Bundespatentgericht:
Beschluss vom 2. März 2004
Aktenzeichen: 14 W (pat) 65/02

(BPatG: Beschluss v. 02.03.2004, Az.: 14 W (pat) 65/02)

Tenor

1. Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben 2. Das Patent 197 58 272 wird mit der Bezeichnung "Verwendung eines Haarbehandlungsmittels" und mit folgenden Unterlagen beschränkt aufrechterhalten:

Patentansprüche 1 bis 5, überreicht in der mündlichen Verhandlung vom 2. März 2004 Beschreibung Seiten 2 bis 7, überreicht in der mündlichen Verhandlung vom 2. März 2004

Gründe

I.

Mit dem angefochtenen Beschluß vom 25. Juli 2002 hat die Patentabteilung 43 des Deutschen Patent- und Markenamtes das Patent 197 58 272 mit der Bezeichnung

"Haarbehandlungsmittel"

widerrufen.

Dem Beschluß liegen die am 26. April 2000 eingegangenen Patentansprüche 1 bis 7 zugrunde, von denen der Anspruch 1 wie folgt lautet:

Verwendung mindestens einer Verbindung der allgemeinen Formel I siehe Abb.1 am Endein der R1 und R2 jeweils für eine gegebenenfalls hydroxysubstituierte C8-C22-Alkyl- oder Alkenylgruppe, R3 und R4 für eine C1-C3-Alkylgruppe oder eine Gruppe -CH2-CH2-O-[EO]Z-H, sowie x,y und z für 0 bis 5, und Y- für ein Anion stehen, zur Abscheidung anionischer Wirkstoffe, ausgewählt aus anionischen UV-Absorbern und/oder anionischen direktziehenden Haarfarbstoffen, in Haarbehandlungsmitteln auf wässriger Grundlage auf menschlichem Haar.

Wegen des Wortlautes der Ansprüche 2 bis 7 wird auf die Akten verwiesen.

Der Widerruf ist im wesentlichen damit begründet, dass die gemäß Patentanspruch 1 beanspruchte Verwendung im Hinblick auf die Entgegenhaltung

(1) DE 196 22 815 A1 nicht mehr neu sei.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Patentinhaberin, mit der sie ihr Patentbegehren unter Zugrundelegung der in der mündlichen Verhandlung überreichten Patentansprüche 1 bis 5 gemäß Hauptantrag und einer hieran angepassten Beschreibung weiterverfolgt. Diese Patentansprüche haben folgenden Wortlaut:

1. Verwendung eines Gemisches mindestens einer Verbindung der allgemeinen Formel I siehe Abb. 2 am Endein der R1 und R2 jeweils für eine gegebenenfalls hydroxysubstituierte C8-C22-Alkyl- oder Alkenylgruppe, R3 und R4 für eine C1-C3-Alkylgruppe oder eine Gruppe -CH2-CH2-[EO]Z-H, sowie x,y und z für 0 bis 5, und Y für ein Anion stehen und mindestens einem weiteren kationischen Tensid zur Abscheidung anionischer Wirkstoffe, ausgewählt aus mindestens einem anionischen UV-Absorber und/oder mindestens einem anionischen direktziehenden Haarfarbstoff, mindestens einem in Haarbehandlungsmitteln auf wässriger Grundlage auf menschlichem Haar.

2. Verwendung nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass die Reste R1 und R2 jeweils einen Oleylrest, der Rest R3 eine Methylgruppe, der Rest R4 eine Gruppe -CH2-CH2OH, und x und y 0 bedeuten.

3. Verwendung nach einem der Ansprüche 1 und 2, dadurch gekennzeichnet, dass die Reste R1 und R2 jeweils eine C12-C18-Alkylgruppe, der Rest R3 eine Methylgruppe, und der Rest R4 eine Gruppe -CH2-CH2-O-[EO]ZH, und x, y und z 0 bedeuten.

4. Verwendung nach einem oder mehreren der Ansprüche 1 bis 3, wobei als anionischer UV-Absorber mindestens eine Substanz, ausgewählt aus 5-Benzoyl-4-hydroxy-2-methoxybenzolsulfonsäure, 2,2'-Dihydroxy-4,4'-dimethoxy-3,3'-disulfobenzophenon und/oder Phenylbenzimidazolsulfonsäure bzw. deren Natriumsalzen, verwendet wird.

