Landgericht Düsseldorf:
Urteil vom 20. April 2010
Aktenzeichen: 25 O 127/07

(LG Düsseldorf: Urteil v. 20.04.2010, Az.: 25 O 127/07)

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden den Klägern zu je 1/4 auferlegt.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 %

des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar

Tatbestand

Die Kläger machen als Aktionäre die Rechtswidrigkeit von Beschlüssen geltend, die in der der Hauptversammlung der Beklagten vom 29.08.2007 gefassten wurden.

Bereits im Jahre 2003 geriet die Beklagte in eine existenzbedrohende Krise. Das daraufhin entwickelte und in der ordentlichen Hauptversammlung der Beklagten vom 15.07.2004 beschlossene Rettungskonzept sah die geordnete Abwicklung (stille Liquidation) der Beklagten vor. Im Zuge der Abwicklung stellte der Einlagensicherungsfond der Beklagten einen Betrag in Höhe von EUR 20 Mio. in Form eines Nachrangdarlehens zur Verfügung, das mit EUR 13,4 Mio. in Anspruch genommen und bisher nicht zurückgezahlt wurde.

Zwischenzeitlich war die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft X2 AG aus Düsseldorf als Sonderprüfer gerichtlich bestellt worden (Beschluss des AG Düsseldorf vom 06.12.2004 [HRB 39185]). Gegenstand der Sonderprüfung war die Kapitalerhöhung der Beklagten in 2004 durch die W, eine weitere Kapitalerhöhung in 2002 beim Erwerb der X AG, sowie deren Rückveräußerung in 2004 an die

Bayerische W2 Der federführende Wirtschaftsprüfer Herr N kam zu dem Ergebnis, dass Ansprüche der Beklagten weder gegen die W, noch gegen die W2 bestehen. Der Sachverhalt wurde zudem durch Herrn RiBGH a.D. Prof. Dr. I2 begutachtet. Sein Ergebnis und das der Sonderprüfung ist in der Hauptversammlung der Beklagten vom 28.06.2006, an der auch die Kläger teilnahmen, unter den Tagesordnungspunkten (TOP) 2 bis 4 behandelt worden (Anlage LW2). Daraufhin sind die die Beschlüsse zur Feststellung des Abschlusses für 2005 nebst entsprechender Entlastung der Abwickler, des Aufsichtsrates und des Vorstandes einstimmig gefasst worden, ohne dass es zu Widersprüchen kam. Bereits vor dieser Beschlussfassung war den Klägern bekannt, dass die Beklagte zur vergleichsweisen Beseitigung von Unklarheiten über das Bestehen wechselseitiger Ansprüche gegenüber ihrem ehemaligen Aufsichtsratsmitglied Dr. T auf eine Forderung in unbestimmter Höhe verzichtete.

Zum 29.08.2007 berief die Beklagte die nächste ordentliche Hauptversammlung ein, die die nunmehr angegriffenen Beschlüsse fasste. Die Kläger hielten seit einem Zeitpunkt lange vor Einberufung eine größere Stückzahl von Aktien der Beklagten. In der Einladung erklärte die Beklagte unter der Überschrift "Teilnahme an der Hauptversammlung" wörtlich: "Aktionäre, die im Aktienregister eingetragen sind, können ihr Stimmrecht in der Hauptversammlung durch einen Bevollmächtigten, z.B. durch die depotführende Bank, eine Aktionärsvereinigung oder durch eine andere Person ihrer Wahl ausüben lassen. Die Vollmachten sind schriftlich zu erteilen."(Anlage K1)

Unter der Überschrift "Tagesordnung" heißt es (Punkt 3): "Vorlage der mit dem uneingeschränkten Bestätigungsvermerk des Abschlussprüfers versehenen Schlussbilanz (Abschluss für den Zeitraum vom 01. Januar 2007 bis zum 30. Juni 2007) nebst Bericht des Aufsichtsrats und Beschlussfassung über die Feststellung der Schlussbilanz [...]" (Anlage K1)

Die Kläger wohnten der Hauptversammlung zum Teil persönlich durch ihren jeweiligen Geschäftsführer, im Übrigen vertreten durch Rechtsanwalt Dr. I bei. In der Hauptversammlung wurden die Prüfungsberichte des Abschlussprüfers den Teilnehmern nicht offengelegt.

