Bundesgerichtshof:
Urteil vom 29. Juni 2010
Aktenzeichen: KZR 24/08

(BGH: Urteil v. 29.06.2010, Az.: KZR 24/08)

Tenor

Auf die Revision der Klägerinnen wird das Urteil des 1. Kartellsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 13. März 2008 (VI U (Kart) 34/06) unter Zurückweisung der Revision der Beklagten im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil der Klägerinnen erkannt worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen.

Tatbestand

Der Klägerin zu 1, der E-Plus Mobilfunk GmbH & Co KG (im Folgenden: E-Plus-Mobilfunk), ist die Lizenz für die Errichtung und den Betrieb des E1-Netzes erteilt worden (im Folgenden: E-Plus-Mobilfunknetz). Die Klägerin zu 2, die E-Plus Service GmbH & Co. KG (fortan: E-Plus), ist die Tochtergesellschaft der E-Plus-Mobilfunk. Sie vermittelt und verwaltet den Zugang zu dem E-Plus-Mobilfunknetz. Damit ein Mobilfunkkunde von E-Plus im E-Plus-Mobilfunknetz, das nach dem GSM-Funkstandard (Global System for Mobile Communications) betrieben wird, Anrufe tätigen und entgegennehmen kann, benötigt er eine Berechtigungskarte (sog. SIM-Karte), die in sein Endgerät (Mobiltelefon) eingesetzt wird und seine Benutzerdaten enthält. Die SIM-Karte ermöglicht mittels eines verschlüsselten Zugangscodes eine Verbindung mit dem Mobilfunknetz.

Wird ein Kunde auf seinem Mobiltelefon aus dem Netz eines anderen Netzbetreibers (Mobilfunk oder Festnetz) angerufen, so bedarf es zur Vermittlung des Telefongesprächs einer Zusammenschaltung der Netze. Kommt der Anruf aus einem Festnetz, ist zudem die Umwandlung des ankommenden Festnetzgesprächs in Mobilfunksignale (nach dem GSM-Funkstandard) erforderlich. Bei ankommenden Festnetzgesprächen finden die Zusammenschaltung und die Umwandlung bislang an einer festen Schnittstelle zwischen den Netzen (sog. Interconnection-Punkt; im Folgenden: Übergabepunkt) statt, von der aus das Telefongespräch an die nächste Verteilstelle im Mobilfunknetz weitergeleitet wird und sodann an den angerufenen Mobilfunkkunden gelangt. Der Festnetzbetreiber, von dessen Netz der Anruf in das Mobilfunknetz erfolgt, kann entweder einen eigenen Übergabepunkt mit dem jeweiligen Mobilfunknetz einrichten oder er kann zur Weiterleitung des Gesprächs das Festnetz der Deutschen Telekom AG (im Folgenden: DTAG) oder eines anderen Festnetzbetreibers und deren Übergabepunkte nutzen. Der jeweilige Festnetzbetreiber berechnet für die Benutzung seines Netzes als Transitnetz ein Entgelt. Die Anrufzustellung innerhalb des Mobilfunknetzes zu dem angerufenen Mobilfunkkunden kann technisch nur von dem Betreiber des Mobilfunknetzes vorgenommen werden.

Mit am 30. August 2006 im Amtsblatt veröffentlichter Verfügung der Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen wurde E-Plus-Mobilfunk dazu verpflichtet, "Betreibern von öffentlichen Telefonnetzen die Zusammenschaltung mit ihrem Mobiltelefonnetz an ihrem Vermittlungsstellenstandort zu ermöglichen, über die Zusammenschaltung Verbindungen in ihr Netz zu terminieren und zum Zwecke dieser Zugangsgewährung Kollokation sowie im Rahmen dessen Nachfragern oder deren Beauftragten jederzeit Zutritt zu diesen Einrichtungen zu gewähren". Die Entgelte für die Gewährung der Zusammenschaltungsleistungen wurden der Genehmigung durch die Bundesnetzagentur unterworfen. Die Genehmigung der Entgelte für die Anrufzustellung in ihr Mobilfunknetz wurde E-Plus-Mobilfunk mit Beschluss vom 8. November 2006 erteilt. Mit Beschluss vom 30. November 2007 wurde ihr für den Zeitraum ab dem 1. Dezember 2007 ein Verbindungsentgelt in Höhe von 8,80 Cent/Min. genehmigt. Dieses von E-Plus dem Betreiber des jeweiligen Festnetzes, aus dem das Gespräch kommt, berechnete Terminierungsentgelt hat letztlich der Anrufer zu tragen, da es ihm von dem jeweiligen Festnetzbetreiber mit dem Gesprächsentgelt in Rechnung gestellt wird.

Technisch besteht ferner die Möglichkeit, Telefongespräche aus dem Festnetz mittels sogenannter GSM-Wandler (auch GSM-Gateways oder GSM-Router genannt) unter Einsatz von SIM-Karten der jeweiligen Mobilfunkbetreiber in deren Mobilfunknetze zu leiten. Das aus dem Festnetz kommende Gespräch wird dabei durch den GSM-Wandler in den GSM-Funkstandard umgewandelt und sodann mittels der SIM-Karte des jeweiligen Mobilfunkbetreibers über eine zwischen dem GSM-Wandler und der Empfangseinrichtung der zuständigen Verteilstelle des betreffenden Mobilfunkbetreibers aufgebaute Funkverbindung in das Mobilfunknetz eingespeist und dem Mobilfunkkunden zugestellt.

In den Verträgen mit ihren SIM-Karten-Endkunden verwendet E-Plus Allgemeine Geschäftsbedingungen, nach denen die Karten in Vermittlungs- oderÜbertragungssystemen, die Verbindungen eines Dritten an einen anderen Dritten ein- oder weiterleiten, nicht benutzt werden dürfen.

Die Beklagte, die TELES AG Informationstechnologien (im Folgenden: TELES), auf die die frühere Beklagte zu 2, die TELES NetSales GmbH während des Rechtsstreits verschmolzen worden ist, stellt GSM-Wandler (auch GSM-Gateways genannt) her und vertreibt diese. Ihre Kunden sind Unternehmen (sog. Carrier), die es in der Regel kleineren Festnetzbetreibern ermöglichen, Festnetzgespräche mittels GSM-Wandlern in Mobilfunknetzen zuzustellen. Außerdem stellt TELES Unternehmen (Firmenkunden) GSM-Wandler als sogenannte Corporate-Gateways zur Verfügung, die im Rahmen einer Telefonanlage zum Einsatz kommen sollen und es ermöglichen, Anrufe, die auf einen Festnetzanschluss erfolgen, in das E-Plus-Mobilfunknetz zu Mobiltelefonen der Mitarbeiter des jeweiligen Unternehmens zu günstigen Konditionen (ohne die Gebühr für Terminierungsleistungen von E-Plus) weiterzuleiten. E-Plus lässt insoweit Geräte mit bis zu 18 Kanälen ohne Genehmigungsvorbehalt zu.

