Oberlandesgericht Celle:
Beschluss vom 12. Februar 2003
Aktenzeichen: 16 W 64/02

(OLG Celle: Beschluss v. 12.02.2003, Az.: 16 W 64/02)

Tenor

1. Der angefochtene Beschluss vom 18. Juli 2002 wird aufgehoben.

Das Landgericht wird angewiesen, über das Prozesskostenhilfegesuch erneut zu entscheiden und dabei nach Maßgabe der Gründe dieses Beschlusses von seinen Bedenken gegen die Erfolgsaussichten der Rechtsverteidigung Abstand zu nehmen.

2. Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.

Gründe

I.

Das klagende Land verlangt von dem Beklagten als Nachlasskonkursverwalter Rückzahlung von 19.579,97 €. Dies ist der Rest von insgesamt 750.000 DM, die das klagende Land dem Beklagten zur Verfügung gestellt hatte, um ein ölverseuchtes Grundstück der Erblasserin ..., die von dem klagenden Land beerbt worden ist, entsprechend der Ordnungsverfügung des Landkreises ... zu sanieren. Der Beklagte, der unter dem 24. April 1997 die Unzulänglichkeit der Masse angezeigt hat (Bl. 46), begehrt Prozesskostenhilfe für seine Rechtsverteidigung.

Er verweigert die Herausgabe des nach der Sanierung übrig gebliebenen Restbetrages, indem er mit bestrittenen Gebührenansprüchen aufrechnet. Für die von ihm durchgeführte Sanierung beansprucht er 8.541,67 € nach § 118 Abs. 1 BRAGO. Ferner macht der Beklagte weitere Rechtsanwaltskosten in Höhe von 5.119,63 € für den Verkauf des Nachlassgrundstückes geltend.

Die Parteien streiten darüber, ob der Beklagte die Sanierung und den späteren Verkauf des Nachlassgrundstücks in seiner Eigenschaft als Nachlasskonkursverwalter durchgeführt hat.

Das Landgericht hat dem Beklagten die nachgesuchte Prozesskostenhilfe mangels Erfolgsaussichten seiner Rechtsverteidigung verweigert. Es hat ausgeführt, zunächst reichten die zur Aufrechnung gestellten Gebührenansprüche nicht aus, um die gesamte Klageforderung zu Fall zu bringen. Vielmehr bleibe ein Rest von 5.918,67 €, den der Beklagte auskehren müsse, selbst wenn im Übrigen die Aufrechnung durchgriffe. Dies sei jedoch nicht der Fall. Der Beklagte habe im Rahmen seiner Pflichten als Konkursverwalter nach § 6 KO gehandelt und könne deshalb über seine im Konkursverfahren festgesetzte Vergütung hinaus keine zusätzlichen Gebühren als Rechtsanwalt beanspruchen.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde des Beklagten, mit der er seinen Rechtsstandpunkt, er habe aufrechenbare Gebührenansprüche, wiederholt und im Übrigen darauf hinweist, dass ein etwaiger an die Masse gerichteter Rückzahlungsanspruch nur auf § 812 BGB gestützt werden könne, es sich insoweit jedoch um eine Masseschuld handele, welche in die Rangklasse nach § 60 Abs. 1 Nr. 3 KO falle und wegen der Masseunzulänglichkeit in dieser Rangklasse nicht befriedigt werden könne.

Das klagende Land beantragt die Zurückweisung der Beschwerde des Beklagten. Es wiederholt seinen Rechtsstandpunkt, der Beklagte habe keine Gebührenansprüche, die er zur Aufrechnung stellen könne. Ferner hat das klagende Land klargestellt, den Beklagten nicht persönlich, sondern nur in seiner Eigenschaft als Nachlasskonkursverwalter in Anspruch zu nehmen.

II.

1. Die zulässige Beschwerde des Beklagten ist dahin begründet, dass die Erfolgsaussichten der Rechtsverteidigung im Sinne des § 114 ZPO nach gegenwärtigem Sach- und Streitstand nicht verneint werden können. Da bislang die weiteren Voraussetzungen für die Gewährung der Prozesskostenhilfe nach § 116 ZPO nicht geprüft sind, kommt eine abschließende Entscheidung des Senats nicht in Betracht. Vielmehr ist der Prozesskostenhilfe versagende Beschluss aufzuheben, damit das Landgericht unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Senats in der Sache über den Antrag erneut entscheiden kann.

2. Die Rechtsverteidigung des Beklagten bietet nach gegenwärtigem Sach- und Streitstand hinreichende Erfolgsaussichten (§ 114 ZPO). Der Beklagte hat, da der Anspruch des klagenden Landes sich gegen die Masse richtet, zwar keine Rechtsanwaltsgebührenansprüche, die er in diesem Prozess zur Aufrechnung stellen kann. Jedoch scheitert seine Inanspruchnahme auf Rückzahlung des unverbrauchten Restbetrages an der Masseunzulänglichkeit.

a) Gebührenansprüche, die der Beklagte in seiner Eigenschaft als Nachlasskonkursverwalter geltend machen kann, sind im Rahmen dieses Verfahrens festzusetzen und werden aus der Masse entnommen. Hierauf hat das Landgericht bereits zutreffend hingewiesen.

b) Dem Beklagten könnten darüber hinausgehende Gebührenansprüche nach § 118 BRAGO nur insoweit zustehen, als er im Hinblick auf die Grundstückssanierung und den Verkauf des Grundstücks nicht als Nachlasskonkursverwalter, sondern als Treuhänder des klagenden Landes in dessen Auftrag gehandelt hätte (§ 1 Abs. 2 BRAGO).