Die Hauptversammlung fasste gemäß der TOP 2 bis TOP 6 die

folgenden Beschlüsse:

TOP 2:

Den von den Abwicklern und dem Aufsichtsrat vorgeschlagenen Beschluss, den Abschluss für das Abwicklungsgeschäftsjahr vom 1. Januar bis 31. Dezember 2006, der mit dem uneingeschränkten Bestätigungsvermerk des Abschlussprüfers B Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, Duisburg, versehen ist, entsprechend dem vorgelegten Entwurf festzustellen.

TOP 3:

Den von den Abwicklern und dem Aufsichtsrat vorgeschlagenen Beschluss, die Schlussbilanz vom 30. Juni 2007, die mit dem uneingeschränkten Bestätigungsvermerk des Abschlussprüfers B Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, Duisburg, versehen ist, entsprechend dem vorgelegten Entwurf festzustellen.

TOP 4:

Den von den Abwicklern und dem Aufsichtsrat vorgeschlagenen Beschluss, die Schlussrechnung vom 4. Juli 2007 zu genehmigen.

TOP 5:

Den von den Abwicklern und dem Aufsichtsrat vorgeschlagenen Beschluss, den Abwicklern für das Abwicklungsgeschäftsjahr vom 1. Januar bis 31. Dezember 2006 Entlastung zu erteilen.

TOP 6:

Den von den Abwicklern und dem Aufsichtsrat vorgeschlagenen Beschluss, den Abwicklern für den Zeitraum 1. Januar bis 4. Juli 2007 Entlastung zu erteilen.

Die Kläger erklärten hinsichtlich dessen ihren Widerspruch zur Niederschrift.

Die Kläger behaupten, das Gutachten des Herrn RiBGH a.D. Prof. Dr. I2 bejahe Ansprüche der Beklagten gegen die W2 und die W. Außerdem habe der Verzicht gegenüber dem seinerzeitigen Aufsichtsratsmitglied Dr. T auch Organhaftungsansprüche betroffen, auf die die Beklagte nicht wirksam habe verzichten können. In der Hauptversammlung sei zudem nicht auf die Anwesenheit des Abschlussprüfers hingewiesen worden.

Die Kläger sind der Ansicht, die Nicht-Vorlage der Prüfungsberichte führe zur Rechtswidrigkeit der zu TOP 2 und TOP 3 gefassten Beschlüsse. Derjenige zu TOP 3 sei zudem wegen fehlerhafter Bezeichnung des Abschlusses als "Schlussbilanz" rechtswidrig. Die Rechtswidrigkeit des Beschlusses zu TOP 4 folge aus dem Umstand, dass die Beklagte ihrer Pflicht zur ordentlichen Rechenschaftslegung nicht nachgekommen sei. Es fehle insoweit an einer geordneten Zusammenstellung abschließend in einer Urkunde. Das schlage

sodann auf die entsprechenden Entlastungsbeschlüsse zu TOP 5 und TOP 6 durch.

Die Kläger meinen weiter, alle gefassten Beschlüsse seien wegen fehlerhafter Einberufung der Hauptversammlung nichtig. Der allgemeine Hinweis auf das Erfordernis der schriftlichen Bevollmächtigung stelle eine unrichtig wiedergegebene Teilnahmebedingung dar.