5. Verwendung nach einem oder mehreren der Ansprüche 1 bis 4, wobei das Haarbehandlungsmittel 0,1 bis 10 Gew.-% mindestens einer C10-C24-Fettsäure, berechnet auf die Gesamtzusammensetzung, enthält.

Hilfsweise verfolgt sie ihr Patentbegehren auf der Grundlage der Patentansprüche 1 bis 5 gemäß Hilfsantrag 1, weiter hilfsweise auf der Grundlage der Patentansprüche 1 bis 4 gemäß Hilfsantrag 2, weiter hilfsweise auf der Grundlage der Patentansprüche 1 bis 4 gemäß Hilfsantrag 3. Wegen des Wortlautes der jeweiligen Patentansprüche wird auf die Akten verwiesen Die Patentinhaberin vertritt die Auffassung, dass die Verwendung eines Gemisches, wie sie gemäß Patentanspruch 1 beansprucht werde, neu sei und auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe. Gegenüber der Entgegenhaltung (1) sei die Neuheit der nunmehr beanspruchten Verwendung des im Patentanspruch 1 angegebenen Gemisches gegeben, weil die dort beschriebenen Haarbehandlungsmittel über die auch patentgemäß genannten Difettsäuredialkanolaminestersalze der allgemeinen Formel (I) (= Esterquats) hinaus keine weiteren kationischen Tenside enthielten. Dies gelte sinngemäß auch gegenüber der lediglich gemäß § 3 Abs 2 PatG zu berücksichtigen

(5) WO 99/11 227 A1.

Die beanspruchte Verwendung beruhe gegenüber (1) auch auf einer erfinderischen Tätigkeit, weil nach dieser Druckschrift die mit der Verwendung üblicher kationischer Tenside verbundenen Nachteile durch den vollständigen Ersatz mit den in Rede stehenden Esterquats gelöst werde und die dort vorgeschlagenen Zubereitungen daher frei von weiteren kationischen Tensiden seien. Auch die Entgegenhaltung

(1) EP 0 655 236 A1 gebe dem Fachmann keine Anregungen Gemische, wie sie im geltenden Patentanspruch 1 genannt werden, zur Behandlung von Haaren zu verwenden. Diese offenbare kationische Tenside nämlich nur allgemein neben einer Vielzahl weiterer Komponenten als Bestandteil in Haarbehandlungsmitteln neben Esterquats, nicht aber in Verbindung mit anionischen UV-absorbierenden Wirkstoffen oder anionischen Farbstoffen. Wie ferner anhand der Entgegenhaltungen

(2) C. R. Robbins, Chemical and Physical Behaviour of Human Hair, 2nd ed, Springer Verlag 1988 S 199

(3) SeifeÖle-Fette-Wachse 1991 117 S 81 bis 87 zu ersehen sei, erwarte der Fachmann nicht, daß es mit der im Patentanspruch 1 angegebenen Mischung zu der gewünschten Ablagerung der anionischen Wirkstoffe auf dem Haar komme. So lehre (3) nämlich, daß anionische Wirkstoffe auf dem Haar nicht deponiert würden, weil dessen Oberfläche ebenfalls anionisch sei. Nach (4) werde daher vorgeschlagen, die Haare zunächst mit kationischen Polymeren zu behandeln, die, wie aus der dort angegebenen Abb 10 zu ersehen sei, alle negativen Ladungen des Haares abdeckten. Erst dann lagerten sich auf den restlichen kationischen Ladungen dieser Polymere die anionischen Wirkstoffe ab. Nun handle es sich jedoch bei den im Patentanspruch 1 genannten Esterquats zum einen nicht um Polymere, so dass keine überschüssigen positiven Ladungen ausgebildet werden können, zum anderen würden Esterquats und anionische Wirkstoffe nicht nacheinander, sondern gleichzeitig verwendet. Die mit der beanspruchten Verwendung erhaltenen Vorteile, wie zB eine bessere Färbung mit den anionischen Farbstoffen, seien daher nicht zu erwarten.