Die Klägerinnen haben zuletzt beantragt, die Beklagte unter Androhung näher bezeichneter Ordnungsmittel zu verurteilen, es zu unterlassen, GSM-Gateway-Vermittlungssysteme für den Carriereinsatz, die über nachfolgende Komponenten verfügen,

- Abrechnungserstellung (CDR generation)

- Schnittstelle zu SIM-Server (Builtin SIM card server support) und - SS7 Schnittstelle - Number portability supportanzubieten, zu bewerben, in den Verkehr zu bringen oder zu vertreiben.

Ferner haben sie Auskunftserteilung und Feststellung der Schadensersatzpflicht der Beklagten begehrt. Hilfsweise haben sie ihr Klagebegehren in Bezug auf bestimmte GSM-Wandler-Modelle mit bestimmten Bezeichnungen im Wege der Stufenklage verfolgt sowie weiter hilfsweise verlangt, dass TELES auf die Unzulässigkeit des Einsatzes ihrer GSM-Wandler hinweist.

Die Beklagte hat mit ihrer Widerklage beantragt, E-Plus zu untersagen, in Allgemeinen Geschäftsbedingungen die Verwendung von SIM-Karten in GSM-Wandlern zu beschränken.

Das Landgericht hat die Klage und die Widerklage abgewiesen. Die dagegen gerichteten Rechtsmittel der Parteien sind erfolglos geblieben (OLG Düsseldorf WuW DE-R 2427). Mit ihren vom Berufungsgericht zugelassenen Revisionen verfolgen die Parteien ihre Klage- und Widerklagebegehren weiter.

Gründe

A. Das Berufungsgericht hat die Klage für unbegründet erachtet, weil E-Plus und E-Plus-Mobilfunk gegen das Missbrauchsverbot des Art. 82 Abs. 1 EG (jetzt Art. 102 AEUV) verstießen, indem sie den Einsatz von GSM-Wandlern zur Terminierung von Telefongesprächen in ihr Netz verhindern wollten. Die Widerklage von TELES sei unbegründet, weil E-Plus den Einsatz von SIM-Karten in GSM-Wandlern von angemessenen Nutzungsbedingungen abhängig machen könne und daher in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen diesen Einsatz der Karten vertraglich verbieten dürfe. Zur näheren Begründung hat das Berufungsgericht ausgeführt:

Der für die Beurteilung nach Art. 82 EG sachlich relevante Markt betreffe die Vermittlung (Terminierung) von aus einem Festnetz ankommenden Gesprächen in das E-Plus-Mobilfunknetz. Nach dem Bedarfsmarktkonzept sei als Nachfrager auf die Betreiber von Festnetzen abzustellen, die ein Telefongespräch ihres Kunden an einen Mobilfunkkunden im E-Plus-Netz weiterleiten lassen wollten. Hierfür könnten sie einerseits die gebührenpflichtige Terminierungsleistung von E-Plus, andererseits das Angebot der Kunden von TELES, das Gespräch mittels GSM-Wandler weiterzuleiten, in Anspruch nehmen. Aus der Sicht der nachfragenden Festnetzbetreiber seien beide Leistungsvarianten funktional austauschbar und gehörten deshalb demselben Markt an, und zwar dem Angebotsmarkt für die Terminierung von Festnetzgesprächen in das E-Plus-Netz. E-Plus besitze auf diesem räumlich auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland beschränkten Terminierungsmarkt eine beherrschende Stellung.

Durch ihre generelle Weigerung, SIM-Karten für den Einsatz in GSM-Wandlern zum Zweck der Weiterleitung von Gesprächen von einem Festnetz in ihr Mobilfunknetz zuzulassen, missbrauche E-Plus ihre marktbeherrschende Stellung. Sie beschränke die Verwendung der SIM-Karten in unzulässiger Weise. Rechtfertigende Gründe für die Weigerungshaltung von E-Plus seien nicht gegeben. Einer etwa drohenden Überlastung von Funkzellen könne durch geeignete Schutzvorkehrungen wirksam begegnet werden. Um ihren Verpflichtungen aus § 110 TKG nachkommen zu können, könne E-Plus die Nutzung von SIM-Karten in GSM-Wandlern von der Mitteilung der Nummer des Anrufers abhängig machen. Auch frequenzrechtliche Gesichtspunkte seien keine Rechtfertigung für das Verbot der Nutzung von SIM-Karten in GSM-Wandlern. Die der Lizenzerteilung zugrundeliegenden europarechtlichen Regelungen stünden einer Nutzung der Frequenzen zur Terminierung von Festnetzgesprächen mittels GSM-Wandlern nicht entgegen.

Eine etwaige schlechtere Qualität der Gesprächsverbindung über GSM-Wandler könne eine Verweigerung der Nutzung von SIM-Karten in derartigen Geräten nicht rechtfertigen. Das Interesse von E-Plus, nicht mit einer aus der GSM-Technik herrührenden verminderten Gesprächsqualität in Verbindung gebracht zu werden, trete hinter dem Wettbewerbsinteresse der Abnehmer von TELES zurück. Die Weigerung von E-Plus diene somit allein dem Zweck, einen Wettbewerb auf dem Markt der Terminierung von Festnetzgesprächen in das E-Plus-Netz zu verhindern. Kartellrechtlich erlaubt seien aber ausschließlich diejenigen Einschränkungen des SIM-Karten-Einsatzes in GSM-Wandlern, die zum Schutz der Netzintegrität erforderlich seien. Dazu könnten insbesondere die notwendigen Vorkehrungen gehören, um eine Überlastung einzelner Funkzellen zu verhindern. Deshalb sei E-Plus zwar nicht verpflichtet, eine SIM-Karten-Nutzung zu Endkundenkonditionen zu gestatten. Sie müsse jedoch SIM-Karten zu angemessenen Nutzungsbedingungen für den Einsatz in GSM-Wandlern zur Verfügung stellen.

