Oberlandesgericht Celle:
Beschluss vom 23. Januar 2014
Aktenzeichen: 2 Ws 347/13

(OLG Celle: Beschluss v. 23.01.2014, Az.: 2 Ws 347/13)

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft wird der Beschluss der Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts Verden vom 17.09.2013 aufgehoben.

Die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Verden vom 14.12.2012 wird mit der Maßgabe zugelassen, dass die Angeschuldigten hinreichend verdächtig sind, gemeinschaftlich in Kenntnis ihrer Zahlungsunfähigkeit einem Gläubiger eine Sicherheit oder Befriedigung gewährt zu haben, die dieser nicht zu beanspruchen hatte und ihn dadurch absichtlich vor den übrigen Gläubigern begünstigt zu haben (Vergehen der Gläubigerbegünstigung nach §§ 283 c, 25 Abs. 2 StGB) .

Das Hauptverfahren wird vor der Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts Verden eröffnet.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden den Angeschuldigten auferlegt.

Gründe

I.

Die Staatsanwaltschaft hat den Angeschuldigten mit ihrer Anklageschrift vom 14.12.2012 einen Bankrott gemäß §§ 283 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. Abs. 6, 283 a Satz 1, Satz 2 Nr. 1 StGB zur Last gelegt.

1. In der Anklageschrift wird dem Angeschuldigten H. als faktischem Geschäftsführer und der Angeschuldigten B. als Geschäftsführerin der H. Musikproduktions GmbH (seit 09.05.2006 umfirmiert in €Dienstleistungszentrum H. GmbH€ und seit 12.10.2007 umfirmiert in €Dienstleistungszentrum W. GmbH€, im Folgenden hier €H. Musik€) vorgeworfen, am 27.07.2007 in W. einen Sicherungs- und Übereignungsvertrag auf dem Computer unter dem Datum 30.12.2005 nachträglich erstellt zu haben. Mit diesem Vertrag soll die H. Musik der die Diskothek €e.€ und das Tanz-Café €L. B.€ (im Folgenden nur noch als €Diskothek€ bezeichnet) zu diesem Zeitpunkt betreibenden H. Gastronomiebetriebs GmbH (im Folgenden: €H. Gastro€) zur Absicherung zweier Darlehen in Höhe von insgesamt 372.161,76 € das gesamte Inventar der Diskothek übereignet haben. Bereits am 19.07.2007 hatte es in dieser Diskothek gebrannt, dabei war die Inneneinrichtung vollständig vernichtet worden. Deshalb zahlte der Versicherer, die B. S. Versicherungs-AG, am 25.01.2008 an die H. Gastro als Versicherungsnehmerin die Entschädigungssumme in Höhe von 235.000 € aus, die dieses Geld dem Tatplan entsprechend zu Unrecht vereinnahmt haben soll. Die Angeschuldigten sollen bei Erstellung des fingierten Sicherungs- und Übereignungsvertrages am 27.07.2007 gewusst haben, dass die H. Musik spätestens seit dem 31.12.2006 überschuldet gewesen sei. Die Angeschuldigte B. stellte am 23.04.2008 für die H. Musik Eigenantrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens, der jedoch mangels Masse abgelehnt worden ist. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Verden vom 14.12.2012 Bezug genommen.

In seiner Schutzschrift hat der Angeschuldigte H. zwar eingeräumt, als faktischer Geschäftsführer für die H. Musik verantwortlich gehandelt zu haben. Beide Angeschuldigte haben jedoch im Übrigen ihre Verantwortung für die ihnen zur Last gelegte Tat bestritten. Der Sicherungs- und Übereignungsvertrag sei tatsächlich am 27.07.2007 erstellt und unterzeichnet worden. Damit sei aber nur ein bereits am 30.12.2005 unterzeichneter Sicherungs- und Übereignungsvertrag, dessen einziges noch vorhandenes Vertragsexemplar beim Brand vernichtet worden sei, ersetzt worden.

Mit dem angefochtenen Beschluss hat die Kammer die Eröffnung des Hauptverfahrens aus tatsächlichen Gründen abgelehnt.

Die Ermittlungen hätten nicht ergeben, dass die Angeschuldigten die Entschädigungssumme in Höhe von 235.000 € der Insolvenzmasse der Schuldnerin H. Musik entzogen hätten. Durch die angeblich nachträgliche Erstellung des Sicherungs- und Übereignungsvertrages vom 30.12.2005/27.07.2007 sei die Rechtsstellung der H. Musik im Hinblick auf die Entschädigungssumme nicht verschlechtert worden.

Dies beruhe zum einen darauf, dass die H. Musik mit Vereinbarung vom 13.09./14.09.2001 ein Darlehen in Höhe von 48.777,14 € zuzüglich Mehrwertsteuer von der L. AG in Anspruch genommen habe und zur Sicherung dieses Darlehens der L. AG das Inventar mit Sicherungsübereignungsvertrag vom 13.09./14.09.2001 bereits übereignet habe. Die Ansprüche aus diesem Darlehen seien zum Tatzeitpunkt noch nicht vollständig getilgt gewesen, sodass das Eigentum an den Inventargegenständen zu keinem Zeitpunkt an die H. Musik zurückgefallen sei. Zum anderen lägen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die an die H. Gastro als Versicherungsnehmerin und Betreiberin der Diskothek am 25.01.2008 gezahlte Entschädigungssumme in Höhe von 235.000 € der H. Musik und damit der Masse der Schuldnerin zugestanden hätte. Die H. Gastro habe eine €Versicherung für fremde Rechnung€ i. S. des § 74 Abs. 1 VVG a. F. abgeschlossen, da die Person der Versicherungsnehmerin (H. Gastro) und die Person des Versicherten (Eigentümerin des Inventars) auseinandergefallen seien. Bei einer solchen Versicherung für fremde Rechnung stünden der Versicherten die Rechte aus dem Versicherungsvertrag nur dann zu, wenn diese im Besitz des Versicherungsscheines sei.

