Bundespatentgericht:
Beschluss vom 3. Juli 2000
Aktenzeichen: 30 W (pat) 83/00

(BPatG: Beschluss v. 03.07.2000, Az.: 30 W (pat) 83/00)

Tenor

Die Beschwerde des Markenmitinhabers wird zurückgewiesen.

Gründe I.

Für die Herren Dr. S..., K... und Dr. L... ist in das Markenregister ein- getragen die Marke 396 27 351 siehe Abb. 1 am Endeals Kennzeichnung für die Waren

"Auf Datenträger aller Art aufgezeichnete Datenverarbeitungs- und Computerprogramme und Software".

Widerspruch erhoben hat die Inhaberin der rangälteren, unter anderem für die Waren

"Disketten, CDs, bespielte und unbespielte Träger von Bild, Ton und Software, insbesondere Filme, Magnetbänder, Videobänder, Laufwerke aller Art; Computerprogramme, basierend auf Windows; elektronische Anleitungsbücher für Physik, Mechanik, Chemie, Biologie, Optik; Videobänder und Filme, Cassetten, CD-ROMs"

eingetragenen Marke 2 905 754 KOSMOS.

Die Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patentamts hat durch Beschluß des Prüfers vom 12. November 1998 Verwechslungsgefahr bejaht und die Löschung der jüngeren Marke angeordnet. Die sich gegenüberstehenden Waren seien größtenteils identisch bzw hochgradig ähnlich; die dafür notwendigen strengen Anforderungen an den Markenabstand würden von der jüngeren Marke nicht erfüllt. Der Bildbestandteil dieser Marke sei nicht prägend, so daß sich der Verkehr in erster Linie an dem Wort "COSMOS" orientieren werde. In klanglicher Hinsicht bestehe völlige Übereinstimmung mit der Widerspruchsmarke, so daß auch bei unterstellter Kennzeichnungsschwäche von "KOSMOS" eine markenrechtliche Verwechslungsgefahr zu bejahen sei.

Dieser Beschluß ist Herrn Dr. S als dem in der Markenanmeldung Erstge- nannten in einfacher Ausfertigung zugestellt worden. Dagegen hatte Herr Dr. S... am 23. Dezember 1998 Beschwerde eingelegt. Diese war insbe- sondere auf die - wie der Beschwerdeführer meint - extreme Kennzeichnungsschwäche der Widerspruchsmarke gestützt. Die Widersprechende vertreibe unter ihrer Marke auch Software auf dem Gebiet der Astronomie und Raumfahrt, womit dem älteren Zeichen jegliche Originalität und markenrechtliche Unterscheidungskraft fehle. Des weiteren bestehe bei den Waren nur Teilidentität, denn das Warenverzeichnis der jüngeren Marke sei nicht vollständig im älteren Warenverzeichnis enthalten. Im übrigen war ein prioritätsälterer Werktitelschutz geltend gemacht.

In diesem vorausgegangenem Verfahren war zur mündlichen Verhandlung der Beschwerdeführer förmlich geladen. Im Ladungshinweis war unter der Rubrik "Beschwerdeführer" angeführt "S... und 2 weitere". Der "mit Urlaub des Beschwerdeführers und der beiden anderen Markenanmelder" begründeten Bitte des Beschwerdeführers, den zunächst angesetzten Verhandlungstermin zu verschieben, war stattgegeben worden. Im neuen Termin war lediglich Herr K... erschienen. Er hatte eine Vollmacht des Beschwerdeführers vorgelegt und außerdem erklärt, auch von Herrn Dr. L... bevollmächtigt zu sein, die schriftliche Vollmacht(surkunde) werde er binnen 10 Tagen nachreichen. Der Senat hat im an Verkündungs Statt zugestellten Beschluß vom 30.11.1999 über die Beschwerde des Markenmitinhabers und Beschwerdeführers Dr. S... entschieden. Der jetzige Beschwerdeführer K... hat in verschiedenen Eingaben - erstmals mit der vom 11.12.1999 - zu dem Beschluß Stellung genommen und aus ihm zitiert.