E-Plus und E-Plus-Mobilfunk stünden demzufolge die nach ihren Haupt- und Hilfsanträgen geltend gemachten Ansprüche auf Unterlassen des Vertriebs der GSM-Wandler sowie Auskunftserteilung und Schadensersatz nicht zu.

Die Widerklage sei ebenfalls unbegründet. Die Beklagte habe keinen Anspruch darauf, dass E-Plus in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu den Endkundenverträgen, auf die sich der Widerklageantrag zu 1 beziehe, den Einsatz von SIM-Karten in GSM-Wandlern zum Zwecke der Terminierung nicht untersage. E-Plus dürfe aus kartellrechtlichen Gründen den Einsatz von SIM-Karten in GSM-Wandlern zwar nicht generell verbieten. Eine solche Kartennutzung müsse sie allerdings nicht zu den Vertragsbedingungen ihrer Endkundenverträge gestatten. Das Recht, einen SIM-Karteneinsatz in GSM-Wandlern nur unter entsprechenden, auf die Besonderheiten der gewünschten Kartennutzung abgestellten Vertragsbedingungen gestatten zu müssen, begründe für E-Plus zugleich die Befugnis, in ihren Endkundenverträgen einen GSM-Wandlereinsatz der Karten auszuschließen.

Das Begehren nach dem Widerklageantrag zu 2, E-Plus zu untersagen, in ihren SIM-Kartenverträgen für Corporate-Gateways eine Verwendung der Karten in GSM-Wandlern zum Zweck der Erbringung von Terminierungsleistungen für Dritte auszuschließen, bleibe gleichfalls erfolglos, weil E-Plus diesen Wandlereinsatz von anderen Bedingungen abhängig machen dürfe als die Nutzung in Corporate-Gateways.

B. Die Revision von E-Plus-Mobilfunk und E-Plus hat Erfolg; sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht, soweit zum Nachteil von E-Plus-Mobilfunk und E-Plus erkannt worden ist. Der Revision von TELES ist der Erfolg dagegen zu versagen.

I. Revision der Klägerinnen Den mit der Klage verfolgten Ansprüchen kann TELES entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht mit Erfolg entgegenhalten, E-Plus und E-Plus-Mobilfunk seien gemäß § 33 Abs. 1 Satz 1 GWB, Art. 82 EG (Art. 102 AEUV) verpflichtet, den Zugang zu dem E-Plus-Mobilfunknetz zum Zweck der Einleitung von Festnetzgesprächen mittels GSM-Wandlern zu angemessenen Bedingungen zu gewähren, so dass die Herstellung und der Vertrieb von GSM-Wandlern durch TELES - auch ohne Vorkehrungen, die eine Verwendung zur Terminierung unterbinden - erlaubt sei.

1. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts verletzt E-Plus durch die Weigerung, SIM-Karten zum Zweck des Einsatzes in GSM-Wandlern zur Verfügung zu stellen, jedenfalls ab Erlass der am 30. August 2006 veröffentlichten Regulierungsverfügung der Bundesnetzagentur nicht das Verbot des Art. 82 Abs. 1 EG (Art. 102 AEUV).

a) Rechtsfehlerfrei ist das Berufungsgericht allerdings davon ausgegangen, dass E-Plus auf dem bundesweiten Markt für die Weiterleitung von Anrufen aus fremden Netzen an Mobilfunkkunden im eigenen E-Plus-Netz (im Folgenden als Terminierung bezeichnet) über eine beherrschende Stellung verfügt. Der Markt für die Terminierung von Telefonanrufen ist einzelnetzbezogen abzugrenzen, d.h. die Anrufzustellung an einen Gesprächsteilnehmer in einem bestimmten Mobilfunknetz bildet einen jeweils eigenen sachlichen Markt.

Die Terminierung von Anrufen innerhalb des jeweils eigenen Mobilfunknetzes stellt eine Vorleistung für Telefondienste dar, die darin besteht, Anrufe, die ihren Ursprung im Festnetz oder in einem anderen als dem Mobilfunknetz des angerufenen Gesprächsteilnehmers haben, über eine zusammenschaltungsfähige Vermittlungsstelle zum angewählten Telefonanschluss zuzustellen. Die Zusammenschaltung verschiedener Netze ist erforderlich, damit die jeweiligen Kunden netzübergreifend miteinander telefonieren können. Nachfrager von Terminierungsleistungen ist der Netzbetreiber, aus dessen Netz der Anruf stammt. Dessen Nachfrage leitet sich unmittelbar von der Nachfrage eines Teilnehmers auf der Endkundenebene ab, der einen Teilnehmer in einem bestimmten anderen Netz erreichen will. Die Terminierungsleistung ist daher nicht durch andere Leistungen, etwa die Zustellung in ein anderes Netz, substituierbar.

Die Anrufzustellung innerhalb des Mobilfunknetzes des angerufenen Gesprächsteilnehmers kann aus technischen Gründen nur vom Betreiber des jeweiligen Mobilfunknetzes über seine Netzinfrastruktur erbracht werden. Andere Netzbetreiber haben keinen direkten Zugriff auf dessen Netz. Sie können den für einen fremden Kunden bestimmten Anruf nicht zustellen. Festnetzbetreiber wie Mobilfunkbetreiber sind auf die Terminierungsleistung des Netzbetreibers des Angerufenen angewiesen. Jedes Mobilfunkunternehmen hat daher in seinem eigenen Netz ein natürliches Monopol im Hinblick auf die Terminierungsleistung (zur Marktabgrenzung vgl. auch Empfehlung 2003/311/EG der Kommission der Europäischen Union vom 11. Februar 2003, ABl. EU Nr. L 114, S. 45, Anhang Nr. 16; Sondergutachten Nr. 39/2003 der Monopolkommission Tz. 210 ff.; Anlage 6 der Mitteilung 283/2006 der Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen vom 30. August 2006 zur "Anrufzustellung in einzelnen Mobiltelefonnetzen", Amtsblatt der Bundesnetzagentur 17/2006, 2429; vgl. auch BVerwG, Urt. v. 2.4.2008 - 6 C 14/07, juris; Mantl/Elkettani in Berliner Kommentar zum TKG, 2. Aufl., vor § 9 Rdn. 221 ff.; Heinen-Hosseini/Woesler ebenda, § 9 Rdn. 219 ff.; Kirchner/Käseberg in Scheurle/Mayen, TKG, 2. Aufl., § 11 Rdn. 65 ff.; Pape in Beck'scher TKG-Kommentar, 3. Aufl., vor § 9 Rdn. 37; Heun in Heun, Handbuch Telekommunikationsrecht, 2. Aufl., Kap. G Rdn. 170 f.; Schütze in Wissmann, Praxishandbuch Telekommunikationsrecht, 2. Aufl., Kap. 3 Rdn. 115 ff.).

