Bundesgerichtshof:
Urteil vom 24. Mai 2007
Aktenzeichen: IX ZR 89/06

(BGH: Urteil v. 24.05.2007, Az.: IX ZR 89/06)

Tenor

Die Revision gegen das Urteil der 9. Zivilkammer des Landgerichts Lüneburg vom 28. März 2006 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen.

Tatbestand

Die Beklagten hatten von der Gemeinde Bergen an der Dumme einen Campingplatz für 160.000 € gekauft, in den sie weitere 112.000 € investierten. Der Campingplatz entsprach, wie sich später ergab, nicht den bauplanungsrechtlichen Anforderungen. Die Beklagten wurden von der Bauaufsichtsbehörde aufgefordert, einen planungsrechtlich einwandfreien Zustand herzustellen. Deshalb beauftragten sie die klagenden Rechtsanwälte, ihre Interessen gegenüber der Gemeinde wahrzunehmen. In dem Beratungsgespräch vom 15. April 2004 wurde auch eine eventuelle Rückabwicklung des Kaufvertrages erörtert und vereinbart, diesen Punkt gegenüber der Gemeinde als Druckmittel ins Gespräch zu bringen. Über die Rechtsanwaltskosten wurde nicht gesprochen. Die Kläger wiesen die Beklagten nicht darauf hin, dass sich die zu erhebenden Gebühren nach dem Gegenstandswert bemessen.

Die Kläger haben für das Tätigwerden gegenüber der Gemeinde auf der Grundlage eines Gegenstandswertes von 260.000 € und einer 1,3 fachen Geschäftsgebühr insgesamt 3.117,62 € eingeklagt. Die Beklagten sind ihrem Anerkenntnis entsprechend zur Zahlung eines Teilbetrages von 270,05 € verurteilt worden. Auf der Grundlage eines Gegenstandswertes von 4.000 € hat das Amtsgericht insoweit eine Vergütung von insgesamt 392,66 € zugebilligt und über das Teilanerkenntnisurteil hinaus weitere 122,61 € zugesprochen. Mit der Berufung haben die Kläger zusätzlich eine Beratungsgebühr in der Frage der Kaufvertragsanfechtung nach einem Gegenstandswert von 272.000 € in Höhe von 1.510,32 € geltend gemacht. Das Landgericht hat die Vergütung für die Tätigkeit gegenüber der Gemeinde auf 270,05 € bemessen und insoweit den weitergehenden Anspruch abgewiesen. Die in der Berufung zusätzlich geltend gemachte Beratungsgebühr hat es zuerkannt. Dagegen richtet sich die zugelassene Revision der Beklagten.

Gründe

Die Revision ist zulässig, aber unbegründet.

I.

Das Berufungsgericht meint, es habe keine Auswirkungen, dass die Kläger vor Beginn der Beratung über die Anfechtung des Kaufvertrages nicht darauf hingewiesen hätten, dass damit höhere Kosten anfielen. Die Kenntnis der Partei, dass die Tätigkeit eines Rechtsanwalts etwas koste, sei regelmäßig vorauszusetzen. Der unterlassene Hinweis nach § 49b Abs. 5 BRAO betreffe nur die Angabe, dass die Gebühren streitwertabhängig berechnet werden. Es obliege aber der Partei, den Anwalt entsprechend zu befragen, wenn es ihr auf die genaue Kostenhöhe ankomme. Eine Hinweispflicht auf ein erhöhtes Kostenrisiko bestehe nicht, wenn der Mandant selbst erkennen könne, dass die weitere Beratung einen anderen Gegenstand betreffe, der wesentlich gravierendere wirtschaftliche Interessen betreffe als die vorherige Beratung.

II.

Diese Ausführungen halten rechtlicher Prüfung im Ergebnis stand.

1. Das Berufungsgericht hat den Klägern Vergütungsansprüche aus drei verschiedenen Angelegenheiten zuerkannt. Es hat die Revision jedoch nur beschränkt auf die Beratungsgebühr in der Frage der Kaufvertragsanfechtung zugelassen. Nur insoweit ist Revision eingelegt worden. Diese Beschränkung ist wirksam. Die übrigen Vergütungsansprüche sind deshalb nicht Gegenstand der revisionsrechtlichen Überprüfung.

