Bundespatentgericht:
Beschluss vom 16. Juni 2009
Aktenzeichen: 10 W (pat) 43/07

(BPatG: Beschluss v. 16.06.2009, Az.: 10 W (pat) 43/07)

Tenor

1. Auf die Beschwerde wird der Beschluss des Deutschen Patentund Markenamts -Prüfungsstelle für Klasse H04Q -vom 12. April 2007 aufgehoben.

2. Der Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Am 18. Dezember 2006 reichte die Anmelderin beim Deutschen Patentund Markenamt die Patentanmeldung mit der Bezeichnung "Sende-/Empfangsvorrichtung und Verfahren zur Kommunikation in einem Mobilfunknetzwerk" ein. Die Anmeldungsunterlagen sind in deutscher Sprache. In der 23 Seiten umfassenden Beschreibung sind vereinzelt englische Ausdrücke wie "Location Services" und "Timing Advance" (Seiten 2, 16 und 17) enthalten. Die Figuren 2, 3 und 6 der insgesamt 6 Zeichnungen enthalten durchweg englische Ausdrücke wie "GSM Network", "Emergency call", "Emergency SMS", "PLM Network Operator", "POTS/ISDN Network", "Location Information from LBS", "IT Center with Localization and Map-Software", "DataBase with Information about Network Infrastructure", "Emergency Center", "Location on map with improved accuracy".

Das Deutsche Patentund Markenamt -Prüfungsstelle für Klasse H04Q -hat der Anmelderin mit Schreiben vom 12. April 2007 durch eine Beamtin des gehobenen Dienstes formlos mitgeteilt, dass sich die englischen Ausdrücke in den Zeichnungen 2, 3 und 6 -nach Mitteilung des Prüfers -nicht auf Fachbegriffe beschränkten. Gemäß § 35 PatG wäre innerhalb von drei Monaten eine Übersetzung notwendig gewesen. Da diese nicht fristgemäß nachgereicht worden sei, gelte die Anmeldung gemäß § 35 Abs. 2 Satz 2 PatG als nicht erfolgt. Auf die Möglichkeit einer Wiedereinsetzung werde hingewiesen, anderenfalls erfolge die Löschung des Aktenzeichens.

Hiergegen wendet sich die Anmelderin mit der Beschwerde und beantragt sinngemäß, den angefochtenen Beschluss aufzuheben. Zur Begründung trägt sie im Wesentlichen vor, dass fremdsprachige Zeichnungsbeschriftungen schon grundsätzlich nicht die Rechtsfolge des § 35 Abs. 2 Satz 2 PatG auslösen könnten, weil Zeichnungen nicht zu den Erfordernissen gehörten, die für die Begründung eines Anmeldetags erforderlich seien. Die teilweise mangelhafte Figurenbeschreibung habe daher keine Auswirkungen auf den Anmeldetag, sondern sei im normalen Prüfungsverfahren heilbar. Zudem seien die entsprechenden deutschen Ausdrücke in der Beschreibung einschließlich der Bezugszeichenliste offenbart, was im Einzelnen ausgeführt wird. So stehe etwa "Emergency Call" für Notruf (Beschreibung Seite 2 , Zeile 1), "Location Information from LBS" für Lokalisierungsinformation (Seite 2, Zeile 10), "Location on Map" für "Position des Mobiltelefons auf einer Karte"(Seite 2, Zeilen 14, 15), "IT Center with Map-Software" für ein Informationszentrum mit geeigneter Software (Seite 2, Zeilen 11, 12 und 13). Schließlich sei es auch nicht verhältnismäßig, dass wegen weniger fremdsprachiger Ausdrücke eine Anmeldung wegfallen solle. Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr werde beantragt, da die Entscheidung offenkundig rechtswidrig sei.

II.

1.

Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere auch statthaft, denn sie ist gegen einen Beschluss im Sinne von § 73 PatG gerichtet. Ob ein Beschluss vorliegt, ist nach ständiger Rechtsprechung nicht nach der äußeren Form oder Bezeichnung der Entscheidung zu beurteilen, sondern nach ihrem materiellen Gehalt. Unter einem Beschluss im Sinne von § 73 Abs. 1 PatG ist danach eine Entscheidung zu verstehen, durch die eine abschließende Regelung erfolgt, die die Rechte eines Beteiligten berühren kann (vgl. Schulte, PatG, 8. Aufl., § 73 Rdn. 23, 25). Hiervonausgehend handelt es sich bei dem nicht in der äußeren Form eines Beschlusses ergangenen Bescheid des Patentamts vom 12. April 2007 um einen anfechtbaren Beschluss. Er enthält seinem Inhalt nach ersichtlich eine abschließende Regelung über die Nichterfüllung des Übersetzungserfordernisses nach § 35 Abs. 1 Satz 1 PatG aufgrund englischer Ausdrücke bei einem Teil der Zeichnungen. Die Rechtsfolge des § 35 Abs. 2 Satz 2 PatG wird als eingetreten bezeichnet, ohne dass der Anmelderin eine Gelegenheit zur Äußerung eingeräumt worden ist.

2.

Die Beschwerde ist auch begründet.

a) Der Senat hat von einer Zurückverweisung gemäß § 79 Abs. 3 Nr. 2 PatG abgesehen, obwohl das Verfahren vor dem Patentamt an wesentlichen Mängeln leidet. Zum einen durfte die Feststellung, dass die Patentanmeldung als nicht erfolgt gilt, nicht von einer Beamtin des gehobenen Dienstes getroffen werden. Vielmehr ist für die Feststellung gemäß § 27 Abs. 2 PatG der Prüfer zuständig, nachdem gemäß § 27 Abs. 5 PatG i. V. m. der Wahrnehmungsverordnung diesbezüglich keine Übertragung auf andere Bedienstete des Patentamts vorsieht; insbesondere gehört die auf der Grundlage des § 35 Abs. 2 Satz 2 PatG zu treffende Feststellung nicht zu der formellen Bearbeitung von Patentanmeldungen, die gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 7 WahrnV in die Zuständigkeit des gehobenen Dienstes fällt (vgl. z.B. Senatsbeschluss vom 21. September 2007, 10 W (pat) 22/07, in juris). Zum anderen ist der Anmelderin vor Beschlussfassung kein rechtliches Gehör gewährt worden. Der Grundsatz des rechtlichen Gehörs, Art. 103 Abs. 1 GG, gilt im Verfahren vor dem Patentamt nicht nur dort, wo der Anspruch auf rechtliches Gehör ausdrücklich im Patentgesetz noch einmal wiederholt worden ist (§§ 42 Abs. 3 Satz 2 PatG, 48 Satz 2 PatG), sondern rechtliches Gehör ist vor allen Entscheidungen, die Rechte Beteiligter berühren können, zu gewähren (vgl. Schulte, a. a. O., Einl. Rdn. 227). Da die Sache aber entscheidungsreif ist und das Verfahren nicht weiter verzögert werden soll, hat der Senat jedoch in der Sache entschieden.

b) Die vom Patentamt getroffene Feststellung, wonach die Patentanmeldung mangels fristgerechter Nachreichung einer Übersetzung als nicht erfolgt zu gelten habe, ist zu Unrecht erfolgt.

Nach § 35 Abs. 1 Satz 1 PatG hat der Anmelder, wenn die Anmeldung ganz oder teilweise nicht in deutscher Sprache abgefasst ist, innerhalb einer Frist von drei Monaten nach Einreichung der Anmeldung eine deutsche Übersetzung nachzureichen. Anderenfalls gilt die Anmeldung nach § 35 Abs. 2 Satz 2 PatG als nicht erfolgt. Entgegen der Auffassung der Anmelderin ist hierbei davon auszugehen, dass grundsätzlich auch fremdsprachige Zeichnungsbeschriftungen die Rechtsfolge des § 35 Abs. 2 Satz 2 PatG auslösen können; denn dass Zeichnungen nicht zu den Erfordernissen gehören, die für die Begründung des Anmeldetags erforderlich sind, lässt nicht zwingend den Schluss zu, fremdsprachige Zeichnungsbeschriftungen von dem Übersetzungserfordernis des § 35 Abs. 1 Satz 1 PatG auszunehmen.

