Landgericht München I:
Urteil vom 13. Mai 2009
Aktenzeichen: 21 O 618/09

(LG München I: Urteil v. 13.05.2009, Az.: 21 O 618/09)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Kläger tragen die Kosten des Rechtsstreits.

III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Kläger nehmen die Beklagten wegen Verletzung ihrer Urheberrechte aufgrund unerlaubter Verwertung eines Zitats aus einem Werk des Lyrikers Eugen Roth auf Unterlassung in Anspruch.

Die Kläger sind die Erben nach dem 1976 verstorbenen Autor Dr. Eugen Roth. Die Beklagte zu 1 gibt durch das von ihr als rechtlich unselbstständige Einrichtung betriebene Stadtmuseum das im Verlag der Beklagten zu 2 erschienene Buch € Typisch München! € Das Jubiläumsbuch des Münchner Stadtmuseums € (Anlage SNP 4) entgeltlich ab. Dieses Buch wurde als Begleitband zur Einrichtung der Dauerausstellung unter dem Titel € Typisch München! € im Stadtmuseum anlässlich der 850-Jahr-Feier der Beklagten zu 1 publiziert. Die Ausstellung zeigt das, was typisch für München ist, und zwar beginnend von der Stadtgründung bis zur Neuzeit. Die Ausstellungsstücke und Materialien sollen das Lebensgefühl der Münchner Bürger dokumentieren.

Im vorderen Vorsatz des streitgegenständlichen Buchs ist die erste Zeile des Gedichts € Auf geht€s € eine oktoberfestliche Moritat € von Eugen Roth (Anlage SNP 1) in Großbuchstaben mit dem Wortlaut

VOM ERNST DES LEBENS

HALB VERSCHONT

und im hinteren Vorsatz die zweite Zeile in Großbuchstaben mit dem Wortlaut

IST DER SCHON

DER IN MÜNCHEN WOHNT

wiedergegeben. Im hinteren Vorsatz ist nach dem Zitatende der Name des Verfassers € EUGEN ROTH € aufgeführt. Im Originalgedicht, das insgesamt 116 Textzeilen umfasst, lautet der Vers, mit dem das Gedicht beginnt, wie folgt:

Vom Ernst des Lebens halb verschont

Ist der schon, der in München wohnt,

[...]

Ferner hat die Beklagte zu 1 einen Werbeflyer/Faltprospekt in deutscher, englischer, französischer und italienischer Sprache herausgegeben, welcher z.B. in der Touristeninformation der Beklagten zu 1 am Bahnhofsplatz/Westseite auslag. Während auf der ersten Faltseite zwölf mit München zusammenhängende Symbole abgebildet sind (Weißwürste, Marienkäfer, Brezel, Frauenkirche, Chinesischer Turm, Moschee, Hund, Dackel, Katze, Stöckelschuh, Soldatenstiefel, Haferlschuh) und darunter der Schriftzug €TYPISCH MÜNCHEN!€ bzw. €TYPICALLY MUNICH€ bzw. €TYPIQUE MUNICH!€ bzw. €TIPICO DI MONACO!€ sowie darunter jeweils €MÜNCHNER STADTMUSEUM€ zu lesen ist, folgt auf der zweiten Faltseite nach Wiederholung der Überschrift das streitgegenständliche Zitat mit anschließender Nennung des Autors, wobei die Übersetzungen des Verses in den genannten Sprachen wie folgt lauten:

€Half life€s worries will take flight, if in Munich you reside€

€Les choses sérieuses de la vie sont à moitié éspargnées à celui qui habite Munich€

€Chiunque abiti a Monaco viene risparmiato per metà dalla severità della vita€

Eine Erlaubnis der Kläger für sämtliche streitgegenständliche Zitate samt Übersetzungen wurde von den Beklagten nicht eingeholt. Die Beklagte zu 1 hat vorprozessual die klagegegenständliche Teilunkenntlichmachung der bei ihr noch verfügbaren rund 2.000 Exemplare des Begleitbands verweigert, nachdem sie hierzu durch die Kläger mit Schreiben vom 17.09.2008 aufgefordert wurde.