b) Dagegen kann der Auffassung des Berufungsgerichts, E-Plus missbrauche ihre beherrschende Stellung auf diesem Markt durch ihre Weigerung, SIM-Karten für den Einsatz in GSM-Wandlern zum Zweck der Terminierung von Gesprächen aus dem Festnetz in das E-Plus-Mobilfunknetz zuzulassen, für den hier maßgeblichen Zeitpunkt aus Rechtsgründen nicht gefolgt werden. Für die rechtliche Beurteilung ist der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht Ende 2007 maßgeblich, der nach dem Erlass der Regulierungsverfügungen der Bundesnetzagentur von August und November 2006 liegt. Unter Berücksichtigung der Verhältnisse auf dem von E-Plus beherrschten Markt in dem hier maßgeblichen Zeitraum ab Ende August 2006 ist die missbräuchliche Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung durch E-Plus zu verneinen.

aa) Es kommt insoweit allenfalls ein missbräuchliches Verhalten unter dem Gesichtspunkt eines Behinderungsmissbrauchs durch Geschäfts- oder Lieferungsverweigerung in Betracht. E-Plus weigert sich generell, SIM-Karten zum Zweck der Anrufweiterleitung mittels GSM-Wandlern in das E-Plus-Netz zu liefern und über GSM-Wandler weitergeleitete Anrufe im eigenen Netz zuzustellen. Der Umstand, dass E-Plus diese Geschäfts- oder Lieferungsverweigerung durch ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen für Endkunden-SIM-Karten rechtlich absichern möchte, führt nicht dazu, dass dieser Sachverhalt unter dem Gesichtspunkt der Verwendungsbeschränkung zu betrachten ist.

bb) Eine Geschäftsverweigerung ist nach Art. 82 EG missbräuchlich, wenn sie in der Absicht erfolgt, dem marktbeherrschenden Unternehmen einen vor- oder nachgelagerten Markt vorzubehalten, nicht durch technische oder kommerzielle Notwendigkeiten gerechtfertigt und geeignet ist, jeglichen Wettbewerb durch das die Lieferung nachsuchende Unternehmen auszuschließen (EuGH, Urt. v. 6.3.1974 - C-6/73, Slg. 1974, 223 Tz. 25 - Commercial Solvents; Urt. v. 3.10.1985 - C-311/84, Slg. 1985, 3261 = GRUR Int. 1986, 191 Tz. 25 f. - CBEM (Telemarketing); Urt. v. 26.11.1998 - C-7/97, Slg. 1998 I-7791 = WuW/E EU-R 127 Tz. 38 - Bronner; BGH, Urt. v. 3.3.2009 - KZR 82/07 WuW/E DE-R 2708 Tz. 35 - Reisestellenkarte). Bei der Prüfung dieser Voraussetzungen ist allerdings zu beachten, dass nach gefestigter Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union auch ein marktbeherrschendes Unternehmen berechtigt ist, seine geschäftlichen Interessen zu wahren, wenn diese bedroht sind, und in angemessenem Umfang so vorzugehen, wie es dies zum Schutz seiner Interessen für richtig hält. Bei einer Geschäftsverweigerung, die sich (lediglich) auf einen Drittmarkt auswirkt, kann von einem missbräuchlichen Handeln des den vor- oder nachgelagerten Markt beherrschenden Unternehmens nur ausgegangen werden, wenn das verweigerte Gut oder die abgelehnte Dienstleistung auf dem abgeleiteten Markt unerlässlich, also insbesondere nicht ersetzbar ist und demnach durch die Geschäftsverweigerung auf dem Drittmarkt Marktzutrittschranken für Wettbewerber errichtet werden (vgl. EuGH WuW/E EU-R 127 Tz. 40 ff. - Bronner; Möschel in Immenga/Mestmäcker aaO Art. 82 Rdn. 220 m.w.N.; vgl. auch BGHZ 156, 379, 389 - Strom und Telefon).

Diese Grundsätze gelten auch dann, wenn es sich bei dem E-Plus-Netz um eine notwendige Einrichtung im Sinne der sogenannten Essentialfacility-Doktrin (vgl. § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB) für den Zutritt auf den Terminierungsmarkt handelt (vgl. dazu die Entscheidungen EuGH, Urt. v. 6.4.1995 - C-241/91, Slg. 1995, I-742 = GRUR Int. 1995, 490 Tz. 54 f., 70 - Magill; EuGH WuW/E EU-R 127 Tz. 34 ff. - Bronner; Urt. v. 29.4.2004 - C-418/01, Slg. 2004, I-5039 = WuW/E EU-R 804 Tz. 17, 40 ff. - IMS-Health, denen ein solches Wettbewerbsverhältnis zugrunde lag; vgl. ferner BGH, Urt. 4.11.2003 - KZR 16/02, BGHZ 156, 379, 389 - Strom und Telefon; Möschel in Immenga/Mestmäcker, GWB, 4. Aufl., § 19 GWB Rdn. 180, 187 m.w.N.).

cc) Hier kommt für die Beurteilung, ob die Weigerung von E-Plus, den Einsatz von GSM-Wandlern zuzulassen, missbräuchlich i.S. von Art. 82 EG ist, dem Umstand maßgebliche Bedeutung zu, dass E-Plus aufgrund der Regulierungsverfügungen der Bundesnetzagentur von August und November 2006 verpflichtet ist, anderen Unternehmen unter bestimmten Bedingungen Zugang zu ihren Terminierungsleistungen im eigenen Netz zu gewähren. Diesen Umstand hat das Berufungsgericht rechtsfehlerhaft nicht hinreichend beachtet.