Die in § 35 Abs. 1 Satz 1 PatG enthaltene Formulierung, wonach bei einer ganz oder teilweise nicht in deutscher Sprache abgefassten Anmeldung innerhalb von drei Monaten eine deutsche Übersetzung einzureichen ist, ist vom Wortlaut her nicht auf die Unterlagen beschränkt, die als Mindesterfordernisse für die Begründung eines Anmeldetags nach § 35 Abs. 2 Satz 1 PatG erforderlich sind. Eine solche Beschränkung ergibt sich auch nicht aus dem Zweck der Vorschrift, ausländischen Anmeldern die Nachanmeldung während der Prioritätsfrist zu erleichtern (vgl. Gesetzesbegründung, BlPMZ 1998, 393 ff., 403), denn der Anmelder hat es selbst in der Hand, ob er nur die Mindesterfordernisse einreicht oder darüber hinausgehende Unterlagen. Eine Beschränkung des Übersetzungserfordernisses folgt auch nicht daraus, dass sich die in § 35 Abs. 2 Satz 2 PatG geregelte Rechtsfolge einer fehlenden oder nicht fristgerechten Nachreichung einer Übersetzung unmittelbar im Anschluss an die Regelung der Mindesterfordernisse für die Begründung eines Anmeldetags in § 35 Abs. 2 Satz 1 PatG findet. Denn dies nötigt nicht dazu, die in § 35 Abs. 2 Satz 2 PatG genannte "deutsche Übersetzung" einengend nur auf die im Satz vorher genannten Unterlagen zu beziehen. Vielmehr kann die Regelung ohne weiteres dahingehend verstanden werden, dass zwar auch mit fremdsprachigen Unterlagen ein Anmeldetag begründet werden kann, dieser aber nachträglich entfällt, wenn die nach § 35 Abs. 1 Satz 1 PatG erforderliche Übersetzung nicht fristgemäß nachgereicht worden ist. Dass das Übersetzungserfordernis nicht als auf die Mindesterfordernisse beschränkt angesehen werden kann, erscheint auch vor dem Hintergrund sachgerecht, dass Zeichnungen, wenn sie eingereicht worden sind, Bestandteil der Offenbarung der Erfindung sind (vgl. Schulte, a. a. O., § 34 Rdn. 315), ebenso Erläuterungen in den Zeichnungen, mögen diese auch im Laufe des Prüfungsverfahrens in Anbetracht der Anforderungen der Patentverordnung (Anlage 2 Nr. 8 zu § 12 PatV) weitgehend gestrichen bzw. in die Beschreibung übernommen werden. Zudem könnte bei fehlender Sanktionsmöglichkeit nach § 35 Abs. 2 Satz 2 PatG der Fall eintreten, dass das Patentamt die Offenlegung der Anmeldung mit teilweise fremdsprachigen Anmeldungsunterlagen vornehmen müsste, wobei nicht nur fremdsprachige Zeichnungsbeschriftungen betroffen sein können, sondern auch Patentansprüche, da diese ebenfalls, wenn jedenfalls eine Beschreibung vorhanden ist, nicht zu den Mindesterfordernissen für die Begründung eines Anmeldetags gehören (vgl. BPatGE 37, 187); insbesondere bei weniger geläufigen Fremdsprachen könnte dem Informationsbedürfnis über den Inhalt der Schutzrechtsanmeldung nur unzureichend Rechnung getragen werden.

Letztlich kommt es hier auf die Frage nicht entscheidungserheblich an, denn die am 18. Dezember 2006 eingereichten Anmeldungsunterlagen enthalten nicht nur bei den Figuren 2, 3 und 6 durchweg englische Ausdrücke, sondern auch in der Beschreibung. In dieser erscheinen die verwendeten englischen Begriffe zwar überwiegend nur als Klammerzusatz zu dem deutschen Begriff, es werden vereinzelt aber auch englische Ausdrücke ohne Nennung des deutschen Begriffs verwendet (Seiten 2, 16 und 17). Eine Übersetzung war jedoch gleichwohl nicht erforderlich. Auch wenn die Sprache vor dem Deutschen Patentund Markenamt grundsätzlich deutsch ist (§ 126 PatG), ist die Verwendung fremdsprachiger Ausdrücke in den Unterlagen einer Patentanmeldung unschädlich, wenn diese Ausdrücke auf dem einschlägigen Fachgebiet allgemein anerkannt sind, wenn sich eine einheitliche deutsche Entsprechung noch nicht herausgebildet hat oder wenn sich dem deutsch sprechenden Fachmann ihre Bedeutung ohne weiteres erschließt (st. Rspr., zuletzt Senatsentscheidungen vom 4. Dezember 2008, 10 W (pat) 40/08, und vom 23. Oktober 2008, 10 W (pat) 30/07; Schulte, a. a. O., § 126 Rdn. 8 m. w. N.).