2. Der Vergütungsanspruch der Kläger für die Beratung ist gemäß § 8 RVG fällig. Die Kläger haben den Beklagten die gemäß § 10 RVG erforderliche, unterzeichnete Berechnung ihrer Vergütung mitgeteilt. Entgegen der von der Revision in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat geäußerten Ansicht scheitert die Klage hinsichtlich der Beratungsgebühr nicht an der fehlenden Berechnung nach § 10 RVG. Die Berufungsbegründung der Kläger, mit der sie diese Beratungsgebühr geltend machten, entsprach zwar nicht § 10 RVG. Dies ist jedoch unschädlich. Die Kläger haben ihre gesamte Tätigkeit für die Beklagten gemäß § 10 RVG mit 3.943,03 € in Rechnung gestellt. Diese Berechnung war zwar unrichtig. Dies berührt indessen die Wirksamkeit der Mitteilung nicht. Zugesprochen werden können allerdings nur die wirklich entstandenen Gebühren und Auslagen, soweit sie über die abgerechnete Vergütung nicht hinausgehen (Mayer in Mayer/Kroiß, RVG 2. Aufl. § 10 Rn. 34; Madert in Gerold/Schmidt/v. Eicken/Madert/Müller-Rabe, RVG 17. Aufl. § 10 Rn. 13; Schneider in Schneider/Wolf, RVG 3. Aufl. § 10 Rn. 96; einschränkend Römermann in Hartung/Römermann/Schons, RVG 2. Aufl. § 10 Rn. 40).

3. Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, dass die Kläger nicht verpflichtet waren, die Beklagten vorab auf die Höhe der anfallenden Gebühren hinzuweisen.

Auf die durch einen Vertragsschluss kraft Gesetzes entstehenden Anwaltsgebühren muss der Rechtsanwalt regelmäßig nicht ungefragt hinweisen, weil kein Mandant ein unentgeltliches Tätigwerden des Fachberaters erwarten darf und dessen gesetzliche Gebühren allgemein zu erfahren sind. Nur auf Verlangen des Auftraggebers hat der Rechtsanwalt die voraussichtliche Höhe des Entgelts mitzuteilen (BGH, Urt. v. 18. September 1997 - IX ZR 49/97, NJW 1998, 136, 137; v. 2. Juli 1998 - IX ZR 63/97, NJW 1998, 3486, 3487). Die Beklagten haben nicht behauptet, nach der Höhe der Gebühren gefragt zu haben.

Allerdings kann sich aus besonderen Umständen des Einzelfalles nach Treu und Glauben eine Pflicht des Rechtsanwalts ergeben, auch ohne Frage des Auftraggebers diesen über die voraussichtliche Höhe seiner Vergütung zu belehren, etwa wenn die Höhe der vom Auftraggeber zu zahlenden Gebühren das von ihm verfolgte Ziel wirtschaftlich sinnlos macht. Dabei sind bei der erforderlichen Gesamtwürdigung neben der Schwierigkeit und dem Umfang der anwaltlichen Aufgabe und dem Gegenstandswert auch die Bedeutung der Angelegenheit für den Mandanten sowie dessen Vermögensverhältnisse und seine Erfahrung im Umgang mit Rechtsanwälten zu berücksichtigen. Letztlich hängt die anwaltliche Pflicht, den Auftraggeber vor Vertragsschluss über die voraussichtliche Höhe der Vergütung aufzuklären, entscheidend davon ab, ob der Rechtsanwalt nach den Umständen des Einzelfalles ein entsprechendes Aufklärungsbedürfnis des Mandanten erkennen konnte und musste (BGH, Urt. v. 2. Juli 1998 aaO m.w.N.; Zugehör in Zugehör/Fischer/Sieg/Schlee, Handbuch der Anwaltshaftung 2. Aufl. Rn. 814 ff).

Das Berufungsgericht hat eine Verpflichtung der Kläger, die Beklagten vor Erörterung der Möglichkeiten der Anfechtung des Grundstückskaufvertrages auf die damit verbundenen höheren Kosten hinzuweisen, verneint. Dies beruht auf einer Würdigung der Umstände des Einzelfalles, die von der Revision nicht beanstandet wird und revisionsrechtlich unbedenklich ist.

