Bundespatentgericht:
Beschluss vom 21. September 2004
Aktenzeichen: 6 W (pat) 310/03

(BPatG: Beschluss v. 21.09.2004, Az.: 6 W (pat) 310/03)

Tenor

Das Patent 199 16 964 wird in vollem Umfang aufrechterhalten.

Gründe

I Gegen die am 31. Oktober 2002 veröffentlichte Erteilung des Patents 199 16 964 mit der Bezeichnung "Rückhalteanlage für Niederschlagswasser und Abwasser" ist am 1. Februar 2003 Einspruch erhoben worden. Der Einspruch ist mit Gründen versehen und auf die Behauptung gestützt, dass der Gegenstand des Patents nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.

In der Einspruchsbegründung verweist die Einsprechende neben den bereits im Prüfungsverfahren berücksichtigten Druckschriften:

D1: deutsche Offenlegungsschrift DE 42 20 880 A1 D2: deutsche Offenlegungsschrift DE 41 31 366 A1 D3: deutsches Gebrauchsmuster DE 17 27 595 U1 noch auf folgende Druckschriften:

D4: deutsche Offenlegungsschrift DE 37 14 947 A1 D5: deutsche Offenlegungsschrift DE 33 46 346 A1.

Sie ist der Auffassung, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 durch eine Kombination der deutschen Offenlegungsschriften DE 37 14 947 A1 (D4) und DE 41 31 366 A1 (D2) nahegelegt sei.

Die Einsprechende beantragt, das Patent zu widerrufen.

Die Patentinhaberin beantragt, das Patent in vollem Umfang aufrechtzuerhalten.

Sie ist der Auffassung, dass der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 durch den nachgewiesenen Stand der Technik nicht nahegelegt sei.

Der erteilte Anspruch 1 lautet:

"Rückhalteanlage für Niederschlagswasser und Abwasser mit einem Stauraumkanal (1) mit einem Einlauf (4), einem einlaufseitigen Überlaufschacht (2) mit Entlastungskanal und mit einem Auslauf (8) für den Stauraumkanal (1), wobei von dem Einlauf (4) des Stauraumkanals (1) bis zu dessen Auslauf (8) ein Mischwasserkanal (10) durch den Stauraumkanal (1) hindurchgeführt ist und wobei der Mischwasserkanal (10) Perforationen (11) vorgegebener Größe zum Durchtritt von Wasser aufweist, welche Schwebstoffe und/oder Schmutzstoffe zurückhalten."

Wegen der auf den Anspruch 1 rückbezogenen Unteransprüche 2 bis 7 sowie wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

1. Über den Einspruch ist gemäß § 147 Abs. 3 Ziff. 1 PatG in der Fassung des Gesetzes zur Bereinigung von Kostenregelungen auf dem Gebiet des Geistigen Eigentums vom 13. Dezember 2001 Art 7 durch den Beschwerdesenat des Bundespatentgerichts zu entscheiden.

2. Der frist- und formgerecht erhobene Einspruch ist ausreichend substantiiert und zulässig, was auch von der Patentinhaberin nicht in Zweifel gezogen worden ist.

3. Der Gegenstand des angefochtenen Patents stellt eine patentfähige Erfindung im Sinne der §§ 1 bis 5 PatG dar.

a. Die Gegenstände der erteilten Ansprüche 1 bis 7 sind in den ursprünglichen Unterlagen offenbart, die Ansprüche sind somit zulässig.

Der erteilte Anspruch 1 ergibt sich aus dem ursprünglichen Anspruch 1 i. V. m. S 2, Z. 23 bis 25 der Anmeldungsunterlagen und die erteilten Ansprüche 2 bis 7 entsprechen den ursprünglichen Ansprüchen 2 bis 7.

b. Die zweifelsfrei gewerblich anwendbare Rückhalteanlage nach Anspruch 1 ist neu, da keine der genannten Druckschriften sämtliche im Anspruch 1 enthaltenen Merkmale zeigt, wie sich auch aus den folgenden Ausführungen ergibt. Die Neuheit ist im übrigen von der Einsprechenden nicht in Frage gestellt worden.

c. Die Rückhalteanlage gemäß dem erteilten Anspruch 1 beruht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Der geltende Anspruch 1 geht von einer Rückhalteanlage aus, wie sie in der deutschen Offenlegungsschrift DE 37 14 947 A1 (D4) erläutert ist (vgl. insbes. Fig. 1). Aus dieser Druckschrift ist bekannt eine Rückhalteanlage für Niederschlagswasser und Abwasser mit einem Stauraumkanal mit einem Einlauf, einem einlaufseitigen Überlaufschacht mit Entlastungskanal und mit einem Auslauf für den Stauraumkanal.