Ferner hätten die Ermittlungen auch nicht ergeben, dass die H. Musik spätestens am 31.12.2006 überschuldet gewesen sei. Nach der Überschuldungsprüfung der H. Musik durch das LKA vom 10.09.2012 habe zum 31.12.2006 zwar eine Unterdeckung laut Bilanz in Höhe von minus 302.745,70 €, bzw. nach der vorgenommenen Überschuldungsprüfung (negative Prognose) in Höhe von minus 325.554,12 € bestanden. Diese Unterdeckung hätte jedoch insolvenzrechtlich durch die Erklärung eines qualifizierten Rangrücktritts gemäß § 39 Abs. 2 InsO durch die H. Gastro bzw. B. H. als Darlehensgeber verhindert werden können. Die Angeschuldigten hätten sich bisher unwiderleglich dahingehend eingelassen, dass sie bei Kenntnis der Sachlage einen qualifizierten Rangrücktritt erklärt hätten. Laut Bilanz der H. Musik zum 31.12.2006 wies das Buchungskonto Darlehen H. Gastro einen Saldo von 305.419,53 €, das Buchungskonto Darlehen B. H. einen Saldo von 48.768,33 € aus (vgl. Gutachten, Bl. 79 ff. Bd. III).

Schließlich sei für die Angeschuldigte B. im Hinblick auf die ihr vorliegend zur Last gelegte Tat Strafklageverbrauch eingetreten durch den Strafbefehl vom 19.04.2010 des Amtsgerichts Walsrode. Mit diesem Strafbefehl ist die Angeschuldigte wegen Unterlassens der Aufstellung einer Bilanz für die H. Musik für die Geschäftsjahre 2007 und 2008 zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 40 € verurteilt worden. Damit sei Strafklageverbrauch auch für die Einzelakte innerhalb dieses Zeitraums, die mit der Geschäftsführung der H. Musik zu tun hätten, eingetreten und damit auch für die jetzt zur Last gelegte Bankrotthandlung.

Gegen diesen Beschluss wendet die Staatsanwaltschaft Verden sich mit ihrer rechtzeitig eingelegten sofortigen Beschwerde, mit der sie im Wesentlichen die rechtliche Würdigung durch die Kammer angreift. Zusätzlich weist sie darauf hin, nach Auffassung der Kammer zum Strafklageverbrauch müsse bei Eröffnung des Hauptverfahrens hinsichtlich des Angeschuldigten H. berücksichtigt werden, dass sie mit Schriftsatz vom 03.06.2013 die Wiedereinbeziehung zweier weiterer Vorwürfe gegen den Angeschuldigten H. beantragt hatte. Mit diesem Schriftsatz hatte die Staatsanwaltschaft, nachdem der Angeschuldigte H. seine Eigenschaft als faktischer Geschäftsführer eingeräumt hatte, beantragt, gegen den Angeschuldigten H. den Vorwurf des Bankrotts nach § 283 Abs. 1 Nr. 7 b StGB und den Vorwurf der Verletzung der Insolvenzantragspflicht nach § 15 a Abs. 1 InsO gemäß § 154 a Abs. 3 Satz 2 StPO wieder in das Verfahren einzubeziehen. Der Angeschuldigte H. habe als faktischer Geschäftsführer der H. Musik trotz Kenntnis von der Überschuldung der Gesellschaft spätestens seit 01.01.2007 keinen Insolvenzantrag gestellt. Ferner seien die bis zum 01.07.2007 zu erstellende Bilanz 2006 erst am 01.12.2008 und die bis zum 01.7.2008 zu erstellende Bilanz 2007 gar nicht gefertigt worden, da finanzielle Mittel zur Bezahlung der Steuerberaterin nicht zur Verfügung standen und auch nicht angespart worden seien.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Anklage der Staatsanwaltschaft Verden zur Hauptverhandlung zuzulassen und das Hauptverfahren vor einer anderen Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts Verden zu eröffnen.

2. Ergänzend sind zu dem der Anklage zugrunde liegenden Sachverhalt folgende Umstände bedeutsam, denen die Angeschuldigten in ihrer Schutzschrift auch nicht entgegen getreten sind:

Die H. Musik und die H. Gastro hatten jedenfalls seit dem 17.09.2004 die gleichen Gesellschafter bei leichten Unterschieden in der Höhe ihrer Gesellschaftsanteile, nämlich B. H., M. H. (den Sohn des Angeschuldigten H.) und die Angeschuldigte B. (vgl. Bl. 71 Bd. III). Der Angeschuldigte H. ist seit 2008 Prokurist der H. Gastro.