4. Die Kläger sind aber vor Beginn der Beratungen ihrer Hinweispflicht nach § 49b Abs. 5 BRAO nicht nachgekommen. Der Auffassung des Berufungsgerichts, diese Gesetzesverletzung sei unerheblich, kann nicht gefolgt werden. Der Anwalt haftet dem Mandanten bei einer Verletzung dieser Pflicht nach den Grundsätzen zum Verschulden bei Vertragsschluss (§ 311 Abs. 2 BGB).

In der Literatur ist allerdings streitig, welche Folgen ein Verstoß gegen § 49b Abs. 5 BRAO hat. Eine Mindermeinung hält den Hinweis nur für eine Pflicht des Anwalts, die lediglich berufsaufsichtliche Verfahren der zuständigen Rechtsanwaltskammer auslösen kann (Völtz BRAK-Mitt. 2004, 103, 104). Nach herrschender Meinung kann dagegen der Verstoß auch einen zivilrechtlichen Schadensersatzanspruch des Mandanten begründen (Hansens ZAP 2005 Fach 24 S. 885, 888; derselbe auch in RVGreport 2004, 182, 183; 2004, 443, 448; Rick AnwBl. 2006, 648, 650 f; Hartmann NJW 2004, 2884; Madert in Gerold/Schmidt/v. Eicken/Madert/Müller-Rabe, aaO § 4 Rn. 98 ff; Bischof in Bischof/Jungbauer/Brauer/Curkovic/Mathias/Uher, RVG 2. Aufl. § 1 Rn. 48; Rick/ N. Schneider in Schneider/Wolf, aaO 3. Aufl. § 2 Rn. 72 ff; Zugehör in Zugehör/ Fischer/Sieg/Schlee, aaO 2. Aufl. Rn. 805, 814, 819; stark einschränkend Hartung MDR 2004, 1092, 1093).

Die herrschende Meinung ist zutreffend:

a) Nach § 49b Abs. 5 BRAO, der mit Wirkung vom 1. Juli 2004 durch das Kostenrechtsmodernisierungsgesetz vom 5. Mai 2004 (BGBl. I S. 718) eingefügt worden ist, muss der Anwalt, wenn sich seine Gebühren nach dem Gegenstandswert richten (§ 2 Abs. 1 RVG), seinen Mandanten vor Übernahme des Auftrags hierauf hinweisen. Grund für diese Neuregelung war der Umstand, dass es in der Vergangenheit immer wieder zu Unzuträglichkeiten geführt hatte, wenn Mandanten vor allem bei hohen Gegenstandswerten von der Abrechnung "überrascht" wurden. Dabei ging der Gesetzgeber davon aus, dass nach einem entsprechenden Hinweis ein Mandant, der die Folgen dieser Form der Gebührenberechnung nicht abschätzen kann, den Rechtsanwalt hierzu näher befragt (BT-Drucks. 15/1971 S. 232 zu Art. 4 Abs. 18). Nach der Gesetzesregelung selbst ist der Anwalt nicht verpflichtet, ohne weitere Nachfrage Angaben zur Höhe der Gebühr oder des Gegenstandswertes zu machen (Hansens ZAP aaO S. 885; Rick aaO S. 648; Madert aaO § 4 Rn. 96; Rick/N. Schneider aaO § 2 Rn. 48).

b) Durch einen Verstoß gegen diese vorvertragliche Pflicht des Anwalts entfällt nicht der Vergütungsanspruch für seine anwaltliche Tätigkeit. § 49b Abs. 5 BRAO enthält kein gesetzliches Verbot, Anwaltsverträge ohne einen solchen Hinweis abzuschließen. § 134 BGB findet deshalb keine Anwendung (Hansens ZAP aaO S. 888; Rick aaO S. 650; Bischof aaO § 1 Rn. 47; Rick/ N. Schneider aaO § 2 Rn. 69).

c) Ein Verstoß gegen § 49b Abs. 5 BRAO kann aber einen Anspruch gemäß § 280 Abs. 1, § 311 Abs. 2 BGB begründen. Nach § 49b Abs. 5 BRAO ist der Hinweis vor Übernahme des Auftrags zu erteilen, also vor Abschluss des Anwaltsvertrages, aber nach Aufnahme von Vertragsverhandlungen oder nach dem Beginn der Anbahnung eines Vertrages gemäß § 311 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 BGB. Damit ist ein Schuldverhältnis im Sinne des § 241 Abs. 2 BGB entstanden.

