Oberlandesgericht Frankfurt am Main:
Beschluss vom 22. Mai 2006
Aktenzeichen: 11 W 13/06

(OLG Frankfurt am Main: Beschluss v. 22.05.2006, Az.: 11 W 13/06)

Der Anspruch auf Vernichtung von Fotomaterial, das sich im Besitz des Schuldners befindet, ist nicht auf eine nicht vertretbare Handlung gerichtet, sondern kann gegebenenfalls gem. §§ 887, 892 ZPO durchgesetzt werden.

Tenor

[Anmerkung der Dokumentationsstelle des Bundesgerichtshofs: Der Tenor wurde vom Gericht nicht mitgeteilt.]

Gründe

I.

Der Schuldner ist durch Urteil des Senats vom 5. Juli 2005 (Az.: 11 U 4/2005) u.a. verurteilt worden, in seinem Besitz befindliches Fotomaterial mit Ablichtungen der Gläubigerin inklusive aller Kopien und Negative restlos zu vernichten und die Vernichtung schriftlich zu bestätigen.

Nachdem ihn die Gläubigerin mit anwaltlichem Schreiben vom 13. Juli 2005 zu einer entsprechenden Erklärung auffordern ließ, erklärte der Schuldner mit Schreiben vom 1. August 2005, dass sich keine Bilder und Videos der Gläubigerin in seinem Besitz befinden (GA 333). Daraufhin hat die Gläubigerin sinngemäß beantragt, den Schuldner durch Verhängung eines empfindlichen Zwangsgeldes zur sofortigen Vornahme der unter Ziff. 4 des Urteils des Senats vom 5. Juli 2005 angeordneten Handlungen in der dort bestimmten Form anzuhalten.

Das Landgericht hat den Antrag zurückgewiesen. Zur Begründung hat es u.a. ausgeführt: Der gemäß § 888 ZPO grundsätzlich zulässige Antrag sei zurückzuweisen, da die Klägerin (Gläubigerin) keinen durchsetzbaren Anspruch auf die schriftliche Bestätigung der Vernichtung habe. Die Entscheidung des Oberlandesgerichts lasse im Wesentlichen eine Begründung vermissen, insbesondere ergebe sich aus dem Urteil nicht, dass festgestellt worden wäre, dass sich der Beklagte (Schuldner) überhaupt noch im Besitz derartiger Unterlagen befand. Dies sei allerdings die denknotwendige Voraussetzung für eine derartige Verurteilung. Da der Beklagte mitgeteilt habe, dass er kein derartiges Material mehr besitze, würde die Festsetzung des entsprechenden Zwangsgeldes ins Leere laufen. Was man nicht hat, könne man auch nicht vernichten. Bei dieser Sachlage eine schriftliche Bestätigung über eine (nicht stattgefundene) Vernichtung zu verlangen, würde €reine Förmelei€ bedeuten. Es bestehe damit kein rechtliches Interesse an einer (inhaltlich zudem dann falschen) Bestätigung.

Gegen den ihr am 3. Februar 2006 zugestellten Beschluss hat die Gläubigerin mit am 16. Februar 2006 bei Gericht eingegangenem Telefax sofortige Beschwerde eingelegt. Sie meint, nach der Entscheidung des Senats stehe fest, dass der Schuldner die Fotos besessen habe. Wenn er nun nicht bestätigen könne, dass er das Material vernichtet habe, genüge er den Geboten des Urteils nicht. Auf die Ausführungen in der Beschwerdebegründung vom 8. Mai 2006 (GA 386 ff) wird ergänzend Bezug genommen.

II.

Die sofortige Beschwerde ist an sich statthaft (§ 793 ZPO) und auch im Übrigen zulässig, insbesondere fristgerecht (§ 569 Abs. 1 ZPO). In der Sache hat das Rechtsmittel jedoch keinen Erfolg.

Das Landgericht hat im Ergebnis zu Recht die Verhängung eines Ordnungsgeldes gemäß § 888 ZPO abgelehnt. Allerdings trägt die vom Landgericht gegebene Begründung die Entscheidung nicht.

Schon dem Ansatz des Landgerichts, eine Vernichtung sei nicht möglich, wenn sich der Schuldner nicht mehr im Besitz des Materials befindet, kann nicht uneingeschränkt gefolgt werden. Da der Schuldner zur Vernichtung verurteilt worden ist, hat er alles in seiner Macht stehende zu tun, um die geschuldete Handlung bewirken zu können. Je nach den Umständen des Falles müsste er sich deshalb gegebenenfalls wieder Besitz an dem Material verschaffen oder anderweit dessen Vernichtung bewerkstelligen. Jedenfalls mit der schlichten Erklärung, das streitgegenständliche Material befinde sich nicht in seinem Besitz, kann der Schuldner eine weitere Vollstreckung nicht verhindern.

Richtig ist zwar, dass die Gläubigerin unter diesen Umständen keine ( inhaltlich unzutreffende ) schriftliche Bestätigung der Vernichtung verlangen könnte. Darum geht es ihr aber auch nicht. Sie begehrt € wie schon aus der Antragstellung folgt € (soweit noch nicht geschehen) auch die Erfüllung des ersten Teils des Anspruchs, nämlich die Vernichtung des Bildmaterials und deren (anschließende) Bestätigung.

Zu Unrecht vermisst das Landgericht auch Feststellungen dazu, dass sich der Beklagte ( Schuldner) noch im Besitz derartiger Unterlagen befand.