Die H. Gastro hatte der H. Musik bereits im Jahr 2000 ein Darlehen über rund 370.000 DM zur Verfügung gestellt, damit diese am 01.10.2000 die Betriebsausstattung in Höhe von 400.000 DM anschaffen konnte, so die Einlassung der Angeschuldigten, Bl. 148 Bd. III. Ab September 2000 mietete die H. Musik die Räume der Diskothek von dem damaligen Hauptmieter F. Gaststättenbetriebs GmbH (vgl. Gutachten, Bl. 72 Bd. III, Fußnote 6). Auch B. H. hat in diesem Zeitraum der H. Musik bereits Darlehen zur Verfügung gestellt. Beide Darlehenssummen sind in der Folgezeit stetig angewachsen. Ab 01.04.2002 mietete sodann die H. Musik die Diskothek von der Baumarkt H.-G. GbR als Vermieter. Ab Juni 2004 erfolgte eine Untervermietung an die Zeugin D., die im Jahr 2006 die Mietzahlungen nicht mehr vollständig erbringen konnte, was zu Ende August zur Beendigung des Untermietverhältnisses führte. Sowohl die Mietrückstände der Zeugin D. gegenüber der H. Musik, als auch die Mietrückstände der H. Musik gegenüber der Baumarkt H.-G. GbR betrugen zu diesem Zeitpunkt ca. 37.000 € (vgl. Gutachten, Bl. 72 Bd. III). Ab dem 01.09.2006 vereinbarte die H. Musik ein neues Untermietverhältnis über die Räumlichkeiten der Diskothek mit der H. Gastro, die sodann die Diskothek betrieb. Allerdings zahlte die H. Gastro an die H. Musik deutlich weniger Miete, als diese ihrer Vermieterin schuldete, was zu einer monatlichen Unterdeckung von über 4.000 € führte. Die von der H. Musik gegenüber ihrer Vermieterin verlangte Mietminderung wurde von dieser mit Schreiben vom 08.11.2006 abgelehnt. Am 27.10.2006/25.11.2006 schloss die H. Gastro den Versicherungsvertrag über die Betriebseinrichtung der Diskothek im Wert von 600.000 € zum Neuwert ab. Die Vermieterin erhob dann Klage gegen die H. Musik hinsichtlich der rückständigen Miete mit Schriftsatz vom 13.07.2007, der einen Zahlungsanspruch der Vermieterin gegen die H. Musik in Höhe von über 111.000 € umschreibt. In Höhe von 61.355,03 € hatte sich die Vermieterin dann allerdings aus einer Bankbürgschaft der Volksbank befriedigt (Bl. 115 Bd II), die diese Summe dann wieder der H. Musik in Rechnung stellte und letztlich durch eine Bürgschaft von B. H. befriedigt wurde. Am 19.07.2007 brannte die Diskothek infolge einer Brandstiftung ab, am 27.07.2007 kam es zu der angeklagten Unterzeichnung des vordatierten Sicherungs- und Übereignungsvertrages. Am 01.02.2008 wurde das Urteil des Landgerichts Hannover verkündet (Bl. 171 Bd. III), wonach die H. Musik der Vermieterin ca. 15.500 € zu zahlen hatte, die dann Ende April von der H. Gastro aus der mittlerweile von der Versicherung gezahlten Entschädigungsleistung an die Vermieterin auch gezahlt und sodann der H. Musik in Rechnung gestellt wurden. Nachdem die Vermieterin in Berufung gegangen war, kam es am 27.06.2008 vor dem OLG Celle zu einem Vergleich, wonach die H. Musik zur Zahlung weiterer 20.000 € (bzw. bei Verzug 23.000 €) verpflichtet war. Am 23.04.2009 stellte die Angeschuldigte B. für die H. Musik den Insolvenzantrag und gab als Verbindlichkeiten der GmbH neben zwei kleineren Beträgen Schulden beim Vermieter in Höhe von ca. 20.000 €, bei der Steuerberaterin in Höhe von ca. 10.0000 € und beim Rechtsanwalt in Höhe von ca. 7.000 € an (BMO I, UO 02). Am 29.05.2009 lehnte das Amtsgericht Bremen die Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse ab. Allein die Mietschulden seien letztlich - so die Angeschuldigten (Bl. 156, Bd III) - offen geblieben, die übrigen Verbindlichkeiten seien beglichen worden.

II.

Die Nichteröffnungsbeschwerde der Staatsanwaltschaft Verden ist zulässig und hat auch in der Sache weitestgehend Erfolg.

Nach § 203 StPO beschließt das Gericht die Eröffnung des Hauptverfahrens, wenn der Angeschuldigte nach den Ergebnissen des vorbereitenden Verfahrens einer Straftat hinreichend verdächtig erscheint. Hinreichender Tatverdacht besteht, wenn eine Verurteilung des Angeschuldigten überwiegend wahrscheinlich erscheint oder ein Zweifelsfall mit ungefähr gleicher Wahrscheinlichkeit von Verurteilung und Nichtverurteilung vorliegt, zu dessen Klärung die besonderen Erkenntnisse aus der Hauptverhandlung notwendig sind (vgl. dazu OLG Stuttgart, NStZ-RR 2011, 318; NStZ-RR 2012, 117; OLG Koblenz, NJW 2013, 98; Senat, Beschluss vom 25. Januar 2013, 2 Ws 17-21/13).

Diese Voraussetzungen liegen hier vor.

1. Die vom Landgericht in der angefochtenen Entscheidung herangezogenen Gründe für die Nichteröffnung des Verfahrens tragen nicht.

a) Unzutreffend ist, dass durch den Sicherungsübereignungsvertrag zwischen der H. Musik und der L. AG vom 13.09./14.09.2001 die H. Musik ihre Eigentümerstellung am Gesamtinventar der Diskothek verloren hätte. Dieser Sicherungsübereignungsvertrag, der im Übrigen eine Darlehenssumme von 48.777,14 DM - und nicht Euro - sicherte, bezog sich auf einzelne Inventargegenstände, die in der dem Sicherungsübereignungsvertrag anliegenden Inventarliste genau bezeichnet wurden. Konkret handelte es sich bei diesen Inventargegenständen nach der Inventarliste um eine Tresenanlage, eine Polsterbank und eine Bierdruckanlage im Gesamtwert von 48.777,14 DM. Diese konkret bezeichneten Gegenstände waren durch diesen Sicherungsübereignungsvertrag in das Eigentum der L. AG bzw. ihrer Rechtsnachfolgerin, der InBV, übergegangen und auch nicht wieder in das Eigentum der H. Musik zurückgefallen, da das Darlehen der InBV noch nicht vollständig getilgt worden war. An diesem Teil des Inventars konnte mithin die H. Gastro tatsächlich kein Sicherungseigentum erwerben. Dies schloss es jedoch nicht aus, durch einen späteren weiteren Sicherungsübereignungsvertrag den jedenfalls wesentlich größeren Teil des Inventars zu übereignen. An der Bestimmtheit der Sicherungsübereignung vom 30.12.2005/27.07.2007 bestehen dabei, wie die Staatsanwaltschaft zutreffend ausführt, keine Zweifel, da das Sicherungsgut €Gesamtinventar der Diskothek €e.€ und Tanzcafé €L. B.€ ausreichend abgrenzbar von anderen Sachen war.