Die Kläger beantragen,

1. die Nichtigkeit der zu TOP 2-6 der Hauptversammlung der Beklagen am 29. August 2007 gefassten nachfolgend wiedergegebenen Beschlüsse festzustellen:

a) TOP 2:

Den von den Abwicklern und dem Aufsichtsrat vorgeschlagenen Beschluss, den Abschluss für das Abwicklungsgeschäftsjahr vom 1. Januar bis 31. Dezember 2006, der mit dem uneingeschränkten Bestätigungsvermerk des Abschlussprüfers B Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, Duisburg, versehen ist, entsprechend dem vorgelegten Entwurf festzustellen.

b) TOP 3:

Den von den Abwicklern und dem Aufsichtsrat vorgeschlagenen Beschluss, die Schlussbilanz vom 30. Juni 2007, die mit dem uneingeschränkten Bestätigungsvermerk des B Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, Duisburg, versehen ist, entsprechend dem vorgelegten Entwurf festzustellen.

c) TOP 4:

Den von den Abwicklern und dem Aufsichtsrat vorgeschlagenen Beschluss, die Schlussrechnung vom 4. Juli 2007 zu genehmigen.

d) TOP 5:

Den von den Abwicklern und dem Aufsichtsrat vorgeschlagenen Beschluss, den Abwicklern für das Abwicklungsgeschäftsjahr vom 1. Januar bis 31. Dezember 2006 Entlastung zu erteilen.

e) TOP 6:

Den von den Abwicklern und dem Aufsichtsrat vorgeschlagenen Beschluss, den Abwicklern für den Zeitraum 1. Januar bis 4. Juli 2007 Entlastung zu erteilen.

2. hilfsweise die vorgenannten Beschlüsse zu lit. ae für nichtig zu erklären,

3. höchst hilfsweise die Unwirksamkeit der vorgenannten Beschlüsse zu lit. ae festzustellen,

4. des weiteren hilfsweise zum Klageantrag 1 lit. a: Die Nichtigkeit des Jahresabschlusses der Beklagten zum 31. Dezember 2006 wird festgestellt.

5. und hilfsweise zu Klageantrag 1 lit. B: Die Nichtigkeit des Jahresabschlusses der Beklagten zum 30. Juni 2007 wird festgestellt.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte behauptet, auch das Gutachten des Herrn RiBGH a.D. Prof. Dr. I2 komme wie der Bericht des Sonderprüfers zu dem Ergebnis, dass Ansprüche der Beklagten gegen die W und die W2 nicht bestünden. Der Abschlussprüfer sei zu Beginn der Hauptversammlung öffentlich begrüßt worden.

Die Beklagte meint, die Kläger hätten ihre Klage rechtsmissbräuchlich erhoben. Das einerseits, weil die Beträge, deren Nichtaktivierung die Kläger rügen, diesen wirtschaftlich ohnehin nicht zugute kämen. Und andererseits, weil sich die Kläger mit der Klage in Widerspruch zu ihrem Verhalten in der Hauptversammlung des Vorjahres setzen. Schließlich hätten die Kläger die Anfechtungsfrist versäumt mit der Folge, dass sie ihre Klage nicht auf Anfechtungsgründe stützen können.

Die seit dem 01.10.2007 anhängige Klage ist der Beklagten am 08.04.2008 zugestellt worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze sowie auf die von ihnen zu den Akten gereichten Unterlagen verwiesen.

Gründe

Die Klage ist unbegründet.

Die angegriffenen Beschlüsse zu TOP 2 bis TOP 6 der Hauptversammlung der Beklagten vom 29.08.2007 leiden an keinem die Nichtigkeit (§ 241 AktG) oder die Anfechtbarkeit (§ 243 AktG) begründenden Mangel. Das gilt auch für die festgestellten Jahresabschlüsse 2006 und 2007 (§§ 256, 257 AktG).

A.