Jedenfalls der zuletzt genannte Gesichtspunkt trifft auf dem hier relevanten Gebiet der Mobilfunktechnik zu. Das Übersetzungserfordernis des § 35 Abs. 1 Satz 1 PatG ist hier gelockert, weil es auf diesem Gebiet allgemein üblich ist, technische Sachverhalte auch in Texten, die grundsätzlich in deutscher Sprache publiziert werden, mit englischen Begriffen auszudrücken (vgl. die Senatsbeschlüsse vom 15. November 2007, 10 W (pat) 15/06, 10 W (pat) 16/06 und 10 W (pat) 17/06). Aus diesem Grunde kann hier davon ausgegangen werden, dass der deutschsprachige Fachmann die englischen Ausdrücke in der Beschreibung und in den Zeichnungen ohne weiteres versteht. Die Bedeutung der in der Beschreibung enthaltenen englischen Ausdrücke wie "Location Services" und "Timing Advance" auf den Seiten 2, 16 und 17, die im Übrigen schon die Prüfungsstelle unbeanstandet gelassen hat, ergibt sich ohne weiteres aus dem Zusammenhang der weiteren Beschreibung, in der zum Beispiel auch deutschen Begriffen wie "Lokalisierungsinformation" mit Klammerzusatz der entsprechende englische Begriff "Location Information" hinzugefügt wird. Im übrigen handelt es sich bei "Locationbased Services" um einen bereits in die deutsche Sprache eingegangenen Fachausdruck, der im Duden -Die deutsche Rechtschreibung verzeichnet ist. Hinsichtlich der in den Zeichnungen 2, 3 und 6 verwendeten englischen Ausdrücke finden sich entsprechende deutsche Übersetzungen wörtlich oder sinngemäß in der Figurenbeschreibung und der Bezugszeichenliste, worauf die Anmelderin zu Recht hingewiesen hat, ganz abgesehen davon, dass es sich bei "emergency call", "location" oder "network" um einfachste englische Begriffe handelt, die zum Teil auch schon in den deutschen Sprachgebrauch eingegangen sind. Diese dem deutschen Durchschnittsverbraucher geläufigen Begriffe sind erst recht dem Fachmann der Mobilfunktechnik geläufig.

3.

Der Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr ist nicht begründet. Eine Rückzahlung aus Billigkeitsgründen gemäß § 80 Abs. 3 PatG kommt dann in Betracht, wenn bei ordnungsgemäßer und angemessener Sachbehandlung der Erlass eines Zurückweisungsbeschlusses nicht in Betracht gekommen wäre und damit die Erhebung der Beschwerde sowie die Einzahlung der Beschwerdegebühr hätten vermieden werden können (vgl. Schulte, a. a. O., § 73 Rdn. 125). Hier liegen zwar, wie ausgeführt, wesentliche Mängel des patentamtlichen Verfahrens vor, es fehlt insoweit aber an der Kausalität für die Erhebung der Beschwerde. Es ist nicht feststellbar, dass die Entscheidung des Patentamts ohne die Verfahrensverstöße anders gelautet hätte. Ebenso wenig ist die Entscheidung in Begründung und Ergebnis derart unvertretbar, dass eine Rückzahlung gerechtfertigt wäre.

4.

Die Entscheidung konnte unbeschadet des hilfsweise gestellten Terminsantrags ohne mündliche Verhandlung ergehen, da mit der Zurückweisung des Antrags auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr nur ein Nebenpunkt betroffen ist (vgl. Schulte, a. a. O., § 78 Rdn. 14 unter e).

Schülke Rauch Püschel Pr






BPatG:
Beschluss v. 16.06.2009
Az: 10 W (pat) 43/07


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/c8b237e252e6/BPatG_Beschluss_vom_16-Juni-2009_Az_10-W-pat-43-07




Diese Seite teilen (soziale Medien):

LinkedIn+ Social Share Twitter Social Share Facebook Social Share