Bundespatentgericht:
Beschluss vom 16. Februar 2009
Aktenzeichen: 15 W (pat) 303/05

(BPatG: Beschluss v. 16.02.2009, Az.: 15 W (pat) 303/05)

Tenor

Das Patent 100 01 476 wird widerrufen.

Gründe

I.

Auf die am 15. Januar 2000 beim Deutschen Patentund Markenamt eingereichte Patentanmeldung ist das deutsche Patent 100 01 476 mit der Bezeichnung

"Verwendung eines Pflanzenöls für ein Beschichtungsmittel"

erteilt worden. Veröffentlichungstag der Patenterteilung in Form der DE 100 01 476 B4 ist der 19. August 2004.

Das Streitpatent umfasst elf Patentansprüche, die folgenden Wortlaut haben:

"1. Verwendung zumindest eines epoxierten Pflanzenöls als Hauptbestandteil eines Beschichtungsmittels für ein Trägermaterial aus einem nachwachsenden Rohstoff.

2.

Verwendung nach Anspruch 1, wobei das Beschichtungsmittel mittels energiereicher Strahlung durch kationische Polymerisation aus dem flüssigen in den festen Aggregatzustand überführbar ist.

3.

Verwendung nach Anspruch 1 oder 2, wobei der nachwachsende Rohstoff ein Material auf Basis eines epoxidierten Leinöls ist.

4.

Verwendung nach Anspruch 1 oder 2, wobei der nachwachsende Rohstoff ein Material auf Basis eines epoxidierten iberischen Drachenkopföls ist.

5.

Verwendung nach einem der vorhergehenden Ansprüche, wobei das Beschichtungsmaterial mittels UV-Strahlung aus dem flüssigen in den festen Aggregatzustand überführbar ist.

6.

Verwendung nach einem der vorhergehenden Ansprüche, wobei das Beschichtungsmaterial mittels sichtbaren Lichts aus dem flüssigen in den festen Aggregatzustand überführbar ist.

7.

Verwendung nach einem der vorhergehenden Ansprüche, wobei das Beschichtungsmaterial mittels Elektronenstrahlung aus dem flüssigen in den festen Aggregatzustand überführbar ist.

8.

Verwendung nach einem der Ansprüche 1 bis 7 für Holz oder Holzwerkstoff als Trägermaterial.

9.

Verwendung nach einem der Ansprüche 1 bis 7 für Leder als Trägermaterial aufgetragen wird.

10.

Verwendung nach einem der Ansprüche 1 bis 7 für Papier oder Karton als Trägermaterial.

11.

Verwendung nach einem der Ansprüche 1 bis 7 für Linoleum oder Kork als Trägermaterial."

Gegen das Patent hat die H... GmbH, S...str. in, H..., mit Schriftsatz vom 16. November 2004, eingegangen am 17. November 2004 beim Deutschen Patentund Markenamt, Einspruch erhoben und beantragt, das Patent in vollem Umfang zu widerrufen.

Zur Begründung ihres Vorbringens hat sie sich auf die Dokumente D1 US 5 318 808 D2 Datenblatt "MERGINATE ELO", Harburger Fettchemie Brinckman & Mergell GmbH, 21079 Hamburg, Seehafenstr. 2, vom 29. Januar 1996, als druckschriftlichen Stand der Technik gestützt und schriftsätzlich geltend gemacht, dass es dem Gegenstand des angegriffenen Patents gegenüber dem genannten Stand der Technik an der erforderlichen Neuheit fehle. Des Weiteren hat sie darauf hingewiesen, dass insbesondere die Patentansprüche 1 und 2 weit über das hinausgingen, was im angegriffenen Patent als Erfindung offenbart werde. So umfasse Patentanspruch 1 offensichtlich auch all das, was die Patentinhaberin in der Beschreibungseinleitung des Patents bereits als Stand der Technik anerkenne bzw. das, was sie in den Beispielen 1 bis 4 als unakzeptabel beschreibe (vgl. Einspruchsschriftsatz, Seiten 2 und 3).

Mit Schreiben vom 26. August 2005 hat die Einsprechende hilfsweise die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung beantragt.

Die Patentinhaberinnen haben im Schriftsatz vom 3. März 2005 mitgeteilt, dass von Seiten der Patentinhaberinnen beabsichtigt sei, zu dem Einspruch Stellung zu nehmen. Weiter haben sie mit Schreiben vom 19. August 2005 vorsorglich eine mündliche Verhandlung beantragt.

Mit der Ladung vom 5. Dezember 2008 zur mündlichen Verhandlung hat der Senat die Patentinhaberinnen gebeten, eine eventuell vorgesehene Stellungnahme auf den Einspruchsschriftsatz demnächst einzureichen, da es für den Verfahrensablauf sehr förderlich sei, wenn die Äußerungen der Beteiligten vor dem Termin zur mündlichen Verhandlung am 9. Februar 2009 vorlägen.

Die Patentinhaberinnen haben sich sachlich hierzu nicht geäußert, vielmehr haben sie mit Schriftsatz vom 8. Januar 2009 eine Entscheidung nach Aktenlage beantragt und mitgeteilt, dass eine Teilnahme an der mündlichen Verhandlung nicht beabsichtigt sei. Damit haben sie ihren Antrag auf Anberaumung einer mündlichen Verhandlung nicht weiterverfolgt.