b) Auch die Ausführungen der Kammer dazu, dass die H. Musik auch ohne den Sicherungsübereignungsvertrag keinen Anspruch auf die Versicherungsleistung hatte, und keine Anhaltspunkte dafür bestünden, dass die H. Gastro verpflichtet gewesen wäre, der H. Musik die Entschädigungssumme zukommen zu lassen, sind unzutreffend. Nach der Rechtsprechung und der Kommentarliteratur zu den §§ 43 bis 48 VVG, die die Versicherung für fremde Rechnung regeln und abgesehen von einzelnen redaktionellen Änderungen den §§ 74 bis 80 VVG a. F. entsprechen (vgl. dazu Prölss-Martin, VVG, 28. Aufl., vor § 43 Rdnr. 1), besteht bei einer Versicherung für fremde Rechnung eine Auskehrungspflicht des Versicherungsnehmers aus dem der Fremdversicherung zugrunde liegenden gesetzlichen Treuhandverhältnis. Der Versicherungsnehmer ist aufgrund dieses Treuhandverhältnisses gehalten, gegenüber dem Versicherer den Schaden für den Versicherten geltend zu machen und anschließend die Zahlungen an den Geschädigten auszukehren (Münchener Kommentar zum VVG-Dageförde, vor § 43 Rdnr. 5; § 46 Rdnr. 6; Prölss-Martin, a. a. O. § 46 Rdnr. 1; BGH NJW 1991, 3031 (3032)). Sind eigene und fremde Sachen als Sachinbegriff mit gemeinsamer Versicherungssumme versichert, so fällt, wenn nichts anderes vereinbart ist, die Entschädigung anteilig auf den eigenen und den fremden Schaden (MK-Dageförde, a.a.O., § 46 Rdnr. 8).

Diese Auskehrungspflicht des Versicherungsnehmers wird ergänzt durch ein Aufrechnungsverbot. Hat der Versicherungsnehmer im Rahmen des Versicherungsverhältnisses Geld erhalten und dies an den Versicherten auszukehren, so darf der Versicherungsnehmer nicht mit Forderungen aus anderen Rechtsverhältnissen aufrechnen, sofern es nicht ausnahmsweise an einer Schutzwürdigkeit des Versicherten fehlt, etwa wenn er den Versicherungsfall ausgelöst hat (zu allem vgl. MK-Dageförde, a.a.O., § 46 Rdnr. 11). Dafür liegen hier keine Anhaltspunkte vor, so dass bei der Versicherung für fremde Rechnung, die dem Versicherungsvertrag der H. Gastro mit der - damals - A. L. Versicherung über die Betriebseinrichtung der Diskothek zugrunde lag, die H. Gastro als Versicherungsnehmerin verpflichtet gewesen wäre, die Versicherungssumme in Höhe von 235.000 € an die H. Musik auszukehren. Abzuziehen wäre gewesen der Betrag, der für die ohnehin der H. Gastro gehörenden Gegenstände gezahlt wurde (etwa Vorräte), so dass ein Betrag von jedenfalls 196.000 € verblieben wäre (selbst nach der Einlassung der Angeschuldigten, Bl. 155 Bd. III), von dem noch ein gewisser Anteil für die an die InBV übereigneten Gegenstände abzuziehen gewesen wäre. In Höhe von rund 170.000 € hätte der H. Musik daher die Versicherungsleistung zugestanden, wenn sie zum Zeitpunkt des Brandes weiterhin Eigentümerin des Inventars gewesen wäre.

c) Auch die Ausführungen der Kammer zur Überschuldung der H. Musik vermögen nicht zu überzeugen. Das Landgericht schließt sich der Argumentation der Angeschuldigten an, wonach diese bei Kenntnis der Sachlage einen qualifizierten Rangrücktritt erklärt hätten. Da die von der H. Gastro an die H. Musik gewährten Darlehen zum Jahresende 2006 mit rund 305.420 € und die von B. H. gewährten Darlehen mit rund 48.768 € valutierten, wäre - so die Kammer - durch einen qualifizierten Rangrücktritt der H. Gastro die Unterdeckung verhindert worden.

Festzuhalten ist jedoch, dass ein solcher qualifizierter Rangrücktritt gerade nicht erklärt worden ist. Danach ist objektiv von einer Überschuldung auszugehen. Etwas anderes könnte allenfalls dann gelten, wenn die von der H. Gastro und B. H. gewährten Darlehen deshalb nicht in der Überschuldungsbilanz zu passivieren wären, weil sie als Eigenkapital ersetzend anzusehen wären. So hatte etwa das OLG München, NStZ 1996, 94, vertreten, dass im Überschuldungsstatus einer GmbH & Co. KG Darlehen in Höhe ihres kapitalersetzenden Charakters nicht zu passivieren und Ansprüche aus der Rückzahlung kapitalersetzender Darlehen - soweit realisierbar - zu aktivieren seien (zu dieser zur früheren Rechtslage nach der Konkursordnung vertretenen Auffassung vgl. auch Münchener Kommentar zum StGB-Radtke/Petermann, 2. Aufl., vor § 283 ff. Rdnr. 73). Ein kapitalersetzender Charakter wäre hier bei den durch die H. Gastro und durch B. H. gewährten und belassenen Darlehen anzunehmen, weil Gesellschafteridentität bestand und die H. Gastro daher als den Gesellschaftern gleichzustellende Dritte anzusehen gewesen wäre (vgl. dazu Baumbach-Hueck, GmbhG, 20. Aufl., Anh. § 30, Rn 120 ff).