Die Kläger sind der Ansicht , dass das streitgegenständliche Zitat aufgrund der Komprimierung eines bestimmten Sachverhalts auf kürzestmögliche Textdarstellung € das hervorstechende und bestechende Merkmal im Werk des Autors Eugen Roth € urheberrechtlich schutzfähig und mangels Einholung einer Erlaubnis gem. § 97 UrhG ein Unterlassungsanspruch gegeben sei. Die Voraussetzungen des sog. Kleinzitats i.S.v. § 51 Nr. 2 UrhG seien vorliegend nicht gegeben, da das Zitat bezugslos verwendet würde und zudem nicht im Textzusammenhang, sondern im Vorsatz stehe und damit nicht € in € einem selbstständigen Sprachwerk (also im Buchblock), sondern außerhalb desselben. Ferner sei die Verwendung auch nicht €geboten€, da der unbefangene Betrachter den Vorsatz bei Fehlen des Zitats nicht für unvollständig oder fehlerhaft betrachten würde. Der Antrag auf Unkenntlichmachung sei auch deswegen gerechtfertigt, weil die Zitierfreiheit nur bei korrekter Zitierung bestehe und diese nicht eingehalten sei, da hinter dem Wort €schon€ das zum Verständnis des Geschriebenen erforderliche Komma gemäß Originaltext fehle, was den Autor unberechtigterweise in die Richtung eines Hilfsschülers rücke und eine grobe Textentstellung i.S.v. § 14 UrhG darstelle, zumal auch noch der Punkt am Satzende fehle. Außerdem könnten sich die Kläger wie hier gegen Werkverunstaltungen bei den (aus Klägersicht lediglich Roh-)Übersetzungen wehren, da sich dort die beiden Zeilen nicht reimen würden und kein Versmaß vorhanden sei, was aber auch im englischen oder romanischen Sprachraum möglich und gebräuchlich sei.

Die Kläger beantragen :

I. Die Beklagten werden je verurteilt, ab Urteilsrechtskraft die entgeltliche oder unentgeltliche Abgabe des Buches €Typisch München€ (ISBN X) ohne Unkenntlichmachung des Textes €Vom Ernst des Lebens halb verschont€ im vorderen Vorsatz und €ist der schon der in München wohnt€ bei Meidung eines Ordnungsgelds bis zu € 500.000 zu unterlassen.

II. Die Erstbeklagte wird verurteilt, ab Urteilsrechtskraft die Verbreitung der Flyer €Typisch München!€, €Typique Munich!€ und €Tipico di Monaco!€ ohne Unkenntlichmachung der Texte: €Vom Ernst des Lebens halb verschon ist der schon der in München wohnt.€ beziehungsweise €Half life€s worries will take flight if in Munich you reside.€ beziehungsweise €Les choses sérieuses de la vie sont à moitié éspargnées à celui qui habite Munich.€ beziehungsweise €Chiunque abiti a Monaco viene risparmiato per metà dalla severità della vita.€ bei Meidung eines Ordnungsgelds bis zu € 500.000 zu unterlassen.

Die Beklagten beantragen

Klageabweisung.

Die Beklagten behaupten , dass der Faltprospekt jetzt ohne das streitgegenständliche Zitat verbreitet würde.

Die Beklagten sind der Auffassung , dass die beiden ersten Zeilen des genannten Gedichts für sich allein betrachtet aufgrund der Kürze der Formulierung sowie des naheliegenden und einfachen Reims nicht die erforderliche urheberrechtliche Schöpfungshöhe aufweisen würden, zumal sie weder eine überraschende Gegenüberstellung enthielten, noch der Sinn sich erst nach Übertragung erschließe, noch bildhafte Phantasien angesprochen würden. Darüber hinaus könnten sich die Beklagten auf die Ausnahmevorschrift des Zitatrechts stützen, da die beiden Gedichtzeilen das Motto seien, unter dem die Ausstellung und die Ausstellung begleitenden Publikationen gestellt worden seien; als Motto € welches vom sog. Kleinzitat i.S.v. § 51 Nr. 2 UrhG getragen werde € bedürfe es aber gerade nicht der Einbindung in den Text. Ein Blick in den Katalog zeige ebenso wie ein Blick in die Ausstellung, dass dort gerade das Leichte, das Münchnerische dargestellt und dokumentiert werde. Das € Leben und leben lassen € ziehe sich durch die ganze Ausstellung und den Katalog durch. Das fehlende Komma als Interpunktionsfehler sei offenkundig für jedermann sofort erkennbar; außerdem führe das Fortlassen der Interpunktion keineswegs zu einer Änderung der Sinnbedeutung oder des geistigen Gehalts der beiden Zeilen, weshalb es € auch nach Durchführung einer Interessenabwägung € sowohl an einer Änderung i.S.v. § 39 UrhG als auch an einer Entstellung i.S.v. § 14 UrhG fehle. Gem. § 62 Abs. 2 UrhG seien auch Übersetzungen des Zitats zulässig, welche jedenfalls nicht sinnentstellend seien, sondern werkgetreu.