Voraussetzung hierfür wäre, dass der von dem klagenden Land dem Beklagten zur Verfügung gestellte Geldbetrag für die Sanierung von 750.000 DM, wie der Beklagte behauptet, nicht in die Masse gezahlt worden wäre und somit Sondervermögen darstellen würde. Dieses hätte dann - ohne Aufsicht durch das Konkursgericht - der treuhänderischen Verwaltung des Beklagten unterlegen. Der Beklagte wäre in diesem Fall gegenüber dem klagenden Land zur Rechnungslegung sowie zur Auskehrung des nicht verbrauchten Restbetrages gemäß §§ 675, 666, 667 BGB verpflichtet.

Zugleich hätte er die Möglichkeit, Gebührenansprüche nach § 118 BRAGO geltend zu machen. Denn hätte er nicht als Nachlasskonkursverwalter, sondern als Treuhänder des klagenden Landes gehandelt, wäre diese Tätigkeit nicht durch das gemäß § 85 KO gerichtlich festgesetzte Honorar abgegolten und dürfte auch bei dessen Festsetzung nicht berücksichtigt werden. Vielmehr könnte der Beklagte eine zusätzliche Vergütung gemäß §§ 675, 612 Abs. 1, 2 BGB in Verbindung mit den einschlägigen Vorschriften der BRAGO verlangen und nach Maßgabe der §§ 387 ff. BGB zur Aufrechnung stellen.

c) Im vorliegenden Fall mag die Tatsache, dass der von dem klagenden Land zur Verfügung gestellte Geldbetrag auf einem Sonderkonto verwahrt worden ist und die Rechnungsprüfung betreffend die Sanierungskosten durch den Landkreis ... im Auftrage des Landes erfolgte, ein Indiz dafür sein, dass der Beklagte jedenfalls hinsichtlich der Sanierung des ölverunreinigten Grundstücks nicht als Konkursverwalter, sondern, wie von ihm geltend gemacht, als Beauftragter des Landes tätig geworden ist.

d) Diese Frage muss im Rahmen des vorliegenden Beschwerdeverfahrens aber nicht entschieden werden. Denn der Beklagte könnte seinen in diesem Fall im Grundsatz zu bejahenden Gebührenanspruch nur dann zur Aufrechnung stellen, wenn er in seiner Eigenschaft als beauftragter Treuhänder nach §§ 666, 667 BGB auf Abrechnung des Vorschusses von 750.000 DM in Anspruch genommen würde.

Demgegenüber nimmt das klagende Land, wie im Beschwerdeverfahren klargestellt (Bl. 87), den Beklagten ausschließlich in seiner Eigenschaft als Nachlasskonkursverwalter in Anspruch. Insoweit kann der Beklagte aber nicht Gebührenansprüche zur Aufrechnung stellen, die er nicht als Konkursverwalter, sondern in seiner zivilen Funktion als Rechtsanwalt aus einer anderweitigen Tätigkeit erlangt hat (§§ 387 ff. BGB).

Als Konkursverwalter führt er den Prozess zwar im eigenen Namen, hat aber die Stellung einer "Partei kraft Amtes". Dies bedeutet, dass er die Konkursmasse repräsentiert und insoweit als Amtspartei handelt. Dies geht soweit, dass eine Person, die als Konkursverwalter für mehrere Konkursfälle bestimmt ist, für jede Konkursmasse eine selbständige Amtspartei bildet, somit beispielsweise auch der Konkursverwalter einer KG und der in der Person identische Konkursverwalter der Komplementär-GmbH Streitgenossen sein können (vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO 20. Aufl., § 51, Rn. 7 und § 66, Rn. 5 m.w.N.). Dies macht deutlich, dass der Konkursverwalter - gleich einer juristischen Person - als selbständige Rechtspersönlichkeit handelt. In dieser Eigenschaft kann er daher nicht mit Forderungen aufrechnen, die nicht der von ihm repräsentierten Gemeinschuldnerin bzw. Konkursmasse zustehen, sondern ihm selbst in eigener Person.

3. Gleichwohl hat die Rechtsverteidigung des Beklagten als Nachlasskonkursverwalter hinreichende Aussicht auf Erfolg im Sinne des § 114 ZPO.

Soweit das klagende Land den Beklagten in seiner Eigenschaft als Nachlasskonkursverwalter in Anspruch nimmt, könnte sich ein Rückzahlungsanspruch nur aus dem Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Bereicherung (§ 812 Abs. 1 BGB) ergeben, was voraussetzen würde, dass, wie vom klagenden Land auch behauptet, der für die Sanierung vorgesehene Betrag von 750.000 DM zur Masse gezahlt worden wäre. Wäre dies aber der Fall, dürfte der Klageanspruch wegen der Masseunzulänglichkeit nicht zu realisieren sein. Es würde sich nämlich dann um eine Masseschuld nach § 59 Abs. 1 Nr. 4 KO handeln, die wegen ihrer Nachrangigkeit (§ 60 Abs. 1 Nr. 3 KO) unter Berücksichtigung der Masseinsuffizienz, so jedenfalls der unwidersprochen gebliebene Vortrag des Beklagten, nicht befriedigt werden könnte.

III.

Die vorliegende Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Die Entscheidung über die Nichterstattung von Kosten beruht auf § 127 Abs. 4 ZPO.






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