Daraufhin wurde der Verhandlungstermin vom 9. Februar 2009 von Amts wegen aufgehoben und den Beteiligten mitgeteilt, dass in Kürze im schriftlichen Verfahren - jedoch nicht vor dem 13. Februar 2009 - entschieden werde.

Die Patentinhaberinnen haben keinen förmlichen Antrag gestellt.

Die Einsprechende beantragt, das erteilte Patent in vollem Umfang zu widerrufen.

Wegen weiterer Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Akten verwiesen.

II.

Das Bundespatentgericht bleibt auch nach Wegfall des § 147 Abs. 3 PatG für die Entscheidung über die Einsprüche zuständig, die in der Zeit vom 1. Januar 2002 bis zum 30. Juni 2006 eingelegt worden sind. Es bestehen weder Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des § 147 Abs. 3 PatG (BGH GRUR 2007, 859 - Informationsübermittlungsverfahren I), noch berührt die Aufhebung der Bestimmung ihre Geltung für alle bereits tatbestandlich erfassten Fälle (BPatG 19 W (pat) 344/04 und 23 W (pat) 313/03). Nach dem allgemeinen verfahrensrechtlichen Grundsatz der perpetuatio fori (§ 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO) besteht eine einmal begründete gerichtliche Zuständigkeit vielmehr fort, solange der Gesetzgeber nichts anderes bestimmt hat (BGH GRUR 2007, 862 - Informationsübermittlungsverfahren II).

III.

Der fristund formgerecht eingelegte Einspruch ist zulässig.

Der Einspruch hat auch Erfolg, denn die Verwendung zumindest eines epoxidierten Pflanzenöls als Hauptbestandteil eines Beschichtungsmittels gemäß dem geltenden, erteilten Patentanspruch 1 ist nicht patentfähig. Das Patent war deshalb zu widerrufen (§ 61 Absatz 1 Satz 1 PatG).

1.

Es kann dahingestellt bleiben, ob die erteilten Patentansprüche zulässig sind, denn der Einspruch hat jedenfalls schon deshalb Erfolg, weil der Gegenstand des Patentanspruchs 1 gegenüber dem Stand der Technik nicht neu ist (vgl. hierzu BGH GRUR 1991, 120, 121 li. Sp. Abs. 3 - "Elastische Bandage").

2.

Dem Gegenstand gemäß Patentanspruch 1 des Streitpatents mangelt es an der erforderlichen Neuheit gegenüber dem Inhalt der Druckschrift US 5 318 808 (D1).

Gegenstand des angegriffenen Patentanspruchs 1 ist, nach Merkmalen gegliedert, die M1 Verwendung zumindest eines epoxidierten Pflanzenöls M2 als Hauptbestandteil eines Beschichtungsmittels M3 für ein Trägermaterial aus einem nachwachsenden Rohstoff.

Die US 5 318808A(D1) befasst sich mit einem Beschichtungsmittel auf Basis von epoxidierten Pflanzenölen zum Beschichten von Trägermaterialien (D1, Ansprüche 1 und 2). Diese epoxidierten Pflanzenöle (Merkmal M1) sind Hauptbestandteil des Beschichtungsmittels (Merkmal M2), denn sie sind in dem Beschichtungsmittel mit einem Gehalt von 30 bis 90 Teilen, bevorzugt mit einem Gehalt von 50 bis 90 Teilen, besonders bevorzugt mit einem Gehalt von 60 Teilen, enthalten (D1, Anspruch 1 i. V. m. Spalte 3, Zeilen 13 bis 17, 22 bis 24 und 37 bis 41). Mit diesem Beschichtungsmittel können beispielsweise Holzprodukte (Merkmal M3) beschichtet werden (D1, Spalte 7, Zeilen 3 bis 9), so dass sich aus der D1 die Eignung epoxidierter Pflanzenöle zur Beschichtung von Trägermaterialien aus Holz als einem nachwachsenden Rohstoff unmittelbar ergibt.

Somit sind unstreitig alle Merkmale M1 bis M3 der Druckschrift D1 zu entnehmen, weshalb die angegriffene Verwendung gemäß dem Patentanspruch 1 der Streitpatentschrift insgesamt als vorweggenommen anzusehen ist.

Der geltende Patentanspruch 1 hat daher mangels Neuheit keinen Bestand.

3. Die Patentinhaberinnen haben schriftsätzlich beantragt, nach Aktenlage zu entscheiden. Sie haben sich weder sachlich zum Einspruch geäußert, noch Hilfsanträge gestellt. Da sich aus dem Akteninhalt keine Anhaltspunkte für ein stillschweigendes Begehren einer weiter beschränkten Anspruchsfassung ergeben, haben die Patentinhaberinnen die Aufrechterhaltung des Patents erkennbar nur im Umfang des erteilten Anspruchssatzes beantragt, der zumindest einen nicht rechtsbeständigen Patentanspruch 1 enthält. Deshalb war das Patent insgesamt zu widerrufen. Auf die übrigen Patentansprüche 2 bis 11 brauchte bei dieser Sachlage nicht gesondert eingegangen zu werden (BGH GRUR 2007, 862 - Informationsübermittlungsverfahren II; Fortführung BGH GRUR 1997, 120 - Elektrisches Speicherheizgerät).

Feuerlein Schwarz-Angele Egerer Zettler Ko






BPatG:
Beschluss v. 16.02.2009
Az: 15 W (pat) 303/05


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