Das AG München hat sich mit Beschluss vom 29.12.2008 (Bl. 11) für sachlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit auf Antrag der Kläger an das LG München I verwiesen.

Zur Ergänzung des Tatbestands wird Bezug genommen auf die Schriftsätze der Parteien samt Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 13.05.2009 (Bl. 33/35 d. A.).

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet, da zugunsten der Beklagten für sämtliche streitgegenständlichen Verwendungen des in Rede stehenden Zitats das Zitatrecht i.S.v. § 51 Satz 2 Nr. 2 UrhG greift.

I.

Ob der streitgegenständliche Vers die notwendige urheberrechtliche Schöpfungshöhe i.S.v. § 2 Abs. 2 UrhG erreicht (wozu die Kammer tendiert und wie sie es € in anderer Besetzung € im Verfahren 21 S 3130/98 in ihrem Urteil vom 14.10.1998, veröffentlicht in NJW 1999, 1978, angenommen hat), braucht vorliegend nicht entschieden zu werden; jedenfalls sind bei Annahme der urheberrechtlichen Schutzfähigkeit die Zitate im Begleitband und auf den Faltprospekten durch das Zitatrecht gem. § 51 Satz 2 Nr. 2 UrhG gedeckt, ohne dass die Beklagten gegen das Änderungsverbot i.S.v. §§ 62, 39 UrhG bzw. das Entstellungsverbot i.S.v. § 14 UrhG verstoßen hätten.

1. Die Verbreitung des streitgegenständlichen Anfangsverses als (zu unterstellender schutzfähiger, s.o.) Werkteil des Gedichts von Eugen Roth € Auf geht€s € eine oktoberfestliche Moritat € durch die Beklagten im angegriffenen Begleitband sowie den Faltprospekten ist als sog. Kleinzitat gem. § 51 Satz 1, Satz 2 Nr. 2 UrhG zulässig.

a. Auch sog. €Kleinzitate€ i.S.v. § 51 Satz 2 Nr. 2 UrhG, durch die lediglich €Stellen eines Werks€ € also (kleine) Ausschnitte € in einem selbstständigen Sprachwerk aufgeführt werden, müssen einem Zitatzweck dienen, wobei für letzteren nicht nur die Erläuterung des Inhalts des zitierenden Werkes (vgl. § 51 Satz 2 Nr. 1 UrhG) in Betracht kommt, sondern € aufgrund der durch Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG gebotenen kunstspezifischen Betrachtung € auch die Gestaltung der eigenen künstlerischen Aussage des Zitierenden, z.B. wenn sich die Zitate funktional in die künstlerische Gestaltung und Intention des zitierenden Werkes einfügen und als integraler Bestandteil einer eigenständigen künstlerischen Aussage erscheinen (vgl. BVerfG GRUR 2001, 149, 151 € Germania 3 ). Steht außerdem ein geringfügiger Eingriff in die Urheberrechte ohne die Gefahr merklicher wirtschaftlicher Nachteile (z.B. Absatzrückgänge) der künstlerischen Entfaltungsfreiheit gegenüber, so haben die Verwertungsinteressen der Urheberrechtsinhaber im Vergleich zu den Nutzungsinteressen für eine künstlerische Auseinandersetzung zurückzutreten (vgl. BVerfG a.a.O.). Zitatzweck i.S.v. § 51 Satz 2 Nr. 2 UrhG kann daher bei Sprachwerken auch die Verwendung als vorangestellte Devise und Motto sein (vgl. KG GRUR-RR 2002, 313, 315 € Das Leben, dieser Augenblick ; Dreier in Dreier/Schulze, UrhG, 3. Aufl., § 51 Rn. 15).