(1) Die Verfügung der Bundesnetzagentur von Ende August 2006, mit der die Muttergesellschaft von E-Plus verpflichtet wurde, Betreibern von öffentlichen Telefonnetzen die Zusammenschaltung mit ihrem Mobiltelefonnetz an ihrem Vermittlungsstellenstandort zu ermöglichen, und mit der die Entgelte für die Zusammenschlussleistungen der Genehmigung nach Maßgabe des § 31 TKG unterworfen wurden, beruht auf § 21 TKG, durch den Art. 8 Abs. 2 und Art. 12 der Richtlinie 2002/19/EG (Zugangsrichtlinie) umgesetzt worden sind. Die Regulierung des relevanten Marktes, die durch diese Verfügung und die nachfolgende Festsetzung der Entgelthöhe mit Verfügung von November 2006 bewirkt worden ist, steht zwar nicht bereits als solche einer Anwendung des Art. 82 EG entgegen (vgl. EuG, Urt. v. 10.4.2008 - T-271/03, Slg. 2008, II-477 Tz. 107, 120 = WuW/E EU-R 1429 - Deutsche Telekom/Kommission). Insbesondere kann nicht allein wegen Erlasses von Verfügungen einer Regulierungsbehörde angenommen werden, dem betroffenen Unternehmen stehe ein für die Annahme eines Missbrauchs i.S. von Art. 82 EG erforderlicher Verhaltensspielraum auf dem regulierten Markt nicht (mehr) zu (vgl. BGH, Urt. v. 10.2.2004 - KZR 7/02, WuW/E DE-R 1254, 1256 - Verbindung von Telefonnetzen).

(2) Das schließt es jedoch nicht aus, bei der Beurteilung, ob ein Verhalten als Missbrauch i.S. von Art. 82 EG anzusehen ist, zu berücksichtigen, ob und in welchem Umfang der betreffende Markt durch gesetzliche Regelungen oder auf solchen beruhende Verfügungen einer staatlichen Stelle reguliert ist. Dabei ist vor allem von Bedeutung, wie sich die Regulierung als staatlicher Eingriff in den Markt auf die Wettbewerbsmöglichkeiten der Beteiligten auswirkt. Ist wie im vorliegenden Fall eine Lieferverweigerung des marktbeherrschenden Unternehmens zu beurteilen, ist zu prüfen, ob diese Weigerung im Hinblick auf die bereits durch die Regulierung begründeten Zugangsverpflichtungen eine angemessene und verhältnismäßige Maßnahme des marktbeherrschenden Unternehmens darstellt, um dessen berechtigte geschäftliche Interessen zu wahren. Für die insoweit gebotene Interessenabwägung ist der Grad der jeweiligen Reglementierung ein maßgeblicher Abwägungsfaktor (vgl. EuGH, Urt. v. 16.9.2008 - C-468/06 bis C-478/06, Slg. 2008, I-7139 = WuW/E EU-R 1463 Tz. 67 ff. - Sot. Lelos u.a./GlaxoSmithKline, zu missbräuchlichem Verhalten bei Preisreglementierung durch gesetzliche Preisfestsetzungssysteme).

dd) Nach diesen Beurteilungsgrundsätzen kann die Weigerung von E-Plus, SIM-Karten zum Zwecke des Einsatzes in GSM-Wandlern zur Verfügung zu stellen, entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts im Hinblick auf den hier gegebenen regulierten Zugang nicht als missbräuchlich i.S. von Art. 82 EG (Art. 102 AEUV) angesehen werden.

(1) Wird ein marktbeherrschendes Unternehmen durch Verfügung der Bundesnetzagentur nach § 21 TKG verpflichtet, anderen Unternehmen unter bestimmten Bedingungen Zugang zu dem von ihm beherrschten Markt für bestimmte Telekommunikationsdienstleistungen zu gewähren, so ist regelmäßig anzunehmen, dass damit der Gefahr einer missbräuchlichen Zugangsverweigerung in einem ausreichenden Maß begegnet wird. Die Verpflichtung zur Gewährung des Infrastrukturzugangs dient dem Ziel, ein wirksames Funktionieren des Marktes zu gewährleisten (vgl. Erwägungsgrund 6 der Zugangsrichtlinie 2002/19/EG; ferner Klotz in MünchKomm.EUWettbR, SB Telekommunikation Rdn. 37, 68 f.). Das marktbeherrschende Unternehmen handelt daher grundsätzlich nicht missbräuchlich, wenn es anderen Unternehmen, die Zugang zu dem von ihm beherrschten Markt begehren, diesen nur unter den von der Regulierungsbehörde nach § 21 TKG festgesetzten Bedingungen gewährt. Wegen der bereits durch die Anordnung nach § 21 TKG bewirkten Beschränkung seines Verhaltensspielraums ist es dem marktbeherrschenden Unternehmen im Regelfall nicht zumutbar, Dritten einen alternativen, mit einer weiteren Beschränkung seiner Interessen verbundenen Zugang zu gewähren.

(2) Es ist nicht ersichtlich, dass im Streitfall besondere Umstände vorliegen, die eine davon abweichende Beurteilung rechtfertigen. Anhaltspunkte dafür, dass die Regulierungsverfügungen der Bundesnetzagentur von August und November 2006 im Hinblick auf die damit bezweckte Beschränkung der Marktmacht von E-Plus hinter den einschlägigen gesetzlichen Vorgaben zurückbleiben (zur Anwendung von Art. 82 EG bei mangelhafter Regulierung vgl. auch Klotz aaO Rdn. 88; Schröter/Klotz in Berliner Kommentar zum TKG, Anh. I Rdn. 32), sind weder festgestellt noch vorgetragen. Es ist somit davon auszugehen, dass E-Plus aufgrund der Regulierungsverfügungen zur Gewährung des Zugangs zu Bedingungen verpflichtet ist, die auf objektiven Maßstäben beruhen, nachvollziehbar sind, einen gleichwertigen Zugang gewähren und den Geboten der Chancengleichheit und Billigkeit genügen.

(3) Festnetzbetreibern, die unmittelbar von E-Plus die Zustellung von Gesprächen aus ihrem Festnetz in das E-Plus-Mobilfunknetz über GSM-Wandler begehrten, dürfte E-Plus diese Leistung verweigern, weil die Möglichkeit der Zustellung solcher Gespräche über feste Übergabepunkte nach Maßgabe der Regulierungsverfügungen besteht. Dass dadurch höhere Kosten als bei der Verwendung von GSM-Wandlern anfallen können, weil die Einrichtung eigener Übergabepunkte zu vertretbaren wirtschaftlichen Bedingungen in der Regel ausscheiden wird und bei der Inanspruchnahme von Transferleistungen über Drittnetze zusätzliche Entgelte zu zahlen sind, führt nicht dazu, dass die Nutzung von GSM-Wandlern als unverzichtbar anzusehen wäre. Im Übrigen wird diese Folge bei der Festsetzung der Bedingungen, unter denen E-Plus nach den Regulierungsverfügungen der Bundesnetzagentur anderen Unternehmen den Zugang gewähren muss, bereits berücksichtigt worden sein.