Die Patentinhaberin beantragt, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und das Patent beschränkt aufrechtzuerhalten auf der Grundlage der Patentansprüche 1 bis 5 und angepasster Beschreibung Seiten 2 bis 7, jeweils überreicht in der mündlichen Verhandlung, hilfsweise auf der Grundlage der Patentansprüche 1 bis 5 gemäß Hilfsantrag 1 weiter hilfsweise auf der Grundlage der Patentansprüche 1 bis 4 gemäß Hilfsantrag 2 weiter hilfsweise auf der Grundlage der Patentansprüche 1 bis 4 gemäß Hilfsantrag 3 die Hilfsanträge jeweils mit angepasster Beschreibung Seiten bis 7 und jeweils überreicht in der mündlichen Verhandlung.

Die Einsprechende beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie widerspricht dem Vorbringen der Patentinhaberin.

Die Neuheit der mit dem Patentanspruch 1 beanspruchten Verwendung bestreitet sie gegenüber der Entgegenhaltung (1). So würden kationische Tenside dort zwar nicht expressis verbis als Bestandteile der beschriebenen Haarbehandlungsmittel angegeben. Da sie aber im einleitenden Teil dieser Schrift als Stand der Technik angesprochen würden, und die Zubereitungen gemäß (1) zusätzlich alle diejenigen Bestandteile enthalten könnten, die in Haarbehandlungsmitteln üblicherweise eingesetzt würden, lese der Fachmann kationische Tenside als mögliche Komponenten daher auch in dieser Druckschrift mit. Zumindest beruhe die beanspruchte Verwendung des im geltenden Patentanspruch 1 angegebenen Gemisches aber nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit. Esterquats seien nämlich aus dem Stand der Technik bekannt, ebenso wie Kombinationen üblicher Ammoniumsalze mit anionischen UV-Absorbern oder Farbstoffen. Weil die Esterquats nun aber vorteilhaftere Eigenschaften aufwiesen, alleine schon aufgrund ihrer besseren biologischen Abbaubarkeit, sei es üblich geworden, die herkömmlichen Ammoniumsalze durch diese zu ersetzen. Dieser technische Ansatz sei bereits aus (1) erkennbar. Der Fachmann wisse aus den Entgegenhaltungen (3) und (4) ferner, daß es schwierig sei, in saurem Milieu auf der Haaroberfläche aufgrund deren sauren Charakters anionische Wirkstoffe, wie zB saure Farbstoffe zu deponieren. Da aber, wie aus (3) zu ersehen sei, kationische Wirkstoffe vom Haar mehr angezogen würden als anionische, bänden auch im vorliegenden Fall die Esterquats schnell. Daraus resultiere sodann eine weniger anionische Oberfläche, auf der in der Folge zB anionische Farbstoffe besser ablagern könnten. Zwar würden in (4) in diesem Zusammenhang nur kationische Polymere angegeben, jedoch seien auch bei den in Rede stehenden Esterquats Polymere nicht ausgeschlossen. Daher habe auf Seiten des Fachmannes kein Vorurteil bestanden, Esterquats mit anionischen Wirkstoffen einzusetzen. Im übrigen werde der zumindest teilweise Ersatz üblicher Tenside durch Esterquats auch mit der Entgegenhaltung (2) nahegelegt, nachdem die dort beschriebenen Zusammensetzungen gleichfalls beide in Rede stehenden Substanz-Gruppen gleichzeitig enthalten könnten. Nachdem somit kein Vorteil gegenüber dem nächstkommenden Stand der Technik ersichtlich sei, liege auch keine erfinderische Tätigkeit vor.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

Die Beschwerde der Patentinhaberin ist zulässig (§ 73 PatG) und auch begründet, weil der nunmehr beanspruchten Verwendung Patentfähigkeit zukommt.

1. Gegen die Zulässigkeit der geltenden Patentansprüche 1 bis 5 gemäß Hauptantrag bestehen keine Bedenken.

Sie sind inhaltlich aus den ursprünglich eingereichten und so erteilten Patentansprüchen 1 und 3 bis 7 iVm Beschreibung S 5 Abs 2 bzw Streitpatentschrift S 3 Z 25 bis 28 herleitbar.