I. Keine Rechtsmissbräuchlichkeit

Die Kläger haben die Klage nicht in rechtsmissbräuchlicher Weise erhoben. Anerkanntermaßen handelt der Aktionär dann missbräuchlich, wenn die Klageerhebung gegenüber der Gesellschaft und den Mitaktionären illoyal und von grobem Eigennutz getragen ist (BGH, DStR 1992, 151). Das ist vorliegend nicht der Fall. Die Annahme der Rechtsmissbräuchlichkeit rechtfertigt nicht der Umstand, dass die Kläger in der Hauptversammlung des Vorjahres

die dort gefassten Beschlüsse widerspruchslos mitgetragen haben, obwohl diesen die gleichen Fehler anhafteten, die die Kläger mit der Klage nunmehr beanstanden. Denn allein durch ihre Zustimmung im Vorjahr haben die Kläger kein schutzwürdiges Vertrauen geschaffen, das es ihnen verbietet, ihre Meinung und damit ihr Abstimmverhalten zu ändern (Hüffer in MüKo, § 245, Rn. 55).

Desweiteren ist die Klage entgegen der Auffassung der Beklagten nicht deshalb rechtsmissbräuchlich erhoben, weil den Klägern der Obsiegensfall (möglicherweise) nicht zum Vorteil gereicht, da die Beklagte zunächst das Darlehen des Einlagensicherungsfonds tilgen müsste. Dies schon deshalb nicht, weil bereits ein Teil des Klägerseits angenommenen Anspruchs gegen die HVB zur vollständigen Tilgung genügen würde.

II. Keine verspätete Zustellung

Mit der Klage wurde nicht, wie die Beklagte meint, die Frist des § 246 Abs. 1 AktG versäumt, so dass die Kläger mit Anfechtungsgründen ausgeschlossen wären. Denn ihnen kommt die Fiktion der Rückwirkung gemäß § 167 ZPO zugute. Die Zustellung erfolgte demnächst im Sinne dieser Vorschrift. Es gibt keine absolute zeitliche Grenze, nach deren Überschreiten die Zustellung nicht mehr als demnächst anzusehen wäre (BGH, NJW 2006, 306). Vielmehr ist darauf abzustellen, ob die Verzögerung den Klägern zuzurechnen ist oder der Rückwirkung schutzwürdige Belange der Beklagten entgegenstehen. Das ist nicht der Fall. Es liegt nicht im Verantwortungsbereich der Kläger, dass die Klage erst etwa 6 Monate nach deren Einreichen zugestellt wurde, insbesondere haben die Kläger den Gerichtskostenvorschuss zeitnah eingezahlt. Zudem war der Beklagten bereits vor Zustellung bekannt, dass eine Klage gegen die Beschlüsse der letzten Hauptversammlung anhängig ist. Mit ihrem Akteneinsichtsgesuch trug sie schließlich nicht unmaßgeblich zu der eingetretenen Verzögerung bei.

B.

I. Nicht-Vorlage der Prüfungsberichte (TOP 2-3)

Die Beschlüsse zu TOP 2 und TOP 3 sind nicht deshalb rechtswidrig und damit weder nichtig, noch anfechtbar, weil der Hauptversammlung nicht die Prüfungsberichte des Abschlussprüfers vorgelegt wurden. Denn das Aktienrecht kennt keine solche Vorlagepflicht. Der Prüfungsbericht des Abschlussprüfers wird lediglich dem Aufsichtsrat zugeleitet und mit Ausnahme des Bestätigungsvermerks weder der Hauptversammlung vor-, noch sonst offengelegt (Kropff in MüKo, AktG, § 313, Rn. 85). Entgegen der Auffassung der Kläger enthält § 42a GmbHG keinen allgemeinen Rechtsgrundsatz dahingehend, dass demjenigen, der einen Abschluss festzustellen hat, auch Einsicht in den zugrundeliegenden Prüfungsbericht zu gewähren ist. Diese Norm ist Sonderrecht der GmbH und auf die Aktiengesellschaft nicht übertragbar. Zwischen der GmbH und der Aktiengesellschaft bestehen insoweit erhebliche organisatorische Unterschiede, die bereits eine vergleichbare Interessenlage der Gesellschafter der GmbH einerseits und der Aktionäre der AG andererseits zweifelhaft erscheinen lassen. Jedenfalls aber fehlt es an einer unbeabsichtigten Regelungslücke. Hätte der Gesetzgeber eine Vorlagepflicht auch für das Recht der Aktiengesellschaft gewollt, so wäre die Vorschrift nicht nur in das GmbHG, sondern gleichsam in das AktG eingefügt worden.