Am 24. Januar 2000 hat der Beschwerdeführer des vorliegenden Verfahrens selbst Beschwerde erhoben. Diese hält er für zulässig, da ihm der Beschluß der Markenstelle bislang nicht zugestellt worden sei. Die Löschung der Widerspruchsmarke habe er am 5.12.1999 beantragt.

Auf den Schriftsatz der Gegenseite vom 29.6.2000, der vorab per Fax dem Beschwerdeführer und dem Gericht zugegangen und in der mündlichen Verhandlung nochmals überreicht worden war, hat der Beschwerdeführer beantragt, die Verhandlung zu vertagen, da den Markenmitinhabern, denen dieser Schriftsatz nicht vor der Verhandlung zugestellt worden sei, ansonsten das rechtliche Gehör verweigert werde.

Der Beschwerdeführer beantragt, neuen Termin zu bestimmen, hilfsweise, den Beschluß der Markenstelle aufzuheben und die Sache an das Deutsche Patent- und Markenamt zurückzuverweisenhöchsthilfsweise, das Verfahren auszusetzen, bis das Patentamt über den Löschungsantrag entschieden habe.

Vorsorglich regt er die Zulassung der Rechtsbeschwerde an.

Die Widersprechende beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie regt an, soweit Zustellungsmängel vorlägen, die Zustellung nachzuholen und verweist im übrigen darauf, daß die zahlreichen Eingaben und Terminsverlegungsanträge des Beschwerdeführers offensichtlich allein darauf abzielten, die Löschung der angegriffenen Marke hinauszuzögern.

Der Beschwerdeführer hat nach Schluß der mündlichen Verhandlung geltend gemacht, auch die inzwischen angeordnete gesonderte Zustellung des angefochtenen Beschlusses an Dr. L... sei nicht wirksam. Dieser habe ihm mitgeteilt, es sei ihm nur eine Fotokopie ohne Beglaubigungs- oder Ausfertigungsvermerk zugestellt worden.

Ergänzend wird auf das schriftsätzliche Vorbringen und den Inhalt des patentamtlichen Beschlusses Bezug genommen.

II.

Das gegen die erkennenden Richter vom Beschwerdeführer eingereichte Ablehnungsgesuch ist durch Beschluß vom 17.8.2000 zurückgewiesen worden. Es ist damit erledigt im Sinne von § 47 ZPO, da gegen diesen Beschluß kein Rechtsmittel gegeben ist (die Verweisung in § 72 MarkenG nimmt § 46 ZPO aus, vgl auch § 82 Abs 2 MarkenG; Althammer/Ströbele, Markengesetz, 5. Aufl, § 72 Rdn 4; BGH GRUR 1985, 1039) und er deshalb sofort rechtskräftig ist.

1. Die Beschwerde ist statthaft, da er sich gegen einen Beschluß der Markenstelle richtet, durch den der Beschwerdeführer beschwert ist. Sie ist auch als zulässig zu behandeln, weil sich ihre Verfristung nicht hinreichend sicher feststellen läßt. Zwar ist der angefochtene Beschluß bereits im November 1998 dem Markenmitinhaber Dr. S... zugestellt worden. Daraus ergibt sich jedoch nicht hinreichend sicher, daß diese Zustellung auch für die Markenmitinhaber wirksam war. Es kann dabei dahingestellt bleiben, ob bei einer gemeinschaftlichen Beteiligung mehrerer Personen die Zustellung des Beschlusses an den insoweit gemäß § 3 Abs 2 S 2 MarkenV zustellungs- und empfangsbevollmächtigten Erstgenannten nur dann wirksam ist, wenn für alle weiteren Mitbeteiligten entsprechend viele Überstücke beigefügt sind. Es läßt sich nämlich hier nicht hinreichend sicher feststellen, ob der durch die vom DPMA verfügte Zustellung an Dr. S... insoweit klare Zustellungswille auch den Zustellungswillen an die Mitinhaber der Marke enthielt. Nach der vom Senat eingeholten, den Beteiligten übermittelten Auskunft des Patentamtes besteht keine einheitliche Handhabung der Zustellung in Fällen von mehreren Markeninhabern. Aus der patentamtlichen Akte ergibt sich aus dem Formular vom 12.11.1998 nur, daß verfügt worden ist: "zuzustellen an Markeninhaber", was sprachlich offen läßt, ob damit einer oder mehrere gemeint sind. In dem Formular, das die Bestätigung der Postabfertigungsstelle über die Hinausgabe des Beschlusses zur Post betrifft und das von der Markenstelle vorbereitet wird, ist nur Dr: S... angeführt, so daß die Möglichkeit nicht ausge- schlossen werden kann, daß dabei übersehen worden ist, daß mehrere Anmelder vorliegen, zumal solche Gemeinschaftsanmeldungen selten sind.