Weiterführende Hinweise sind dieser Druckschrift nicht zu entnehmen. Insbesondere fehlen dort die Merkmale - von dem Einlauf des Stauraumkanals bis zu dessen Auslauf ist ein Mischwasserkanal durch den Stauraumkanal hindurchgeführt - der Mischwasserkanal weist Perforationen vorgegebener Größe zum Durchtritt von Wasser auf,

- welche Schwebstoffe und/oder Schmutzstoffe zurückhalten.

Zu den vorstehend genannten Merkmalen vermag auch der übrige nachgewiesene Stand der Technik keine Anregung zu liefern.

Die deutsche Offenlegungsschrift DE 41 31 366 A1 (D2) erläutert ein Verfahren zur Durchflusssteigerung von Abwässerkanälen, bei dem ein in einer Berme 4 verlaufendes Gerinne 1 mittels einer Gerinneabdeckung 2 abgedeckt ist. Die Gerinneabdeckung 2 kann mit an der Oberseite und/oder an den Seiten nahe der Berme 4 angeordneten Öffnungen 3 versehen sein (vgl. Anspruch 4). Diese Öffnungen 3 stellen eine Rückführung des aus dem Gerinne 1 austretenden Abwassers bei Überlastung des Kanals sicher und dienen gleichzeitig der Be- und Entlüftung des Kanals (vgl. Sp. 5, Z. 8 bis 11). Darüber hinaus erlauben sie eine leichte optische Kontrolle der Kanäle sowie eine unkomplizierte und einfache Durchführung der erforderlichen Reinigungs- und Spülungsarbeiten (vgl. Sp. 3, Z. 17 bis 20). Aus dieser Druckschrift ist somit ein Kanal mit einem Gerinne zu entnehmen, welches mit einer Öffnungen aufweisenden Abdeckung versehen ist.

Anregungen, bei einer Rückhalteanlage durch den Stauraumkanal einen zusätzlichen und mit speziell ausgebildeten Perforationen versehenen Mischwasserkanal zu führen, sind dort jedoch nicht zu entnehmen.

Daher mag es dahinstehen, ob - wie die Einsprechende in der mündlichen Verhandlung vorgetragen hat - der in der Streitpatentschrift verwendete Begriff "Mischwasser" mit dem in der deutschen Offenlegungsschrift DE 41 31 366 A1 (D2) verwendeten Begriff "Abwasser" gleichzusetzen ist, und es mag weiterhin dahinstehen, ob die in der deutschen Offenlegungsschrift DE 41 31 366 A1 (D2) beschriebenen Öffnungen den streitgegenständlichen Perforationen vorgegebener Größe, welche Schwebstoffe und/oder Schmutzstoffe zurückhalten, funktionell entsprechen. Entscheidend ist allein, dass ein Fachmann - ein Bauingenieur mit Fachhochschulausbildung und einigen Jahren Berufspraxis in der Wasserwirtschaft - selbst bei einer Zusammenschau dieser beiden Druckschriften keine zum Patentgegenstand führenden Hinweise erhält, da die Anordnung eines durch den Stauraumkanal führenden Mischwasserkanals in Zusammenhang mit einer Rückhalteanlage ohne Vorbild ist.

Eine Anregung in Richtung auf den Patentgegenstand erhält der Fachmann auch nicht bei Kenntnis der verbleibenden Druckschriften, die im übrigen von der Einsprechenden in der mündlichen Verhandlung nicht mehr herangezogen worden sind. Denn diese Druckschriften liegen erkennbar noch weiter vom Patentgegenstand ab als der vorstehend erläuterte Stand der Technik. Sie können mangels entsprechender Hinweise somit ebenfalls keine Anregungen zum Patentgegenstand liefern.

Nach alledem kann der aufgezeigte Stand der Technik weder für sich allein betrachtet noch in einer Zusammenschau zum Patentgegenstand führen, da der Fachmann sich nicht veranlasst sieht, eine Rückhalteanlage der aus dem Stand der Technik bekannten Art in der im Anspruch 1 angegebenen Weise weiterzuentwickeln. Denn der grundlegende Gedanke, durch die Anordnung eines speziell ausgebildeten Mischwasserkanals innerhalb des Stauraumkanals eine Rückhalteanlage zu schaffen, bei der auch bei stärkerem Wasserfluss eine Anreicherung des in dem Stauraumkanals befindlichen Wassers mit Schwebstoffen und/oder Schmutzstoffen weitestgehend vermieden wird, ist im nachgewiesenen Stand der Technik ohne Vorbild.

Der Anspruch 1 hat daher Bestand.

d. Das gleiche gilt für die auf diesen Anspruch rückbezogenen Ansprüche 2 bis 7, die auf Merkmale zur Weiterbildung der Rückhalteanlage nach Anspruch 1 gerichtet sind.

Lischke Riegler Fink Schneider Cl






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Beschluss v. 21.09.2004
Az: 6 W (pat) 310/03


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