(4) Ein berechtigtes Interesse an der Nutzung von SIM-Karten für den Einsatz in GSM-Wandlern zum Zweck der Weiterleitung von Festnetzanrufen, das die Weigerung von E-Plus als missbräuchlich i.S. von Art. 82 EG erscheinen ließe, ist vom Berufungsgericht nicht festgestellt und auch nicht erkennbar. Im Mobilfunknetz von E-Plus ist eine solche Nutzung von SIM-Karten nicht üblich, weil E-Plus sie nicht zulässt. Dass die Betreiber anderer Mobilfunknetze anders verfahren, ist weder festgestellt noch vorgetragen. In diesem Zusammenhang ist weiter von Bedeutung, dass auch bei der Rufzustellung über GSM-Wandler der Mobilnetzbetreiber, in dessen Netz zugestellt wird, ein Terminierungsentgelt erheben könnte. Auch die Anrufweiterleitung durch einen GSM-Wandler erfordert die Zustellung des Gesprächs bis zu dem angerufenen Teilnehmer und damit eine Terminierungsleistung, die innerhalb des Mobilfunknetzes aus technischen Gründen ausschließlich von dem jeweiligen Mobilfunknetzbetreiber erbracht werden kann. Der Unterschied zu einer Terminierung über den dafür vorgesehenen festen Übergabepunkt besteht lediglich darin, dass die Zusammenschaltung über die Luftschnittstelle in der Funkzelle erfolgt, in der sich der Wandler befindet. An dieser Stelle wird die für eine Zusammenschaltung charakteristische physische und logische Verbindung der Telekommunikationsnetze hergestellt, um den an verschiedene Netze angeschlossenen Nutzern die Kommunikation zu ermöglichen (§ 3 Nr. 34 TKG). Da es auf die technische Ausgestaltung der Schnittstelle nicht ankommt (BGH, Urt. v. 10.2.2004 - KZR 7/02, WuW/E DE-R 1254, 1259 - Verbindung von Telefonnetzen; Piepenbrock/Attendorn, BeckTKG, 3. Aufl., § 16 Rdn. 36; Säcker in Berliner Kommentar zum TKG, 2. Aufl., § 3 Rdn. 107; vgl. auch Elkettani, ebenda, Einl. IV Rdn. 126), genügt hierfür auch eine Verbindung über Funkfrequenzen.

E-Plus kann über den regulierten Zugang hinaus nicht zugemutet werden, einen weiteren Zugang zu ihrem Netz zu gewähren, für den sie das ansonsten für ihre Terminierungsleistungen anfallende Entgelt nicht erhält. Davon ist auch das Berufungsgericht im Ergebnis mit Recht ausgegangen. Wäre die Rufzustellung über GSM-Wandler danach aber - unabhängig davon, ob die Wandlernutzung den Regulierungsverfügungen unterfällt - im Ergebnis ohnehin so abzurechnen, als wäre die Zusammenschaltung über Vermittlungsstellenstandorte erfolgt, dann ist nicht ersichtlich, welches berechtigte Interesse daran bestehen könnte, einen solchen weiteren Zugang zu den Terminierungsleistungen von E-Plus zu erlangen.

(5) Eine Diskriminierung gegenüber Unternehmen, denen E-Plus den SIM-Karten-Einsatz in GSM-Wandlern zur Weiterleitung von Anrufen aus einem Drittnetz an die Mobiltelefone ihrer Mitarbeiter gestattet (sog. Corporate-Gateways), kann nicht festgestellt werden. Diese Unternehmen stehen nicht, wie es für die Annahme einer nach Art. 82 EG verbotenen Diskriminierung erforderlich ist (vgl. Eilmansberger in MünchKomm.EuWettbR, Art. 82 Rdn. 272), in einem aktuellen oder potentiellen Wettbewerbsverhältnis zu Unternehmen, die GSM-Wandler Festnetzbetreibern zum Zwecke der Termi- nierung anbieten. Sie leiten nicht beliebige Anrufe, die aus dem Festnetz stammen und für ein Mobilfunknetz bestimmt sind, weiter und befriedigen daher gerade nicht die Nachfrage der Festnetzbetreiber nach derartigen Terminierungs- oder Transitleistungen. Die Weiterleitung an den Mobilfunkanschluss des jeweiligen Mitarbeiters erfolgt ausschließlich im Interesse seines Unternehmens. Daher handelt es sich bei den Unternehmen, die sog. Corporate-Gateways nutzen, und solchen, die Leistungen wie den von E-Plus beanstandeten Einsatz von GSM-Wandlern anbieten, auch nicht um gleichartige Unternehmen i.S. des § 20 GWB (vgl. KG WuW/E DE-R 1274, 1278; OLG München WuW/E DE-R 1270, 1272; K. Westermann in MünchKomm.GWB, § 20 Rdn. 63 a.E.).

c) Aus den dargelegten Gründen sind die Voraussetzungen des § 19 GWB gleichfalls nicht erfüllt.

2. Die Begründung des Berufungsgerichts für die Abweisung der Klage hält demnach der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand. Dies führt insoweit zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung an das Berufungsgericht. Auf der Grundlage des im Revisionsverfahren zugrunde zu legenden Vorbringens von E-Plus und E-Plus-Mobilfunk kann nicht ausgeschlossen werden, dass ihnen der geltend gemachte Unterlassungsanspruch aus § 8 Abs. 1 Satz 1, §§ 3, 4 Nr. 10 UWG zusteht.