Fehlt aber der Zustellungswille, so ist nicht wirksam zugestellt. Auch handelt es sich dabei um einen wesentlichen Zustellungsmangel, so daß eine Heilung nicht in Betracht kommt. Unberührt bleibt allerdings die Möglichkeit, die Berufung auf einen Zustellungsmangel als Rechtsmißbrauch unbeachtet zu lassen. Dafür kann neben dem reinen Zeitablauf, auf den es in diesem Zusammenhang nicht allein ankommt, das sonstige Verhalten desjenigen maßgebend sein, der sich auf die fehlende Zustellung beruft (vgl insoweit zB BGH NJW 1963, 154;1965, 1532; MDR 1967, 289; mittelbar auch BGH Beschluß vom 29.1.1991, Az: X ZB 8/90, veröffentlicht in juris). Insoweit bestehen zwar vor allem deshalb nicht unerhebliche Bedenken, weil es dem Beschwerdeführer, der den Beschluß jedenfalls bei der Verhandlung am 20. September 1999 in Händen hätte, - wie aus seinen Anträgen und Stellungnahmen ersichtlich ist - hauptsächlich darauf ankommt, das Verfahren hinauszuzögern. Es ist in diesem Zusammenhang auch nicht ohne Bedeutung, daß der Beschwerdeführer die Rüge mangelhafter Zustellung erstmals nach Abschluß des Verfahrens gegen Dr. S... geltend gemacht hat, wäh- rend er in diesem Verfahren zB auch auf die unterbliebene förmliche Ladung der Mitbeteiligten zur mündlichen Verhandlung (§ 63 ZPO) durch rügelose Einlassung verzichtet hatte (§ 295 ZPO analog, vgl Thomas/Putzo, ZPO, 22. Aufl, § 63 Rdn 2). Der Beschwerdeführer hatte sich in diesem Verfahren auch zunächst wohl der Beschwerde des Dr. S... aus eigenem Interesse angeschlossen, weil nicht angenommen werden kann, daß er damals ausschließlich als Vertreter Dr. S... auftreten, also nur fremde Rechtsangelegenheiten wahrnehmen wollte, weil ihn dies in Konflikt mit dem Rechtsberatungsgesetz hätte bringen können. In der zusammenfassenden Würdigung kann allerdings zu Gunsten des Beschwerdeführers ein Rechtsmißbrauch noch verneint werden.

Die ordnungsgemäße Zustellung des Beschlusses ist allerdings nicht Voraussetzung für eine Beschwerdeeinlegung. Der Beschluß der Markenstelle ist nach Unterzeichnung und Versendung an die Beteiligten rechtlich existent geworden und damit beschwerdefähig, ohne daß es darauf ankommt, ob die Zustellungen richtig ausgeführt sind (vgl BGHZ 15, 142; Althammer/Ströbele, MarkenG, 5. Aufl § 66 Rdn 33 aE mit Nachweisen). Insoweit verweist der Senat auf die Gründe in seiner inzwischen veröffentlichten Entscheidung im Verfahren 30 W (pat) 46/99 (BlPMZ 2000, 226).

