Bundespatentgericht:
Beschluss vom 28. März 2007
Aktenzeichen: 25 W (pat) 62/05

(BPatG: Beschluss v. 28.03.2007, Az.: 25 W (pat) 62/05)

Tenor

Die Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die am 7. März 2001 angemeldete Marke 301 15 281 Sinuspectonist am 18. Dezember 2001 für die Waren

"pharmazeutische Erzeugnisse sowie Präparate für die Gesundheitspflege"

in das Markenregister eingetragen worden.

Die Inhaberin der am 24. Mai 1991 für die Waren

"Humanmedizinische Arzneimittel"

eingetragenen Marke Nr 1176858 SINUFORTON hat dagegen Widerspruch erhoben.

Die Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamts hat mit zwei Beschlüssen vom 27. August 2003 und vom 6. Dezember 2004, wovon letzterer im Erinnerungsverfahren ergangen ist, die angegriffene Marke wegen des Widerspruchs gelöscht.

Die Vergleichsmarken könnten sich auf ähnlichen, aber auch auf identischen Waren begegnen. Eine Rezeptpflicht sei in keinem der Warenverzeichnisse verankert, so dass auch der Endverbraucher uneingeschränkt berücksichtigt werden müsse. Wegen der von der Widersprechenden vorgelegten eidesstattlichen Versicherung über Umsätze der unter der Widerspruchsmarke vertriebenen Produkte und die Bewertung der Marktstellung der Widersprechenden geht der Erstprüfer von einer leicht gesteigerten Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke aus. Es seien strenge Anforderungen an den Markenabstand zu stellen. Diesen wahre die jüngere Marke weder in klanglicher noch in schriftbildlicher Hinsicht. Die Marken stimmten in ihren Anfangs- und Endlautbestandteilen identisch überein. Zwar handele es sich bei dem Anfangslautbestandteil "SINU" um einen zumindest für Fachleute erkennbaren Indikationshinweis, wodurch diese, nicht zuletzt auch durch sein Auftreten in Drittmarken, eine gewisse Kennzeichnungsschwäche besitze. Beschreibende oder kennzeichnungsschwache Wortteile dürften allerdings bei der Beurteilung des Gesamteindrucks nicht unberücksichtigt bleiben, insbesondere wenn die Marken in weiteren Teilen, wie vorliegend "...TON", ebenfalls übereinstimmten. Da es sich um viersilbige, also relativ lange Markenwörter handele, vermöge selbst die relativ deutliche Abweichung im regelmäßig weniger auffälligen und beachteten Wortinnern keine klangliche Abgrenzung im Sinne einer Unähnlichkeit herbeizuführen, die hier geboten sei. Insbesondere unter ungünstigen akustischen Übermittlungsbedingungen oder lediglich vor dem Hintergrund eines verblassenden Erinnerungsbildes führten die überwiegenden lautlichen Gemeinsamkeiten dazu, dass ein noch entscheidungserheblicher Teil des Verkehrs die Marken verwechsle. Eine schriftbildliche Verwechslungsgefahr sei namentlich bei Wiedergabe in Versalien gegeben. Die Erinnerungsprüferin geht zwar von einer gut eingeführten Marke aus, nimmt jedoch nur eine durchschnittliche Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke an, da zur Bekanntheit der Widerspruchsmarke nichts vorgetragen sei. Eine Verwechslungsgefahr sei aber auch bei einer nur durchschnittlichen Kennzeichnungskraft gegeben, da die Zeichen sich bei identischen bis ähnlichen Waren in klanglicher Hinsicht nicht hinreichend unterschieden. Vorliegend bestünden die Unterschiede zwischen den Marken allein in der dritten Silbe der viersilbigen Wörter. Diese Silbe sei aber unbetont, so dass die Abweichungen wenig ins Gewicht fielen. Ob darüber hinaus auch die schriftbildliche Ähnlichkeit derart ausgeprägt sei, dass es zu Verwechslungen kommen könne, sei eher zu verneinen, könne aber dahinstehen.

Die Inhaberin der angegriffenen Marke hat dagegen Beschwerde eingelegt und beantragt, die Beschlüsse der Markenstelle aufzuheben und den Widerspruch zurückzuweisen.

Der Prüfer habe die Wörter zergliedert betrachtet und dabei nur auf die Übereinstimmungen der schwach kennzeichnenden Silben "Sinu" und "ton" abgestellt. Demgegenüber stünden jedoch markante Abweichungen, die das Gesamtklangbild der Marken deutlich veränderten. Die Vergleichsmarken wiesen in den übrigen Wortbestandteilen "for" und "spec" unterschiedliche Vokal- und Konsonantengerüste auf, so dass Verwechslungen auszuschließen seien.