II. Kein Hinweis auf Teilnahme des Abschlussprüfers (TOP 2-3)

Die Rechtswidrigkeit der Beschlüsse zu TOP 2 und TOP 3 folgt auch nicht aus dem Umstand, dass auf die Teilnahme des Abschlussprüfers an der Hauptversammlung, wie die Kläger behaupten, nicht ausdrücklich hingewiesen worden sei. Denn es besteht schon keine dahingehende Pflicht. § 176 Abs. 2 AktG kennt lediglich die Anwesenheits-, nicht aber eine wie auch immer geartete Hinweispflicht. Entgegen der Ansicht der Kläger lässt sich letztere nicht damit begründen, dass sie zur Verwirklichung der Regelung des § 176 Abs. 2 AktG erforderlich wäre. Ein Hinweis auf die ohnehin obligatorische Teilnahme des Abschlussprüfers ist überflüssig, zumindest aber nicht erforderlich. Es mag sodann dahinstehen, ob der Abschlussprüfer, wie die Beklagte behauptet, zu Beginn der Hauptversammlung öffentlich begrüßt worden sei.

III. Fehlerhafte Bezeichnung als "Schlussbilanz" (TOP 3)

Der Beschluss zu TOP 3 ist nicht deshalb rechtswidrig und in der Folge weder nichtig, noch anfechtbar, weil der damit festgestellte Abschluss für den Zeitraum vom 01.01.2007 bis zum 30.06.2007 als Schlussbilanz bezeichnet wurde. Denn aufgrund des Klammerzusatzes war eindeutig klargestellt, dass keine isolierte Feststellung der zugrundeliegenden Bilanz erfolgen sollte. Hiernach kommt es auf die streitige Frage, wie der Begriff der Schlussbilanz als solcher üblicherweise verstanden wird, nicht mehr an.

IV. Nichtaktivierung offener Forderungen (TOP 2-4)

Weder sind die Jahresabschlüsse der Beklagten zum 31.12.2006 und zum 30.06.2007 nichtig, noch sind die darauf gestützten zu TOP 2 bis TOP 4 gefassten Beschlüsse nichtig oder anfechtbar.

1. Nichtigkeit der Jahresabschlüsse 2006 und 2007

Die Nichtigkeit eines festgestellten Jahresabschlusses kann nach § 256 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 AktG nur dann auf inhaltliche Mängel in Gestalt der Unterbewertung gestützt werden, wenn die Vermögens und Ertragslage der Gesellschaft vorsätzlich unrichtig wiedergegeben oder verschleiert worden ist. Die Kläger rügen die Nichtaktivierung von Forderungen gegen das ehemalige Organmitglied Dr. T, die Aktionärin W und die W2. Im Bewusstsein des Bestehens zumindest einer dieser Forderungen hätten die zuständigen Organmitglieder der Beklagten die Bewertung vornehmen und deren Unrichtigkeit um anderer Ziele willen hinnehmen müssen (Hüffer in MüKo, § 256 AktG, Rn. 62). Das ist nicht der Fall.