2. Die gemäß Patentanspruch 1 in der nunmehr geltenden Fassung beanspruchte Verwendung ist neu, denn in keiner der im Verfahren genannten Entgegenhaltungen werden Gemische in Haarbehandlungsmitteln zur Abscheidung anionischer Wirkstoffe auf menschlichem Haar beschrieben, die neben anionischen Wirkstoffen ausgewählt aus mindestens einem UV-Absorber und/oder mindestens einem Farbstoff mindestens eine Verbindung der angegebenen allgemeinen Formel (I) sowie mindestens ein weiteres kationisches Tensid enthalten.

So werden in der Entgegenhaltung (I) zwar die gleichen Esterquats und auch anionische Farbstoffe genannt. Diese Zubereitungen sind jedoch frei von weiteren kationischen Tensiden (vgl Patentanspruch 1 iVm Beschreibung S 3 Z 26 bis 36, insbesondere Z 32).

Der Argumentation der Einsprechenden, der Fachmann lese sie als üblicherweise eingesetzte Bestandteile mit, kann sich der Senat nicht anschließen. Unabhängig davon, daß in (1) ausdrücklich darauf verwiesen wird, daß keine weiteren kationischen Tenside in den beschriebenen Haarbehandlungsmitteln enthalten sind, werden im Zusammenhang mit üblicherweise eingesetzten Bestandteilen dort als Tenside nur anionische, amphotere und nichtionische genannt (vgl Beschreibung S 3 Z 2 bis 4).

Auch dem Einwand der Einsprechenden unter der Formulierung "mindestens einem weiteren kationischen Tensid" seien weitere Esterquats der allgemeinen Formel (I) subsumierbar, kann so nicht gefolgt werden. Nach ständiger Rechtssprechung sind nämlich Begriffe in den Patentansprüchen so zu deuten, wie sie der Durchschnittsfachmann nach dem Gesamtinhalt der Patentschrift unter Berücksichtigung von Aufgabe und Lösung der Erfindung versteht. Maßgebend ist daher, welchen Begriffsinhalt das Patent bei unbefangener Erfassung der im Anspruch umschriebenen Lehre zum technischen Handeln einem vorgeschlagenen Merkmal zuweist (vgl BGH GRUR 2001 232, 233 re Sp Abs 3 - Brieflocher). In der Beschreibung der Streitpatentschrift werden nun die Esterquats als Verbindungen der allgemeinen Formel (I) als solche genannt. Davon unabhängig werden jedoch die kationischen Tenside im Zusammenhang mit der Angabe aller weiterer in Betracht zu ziehenden Komponenten angegeben, wobei eine Anzahl solcher als geeignet angesehener Verbindungen aufgezählt wird (vgl Beschreibung S 2 Z 21 bis 39 und S 3 Z 25 bis 37). Damit ist für jeden Leser dieser Patentschrift eindeutig erkennbar, daß gemäß der dort offenbarten Lehre die Esterquats der allgemeinen Formel (I) und die kationischen Tenside zwei von einander unabhängige Komponenten-Gruppen darstellen. Damit steht auch (5) nicht neuheitsschädlich entgegen, denn diese Entgegenhaltung beschreibt zwar Mischungen von Esterquats, aber - wie auch die Einsprechende einräumt - keine anderen kationischen Tenside.

Gegenüber den weiteren im Verfahren genannten Entgegenhaltungen wurde die Neuheit der beanspruchten Verwendung von Seiten der Einsprechenden nicht bestritten. Mit ihnen kommen nämlich entweder Mittel zur Anwendung, die zwar sowohl Esterquats der im geltenden Patentanspruch 1 angegebenen allgemeinen Formel (I) als auch kationische Tenside als mögliche Komponenten nennen, nicht aber anionische UV-Absorber oder Farbstoffe, bzw nicht die in Rede stehenden Esterquats enthalten, aber anionische Wirkstoffe. Auch die im Verfahren befindlichen Literaturstellen tangieren die Neuheit nicht, da sie sich entweder mit den Esterquats an sich, mit dem Verhalten des Haares gegenüber positiv oder negativ geladenen Wirkstoffen oder mit Funktion und Eigenschaften von Wellmitteln befassen.

