörter eine Verwechslungsgefahr in markenrechtlich relevantem Umfang auszuschließen, zumal die abweichenden Konturen der Anfangsbuchstaben und die Unterlänge des "p" in der älteren Marke bei den beiden Anfangskonsonanten in dieser Schreibweise deutlich hervortreten.

Die Beschwerde der Widersprechenden war somit zurückzuweisen.

Zu einer Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen bot der Streitfall keinen Anlass (§ 71 Abs. 1 MarkenG).

Sredl Bayer Merzbach WA






BPatG:
Beschluss v. 11.08.2005
Az: 25 W (pat) 172/03


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/cd141ebd7047/BPatG_Beschluss_vom_11-August-2005_Az_25-W-pat-172-03




Diese Seite teilen (soziale Medien):

LinkedIn+ Social Share Twitter Social Share Facebook Social Share