a) Forderung gegen Dr. T

Hinsichtlich eines etwaigen Anspruchs gegen das Organmitglied Dr. T erschöpft sich der klägerseitige Vortrag in der bloßen Behauptung, die Nichtaktivierung sei vorsätzlich erfolgt (Bl. 166 d.A.). Dazu, woraus der Vorsatz sich ergibt, tragen die Kläger nichts vor. Vielmehr ist unstreitig, dass die Organe der Beklagten den vergleichsweisen Verzicht als für die Beklagte günstig und wirksam erachteten.

b) Forderungen gegen die W und die W2

Auch hinsichtlich etwaiger Ansprüche gegen die W und die W2 ist nicht ersichtlich, dass die Organmitglieder der Beklagten in Annahme des Bestehens derselben die Aktivierung unterließen. Denn die ursprünglichen Unklarheiten sahen sie als ausgeräumt an. Zunächst kam der Sonderprüfer mit ausführlicher Begründung (Anlage LW 1) zu dem Ergebnis, dass Ansprüche nicht bestehen. Auf dessen Richtigkeit haben die Organmitglieder der Beklagten in nicht vorwerfbarer Weise vertraut, zumal der daneben beauftragte Prof. Dr. I2 sich in der Hauptversammlung des Vorjahres erklärte, und zwar ohne dass es zu Widersprüchen gegen die dort gefassten Beschlüsse kam. Die festgestellten Abschlüsse des Vorjahres enthielten aber dieselben Posten nicht, deren Nichtaktivierung die Kläger nunmehr beanstanden. Wenn die Organe der Beklagten im Folgejahr konsequenterweise die im Vorjahr einstimmig beschlossenen Feststellungen fortführen, kann der klägerseits pauschal behauptete Vorsatz kaum angenommen werden.

2. Rechtswidrigkeit der feststellenden Beschlüsse

Wenn schon die festgestellten Jahresabschlüsse nicht als solche wegen inhaltlicher Mängel nichtig sind, kommt auch die Nichtigkeit der diese feststellenden Beschlüsse aus Gründen der gleichen inhaltlichen Mängel nicht in Betracht. Andernfalls würde die Regelung des § 256 AktG mit ihren besonderen Voraussetzungen unterlaufen. Das gilt gemäß § 257 Abs. 1 Satz 2 AktG auch für die Anfechtung.

V. Verstoß gegen Pflicht zur Rechenschaftslegung (TOP 4)

Die nach TOP 4 genehmigte Schlussrechnung ist weder nichtig, noch anfechtbar. Das Gericht vermag dem Vortrag der Kläger nicht zu entnehmen, dass die Beklagte gegen ihre Pflicht zur ordentlichen Rechenschaftslegung nach §§ 259 BGB, 273 Abs. 1 AktG verstoßen hat. Die bloße Behauptung, es fehle an einer geordneten Zusammenstellung abschließend in einer Urkunde, so dass die Schlussrechnung erst unter Zuhilfenahme der Bilanz verständlich

werde, versehen mit dem Hinweis, das Gericht kenne das Recht (Bl. 170 d.A.), genügt den Anforderungen an substantiierten Vortrag nicht. Die Kläger hätten zumindest zu umreißen gehabt, welche Posten die Schlussrechnung ihrer Ansicht nach nicht oder nur unzureichend ausweist. Das Gericht ist nicht gehalten, die vorgelegten Unterlagen selbst auf mögliche Fehler zu durchsuchen.

VI. Fehlerhafte Einberufung der Hauptversammlung (TOP 2-6)

Die Beschlüsse sind nicht wegen fehlerhafter Einberufung der Hauptversammlung angreifbar. Denn es liegt weder ein die Nichtigkeit, noch ein die Anfechtbarkeit begründender Ladungsmangel vor, weil die Beklagte die in § 135 AktG vorgesehene Differenzierung bezüglich der Form der Vollmachtserteilung für Kreditinstitute und Aktionärsvereinigungen in der Einladung nicht