Gemäß Ziff. 4 des Urteilstenors ist der Schuldner verurteilt worden, das in seinem Besitz befindliche Fotomaterial restlos zu vernichten. Diese Formulierung auferlegt dem Verletzer selbst die Pflicht zur Vernichtung. Eine solche Tenorierung entspricht dem gesetzlichen Vernichtungsanspruch in § 37 KUG (vgl. auch §§ 98, 99 UrhG). Entgegen der vom Landgericht offenbar vertretenen Auffassung setzt die Verurteilung zur Vernichtung nicht die Feststellung voraus, dass sich der Schuldner "überhaupt noch im Besitz derartiger Unterlagen befindet". Der Besitz ist nicht "denknotwendige Voraussetzung" für eine derartige Verurteilung, sondern lediglich für die Vollstreckung. Da sich der Schuldner eines Vernichtungsanspruchs im Laufe eines Verfahrens jederzeit des streitgegenständlichen Vernichtungsmaterials entledigen kann, wäre eine Verurteilung zur Vernichtung nach Ansicht des Landgerichts stets unzulässig, weil im Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung mit den Mitteln des Erkenntnisverfahrens nie positiv festgestellt werden könnte, ob der Schuldner ( noch ) im Besitz des zu vernichtenden Materials ist. Erst recht wäre nicht auszuschließen, dass er sich des Materials zwischen Urteilsverkündung und Vollstreckung durch Weitergabe entledigt. Für den Vernichtungsausspruch im Urteilstenor muss es deshalb ausreichen, dass sich das zu vernichtende Material im Besitz des Schuldners befand und keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sich der Schuldner zu irgendeinem Zeitpunkt vor Schluss der mündlichen Verhandlung des Besitzes entledigt hat. Dass der Schuldner unstreitig im Besitz des Filmmaterials war und nicht substantiiert dargelegt hat, dass und wie er den Besitz an dem Bildmaterial zu einem späteren Zeitpunkt aufgegeben habe, ergibt sich aus den Gründen unter 2.2 a) des Senatsurteils.

Gleichwohl kommt die Festsetzung eines Ordnungsgeldes nach § 888 ZPO hier nicht in Betracht, weil es sich nicht um die Durchsetzung einer Maßnahme handelt, die ausschließlich vom Willen des Schuldners abhängt. Wie der Vernichtungsanspruch im Wege der Zwangsvollstreckung durchzusetzen ist, wird in Rechtsprechung und Schrifttum unterschiedlich beurteilt. Überwiegend wird € jedenfalls bei entsprechender Tenorierung im Urteil € die Herausgabe des zu vernichtenden Materials an einen Gerichtsvollzieher zum Zwecke der Vernichtung für zulässig und geboten erachtet. Teilweise wird sogar die Auffassung vertreten, der auf Vernichtung lautende Tenor enthalte zugleich einen Anspruch auf Herausgabe zum Zwecke der Vernichtung (vgl. zum Meinungsstand: Dreyer/Schulze, UrhG, § 98 Rn. 7; Wandtke/Bullinger/Bohne, UrhG, § 98 Rn. 11; umfassend: Retzer in Festschrift für Piper, S. 421, 431 ff).

Enthält der Tenor nicht ausdrücklich den Anspruch auf Herausgabe des zu vernichtenden Materials, so erfolgt die Vollstreckung nach anderer, auch dem Senat zutreffend erscheinender Auffassung nach § 887 ZPO. Befinden sich die zu vernichtenden Gegenstände (noch) im Besitz des Verletzers ( Schuldners), so ist der Anspruch des Verletzten (Gläubigers) auf die Vornahme der Vernichtung durch den Schuldner gerichtet. Der Gläubiger kann dann aus dem Titel die Zwangsvollstreckung betreiben und dem Schuldner zur Beseitigung eine Frist setzen, innerhalb derer ihm die Vernichtung nachzuweisen ist. Kommt dem der Schuldner € wie hier - nicht nach, so kann der Gläubiger einen Antrag gemäß § 887 ZPO stellen und sich zur Vornahme der Handlung auf Kosten des Schuldners ermächtigen lassen. Leistet der Schuldner gegen die Vornahme der Handlung Widerstand, so kann der Gläubiger nach § 892 ZPO vorgehen und einen Gerichtsvollzieher hinzuziehen (Retzer a.a.O., S. 437 m.w.N.; Bohne.; Dreyer jeweils a.a.O.).

Ausgeschlossen wäre eine solche Ermächtigung allenfalls dann, wenn der Gläubiger nicht mehr in der Lage wäre, die Handlung vorzunehmen, weil der Schuldner die Handlung bereits selbst ordnungsgemäß vorgenommen hat oder sich die zu vernichtenden Gegenstände nicht mehr in dessen Besitz und Zugriff befinden. Die Frage bedarf hier keiner abschließenden Erörterung. Entscheidend ist allein, dass jedenfalls Vollstreckungsmaßnahmen nach § 888 ZPO nicht in Betracht kommen, weil die Vernichtung des Materials im Wege der Zwangsvollstreckung nach § 887 ZPO vorzunehmen ist (vgl. auch Vernichtung eines Programms auf Datenträger € Zöller/Stöber, 25. Auflage, § 887 Rn. 3 Stichwort: "Vernichtung" ; Abriss einer Mauer OLGR 93, 31).

Die sofortige Beschwerde der Gläubigerin war daher mit der sich aus § 97 Abs. 1 ZPO ergebenden Kostenfolge zurückzuweisen.






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