2. Eine erneute mündliche Verhandlung anzuberaumen, ist nicht veranlaßt. Unabhängig von der Frage, ob der Beschwerdeführer befugt ist, die allenfalls die Markenmitinhaber (die sich am Verfahren nicht beteiligt haben und insbesondere auch keinen Antrag auf mündliche Verhandlung gestellt haben) betreffende Frage zu rügen, der Schriftsatz vom 29.6.2000 sei ihnen nicht rechtzeitig zugestellt worden, ist dies kein Vertagungsgrund. Das Verfahren vor dem Patentgericht ist auch im Widerspruchsverfahren kein rein kontradiktorisches. Insbesondere gibt es keine Säumnisvorschriften, so daß die zum Schutz der im Termin nicht vertretenen Partei vorgeschriebenen Schriftsatzfristen (vgl § 132 ZPO) nicht ohne weiteres anwendbar sind. Im übrigen beziehen sich diese Fristen nur auf neuen Tatsachenvortrag, so daß sie auf den letzten Schriftsatz der Widersprechenden, der lediglich Rechtsausführungen betrifft, nicht anwendbar wären. Im Widerspruchsverfahren sind im übrigen auch erstmals in der mündlichen Verhandlung vorgetragene Tatsachen zu berücksichtigen. Soweit ein Beteiligter an ihr nicht teilnimmt, macht er von seinem Anspruch auf rechtliches Gehör keinen Gebrauch (vgl Althammer/Ströbele, MarkenG, 5. Aufl § 75 Rdn 4; BPatG, PAVIS PROMA (CD-ROM), 24 W (pat) 204/97 - Biopantin/Pantobiotin mit weiteren Nachweisen).

3. Die Zustellung des Beschlusses der Markenstelle vom 12. November 1998 an Dr. L... ist inzwischen rechtsgültig nachgeholt. Für das vorliegende Verfahren hat dies insoweit Bedeutung, weil das Rechtsmittel eines einzelnen Streitgenossen - bei (unterstellter) notwendiger Streitgenossenschaft - den übrigen die Möglichkeit einräumt, sich am Verfahren zu beteiligen. Allerdings ist Rechtsmittelführer allein der Streitgenosse, der das Rechtsmittel einlegt, hier also der Beschwerdeführer (Thomas/Putzo, ZPO, 22. Aufl., § 62 Rdn 24). Dr. L... hat sich am Verfahren nicht beteiligt, sondern mit Schreiben vom 17.5.2000 mitgeteilt, daß er sich bisher der Beschwerde nicht angeschlossen habe. Nach der insoweit auf seinen Antrag erfolgten Terminsverlegung ist eine weitere Stellungnahme nicht eingegangen. Die Zustellung ist ausweislich des Vermerks in der patentamtlichen Akte in der Weise erfolgt, daß 2 Exemplare des Beschlusses von Regierungsdirektorin D... unterzeichnet und damit 2 weitere Ausfertigungen hergestellt wur- den, wovon eine am 22.5.2000 an Dr. L... per Einschreiben zur Post gegeben worden ist. Eine Ausfertigung bedarf selbstverständlich keines Beglaubigungsvermerks oder eines Dienstsiegels (vgl § 71 MarkenV). Der nach dem Akteninhalt belegte Sachverhalt wird durch den Vortrag des Beschwerdeführers im nicht nachgelassenen Schriftsatz, er habe von Dr. L... gehört, diesem sei nur eine Kopie zugestellt worden, nicht widerlegt. Es handelt sich dabei um eine bloße Behauptung, die nicht einmal auf einer eigenen Wahrnehmung beruht. Im übrigen kann neuer Sachvortrag nach Schluß der Verhandlung nicht berücksichtigt werden, sondern allenfalls Anlaß dazu geben, die Verhandlung wieder zu eröffnen, wozu hier schon deshalb kein Grund besteht, weil Rechte des Beschwerdeführers nicht betroffen sind. Dahingestellt bleibt, ob insoweit überhaupt ein Verstoß gegen zwingende Zustellungsvorschriften vorläge (vgl Thomas/Putzo aa0 § 310 Rdn 7;verneinend wohl BGHZ 15, 142).