a) Der Unterlassungsanspruch ist auf eine Wiederholungsgefahr gestützt, zu deren Begründung Verletzungshandlungen im Januar und Mai 2007 in Betracht kommen. Nach dem Vorbringen von E-Plus verfügen die von TELES angebotenen GSM-Wandler ab diesem Zeitpunkt über die Ausstattungsmerkmale, die in dem in der Berufungsinstanz gestellten Unterlassungsantrag nach dem Klageantrag zu 1 genannt sind. Zu diesem Zeitpunkt galt das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb vom 3. Juli 2004 (BGBl. I, S. 2949; UWG 2004), das nach der Verkündung des Berufungsurteils geändert worden ist. Auf das in die Zukunft gerichtete Unterlassungsbegehren sind die Bestimmungen des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb in der Fassung der Bekanntmachung vom 3. März 2010 (BGBl. I, S. 254; im Folgenden: UWG) anzuwenden. Der Unterlassungsanspruch besteht aber nur, wenn das beanstandete Verhalten auch zur Zeit der Begehung, also nach der Beurteilung auf der Grundlage des UWG 2004 wettbewerbswidrig war. Die Anforderungen an die Annahme einer hier in Rede stehenden unzulässigen gezielten Behinderung von Mitbewerbern i.S. von § 4 Nr. 10 UWG haben sich allerdings nicht geändert (vgl. BGH, Urt. v. 11.1.2007 - I ZR 96/04, BGHZ 171, 73 Tz. 12 - Außendienstmitarbeiter; BGH, Urt. v. 29.3.2007 - I ZR 164/04, GRUR 2007, 987 Tz. 32 = WRP 2007, 1341 - Änderung der Voreinstellung I; Urt. v. 5.2.2009 - I ZR 119/06, GRUR 2009, 876 Tz. 12 = WRP 2009, 1086 - Änderung der Voreinstellung II).

b) Eine gezielte Behinderung von Mitbewerbern i.S. von §§ 3, 4 Nr. 10 UWG setzt eine Beeinträchtigung der wettbewerblichen Entfaltungsmöglichkeiten eines Mitbewerbers voraus (vgl. BGH, Urt. v. 17.5.2001 - I ZR 216/99, BGHZ 148, 1, 5 - Mitwohnzentrale.de). Eine wettbewerbswidrige Behinderung liegt insbesondere dann vor, wenn Mittel eingesetzt werden, die dazu führen, dass der Mitbewerber seine Leistung am Markt durch eigene Anstrengung nicht mehr in angemessener Weise zur Geltung bringen kann (vgl. BGHZ 171, 73 Tz. 22 - Außendienstmitarbeiter, m.w.N.). Das kann bei einer (auch nur mittelbaren) Einwirkung auf Waren oder Dienstleistungen eines Mitbewerbers der Fall sein, wenn das behindernde Unternehmen darauf abzielt, sich oder Dritten einen unberechtigten kostenlosen oder kostengünstigeren Zugang zu einer entgeltlich angebotenen Leistung zu verschaffen (vgl. BGH, Urt. v. 24.6.2004 - I ZR 26/02, GRUR 2004, 877, 879 = WRP 2004, 1272 - Werbeblocker; Köhler in Köhler/Bornkamm, UWG, 28. Aufl., § 8 Rdn. 10.48; Ohly in Piper/Ohly/Sosnitza, UWG, 5. Aufl., § 4.10 Rdn. 10/61). Eine gezielte Mitbewerberbehinderung ist beispielsweise in dem Fall angenommen worden, dass ein Festnetzbetreiber seinen Kunden eine Rufumleitung angeboten hat, durch die Anrufe aus dem Festnetz nicht zu der gewählten Mobilfunknummer des Kunden, sondern unmittelbar zu seinem Festnetzanschluss geschaltet wurden; weil sich der Festnetzbetreiber bei der Schaltung der Rufumleitung Leistungen seines Mitbewerbers zunutze macht, die in der Bereitstellung eines Mobilfunkanschlusses und der Unterhaltung des Mobilfunknetzes bestehen, zugleich aber den Anfall des Zusammenschlussentgelts zu dessen Gunsten verhindert (BGH, Urt. v. 7.10.2009 - I ZR 150/07, GRUR 2010, 346 Tz. 15, 18 = WRP 2010, 633 - Rufumleitung).

Danach sind die - für die rechtliche Beurteilung in der Revisionsinstanz nach dem Vortrag von E-Plus - von TELES begangenen Verletzungshandlungen als unlautere Behinderung von E-Plus i.S. von §§ 3, 4 Nr. 10 UWG zu beurteilen. E-Plus gestattet den Einsatz von GSM-Wandlern zur Weiterleitung von Festnetzgesprächen in ihr Mobilfunknetz außerhalb von Corporate-Gateways nicht und ist dazu kartellrechtlich auch nicht verpflichtet (oben unter B I 1). Erwerber der von TELES angebotenen Geräte müssen daher, wenn sie diese gleichwohl zu diesem Zweck einsetzen wollen, SIM-Karten von E-Plus zu Endkundenbedingungen ohne Offenlegung der Verwendungsabsicht erwerben. Durch den beanstandeten Einsatz von SIM-Karten, die ohne Offenlegung der beabsichtigten Verwendung in GSM-Wandlern und damit ohne Zustimmung von E-Plus zu dieser Nutzung erworben wurden, wird der Anschein eines netzinternen Anrufs erweckt, dessen Herkunft aus einem Festnetz der Mobilfunkanbieter nicht ohne weiteres zu erkennen vermag. Der Wandler-Betreiber verschafft sich die Terminierungsleistung des Mobilfunkbetreibers damit durch den Einsatz der SIM-Karte zu Konditionen, zu denen der Mobilfunkbetreiber diese Leistung zu erbringen weder bereit noch verpflichtet ist, und veräußert diese auf eigene Rechnung gewinnbringend weiter. Die darin liegende Beeinträchtigung seiner wettbewerblichen Entfaltungsmöglichkeiten muss der Mobilfunkbetreiber trotz seiner marktbeherrschenden Stellung nicht hinnehmen. Die unlautere Einwirkung auf die Dienstleistung des Mobilfunkbetreibers begeht dabei nicht nur derjenige, der den GSM-Wandler einsetzt und betreibt. Vielmehr liegt bereits in dem Vertrieb von Geräten, die durch besondere Ausstattungsmerkmale gerade dafür hergerichtet sind, Dritten einen unberechtigten kostenlosen oder kostengünstigeren Zugang zu einer entgeltlich angebotenen Leistung zu verschaffen, eine unlautere Behinderung i.S. von § 4 Nr. 10 UWG (vgl. BGH GRUR 2004, 877, 879 - Werbeblocker).