b. Im konkreten Fall sind die vorgenannten Voraussetzungen sämtlich erfüllt:

aa. Sowohl der Begleitband zur Ausstellung im Münchner Stadtmuseum als auch die Faltprospekte sind schon allein aufgrund der Auswahl und Anordnung der darin enthaltenen Texte sowie aufgrund der individuellen Möglichkeiten, die verschiedenen Ausstellungsinhalte vorzustellen, als Sprachwerke i.S.v. § 2 Abs. 1 Nr. 1 UrhG anzusehen.

bb. Das Zitat ist auch von einem ausreichenden Zitatzweck erfasst, da es ersichtlich als Motto (verstanden als meist knapper Leitgedanke, der einer größeren Schrift vorangesetzt wird, vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Motto) für die im Begleitband bzw. im Faltprospekt vorgestellte Ausstellung € Typisch München! € dienen soll, in der nicht nur die € gesamte Geschichte und Kultur der Stadt visualisiert €, sondern auch der von der Stadt hervorgebrachte € besondere Menschenschlag € zum Ausdruck kommen soll (vgl. die einleitenden Texte von C. U. und H. K. auf S. 6 f. des Begleitbands). Zu diesem Ziel passt das Zitat von Eugen Roth, welches die Bewohner Münchens charakterisiert, so dass es als Motto der genanten Sprachwerke durchaus geeignet ist. Ob in den auf das Motto folgenden Texten der erklärte Zweck der Ausstellung tatsächlich zum Ausdruck kommt und damit das ins Auge gefasste Ziel erreicht wird, ist demgegenüber irrelevant; entscheidend muss für die Bejahung des Zitatzwecks allein sein, dass eine entsprechende Darstellung beabsichtigt ist und ein dahingehender Versuch ersichtlich unternommen wird.

Hinzu kommt, dass das verwendete Zitat gleichzeitig als Ausdruck einer künstlerischen Gestaltung der Sprachwerke angesehen werden kann € ebenso wie z.B. zahlreiche Romanautoren ihrer Prosa ein Zitat voranstellen €, so dass zugunsten der Beklagten auch die Kunstfreiheit gem. Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG streitet.

Schließlich ist aufgrund des im Vergleich zum gesamten Gedicht nur kurzen Auszugs (zwei von 116 Zeilen oder 1/58 des Gedichts), der sich ohne weiteres im Rahmen des durch den Zitatzweck vorgegebenen Umfangs hält, nur ein geringfügiger Eingriff in die Urheberrechte der Kläger zu sehen, der zu keinen merklichen wirtschaftlichen Nachteilen führt, so dass auch aus diesem Grund das streitgegenständliche Zitat zulässig ist.

cc. Ohne Erfolg wenden die Kläger dabei ein, dass das Zitat im Beiband nicht im Buchblock und damit nicht €in€ einem selbstständigen Sprachwerk stehe. Schon nach dem Wortlaut des § 51 Satz 2 Nr. 2 UrhG muss der Begriff €in€ nicht zwingend im Sinne von €innerhalb€ bzw. €im Textzusammenhang€ verstanden werden, sondern kann auch gleichbedeutend mit €im Rahmen eines€ sein. Ausgehend vom Sinn und Zweck der Zitierfreiheit, nämlich bei Erfüllung eines zulässigen Zitatzwecks, muss es zudem genügen, wenn das Zitat zu Beginn des Sprachwerks aufgeführt ist bzw. diesem vorangestellt wird.

Unschädlich ist außerdem, dass im vorliegenden Fall das Zitat auf den vorderen und hinteren Vorsatz des Begleitbands aufgeteilt wurde, da sich auch dann € bei zutreffendem Verständnis des Normwortlauts € das Zitat €im€ Sprachwerk angeführt wird und die Mottofunktion durch die €Umklammerung€ des Buchinhalts ebenso erfüllt ist.