Die Zustellung ist auch nicht deshalb unwirksam, weil der Beschluß selbst vom November 1998 stammt. Die vom Beschwerdeführer angeführte Rechtsprechung bezieht sich - ungeachtet des in der von ihm zitierten Entscheidung mißverständlich formulierten Leitsatzes - auf Fälle, in denen zwischen der Beschlußfassung bzw der mündlichen Verhandlung und der Niederlegung der Gründe eine Zeitspanne von über 5 Monaten verstrichen war. Nur in diesen Fällen ist nicht mehr gewährleistet, daß das Vorbringen in der Verhandlung sowie möglicherweise das Beratungsergebnis zutreffend in den Gründen seinen Niederschlag gefunden hat (vgl GmSOGB BVerwGE 92, 367). Daß eine bereits vorliegende, fristgerecht abgesetzte Entscheidung erst später als 5 Monate nach ihrer Fertigung wirksam zugestellt werden kann (was zB bei unbekannten Aufenthalten von Beteiligten leicht möglich ist), wird davon nicht berührt.

4. Für die Entscheidung ist auch unerheblich, ob mehrere Markeninhaber auch als auf der Passivseite Beteiligte eine notwendige Streitgenossenschaft bilden (vgl § 62 ZPO). Soweit der Senat dies im vorausgegangenen Rechtsstreit inzident bejaht hat (Beschlußgründe S 5) führt dies zu keiner Selbstbindung, da sich diese Bindung stets nur auf die Entscheidung selbst, nicht jedoch auf Tatbestand und Gründe bezieht (vgl Thomas/Putzo, ZPO, 22. Aufl § 318 Rdn 1). Bei Personenmehrheit auf der Passivseite besteht nach der grundlegenden Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGHZ 23, 73) in aller Regel keine notwendige Streitgenossenschaft (verneint zB auch bei Gesamtschuldnern, BGHZ 54, 251; 63, 51; 92, 351; vgl hierzu Wieser, notwendige Streitgenossenschaft, NJW 2000, 1163). Auch die Notwendigkeit einer einheitlichen Entscheidung liegt wohl nur dann vor, wenn auf Abgabe einer von mehreren gemeinschaftlich geschuldeten Willenserklärung geklagt wird, was hier nicht der Fall ist, weil im Widerspruchsverfahren der Anspruch gegen die Inhaber der angegriffenen Marke nicht auf Einwilligung in die Löschung gerichtet, sondern gegebenenfalls unmittelbar die Löschung anzuordnen ist. Letztlich kommt es hierauf aber nicht an. Selbst wenn nämlich notwendige Streitgenossenschaft besteht und die Zustellung des patentamtlichen Beschlusses gegenüber den weiteren Markenmitinhabern unwirksam der Beschluß ihnen gegenüber noch nicht rechtskräftig geworden war, so wäre zwar die Entscheidung im Verfahren 30 W (pat) 46/99 möglicherweise ohne gültige Beteiligung der weiteren Markenmitinhaber ergangen. Auch in diesem Fall läge aber nur eine zwar prozeßwidrig ergangene, aber deshalb gleichwohl zu beachtende, gegenüber dem Beteiligten Dr. S... wirksame Entscheidung vor (vgl dazu BGH NJW 1989, 2133). Die übersehene Beteiligung führt dann nur dazu, daß - so wie bei einfacher Streitgenossenschaft - keine Bindung an die getroffene Entscheidung gegenüber den nicht am Verfahren beteiligten weiteren Streitgenossen besteht (BGHZ 131, 376; Thomas/Putzo aa0 § 62, Rdn 30).