Diese Rechtsprechung und auch in der Literatur vertretene Auffassung galt jedoch nur für die Rechtslage unter der Geltung der Konkursordnung, wobei auch schon zur damaligen Rechtslage der 2. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes entschieden hatte, dass kapitalersetzende Darlehen in der Überschuldungsbilanz grundsätzlich zu passivieren seien (BGHZ 146, 264 ff.). Der BGH hat deutlich gemacht, dass eine Ausnahme von dieser Passivierungspflicht nur für den Fall der Abgabe einer Rangrücktrittserklärung durch den darlehnsgebenden Gesellschafter zu machen ist (vgl. dazu BGHZ, 146, 264 ff.). Nach den Grundsätzen zum Eigenkapitalersatzrecht, die für den Zeitpunkt der Überschuldungsbilanz vom 31.12.2006 galten, waren die Darlehensforderungen der H. Gastro und von B. H. daher zu passivieren, weil eben gerade kein Rangrücktritt erklärt worden war (vgl. auch BT-Drs. 12/2443, S. 115 zum Entwurf der InsO).

Auch nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) am 23.10.2008 gelten die Regeln des bisherigen Eigenkapitalersatzrechts dann weiter, wenn das Insolvenzverfahren vor dem 01.11.2008 eröffnet wurde oder wenn die angefochtenen Rechtshandlungen vor diesem Datum vorgenommen wurden und nach altem Recht der Anfechtung entzogen oder in geringerem Umfang unterworfen waren (vgl. dazu Baumbach-Hueck, GmbHG, 20. Aufl. 2013, Anhang § 30 Rdnr. 116 ff.). Ob ein solcher Altfall hier vorliegt, da die Überschuldung laut Anklage vor Inkrafttreten des MoMiG eingetreten sein soll, die Insolvenzantragsstellung jedoch erst danach, kann hier dahinstehen. Durch das MoMiG ist die Rechtsfigur des eigenkapitalersetzenden Gesellschafterdarlehens nämlich aufgegeben worden (vgl. dazu BT-Drucks. 16/6140, S. 42). Gesellschafterdarlehen werden nunmehr nicht mehr als eigenkapitalersetzend, sondern bei Kriseneintritt als nachrangige Forderungen i. S. von § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO behandelt (vgl. MK-Radtke/Petermann, a. a. O., Rdnr. 73). Forderungen aus Gesellschafterdarlehen dürfen daher auch jetzt im Überschuldungsstatus nur dann unberücksichtigt bleiben, wenn für sie ein Nachrang i. S. von § 39 Abs. 2 InsO hinter die Ansprüche aus § 39 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 InsO vereinbart worden ist (MK-Radtke/Petermann, a. a. O., Rdnr. 73). Dies ist hier nicht erfolgt, so dass auch nach neuem Recht zum 31.12.2006 aufgrund der zu passivierenden Darlehen von H. Gastro und von B. H. objektiv eine Überschuldungssituation vorlag.

Es besteht auch hinreichender Tatverdacht dahin, dass die Angeschuldigten dies wussten. Aus dem Schreiben der Angeschuldigten B. an die Vermieterin der Diskothek vom 18.05.2006 (vgl. Beweismittelordner IV) geht hervor, dass ihr - und damit auch dem faktischen Geschäftsführer W. H. - die finanzielle Situation der H. Musik genauestens bekannt gewesen sein muss. In diesem Schreiben wird die Vermieterin eindringlich um eine Absenkung der Mietzinshöhe gebeten €zur Vermeidung eines Insolvenzantrages€. Damit manifestiert die Angeschuldigte auch nach außen, dass ihr - und damit auch dem hinter ihr stehenden faktischen Geschäftsführer W. H. - die finanzielle Situation der H. Musik bekannt gewesen ist.

Soweit die Angeschuldigten sich einlassen, gehofft zu haben, aus der Vermittlung von Versicherungen und Bausparverträgen die Verluste aus dem Mietverhältnis wettmachen zu können (Bl. 151 III), kann dies angesichts der von der Staatsanwaltschaft dargelegten Größenordnungen (Bl. 12, Bd. IV) und der gesetzlichen Rahmenbedingungen nicht überzeugen.

d) Hinsichtlich der Angeschuldigten B. ist auch durch den Strafbefehl des Amtsgerichts Walsrode kein Strafklageverbrauch eingetreten. Mehrfache Verstöße gegen § 283 StGB oder mehrfache Verstöße gegen die Bilanzierungspflicht stehen in der Regel zueinander im Verhältnis der Tatmehrheit (vgl. dazu BGH NStZ 1998, 192); dabei verbindet auch die Verletzung der Buchführungspflicht als Dauertat das zweimalige Unterlassen der Bilanzierungspflicht nicht zu einer Tat (BGH, a. a. O.).

Liegen materiell-rechtlich tatmehrheitlich begangene Straftaten vor, sind dies in der Regel auch prozessual verschiedene Taten (vgl. dazu BGH, ZfS 2014, 50 (51); BGHSt 35, 14 (19); 36, 141 (154); 41, 385 (390); Senat, NStZ-RR 2010, 248). Dieser Grundsatz gilt zwar nicht ausnahmslos. Vielmehr werden Ausnahmen gemacht, wenn ein enger situativer zeitlicher oder örtlicher Zusammenhang zwischen verschiedenen Tathandlungen besteht (vgl. dazu OLG Celle, a. a. O.). Dies ist hier jedoch nicht der Fall. Dem mit der Anklageschrift den Angeschuldigten zur Last gelegten Vorwurf liegt eine konkret abgrenzbare Handlung zugrunde, nämlich die Unterzeichnung des Vertrages am 27.07.2007. Zwischen dieser Handlung und der Verletzung der Bilanzierungspflichten oder auch der Verletzung der Insolvenzantragsstellungspflicht gibt es keinen engen situativen, zeitlichen oder örtlichen Zusammenhang.