2. Dadurch, dass die Beklagten im Zitat ein Komma weggelassen haben und das Zitat in drei Sprachen übersetzen ließen, liegt kein Verstoß gegen das Änderungsverbot i.S.v. §§ 62, 39 UrhG vor.

a. Aus dem Verweis in § 62 Abs. 1 Satz 2 UrhG auf § 39 Abs. 2 UrhG folgt, dass in Ausnahme zum grundsätzlichen und eng auszulegenden Änderungsverbot gem. § 62 Abs. 1 Satz 1 UrhG auch ohne die Zustimmung des Urhebers Änderungen des Werkes zulässig sind, zu denen der Urheber nach Treu und Glauben seine Zustimmung nicht versagen darf; ob eine Abweichung vom Änderungsverbot zulässig ist, muss im Einzelfall im Wege einer Güter- und Interessenabwägung festgestellt werden (vgl. Schulze , a.a.O., § 62 Rn. 5 f., 12; Bullinger , a.a.O., § 62 Rn. 6 f., 10).

Gem. § 62 Abs. 2 UrhG sind außerdem Übersetzungen des Werks als deren Bearbeitung und damit Änderung zulässig, sofern der Benutzungszweck dies erfordert; dies ist der Fall, wenn die erlaubte Werknutzung nach dem Zweck der jeweiligen Vorschrift, die sie gestattet, nur dann in sinnvoller Weise erfolgen kann, wenn das Werk von der Ausgangssprache in eine andere Sprache übertragen wird (vgl. Bullinger , a.a.O., § 62 Rn. 13). Die Übersetzung darf der Werknutzer grundsätzlich selbst vornehmen, wenn es noch keine Übersetzung des Werkes in die Zielsprache gibt; existiert dagegen eine allgemein zugängliche, vom Urheber autorisierte Übersetzung des Textes in die Zielsprache, muss der Werknutzer jedoch auf diese zurückgreifen (vgl. Bullinger , a.a.O., § 62 Rn. 14).

b. Unter Berücksichtigung der vorgenannten Grundsätze ist eine Verletzung des Änderungsverbots nicht gegeben.

aa. Das Weglassen eines Kommas stellt angesichts der ansonsten korrekten bzw. vollständigen Übernahme des Originaltextes schon dem Umfang der Änderung nach (unter dem Gesichtspunkt des Änderungsverbots i.S.v. § 62 UrhG; hinsichtlich des Entstellungsverbots i.S.v. § 14 UrhG siehe unten Ziff. I. 3.) eine vernachlässigenswerte Marginalie dar, deren Korrektur im Hinblick auf die mit ihr einhergehenden Kosten für die Beklagten unverhältnismäßig wäre, zumal die Auslassung des Kommas einem nicht unerheblichen Teil der Leserschaft angesichts der in der deutschen Bevölkerung vorherrschenden Unsicherheit im Hinblick auf die korrekte Anwendung der zuweilen komplizierten Kommasetzungsregeln nicht auffallen dürfte. Im Ergebnis besteht außerdem kein Wertungsunterschied zu Fällen, in denen zulässigerweise aus der direkten in die indirekte Rede gewechselt oder durch Wortverschiebungen der zitierte Satz in ein umfassendes Satzgefüge eingeflochten wurde (vgl. Dietz in Schricker, UrhG, 3. Aufl., § 62 Rn. 14). Die vorzunehmende Interessenabwägung nach Treu und Glauben spricht daher für die Beklagten.

Soweit sich die Kläger auf einen fehlenden Punkt am Satzende berufen, kann die Kammer diesen Einwand nicht nachvollziehen, da das Original am Ende der zweiten Verszeile ein Komma und nicht einen Punkt enthält. Aber auch das Weglassen dieses Kommas stellt aus den gerade genannten Gründen (abgesehen davon, dass die Mitzitierung des letzten Kommas eine Fortsetzung des Zitats suggerieren und daher Verwirrung hervorrufen würde, so dass es auch deswegen weggelassen werden kann) keinen Verstoß gegen das Änderungsverbot dar.

bb. Auch die Übersetzungen des streitgegenständlichen Zitats auf Englisch, Französisch und Italienisch stellen keine Verstöße gegen das Änderungsverbot dar: Es liegt auf der Hand, dass für Werbungen für eine Ausstellung wie in den Faltprospekten, die sich an der englischen, französischen und italienischen Sprache mächtige Touristen wenden, auch das vorangestellte Zitat in die entsprechende Sprache zwecks Verständnismöglichkeit übersetzt werden muss. Mangels vorherigen Vorhandenseins einer autorisierten Übersetzung € zumindest wurde eine solche von den Parteien nicht vorgetragen € durfte die Beklagte zu 1 diese auch selbst anfertigen.