5. Eine Aussetzung des Verfahrens bis zur Entscheidung über die Löschung der Widerspruchsmarke ist nicht veranlaßt. Bei der möglichen Aussetzung des Widerspruchsverfahrens sind die beiderseitigen Interessen der Beteiligten gegeneinander abzuwägen (vgl zB BPatGE 38, 176). Wegen der Zweiteilung der Prüfung auf absolute bzw relative Schutzhindernisse im deutschen Markenrecht und der daraus folgenden Bindung, die es untersagt, im Widerspruchsverfahren (wie auch im Verletzungsstreit) die Schutzfähigkeit der Widerspruchsmarke insgesamt in Frage zustellen, darf bei der notwendigen Ermessensentscheidung nicht bereits die bloße Möglichkeit, daß der Widerspruchsmarke im Löschungsverfahren der Schutz entzogen werden könnte, ausreichen, das Verfahren auszusetzen. Vielmehr ist Voraussetzung, daß die Entscheidung über den Löschungsantrag hinreichende Erfolgsaussicht hat und zudem auch voraussichtlich alsbald getroffen werden wird. Beides ist nicht feststellbar. Seine Begründung zum Löschungsantrag hat der Beschwerdeführer nicht vorgelegt. Aus der Erwiderung der Widersprechenden ist zu entnehmen, daß sich der Löschungsantrag nur auf einen Teil der Waren bezieht und daß nicht nur die Rechtsfrage der abstrakten Schutzfähigkeit der Bezeichnung Kosmos als solche zur Entscheidung steht, sondern auch die Frage, ob ein etwa bestehendes Schutzhindernis inzwischen durch Verkehrsdurchsetzung überwunden ist. Insoweit dürfte noch nicht einmal der Sachverhalt ausreichend abgeklärt sein, so daß mit einer raschen und im Sinne des Beschwerdeführers ergehenden Entscheidung nicht hinreichend sicher gerechnet werden kann.

6. Die unterbliebene Zustellung des Beschlusses an den Beschwerdeführer ist kein Verfahrensmangel, der nur eine Zurückverweisung und keine Sachents cheidung zuließe. Verfahrensmängel im Sinn von § 70 Abs 3 Nr 2 MarkenG sind beispielhaft bei Ingerl/Rohnke, MarkenG, § 70 Rdn 15 aufgezählt. Ob sich Zustellungsfehler zwanglos hierunter einordnen ließen, mag dahinstehen. Jedenfalls kommt diesen bei der zur Frage der Zurückverweisung erforderlichen Ermessensausübung keine so starke Bedeutung zu, daß der mit der Zurückverweisung verbundene Zeitverlust auf jeden Fall hingenommen werden muß, zumal Zustellungen jederzeit nachgeholt werden können (Thomas/Putzo aa0, Vorbem § 166 Rdn 18). Eine Zustellung ist nämlich insbesondere dann nicht (mehr) veranlaßt, wenn sie ohne jede Bedeutung bliebe. Das ist hier der Fall, nachdem der Beschwerdeführer bereits - unabhängig von der Zustellungsfrage - (zulässig) Beschwerde eingelegt hat und ihm die Zustellung kein weiteres Beschwerderecht geben würde, da es gegen Entscheidungen des Patentamts für jeden Beteiligten nur eine Beschwerde gibt. (Der Sonderfall, daß nach einer unzulässigen Beschwerde (innerhalb der Beschwerdefrist) nochmals Beschwerde eingelegt werden kann, liegt hier nicht vor). Für den Fall der wegen fehlender Unterschrift auf dem Empfangsbekenntnis fehlerhaften Zustellung hat der Bundesgerichtshof ausgeführt, die Form dürfe nicht zum Schaden des Rechtsfriedens zum reinen Selbstzweck erhoben werden (BGHZ 41, 337, 340). Dies gilt hier entsprechend (vgl auch Thomas/Putzo aa0 § 516 Rdn 1).

7. Über die Beschwerde ist demnach in der Sache selbst zu entscheiden. Dabei steht der Zurückweisung der Beschwerde nicht entgegen, daß der Beschwerdeführer zur Sache selbst keinen förmlichen Antrag gestellt hat. Mittelbar ergibt sich aus der Anregung, die Rechtsbeschwerde zuzulassen allerdings, daß er auch mit einer Sachentscheidung rechnet. Im Beschwerdeverfahren gibt es keine stufenweise Zerlegung des Streitstoffes in dem Sinn, daß der Beschwerdeführer selbst bestimmen könnte, daß zB nur die Frage einer Zurückverweisung Beschwerdegegenstand wäre, nicht jedoch die Entscheidung in der Sache selbst.