3. Die beanspruchte Verwendung beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit, denn durch keine der im Verfahren genannten Entgegenhaltungen wird ein Stand der Technik vermittelt, der die beanspruchte Lösung der dem Streitpatent zugrunde liegenden Aufgabe nahelegt.

Haarbehandlungsmittel, die UV-Absorber, beispielsweise mit anionischen Gruppen, oder anionische direktziehende Haarfarbstoffe enthalten, sind aus dem Stand der Technik bekannt. Oftmals kommt deren Wirkung aber nicht voll zur Geltung, weil das Aufziehen dieser Wirkstoffe durch die verschiedenen Bestandteile der Haarbehandlungsmittel ver- oder zumindest behindert werden (vgl geltende Unterlagen S 2 Z 6 bis 17).

Davon ausgehend liegt dem Streitpatent die Aufgabe zugrunde, ein Haarbehandlungsmittel, das anionische UV-Adsorber und/oder anionische direktziehende Haarfarbstoffe enthält, zu schaffen, das die erwähnten Nachteile nicht aufweist, sondern einen starken Lichtschutz und eine dauerhafte Haarfärbung gewährleistet (vgl geltende Unterlagen S 2 Z 18 bis 20).

Gelöst wird diese Aufgabe nach Patentanspruch 1 durch die Verwendung eines Gemisches, das mindestens ein Esterquat der dort angegebenen allgemeinen Formel (I), mindestens ein weiteres kationisches Tensid sowie anionische Wirkstoffe, ausgewählt aus mindestens einem anionischen UV-Adsorber und/oder mindestens einem anionischen direktziehenden Haarfarbstoff enthält.

Anregungen dahingehend, der Beeinträchtigung der Eigenschaften anionischer Wirkstoffe in Haarbehandlungsmitteln dadurch zu begegnen, daß neben den üblicherweise enthaltenen kationischen Tenside auch Esterquats der im Patentanspruch 1 angegebenen allgemeinen Formel (I) zugesetzt werden, sind jedoch keiner der im Verfahren befindlichen Entgegenhaltungen zu entnehmen. Nach der Entgegenhaltung (1) werden zwar Haarbehandlungsmittel beschrieben, die die in Rede stehenden Esterquats als Difettsäuredialkanolaminestersalze der allgemeinen Formel (I) enthalten und zusätzlich als anionischen Farbstoff Acid Brown 4 aufweisen können. Die Esterquats werden gemäß dieser Druckschrift jedoch mit der Zielsetzung zugegeben, die bis dahin als konditionierende Mittel verwendeten Kombinationen aus kationischen Tensiden und verschiedenen wachsartigen Zusätzen zu ersetzen, da diese Mischungen - abhängig vom Haartyp - nicht immer zu zufriedenstellenden Ergebnissen führen. Der vollständige Ersatz der kationischen Tenside führt sodann zu Formulierungen, die sehr gute konditionierende Eigenschaften aufweisen, darüber hinaus auch gut biologisch abbaubar sind (vgl Patentanspruch 1 iVm S 2 Z 10 bis 41). Der Ladungszustand der einzelnen, diesen Mitteln möglicherweise zugesetzten Wirkstoffe steht also bei der mit dieser Entgegenhaltung vermittelten Lehre nicht im Vordergrund. Daher vermag dieses Dokument dem Fachmann auch keine Hinweise insofern zu geben, Esterquats dann als Zusatzstoffe zu verwenden, wenn Zusammensetzungen zur Anwendung kommen sollen, die anionische UV-Absorber und/oder anionische direktziehende Farbstoffe und kationische Tenside enthalten, um auf diese Weise eine Beeinträchtigung der Wirkung dieser Wirkstoffe zu verhindern.