Die Widersprechende beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Die Waren seien identisch. Die Identität der pharmazeutischen Erzeugnisse werde dadurch gefördert, dass beide Marken zur Kennzeichnung von Rhinologika bestimmt seien, wie sich aus der Anfangssilbe "Sinu" ergebe. Das von der Widersprechenden vertriebene Präparat unterliege keiner Verschreibungspflicht. Die nur geringen Unterschiede in der dritten unbetonten Silbe gingen im Gesamteindruck unter. In der Regel würden die beiden Wörter auf der Silbe "nu" betont. In der Erinnerung überwiegten regelmäßig die Übereinstimmungen. Im Gesamteindruck müssten auch Zeichenbestandteile berücksichtigt werden, die einen Indikationshinweis assoziierten. Zudem bleibe dieser den durchschnittlichen Verbrauchern verborgen. Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke sei gesteigert. Es komme dabei nicht nur auf die Bekanntheit der Widerspruchsmarke an. Die Bekanntheit sei nur ein Faktor von vielen und nicht ausschlaggebend. Die Marktführerschaft bei den verordneten Rhinologika sowie die Dauer der Benutzung seit 1992 führten dazu, dass eine mehr als durchschnittliche Kennzeichnungskraft zugrunde zu legen sei. Durch die Häufigkeit der Verordnung ergebe sich zudem auch ein entsprechender Bekanntheitsgrad bei den Endverbrauchern.

Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke hat in der Sache keinen Erfolg, da eine Verwechslungsgefahr gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG besteht, wenn es sich auch um einen Grenzfall handeln mag.

Das Vorliegen einer Verwechslungsgefahr ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen (EuGH GRUR 2006, 237, 238 - PICASSO; GRUR 1998, 387, 389 f. - Sabèl/Puma). Ihre Beurteilung bemisst sich nach der Identität oder Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen, der Identität oder Ähnlichkeit der Marken und dem Schutzumfang der Widerspruchsmarke. Diese Faktoren sind zwar für sich gesehen voneinander unabhängig, bestimmen aber in ihrer Wechselwirkung den Rechtsbegriff der Verwechslungsgefahr, wobei ein geringerer Grad eines Faktors durch einen höheren Grad eines anderen ausgeglichen werden kann (Ströbele/Hacker, Markengesetz, 8. Aufl., § 9 Rdn. 26).

Die Waren "pharmazeutische Erzeugnisse" der angegriffenen Marke können mit den "humanmedizinischen Arzneimitteln" der Widerspruchsmarke identisch sein, so dass sich die Marken auf identischen Arzneimitteln begegnen können. Hinsichtlich der Waren "Präparate für die Gesundheitspflege" der angegriffenen Marke besteht eine erhebliche Ähnlichkeit mit den "humanmedizinischen Arzneimitteln" der Widerspruchsmarke, auch wenn insoweit keine Identität besteht, da Arzneimittel vorwiegend der Heilung von Krankheiten bzw. gesundheitlichen Beschwerden und die "Präparate für die Gesundheitspflege" der Pflege dienen. Es kann aber ein enger Zusammenhang und eine erhebliche Nähe bezüglich dieser Waren bestehen, zumal ein Produkt sowohl pflegende als auch heilende Funktionen haben kann.

Vorliegend kann nur von einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke ausgegangen werden. Selbst wenn eine Stärkung der Kennzeichnungskraft durch bloße Benutzung der Marke ohne weitere konkrete Hinweise auf ihre Bekanntheit erfolgen könnte, so belegt dies noch nicht, dass die Kennzeichnungskraft im vorliegenden Fall über den Bereich durchschnittlicher Kennzeichnungskraft hinausgeht. Für die Annahme einer Steigerung der Kennzeichnungskraft über den oberen Bereich durchschnittlicher Kennzeichnungskraft hinaus reichen die von der Widersprechenden vor der Markenstelle genannten Umsätze von jährlich ca 2-3 Mio. Euro in den Jahren 1992 bis 2001 nicht aus. Hinzu kommt, dass die Beschwerdegegnerin Umsatzzahlen nur bis zum Jahr 2001 genannt und die Angaben im Laufe des Verfahrens nicht mehr vervollständigt hat. Auch ist über die aktuelle Marktsituation nichts bekannt. Wenn die Widersprechende mit Rhinologika, die mit der Widerspruchsmarke gekennzeichnet sind, 2001 an 1. Stelle der verordneten systemischen Rhinologika lag, so begründet dies allein noch keine gesteigerte Kennzeichnungskraft zum jetzigen Zeitpunkt. Die erhöhte Kennzeichnungskraft müsste nicht nur im Jahre 2001 vorgelegen haben, sondern auch noch zum Entscheidungszeitpunkt bestehen (Ströbele/Hacker, Markengesetz 8. Aufl. § 9 Rdn. 35). Insoweit mangelt es jedoch bereits an entsprechenden Unterlagen.