Die vorvertragliche Pflicht, den zukünftigen Mandanten gemäß § 49b Abs. 5 BRAO zu belehren, dient ausweislich der Entwurfsbegründung (vgl. BT-Drucks. 15/1971 aaO) in erster Linie dem Schutz des Mandanten. Eine schuldhafte Verletzung dieser Pflicht führt deshalb gemäß § 280 Abs. 1 BGB zur Schadensersatzpflicht des Rechtsanwalts (Rick aaO S. 650 f; Rick/ N. Schneider aaO Rn. 72 ff; Hansens ZAP aaO S. 888).

Der Umstand, dass es sich bei der Hinweispflicht rechtssystematisch um ein Gebot handelt, das die allgemeinen Berufspflichten des Anwalts nach § 43 Satz 1 BRAO konkretisiert (vgl. BT-Drucks. 15/1971 aaO), schließt die Schadensersatzpflicht nicht aus. Auch die Verletzung von Berufspflichten begründet Schadensersatzansprüche des Mandanten, wenn sie seinem Schutz dienen. So zählen etwa die Grundpflichten nach § 43a BRAO zu den Berufspflichten des Rechtsanwalts. Dass ihre Verletzung zu Schadensersatzansprüchen des Mandanten führen kann, etwa wenn der Rechtsanwalt entgegen § 43a Abs. 5 BRAO Fremdgelder des Mandanten nicht mit der erforderlichen Sorgfalt behandelt, ist nicht zweifelhaft. Auch ein Verstoß gegen die in § 12a ArbGG vorgesehene Pflicht, auf einen fehlenden Erstattungsanspruch hinzuweisen, kann zu einem Schadensersatzanspruch gegen den Rechtsanwalt gemäß § 280 Abs. 1, § 311 Abs. 2 BGB führen (Madert aaO Rn. 98; Hansens RVGreport aaO S. 448; Germelmann in Germelmann/Matthes/Prütting/Müller-Glöge, ArbGG 5. Aufl. § 12a Rn. 32; Vollstädt in Schwab/Weth, ArbGG § 12a Rn. 36; Helml in Hauck/Helml, ArbGG 2. Aufl. § 12a Rn. 3; Krönig in Düwell/Lipke, ArbGG 2. Aufl. § 12a Rn. 8). Dasselbe muss für den Verstoß gegen § 49b Abs. 5 BRAO gelten (Rick/N. Schneider aaO Rn. 72; Hansens RVGreport 2004, 443, 448; Madert aaO Rn. 98; Rick aaO S. 650). Denn Zweck dieser Pflicht ist es, dem Mandanten vor Auftragserteilung Gelegenheit zu geben, sich über hierfür anfallende Kosten zu informieren (vgl. BT-Drucks. 15/1971 aaO) und nach seinem Interesse den Auftrag zu beschränken, von ihm abzusehen oder eine Gebührenvereinbarung anzustreben.

5. Die Revision hat gleichwohl keinen Erfolg. Die Beklagten haben nicht ausreichend dargelegt und unter Beweis gestellt, dass ihnen aus dem Verstoß gegen § 49b Abs. 5 BRAO ein Schaden entstanden ist.

Sie haben lediglich vorgetragen, sie hätten bei einem Hinweis der Kläger, dass diese hinsichtlich der möglichen Anfechtung des Kaufvertrages die Beratung mit einem Gegenstandswert von 220.000 € abzurechnen gedächten, umgehend klargestellt, dass sie keine Beratung über diesen Gegenstand wünschten. Ein derartiger Hinweis war jedoch nicht geschuldet. Er hätte sich vielmehr darauf beschränken können, dass die Gebühren nach dem Gegenstandswert abgerechnet werden. Die Beklagten hätten deshalb vorzutragen und gegebenenfalls unter Beweis zu stellen gehabt, wie sie auf eine solche allgemeine Information reagiert hätten. Dies ist nicht geschehen. Eines Hinweises des Gerichts, dass nicht ausreichend vorgetragen ist, bedurfte es nicht. Die Kläger hatten dieses Erfordernis wiederholt ausdrücklich angesprochen.

Fischer Raebel Vill Cierniak Lohmann Vorinstanzen:

AG Dannenberg (Elbe), Entscheidung vom 31.05.2005 - 31 C 64/05 -

LG Lüneburg, Entscheidung vom 28.03.2006 - 9 S 61/05 -






BGH:
Urteil v. 24.05.2007
Az: IX ZR 89/06


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