2. Es besteht auch hinreichender Tatverdacht dahin, dass es tatsächlich nicht am 30.12.2005 zu einer Sicherungsübereignung des Gesamtinventars gekommen ist, vielmehr ein solcher Vertrag erstmals am 27.07.2007, also nach dem Brand der Diskothek, unterzeichnet wurde. Die Einlassung der Angeschuldigten dazu, warum nur ein Vertragsexemplar vom 30.12.2005 existiert habe, das dann durch den Brand vernichtet worden sei, vermag nicht zu überzeugen, zumal nicht nur die drei Unterzeichnenden, sondern auch die H. Gastro und die H. Musik, also insgesamt fünf juristische bzw. natürliche Personen an dem Geschäft beteiligt gewesen sein sollen.

Zwar mag die Einlassung der Angeschuldigten zum Zeitpunkt der erstmaligen Unterzeichnung des Vertrages möglicherweise durch eine Aussage der Zeugin B. H. gestützt werden. Einer solchen Aussage käme jedoch ein nur geringer Beweiswert zu, da die Zeugin dem Lager der Angeschuldigten zuzurechnen ist und sie ein eigenes wirtschaftliches Interesse daran gehabt haben dürfte, ihre noch vorhandenen Darlehensforderungen abzusichern.

Nicht überzeugend ist ferner die Einlassung der Angeschuldigten dazu, wie es zu den Darlehenssummen in dem neu unterzeichneten Vertrag gekommen sein soll. Insbesondere gibt es keine plausible Erklärung für die Darlehenssumme, die die H. Musik B. H. schulden sollte, da durch deren Forderungsverzicht zum 02.01.2005 das von ihr gewährte Darlehen am 30.12.2005 nicht mehr in der im Vertrag genannten Höhe valutierte. Plausibler erscheint hier die Erklärung, dass die Beteiligten zeitlich deutlich später, nämlich nach dem Brand, den Vertrag zurückdatiert haben und ihnen zu diesem späteren Zeitpunkt die Verhältnisse aus dem Jahr 2005 nicht mehr konkret in Erinnerung waren. Schließlich spricht gegen die Einlassung, der Sicherungsübereignungsvertrag sei tatsächlich bereits am 30.12.2005 abgeschlossen worden, dass dieser Zeitpunkt völlig unplausibel ist, zumal die H. Gastro der H. Musik bereits im Jahr 2000 ein Darlehen von über 187.000 € zur Verfügung gestellt hatte (Bl. 148 Bd. III), für das die H. Gastro damals offenbar keine Sicherung verlangt hatte. Ohne Sicherungsanspruch ist eine Sicherungsübereignung am 30.12.2005 kaum plausibel. Plausibel ist jedoch, dass die Angeschuldigten, nachdem das gesamte Inventar der Diskothek abgebrannt war, den einzigen bedeutenden Vermögenswert, der der H. Musik zu diesem Zeitpunkt noch zustand, nämlich den Anspruch gegen die H. Gastro auf Auszahlung der Versicherungssumme in Höhe von über 170.000 € (dazu s. o.) nach dem Brand dem Zugriff der Gläubiger der H. Musik entziehen wollten, also insbesondere dem Zugriff der Vermieterin der Diskothek. Wie der Rechtsstreit mit der Vermieterin ausgehen würde, was zu diesem Zeitpunkt völlig ungewiss.

Nicht überzeugend ist auch die Argumentation der Angeschuldigten, die Mietschulden hätten letztlich nur 15.517,71 € betragen, die dann aus der Versicherungsentschädigung getilgt worden seien (vgl. dazu Bl. 157, 158 Bd. III). Diese - niedrige - Summe beruhte gerade darauf, dass die Vermieterin sich zuvor am 29.08.2007 aus der Mietbürgschaft in Höhe von 61.355,03 € befriedigt hatte, die die Volksbank als Darlehen der H. Musik über 70.000 € am 28.12.2007 in Rechnung gestellt hat (vgl. dazu Bl. 113 Bd. II), die dann allerdings infolge der dafür wiederum übernommenen Bürgschaft von B. H. durch B. H. zurückgezahlt worden sind in Höhe von 60.264,72 € am 29.05.2008. Die weitere Vermieterforderung in Höhe von 20.000€/23.000 € ist auch nicht erst durch den Vergleich vor dem OLG Celle am 27.06.2008 €entstanden€ (Bl. 157 Bd. III), sondern resultiert aus den viel früheren rückständigen Miet- bzw. Nebenkostenzahlungen.

Schließlich stützt den hinreichenden Tatverdacht, wonach es am 30.12.2005 nicht zu einer Sicherungsübereignung gekommen ist, dass der Bilanzansatz für die Betriebs- und Geschäftsausstattung der H. Musik zum 31.12.2006 sich auf 95.809 € belief, womit zu 98 % Inventar für den Diskobetrieb erfasst war (vgl. Bl. 76 Bd. III). Dies korrespondiert mit der Bilanz der H. Musik zum 31.12.2004, die als Anlagevermögen eine Summe von 136.429 € auswies (vgl. Beweismittelordner IV), wobei sich dies ebenfalls auf das Inventar der Disko bezogen haben dürfte. Eine Sicherungsübereignung des Inventars an einen Dritten zwischen diesen beiden Bilanzen ergibt sich aus ihnen und aus ihren Bilanzsummen gerade nicht, ebenso wenig im Übrigen, wie es bei der H. Gastro zu keinem Zeitpunkt eine Abschreibung wegen des infolge des Brandes vernichteten Inventars gegeben hat.