Auch eine Zusammenschau mit den Entgegenhaltungen (3) und (4) führt zu keiner anderen Beurteilung des Sachverhaltes. So weiß der Fachmann aus (3) zwar, daß die Oberfläche des Haares im allgemeinen negativ geladen ist, weshalb kationische Zusatzstoffe in Haarbehandlungsmitteln leichter von diesen angezogen werden als anionische und Polykationen daher für das Haar eine größere Bedeutung besitzen als Polyanionen (vgl S 199 Abs 4). Damit übereinstimmend vermittelt ihm (4) auch die Lehre, daß kationische Polymere, dh Polykationen, dazu fähig sind, die Oberfläche anionisch geladener Haare vollständig abzusättigen und bei geeigneter Stöchiometrie mit anionischen Wirkstoffen unlösliche Komplexe auf dem Haar zu bilden (vgl S 84 re Sp Tab 1 und Abb 10 iVm Abs 3 und 4). Bei den im geltenden Patentanspruch 1 angegebenen Esterquats der allgemeinen Formel (I) handelt es sich nun aber nicht um polykationische Verbindungen, sondern um Verbindungen mit einer einzigen Ammoniumgruppe, dh einer positiven Ladung.

Daher ist im Zuge ihrer Anwendung nicht damit zu rechnen, daß sie polykationischen Polymeren vergleichbar, zu einer Überkompensierung der negativen Ladungen auf der Haaroberfläche führen und deshalb mit den anionischen Wirkstoffen reagieren könnten. Da die in Rede stehenden Esterquats somit nicht den in (3) und (4) genannten kationischen Polymeren entsprechen und daher nicht mit einem entsprechenden Reaktionsverlauf gerechnet werden kann, sind diese Entgegenhaltungen auch in einer Zusammenschau mit der Druckschrift (1) nicht dazu geeignet, dem Fachmann, hier einem mit der Entwicklung von haarkosmetischen Produkten befaßter Diplom-Chemiker, Anregungen zu geben, zur Lösung der dem Streitpatent zu Grunde liegenden Aufgabe die Verwendung eines Gemisches gemäß geltendem Patentanspruch 1 ins Auge zu fassen, um auf diese Weise einen stabilen Lichtschutz und eine dauerhafte Haarfärbung zu gewährleisten (vgl geltende Beschreibung S 2 Z 18 bis 20 iVm den Beispielen 1 bis 3).

Die Entgegenhaltung (2) vermag ebenfalls iVm den weiteren im Verfahren genannten Druckschriften den Fachmann nicht dazu zu veranlassen, das im geltenden Patentanspruch 1 genannte Gemisch ohne weiteres als zur Lösung des dem Streitpatent zugrunde liegenden Problems geeignet in Erwägung zu ziehen. Die mit dieser Schrift angegebenen Zusammensetzungen können zwar neben UV-Absorbern und Haarfarbstoffen gleichzeitig sowohl Esterquats der allgemeinen Formel (I) als auch kationische Tenside enthalten. Die Ladungen der Wirkstoffe ist jedoch auch in diesem Fall von keiner Relevanz, denn die Zielsetzung dieses Dokumentes liegt in einer Erhöhung der Viskosität der dort beschriebenen Haarbehandlungsmittel (vgl Patentansprüche 1, 2, 26, 30 und 31).

Somit kann die Bereitstellung der mit dem geltenden Patentanspruch 1 beanspruchten Verwendung von Esterquats der allgemeinen Formel (I) zusammen mit kationischen Tensiden und anionischen Wirkstoffen ausgewählt aus anionischen UV-Absorbern und/oder anionischen direktziehenden Farbstoffen nicht als durch den Stand der Technik nahegelegt angesehen werden.

4. Der Gegenstand nach Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag weist damit alle Kriterien der Patentfähigkeit auf. Der geltende Patentanspruch 1 ist daher rechtsbeständig. Die Patentansprüche 2 bis 5 betreffen besondere Ausgestaltungen des Verfahrens nach Patentanspruch 1 und haben aus diesem Grund ebenfalls Bestand.

5. Bei dieser Sachlage erübrigt sich ein Eingehen auf die Hilfsanträge 1 bis 3. Vielmehr war der angefochtene Beschluss, dessen Gründe gegenüber dem neu formulierten eingeschränkten Patentbegehren nicht mehr zum Tragen kommen, aufzuheben und das Patent mit den im Tenor angegebenen Unterlagen beschränkt aufrechtzuerhalten.

Wagner Harrer Proksch-Ledig Gerster Na Abb. 1 Abb. 2






BPatG:
Beschluss v. 02.03.2004
Az: 14 W (pat) 65/02


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