aufgegriffen hat. Zu den von § 121 Abs. 3 Satz 2 AktG umfassten Sachverhalten, die gemäß § 241 Nr. 1 AktG die Nichtigkeit von Beschlüssen nach sich ziehen können, gehören die Regelungen über die Ausübung des Stimmrechts durch einen Bevollmächtigten nicht (OLG München, BB 2008, 2366 = ZIP 2008, 2117). Namentlich handelt es sich bei Angaben zur Form der Vollmachtserteilung für etwaige Bevollmächtigte nicht um eine Teilnahmebedingung im Sinne des § 121 Abs. 3 Satz 2 AktG. Gemeint sind vielmehr satzungsdispositive Erfordernisse nach § 123 Abs. 2 und 3 AktG (Hüffer in AktG, § 121, Rn. 10). Ohne Erfolg berufen die Kläger sich insoweit auf die "Y"- Entscheidung des OLG Frankfurt am Main (Anlage K13; Bl. 181 d.A.). Denn das OLG hat sich entgegen der Vorinstanz (LG Frankfurt am Main, NZG 2008, 792 = ZIP 2008, 1723) gerade nicht (auch) auf das dem § 135 AktG widerstreitende Schriftformerfordernis für Kreditinstitute und Aktionärsvereinigungen gestützt, sondern allein auf den Umstand, dass die dortige Ladung die Aushändigung der schriftlichen Vollmachtsurkunde zur Verwahrung durch die Gesellschaft vorsah. Ohnehin erkennt auch das OLG Frankfurt am Main an, dass nicht jede unrichtige Bekanntmachung einer Teilnahmebedingungen zur Nichtigkeit des Beschlusses führt (OLG Frankfurt am Main, OLGReport Frankfurt 2008, 685 = AG 2008, 667). Die Nichtigkeitsfolge ist bei bloßen Bagatellverstöße, insbesondere soweit sie lediglich Ordnungsvorschriften betreffen, unangemessen und damit ausgeschlossen. Die Schwelle der Bagatelle ist nur dann überschritten, wenn zu befürchten steht, dass ein verständiger Aktionär in der Erfüllung der gerügten Bedingung eine Hürde sieht, die ihn von der Teilnahme an der Hauptversammlung Abstand nehmen lässt. So liegt der Fall hier nicht. Denn die schriftliche Vollmachtserteilung stellt keine solche Hürde dar. Die Banken sind aufsichtsrechtlich ohnehin verpflichtet, sich Vollmachten schriftlich erteilen zu lassen. Und das ist auch gängige Praxis der Aktionärsvereinigungen.

Schließlich liegt auch kein die Anfechtbarkeit der Beschlüsse begründender Einberufungsmangel vor. § 243 Abs. 1 AktG setzt eine Verletzung des Gesetzes oder der Satzung voraus. Nach den getroffenen Feststellungen liegt schon eine solche Verletzung mit Blick auf § 121 Abs. 3 Satz 2 AktG nicht vor. Zumindest aber ist die Vorschrift in nicht relevanter Weise verletzt worden. Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang nämlich, dass die Wirksamkeit der Stimmabgabe nach § 135 Abs. 6 AktG nicht dadurch beei trächtigt wird, dass die Bevollmächtigung nicht den formalen Anforderungen des § 135 Abs. 2 AktG entspricht (OLG München, a.a.O.).

VII. Entlastungsbeschlüsse (TOP 5-6)

Soweit die Beschlüsse zu TOP 2 und TOP 4 Bestand haben, sind

auch die darauf gestützten Entlastungsbeschlüsse zu TOP 5 und

TOP 6 weder nichtig, noch anfechtbar.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.

Der Streitwert beträgt 125.000,00 EUR.

A B C

Vorsitzender Richter Handelsrichterin Handelsrichterin

am Landgericht

Ausgefertigt

Drosse, Justizhauptsekretär

als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle






LG Düsseldorf:
Urteil v. 20.04.2010
Az: 25 O 127/07


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