Eine solche Bestimmung der von TELES angebotenen Geräte hat E-Plus vorgetragen. Die im Unterlassungsantrag nach ihren technischen Merkmalen näher bezeichneten GSM-Wandler verfügen nach dem Vorbringen von E-Plus über Ausstattungsmerkmale, die zur Abwicklung und Abrechnung von gewerblichem Telefon-Massenverkehr und zur Verschleierung des Wandler-Einsatzes gegenüber dem Mobilfunkbetreiber dienen. Das Angebot von TELES richte sich bewusst an Unternehmen ("Carrier"), die Telefonverkehr aus unterschiedlichen Telekommunikationsnetzen sammelten, um ihn an die unterschiedlichen nationalen Mobilfunk- und Festnetze weiterzuleiten. Zu diesen Ausstattungsmerkmalen gehörten eine Systemkomponente, die automatisch abrechnungsfähige Datensätze zur Gesprächsabrechnung der Betreiber gegenüber ihren Kunden fertige ("CDR generation"), und eine SS7-ISUP-Schnittstelle, die für einen unternehmensinternen Gebrauch als Corporate-Gateway nicht erforderlich sei und dem Anschluss an das deutsche Festnetz diene. Ferner werde die Möglichkeit zum Anschluss von SIM-Card-Servern eröffnet, über die bei Deaktivierung einer SIM-Karte automatisch eine Verbindung über eine andere SIM-Karte aufgebaut werden könne, und werde die Funktion "Number portability support" angeboten, die in ein anderes Netz "portierte" Rufnummern filtere. In ihrer Werbung stelle TELES das Geschäftsmodell des Wandler-Einsatzes zur Einleitung von Festnetzanrufen in das Mobilfunknetz vor und behaupte, eine Vereinbarung über die Zusammenschaltung sei nicht erforderlich. Anhaltspunkte dafür, dass die Geräte auch auf zulässige Weise genutzt werden könnten, etwa weil andere Mobilfunkbetreiber den Einsatz in ihren Netzen erlaubten, bestehen danach nicht.

c) Das für die Annahme eines wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruchs erforderliche konkrete Wettbewerbsverhältnis (Mitbewerber) zwischen den Parteien (§ 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG) wird dadurch begründet, dass sie durch die konkret beanstandete Wettbewerbshandlung miteinander in Wettbewerb getreten sind (vgl. BGH GRUR 2004, 877, 878 f. - Werbeblocker, m.w.N.). Die Wiederholungsgefahr (§ 8 Abs. 1 Satz 1 UWG) ist durch die nach dem Vortrag von E-Plus begangenen Verletzungshandlungen von TELES begründet worden.

d) Die Sache ist insoweit allerdings nicht entscheidungsreif. TELES hat bestritten, dass die im Unterlassungsantrag von E-Plus angeführten Ausstattungsmerkmale dem Einsatz der Geräte zu der beanstandeten Weiterleitung von Festnetzgesprächen dienten. Sie hat geltend gemacht, diese Funktionen belegten, dass die Geräte verwendungsneutral, also auch zur Verwendung als Corporate-Gateway, hergestellt worden seien. Da E-Plus die Verwendung von GSM-Wandlern als Corporate-Gateway zulässt, könnte der Vertrieb von GSM-Wandlern zu diesem Zweck nicht als unlautere Behinderung i.S. von § 4 Nr. 10 UWG angesehen werden. Das Berufungsgericht hat - aus seiner Sicht folgerichtig - zu den technischen Eigenschaften der angegriffenen GSM-Wandler keine Feststellungen getroffen, so dass die Sache zur Entscheidung über das Hauptbegehren der Klägerinnen, das ein unbeschränktes Vertriebsverbot der näher bezeichneten GSM-Wandler - unabhängig von ihrem Verwendungszweck im konkreten Fall - zum Gegenstand hat, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen ist. Die auf Auskunftserteilung und Feststellung der Schadensersatzpflicht gerichteten Berufungsanträge zu 2 und 3 beziehen sich auf das - unbeschränkte - Unterlassungsbegehren nach dem Berufungsantrag zu 1 und sind daher gleichfalls noch nicht entscheidungsreif.

II. Revision der Beklagten Die Revision von TELES ist unbegründet. Aus den Ausführungen unter B I folgt, dass TELES aus kartellrechtlichen Gründen keine Änderung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen von E-Plus verlangen kann, soweit in diesen die Nutzung der SIM-Karte in Vermittlungs- oder Übertragungssystemen zur Weiterleitung von Verbindungen eines Dritten an einen anderen Dritten untersagt wird. Dies gilt auch, soweit die Verwendung von SIM-Karten auf den Einsatz in Corporate-Gateways beschränkt wird (Widerklageantrag zu 2). Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts bezieht sich das Widerklagebegehren nach dem Widerklageantrag zu 2 allerdings nicht auf Allgemeine Geschäftsbedingungen, die E-Plus in Verträgen mit sogenannten Corporate-Gateway-Kunden verwendet. Die mit dem Widerklageantrag zu 2 beanstandete Klausel Nr. 8.14.2 verwendet E-Plus nach den tatbestandlichen Feststellungen des Berufungsgerichts vielmehr in ihren Endkundenverträgen. Davon ist auch TELES mit seinem Widerklagebegehren ausgegangen und hat die Verwendung der Klausel gegenüber E-Plus-Kunden auch deshalb als kartellrechtlich unzulässig und widersprüchlich beanstandet, weil sie ein pauschales Verbot für den Einsatz von E-Plus-Karten in Corporate-Gateways enthalte, während E-Plus Geschäftskunden die Benutzung von SIM-Karten in Corporate-Gateways anbiete. Es ist jedoch unter kartell- und sonstigen rechtlichen Gesichtspunkten nichts dagegen einzuwenden, dass sich E-Plus vorbehält, Vereinbarungen über den Einsatz von SIM-Karten in Corporate-Gateways außerhalb von Endkundenverträgen zu treffen.

Tolksdorf Raum Bergmann Strohn Kirchhoff Vorinstanzen:

LG Düsseldorf, Entscheidung vom 14.06.2006 - 34 O (Kart) 165/05 -

OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 13.03.2008 - VI U (Kart) 34/06 -






BGH:
Urteil v. 29.06.2010
Az: KZR 24/08


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/c853fb5fce9a/BGH_Urteil_vom_29-Juni-2010_Az_KZR-24-08




Diese Seite teilen (soziale Medien):

LinkedIn+ Social Share Twitter Social Share Facebook Social Share