3. Damit ist hinreichend wahrscheinlich i. S. v. § 170 Abs. 1 StPO, dass die Angeschuldigten erst am 27.07.2007 den zurückdatierten Sicherungs- und Übereignungsvertrag vom 30.12.2005 unterschrieben haben. Die Angeschuldigten sind daher einer Gläubigerbegünstigung gemäß § 283 c StGB hinreichend verdächtig.

a) Zwar wäre durch ein solches Verhalten auch der Tatbestand des Bankrotts gemäß § 283 Abs. 1 Nr. 1 StGB erfüllt. Die Angeschuldigten hätten dadurch nämlich Bestandteile des Vermögens der H. Musik beiseite geschafft, die im Falle der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zur Insolvenzmasse gehört hätten.

Anerkannt ist, dass in einer nicht gerechtfertigten Sicherungsübereignung ein Beiseiteschaffen liegen kann (Schönke-Schröder-Heine, StGB, 28. Aufl., § 283 Rdnr. 4; Fischer, StGB, 61. Aufl., § 283 Rdnr. 4). Am 27.07.2007 war das Inventar der Diskothek aber bereits vollständig verbrannt und konnte daher als solches nicht mehr übereignet werden. Tatsächlich ist - auch nach der Einlassung der Angeschuldigten - am 27.07.2007 auch nicht die Sicherungsübereignung erfolgt, sondern vielmehr anerkannt worden, dass bereits am 30.12.2005 eine Sicherungsübereignung erfolgt sei.

Auch dies würde den Tatbestand des €Beiseiteschaffens€ erfüllen. Zwar könnte es sich dabei auch um die Anerkennung eines erdichteten Rechtes nach § 283 Abs. 1 Nr. 4 StGB handeln. Dafür spräche, dass Nr. 4 als erfüllt angesehen wird, wenn die Entnahme von Geldern durch einen fingierten Darlehens- und Sicherungsübereignungsvertrag mit einem eingeweihten Dritten verdeckt wird (LK-Tiedemann, § 283 Rdnr. 86 unter Hinweis auf BGH, 5 StR 467/78 vom 16.01.1979). Durch die Anerkennung einer solchen Sicherungsübereignung bereits im Jahr 2005, die tatsächlich nicht erfolgt ist, wäre auch die Gläubigerbefriedigung beeinträchtigt worden (zur Notwendigkeit einer solchen teleologischen Redaktion vgl. LK-Tiedemann, § 283 Rdnr. 87). Denn die Sicherungsübereignung bereits im Jahr 2005 hätte bewirkt, dass der H. Musik kein Anspruch auf Auszahlung der Versicherungsleistung zustünde, aus der die Gläubiger sich hätten befriedigen können. Einen solchen Anspruch auf Auszahlung der Versicherungsleistung hätte die H. Musik ohne den Sicherungsübereignungsvertrag jedoch gehabt (s.o. 1 b). Da allerdings die Versicherung nach Vorlage des Sicherungsübereignungsvertrages die Versicherungsleistung an die H. Gastro ausgezahlt hat und diese die Versicherungsleistung sogleich verrechnet hat mit ihrem der H. Musik gewährten Darlehen, hat sich das Risiko, das durch die Anerkennung der - tatsächlich wahrscheinlich nicht erfolgten - Sicherungsübertragung geschaffen wurde, realisiert. Damit stand die Versicherungsleistung der H. Musik nicht zur Verfügung. Dies hatte zur Folge, dass die H. Musik keine ausreichenden Geldmittel zur Verfügung hatte, um ihre übrigen Verbindlichkeiten zu erfüllen, und Insolvenz angemeldet werden musste. Damit wäre der Vermögensgegenstand, nämlich der Anspruch auf Auszahlung der Versicherungsleistung der H. Musik gegen die H. Gastro endgültig beiseite geschafft, sodass auch § 283 Abs. 1 Nr. 1 StGB erfüllt wäre.

b) Dies kann aber letztlich dahinstehen, da § 283 verdrängt wird von § 283 c StGB mit seinem milderen Strafrahmen, sofern dessen Anwendungsbereich eröffnet ist (vgl. dazu Schönke-Schröder-Heine, StGB, 28. Aufl., § 283 c Rdnr. 1), weil der Täter bei § 283 c StGB nicht die Verwertung der Insolvenzmasse zugunsten der Gläubigergesamtheit hintertreibt, sondern nur die nach den Insolvenzvorschriften vorgesehene Verteilung der Insolvenzmasse.

Die Unterzeichnung eines rückdatierten Sicherungs- und Übereignungsvertrages am 27.07.2007 würde grundsätzlich den Tatbestand der Gläubigerbegünstigung nach § 283 c StGB erfüllen.

Zwar wurde durch die fingierte Sicherungsübertragung eine Forderung der H. Gastro gesichert, die nach früherem Recht als eigenkapitalersetzend anzusehen gewesen wäre und daher keine Forderung eines Gläubigers i. S. von § 283 c StGB gewesen wäre (vgl. dazu LK-Tiedemann, StGB, 11. Aufl., § 283 c Rdnr. 10). Nach altem Recht wurden die Gesellschafter einer insolventen Gesellschaft vom Gläubigerbegriff des § 283 c StGB ausgenommen. Nach der Aufgabe der Rechtsfigur der eigenkapitalersetzenden Gesellschafterdarlehen durch das MoMiG führen Gesellschafterdarlehen jedoch zu einer Gläubigerstellung und erfüllt die Rückzahlung eigenkapitalersetzender Darlehen nach neuem Recht grundsätzlich § 283 c StGB, nicht jedoch - wie vorher - § 283 StGB (LK-Tiedemann, StGB, 12. Aufl., § 283 c, Rdnr. 10; Schönke-Schröder-Heine, a.a.O., § 283 c Rdnr. 12).