3. Darüber hinaus ist in dem Weglassen des Kommas sowie in den Übersetzungen des Zitats auch keine Entstellung i.S.v. § 14 UrhG zu sehen.

a. Eine Grenze für grundsätzlich zulässige Änderungen bildet das urheberpersönlichkeitsrechtliche Entstellungsverbot des § 14 UrhG, da Werkänderungen nicht zu einer unzulässigen Beeinträchtigung oder Entstellung des Werkes des Urhebers führen dürfen; bei einer Beeinträchtigung oder Entstellung des Werkes i.S.d. § 14 UrhG ist diese Vorschrift neben § 62 UrhG unmittelbar anzuwenden, wobei die Interessen des Urhebers mit denen des Werknutzers innerhalb der ungeschriebenen Interessenabwägung im Rahmen der genannten Vorschrift abzuwägen sind (vgl. Bullinger , a.a.O, § 62 Rn. 7; § 14 Rn. 10 ff.).

b. Die von den Klägern monierten Änderungen sind daher nicht entstellend:

aa. Durch die Weglassung des Kommas wird das Zitat mitnichten unverständlich und der Autor €in die Richtung eines Hilfsschülers gerückt€, wie die Kläger aber behaupten; abgesehen von dem Umstand, dass einem nicht geringen Teil der Leserschaft das Fehlen des Kommas schon nicht auffallen dürfte (s.o. Ziff. I. 2. b. aa.), wird vorliegend die Strukturierungs- und Trennungsfunktion des Kommas durch die Aufteilung der zweiten Verszeile auf zwei Zeilen just an der Stelle, wo ursprünglich das Komma gesetzt war, so ersetzt, dass das Zitat ohne weiteres verständlich bleibt.

bb. Die Kammer kann auch in den Zitatübersetzungen keine Entstellung erkennen: Diese sind grammatikalisch sowie inhaltlich korrekt und geben den Sinngehalt des Zitats € welcher vorliegend entscheidend für den Zitatzweck ist, nämlich die Charakterisierung der Münchner Bürger und des Lebens in München € richtig wieder. Das Entfallen von Metrik und Reimform in der französischen und italienischen Übersetzung (die englische ist ein vierhebiger katalektischer Trochäus und reimt sich) ist demgegenüber vernachlässigbar, zumal andernfalls die Gefahr besteht, dass der Sinngehalt verfälscht wird und/oder Reimversuche gezwungen wirken.

4. Dass schließlich ein Verstoß gegen den Umfang des Quellenangabegebots aus § 63 Abs. 1 UrhG vorliegt, weil neben dem Urheber nicht zugleich auch das Werk genannt wurde (vgl. Dietz , a.a.O., § 63 Rn. 14), ist vorliegend unschädlich:

a. Die Verletzung des § 63 UrhG macht nämlich das an sich zulässige Zitat nicht insgesamt unzulässig (vgl. Dreier , a.a.O., § 51 Rn. 26; Bullinger , a.a.O., § 63 Rn. 31; differenzierend Schricker in Schricker, a.a.O., § 51 Rn. 15); der Urheber kann aber verlangen, dass die konkrete Nutzungshandlung ohne die erforderliche Quellenangabe künftig unterbleibt.

b. Die Auslegung der Klageanträge ergibt jedoch, dass die Kläger eine solche Ergänzung der Quellenangabe gerade nicht begehren und diese daher nicht Streitgegenstand ist; ihnen kommt es ausschließlich auf die Entfernung des gesamten Zitats an. Dies folgt bereits aus dem eindeutigen Wortlaut der Anträge, die auf die € Unkenntlichmachung der Texte € abstellen. Darüber hinaus nehmen die Kläger in der Klageschrift vom 22.10.2008, S. 3, z.B. die Einziehung der Flyer in Bezug, und auch in der Replik vom 28.04.2009, S. 2 heißt es ausdrücklich, dass es den Klägern € nur auf die Unkenntlichmachung an [kommt]€.

II.

1. Die Kostenentscheidung richtet sich nach § 91 Abs. 1 ZPO.

2. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.

3. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG, § 3 ZPO.

Beschluss

Der Streitwert wird auf € 20.000,00 festgesetzt.






LG München I:
Urteil v. 13.05.2009
Az: 21 O 618/09


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