"Sinuspecton" und "SINUFORTON" sind im Gesamtklangbild aber auch bei Annahme einer nur durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke noch so ähnlich, dass bei den sich gegenüberstehenden identischen bzw. sehr ähnlichen Waren eine Verwechslungsgefahr besteht.

Entscheidend kommt es darauf an, wie die Marken auf den Durchschnittsverbraucher der in Frage stehenden Art von Waren wirken, wobei zu berücksichtigen ist, dass die Aufmerksamkeit des Durchschnittsverbrauchers je nach Art der betreffenden Waren unterschiedlich hoch sein kann (EuGH, MarkenR 2006, 67 - Picasso). Anzuknüpfen ist dabei an das Verbraucherleitbild des EuGH, der auf den normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher der entsprechenden Waren abstellt (EuGH GRUR 2004, 943 - SAT. 2). Da die vorliegenden Waren den Gesundheitsbereich betreffen, ist damit zu rechnen, dass selbst Laien den Bezeichnungen eine größere Aufmerksamkeit widmen als bei vielen sonstigen Waren des täglichen Gebrauchs.

Auch wenn dem gemeinsamen Anfangsbestandteil "SINU" eine Kennzeichnungsschwäche zukommt, da er jedenfalls für den Fachverkehr erkennen lässt, dass es sich um ein Mittel gegen "Sinusitis" handelt, was der informierte und verständige Laie möglicherweise ebenfalls erahnen mag, da dieser Bestandteil in Drittzeichen wie zum Beispiel "Sinupret" enthalten ist, reichen die klanglichen Unterschiede in den meist unbetonten Mittelsilben "spec" und "FOR" - auch wenn sie isoliert gesehen sehr deutlich sind - im Gesamtklangbild jedoch bei identischen oder sehr ähnlichen Waren nicht aus, eine Verwechslungsgefahr hinreichend zu verhindern. Ein Teil des Verkehrs mag zwar wegen des beschreibenden Anklangs im Anfangsbestandteil "SINU" verstärkt auf die weiteren Zeichenbestandteile achten, jedoch dürfen auch kennzeichnungsschwache Bestandteile im Gesamteindruck nicht von vorneherein unberücksichtigt bleiben (Ströbele/Hacker, Markengesetz, 8. Aufl. § 9 Rdn. 214). Silbenzahl und Sprech- und Betonungsrhythmus, die beiden ersten Silben und die letzte Silbe der Zeichen stimmen überein. Die gemeinsame Lautfolge "ton" mag bei Arzneimittelbezeichnungen als Endsilbe häufig vorkommen, ist aber - zumal hier betont - recht klangstark und bildet mit den übereinstimmenden Anfangsbestandteilen einen gleichklingenden Rahmen, in dem die abweichenden dritten Silben "spec" und "FOR" nicht auffällig genug hervortreten, um ein hinreichend unterschiedliches Gesamtklangbild zu erzeugen. Die einzigen unterschiedlichen Silben befinden sich im Wortinnern der relativ langen Bezeichnungen und sind deshalb im Gesamteindruck nicht so markant, dass sie in klanglicher Hinsicht eine Verwechslungsgefahr hinreichend verhindern könnten. Zudem ist zu berücksichtigen, dass der Verkehr die Zeichen regelmäßig nicht gleichzeitig nebeneinander wahrnimmt und der Abnehmer, der eine Marke nur ungenau in Erinnerung hat, sie in einer anderen ähnlichen Marke wiederzuerkennen glauben kann und insoweit Verwechslungen unterliegt (Ströbele/Hacker, Markengesetz, 8. Aufl. § 9 Rdn. 119). Im Gesamtklangbild sind die Zeichen noch so ähnlich, dass zumindest aus der Erinnerung heraus die Zeichen jedenfalls für Laien, die hier uneingeschränkt zu berücksichtigen sind, nicht mehr hinreichend auseinander zu halten sind.

Da mit klanglichen Begegnungen der Marken auch bei Laien zu rechnen ist, führt die klangliche Ähnlichkeit der sich gegenüberstehenden Marken dazu, dass eine Verwechslungsgefahr bereits aus diesem Gesichtspunkt besteht und es nicht mehr darauf ankommt, ob die Marken auch in schriftbildlicher Hinsicht so ähnlich sind, dass sie auch schriftbildlich verwechselbar ähnlich sind.

Die Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke hat daher keinen Erfolg.

Zu einer Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen bot der Streitfall keinen Anlass, § 71 Abs. 1 MarkenG.






BPatG:
Beschluss v. 28.03.2007
Az: 25 W (pat) 62/05


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