Durch die Unterzeichnung eines rückdatierten Sicherungs- und Übereignungsvertrages am 27.07.2007 wäre auch eine Sicherung gewährt worden. Darunter fallen alle Rechtshandlungen, die zu einer masseschädigenden Rechtsfolge in Form einer Sicherung des Gläubigers führen (LK-Tiedemann, § 283 c Rdnr. 14). Es genügt das Erlangen einer Rechtsstellung, die es dem Gläubiger ermöglicht, eher, leichter, besser und sicherer befriedigt zu werden (Schönke-Schröder-Heine, § 283 c Rdnr. 4). Hier wurde durch die Unterzeichnung des vordatierten Sicherungs- und Übereignungsvertrages auf den Auszahlungsanspruch der H. Musik gegen die H. Gastro auf die Versicherungsleistung verzichtet und es der H. Gastro ermöglicht, sich eher, leichter, besser und sichererer zu befriedigen.

Auch die von § 283 c StGB geforderte Zahlungsunfähigkeit liegt mit hinreichender Wahrscheinlichkeit vor. Angesichts der Unterdeckung, die sich aus der Überschuldungsbilanz ergibt, ist ohne weiteres auch von Zahlungsunfähigkeit auszugehen, obwohl Überschuldung nicht stets Zahlungsunfähigkeit bedeuten muss. Auch bezüglich des subjektiven Tatbestandes zur Zahlungsunfähigkeit gilt das Gleiche wie hinsichtlich des Vorsatzes zur Überschuldung.

Zwar erfüllte das hinreichend wahrscheinliche Verhalten der Angeschuldigten zum Tatzeitpunkt am 27.07.2007 nicht den Tatbestand der Gläubigerbegünstigung, weil zu diesem Zeitpunkt die Grundsätze des Eigenkapitalersatzrechts noch galten und die H. Gastro daher nicht als Gläubigerin anzusehen war. Stattdessen lag nach damaligem Recht ein Bankrott vor. Nach § 2 Abs. 2 und Abs. 3 StGB ist bei einer Gesetzesänderung jedoch das mildeste Gesetz anzuwenden, also die nach Inkrafttreten des MoMiG geltende Rechtslage mit der Folge, dass der mildere Tatbestand der Gläubigerbegünstigung zur Anwendung kommt. Unrechtskontinuität (vgl. dazu Fischer, StGB, 61. Aufl., § 2 Rn 5) liegt vor.

4. Eine Zurechnung der Schuldnereigenschaft gemäß § 14 StGB ist nach Aufgabe der Interessentheorie unproblematisch (vgl. dazu BGHSt 57, 229). Entscheidend ist nunmehr, dass der Handelnde gerade in seiner Eigenschaft als vertretungsberechtigtes Organ, also im Geschäftskreis des Vertretenen und nicht bloß bei Gelegenheit, tätig wird (BGH, a. a. O.). Dies wäre hier bei der Unterzeichnung des Sicherungs- und Übereignungsvertrages und der darin liegenden Eigentumsübertragung bzw. faktisch dem Verzicht auf den Anspruch auf Auskehrung der Versicherungsleistung gegen die H. Gastro der Fall.

5. Auch das Delikt der Gläubigerbegünstigung nach § 283 c StGB ist nicht verjährt. Gläubigerbegünstigung ist mit einer Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren belegt und damit handelt es sich um eine Tat, die im Höchstmaß mit einer Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr bedroht ist, also um eine Tat, deren Verjährungsfrist nach § 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB fünf Jahre beträgt. Da nach § 283 c Abs. 3 StGB die Regelung in § 283 Abs. 6 StGB entsprechend gilt, diese objektive Strafbarkeitsbedingung hier eingetreten ist und die Verjährung erst mit Eintritt der Strafbarkeitsbedingung zu laufen beginnt (vgl. dazu Fischer, a. a. O., § 283 Rdnr. 39), ist Verjährung noch nicht eingetreten (Abweisung des Insolvenzantrages mangels Masse am 29.05.2009; verjährungsunterbrechende Kenntnis spätestens seit 21.03.2012, vgl. Bl. 9 ff. Bd. II).

6. Es besteht daher hinreichender Tatverdacht, dass die Angeschuldigten gemeinschaftlich (§ 25 Abs. 2 StGB) durch die Unterzeichnung des vordatierten Sicherungs- und Übereignungsvertrages vom 27.07.2007 eine Gläubigerbegünstigung gemäß § 283 c StGB begangen haben. Die Anklage war mit dieser Maßgabe zuzulassen und das Hauptverfahren zu eröffnen.

III.

Der Senat hat davon abgesehen, die Hauptverhandlung vor einer anderen Kammer des Landgerichts Verden zu eröffnen, weil dafür besondere Gründe erforderlich sind, die nicht erkennbar waren (vgl. dazu Meyer-Goßner, 56. Aufl., StPO, § 210 Rdnr. 10). Insbesondere hat sich die bisher zuständige Kammer des Landgerichts bisher in keiner Weise tatsächlich oder rechtlich festgelegt. Sie hat zwar den Sachverhalt in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht anders gewürdigt als der Senat, darin liegt indes noch keine Festlegung in der Sache.

Trotz der niedrigeren Straferwartung ist weiterhin die Zuständigkeit des Landgerichts gegeben, sie ist nach § 24 Abs. 1 Nr. 3 GVG unabhängig von der Straferwartung.

IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 465 StPO analog.






OLG Celle:
Beschluss v. 23.01.2014
Az: 2 Ws 347/13


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/c99f1cd360e8/OLG-Celle_Beschluss_vom_23-Januar-2014_Az_2-Ws-347-13




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