Dabei hat die erneute Überprüfung der Sach- und Rechtslage keinen Anlaß gegeben, die Verwechslungsgefahr anders als in der Vorentscheidung zu beurteilen. Wegen der Identität der durch die beiden Marken erfaßten Waren und der Ähnlichkeit der Marken besteht für das angesprochene Publikum, das hier auch ein breites Spektrum nahezu jeglicher Alters- und Bildungsschichten umfaßt, die Gefahr von Verwechslungen im Sinne von § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG.

Die von den beiderseitigen Marken erfaßten Waren sind identisch, jedenfalls was die "Computerprogramme, basierend auf Windows" auf Seiten der Widersprechenden betrifft, denn dieses Betriebssystem ist ein Teilbereich der von der angegriffenen Marke beanspruchten "auf Datenträgern aller Art aufgezeichneten Datenverarbeitungs- und Computerprogrammen und Software". Soweit die angegriffene Marke auch noch nicht auf Windows basierende Programme betrifft, ist eine entsprechende Aussonderung solcher Waren aus dem umfassenden Warenverzeichnis nur durch die Markeninhaber möglich.

Bei Übereinstimmung der Warenbereiche ist grundsätzlich ein besonders deutlicher Abstand der Marken notwendig. Die Anforderungen sind dann reduziert, wenn das ältere Zeichen wegen geringer Kennzeichnungskraft nur einen eingeschränkten Schutzumfang beanspruchen kann (vgl BGH GRUR 1996, 198 - Springende Raubkatze; MarkenR 1999, 28 - Tour de Culture; EuGH, MarkenR 1999, 22 - Canon). Für die Entscheidung kann hier dahinstehen, ob und inwieweit der Schutzumfang der älteren Marke wegen Anlehnung an eine beschreibende Sachangabe gemindert und möglicherweise sogar nur sehr gering ist, und ob bzw inwieweit diese Kennzeichnungsschwäche durch intensive und langjährige Benutzung einer der Widersprechenden zustehenden gleichlautenden Marke eine Steigerung erfahren hat; denn auch bei Zugrundelegung einer nur geringen Kennzeichnungskraft ist Verwechslungsgefahr zu bejahen.

Selbst für den Fall, daß eine Marke trotz absoluter Schutzhindernisse eingetragen worden ist, muß in allen Verfahren von der bestehenden Eintragungsentscheidung ausgegangen werden, so lange die Marke nicht gelöscht worden ist. Zwar hat die Marke als schwaches Zeichen dann nur geringe Abwehrmöglichkeiten, ihr darf der gesetzliche Schutz vor Verwechslungen jedoch nicht mit der Begründung versagt werden, diese Gefahr müsse wegen eines Freihaltebedürfnisses in Kauf genommen werden (vgl zB BGH GRUR 1989, 349 - ROTH-HÄNDLE-KENTUCKY; GRUR 1989, 264 - REYNOLDS R1 (dort allerdings jeweils im Ergebnis Verwechslungsgefahr verneint); Ingerl/Rohnke, MarkenG, § 14 Rdn 197 mwNachw). Dieser Schutz bezieht sich nicht nur auf vollständige Identität mit einer anderen Marke, sondern muß auch einen darüber hinausgehenden, zumindest geringfügigen Raum umfassen (Ingerl/Rohnke aa0). Dieser Schutzbereich wird hier von der jüngeren Marke tangiert.

Bei ihr handelt es sich um ein Wort-Bild-Zeichen, für dessen Gesamteindruck - wie in der Regel - der Wortbestandteil maßgebend ist, denn er ist die einfachste Bezeichnungsform. Bei den nach den einander gegenüberstehenden allgemein gefaßten Warenverzeichnissen handelt es sich gerade bei Computerprogrammen und Software um Waren, die inzwischen als Allerweltsartikel des täglichen Gebrauchs zu beurteilen sind und die auch von ihrem Preisniveau her zu keiner irgendwie ins Gewicht fallenden Aufmerksamkeit bei ihrem Erwerb geben müssen. Deshalb sind mündliche Bestellungen nicht nur nicht auszuschließen, sondern sie spielen mindestens eine normale Rolle. Etwas anderes könnte nur gelten, wenn der Bildbestandteil derart auffällig und eigenständig herkunftshinweisend sowie auch ohne weiteres benennbar wäre, daß der Wortbestandteil für den Verkehr eher unbeachtlich erschiene. Hier jedoch wird die Bedeutung des Begriffs "Kosmos" (der griechischen Ursprungs ist und mit "Ordnung, Schmuck" übersetzt wird) als "die Welt als Ganzes" bzw im übertragenen Sinn auch als Bezeichnung für "jedes Ganze, das eine in sich geschlossene und geordnete Einheit von zusammenhängenden Dingen, Erscheinungen, Abläufen uä bildet" (vgl Brockhaus, Die Enzyklopädie in 24 Bänden, 12. Bd, 20. Aufl, S 424) durch den Bildbestandteil, der auf ein Molekülgitter hinweist, gleichsam nur bildlich unterstrichen und verstärkt. Wird aber die jüngere Marke nach ihrem Wortbestandteil benannt, so besteht klangliche und begriffliche Übereinstimmung mit dem älteren Zeichen, womit eine Verwechslungsgefahr zu bejahen ist. Auf die Entscheidung ROYALE (BGH GRUR 1988, 542), die eine ähnliche Fallgestaltung betraf (wobei dort sogar der Bildteil (Segelschiff) keinen Bezug zum Markenwort aufwies und der Bundesgerichtshof gleichwohl dem Markenwort kollisionsbegründende Wirkung beigemessen hat) und deren Grundsätze auch für das Markengesetz als fortgeltend angesehen werden (BGH GRUR 1998, 930 - Fläminger) wird ergänzend Bezug genommen. Danach kann sich derjenige nicht auf ein Freihaltebedürfnis berufen, der den freihaltebedürftigen Begriff selbst markenmäßig verwendet (ebenso BPatG GRUR 1997, 649 Microtec/Research Microtek). § 23 MarkenG ist im Widerspruchsverfahren nicht (auch nicht entsprechend) anwendbar (BGH aa0 Fläminger).

Für die Entscheidung kann deshalb dahinstehen, ob auch beim bildlichen Vergleich mit Verwechslungen in rechtserheblichem Ausmaß gerechnet werden müßte (nur bei der rein visuellen Wahrnehmung nämlich kann auch die bildliche Gestaltung die visuelle Erinnerung mitprägen, vgl BGH BlPMZ 1999, 226 - LION DRIVER).

Ebenfalls ist im vorliegenden Fall ohne Bedeutung, ob den Inhabern der angegriffenen Marke ein älterer, mit der Marke identischer Werktitel zusteht, denn maßgebend für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr im Sinne des § 9 MarkenG sind allein Marken in ihrer registrierten Form, nicht jedoch andere nicht registrierte Schutzrechte.

Die Beschwerde ist deshalb ohne Erfolg.

Für die Kosten gilt § 71 Abs 1 Satz 2 MarkenG.

Gründe

für die Zulassung der Rechtsbeschwerde gemäß § 83 Abs 2 MarkenG sind nicht ersichtlich. Die eventuell höchstrichterlich noch nicht voll geklärten Fragen der Zustellung wie auch der notwendigen Streitgenossenschaft sind hier ohne Einfluß auf das Ergebnis. Abstrakte Rechtsfragen ohne Entscheidungbelang hat der Bundesgerichtshof aber nicht zu entscheiden, so daß sie auch keine Zulassung der Rechtsbeschwerde rechtfertigen können.

Dr. Buchetmann Winter Schwarz-Angele Hu Abb. 1 http://agora/bpatgkollision/docs/D110248.3.gif






BPatG:
Beschluss v. 03.07.2000
Az: 30 W (pat) 83/00


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