Bundespatentgericht:
Beschluss vom 2. Februar 2011
Aktenzeichen: 8 W (pat) 6/08

(BPatG: Beschluss v. 02.02.2011, Az.: 8 W (pat) 6/08)

Tenor

Unter Aufhebung des Beschlusses der Prüfungsstelle für Klasse B05B des Deutschen Patentund Markenamtes vom 16. Dezember 2005 wird auf die Anmeldung 100 60 849 ein Patent mit den folgenden Unterlagen erteilt:

Patentansprüche 1 bis 8 gemäß dem am 21. Januar 2006 eingegangenen Hauptantrag (ursprüngliche Patentansprüche), Beschreibung, Seiten 1 bis 8, und Zeichnungen, Figuren 1 und 2, gemäß dem am 21. Januar 2006 eingegangenen Hauptantrag.

Gründe

I.

Die am 6. Dezember 2000 beim Patentamt eingegangene Patentanmeldung mit der Bezeichnung "Spritzvorrichtung" ist von der Prüfungsstelle für Klasse B05B mit Beschluss vom 16. Dezember 2005 zurückgewiesen worden. Sie hat zur Begründung ausgeführt, dass alle Merkmale des Anspruchs 1 aus der DE 196 50 781 A1 (D1) bekannt seien und daher der Anspruch 1 mangels Neuheit seines Gegenstandes nicht gewährbar sei.

Gegen diesen Zurückweisungsbeschluss richtet sich die Beschwerde der Patentanmelderin.

Die Patentanmelderin und Beschwerdeführerin verteidigt die Patentanmeldung mit den ursprünglichen Patentansprüchen 1 bis 8 sowie einer überarbeitete Beschreibungseinleitung als Hauptantrag sowie mit einem geänderten Patentanspruch 1 und einer überarbeiteten Beschreibungseinleitung als Hilfsantrag. Sie führt zur Begründung im Wesentlichen aus, dass der Adapter (46) der Druckschrift D1 nicht dem Adapter (40) der Patentanmeldung und auch die Sprüheinrichtung

(2) der D1 nicht der Verlängerungseinrichtung (30) der Patentanmeldung entspreche und daher der Gegenstand des Patentanspruchs 1 nach Hauptund Hilfsantrag sowohl neu als auch erfinderisch sei.

Die Patentanmelderin und Beschwerdeführerin ist außerdem der Auffassung, dass die Zurückweisung der Anmeldung nicht gerechtfertigt sei, weil sie gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs verstoße, da von der Prüfungsstelle die Verlängerungseinrichtung in der D1 nicht im Erstbescheid, sondern im Zurückweisungsbeschluss erstmalig konkret nachgewiesen worden sei. Bei ordnungsgemäßer und angemessener Sachbehandlung hätte der Erlass eines Zurückweisungsbeschlusses und die Erhebung der Beschwerde sowie die Einzahlung der Beschwerdegebühr jedoch nach ihrer Ansicht vermieden werden können.

Von der Anmelderin und Beschwerdeführerin liegt daher gemäß Beschwerdebegründung vom 20. Januar 2006, eingegangen am 21. Januar 2006, der Antrag vor,

-den angefochtenen Beschluss aufzuheben und -das Patent mit den Patentansprüchen gemäß Hauptantrag

(ursprüngliche Patenansprüche),

-hilfsweise mit den Patentansprüchen gemäß Hilfsantrag zu erteilen, und -die Beschwerdegebühr zurückzuerstatten.

Der geltende Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag lautet nach Korrektur eines offensichtlichen Schreibfehlers in der ursprünglichen Fassung ("erstreckenden" anstatt "erstreckende" in Zeile 11 des Anspruchstextes vor "Materialnadel"):

"Spritzvorrichtung zum Besprühen von Oberflächen mit flüssigen Materialien, mit einem Spritzkopf, der eine Materialdüse, eine Rundstrahlluftdüse und mindestens eine Flachstrahlluftdüse aufweist, mit einem Adapter zum Anschließen an Steuer und/oder Versorgungseinrichtungen für die Materialund Luftzufuhr, mit einer zwischen Spritzkopf und Adapter angeordneten Verlängerungseinrichtung, die ein innenliegendes Materialrohr und ein das Materialrohr im Abstand zur Bildung eines ersten Luftkanals umschließendes Luftrohr aufweist, und mit einer sich vom Adapter durch das Materialrohr in den Spritzkopf erstreckenden Materialnadel, dadurch gekennzeichnet, dass die Verlängerungseinrichtung (30) einen zweiten Luftkanal

(36)

aufweist unddass für jeden Luftkanal (35, 36) der Verlängerungseinrichtung

(30)

der Adapter (40) jeweils mindestens einen eigenen Luftzuführkanal (43, 44) und der Spritzkopf (1) mindestens einen eigenen Luftverbindungskanal (13a, b, 14a, b) aufweist, wovon ein Luftverbindungskanal (13a, b) mit der Rundstrahlluftdüse (5) und ein Luftverbindungskanal (14a, b) mit der mindestens einen Flachstrahlluftdüse (23a, b) verbunden ist."

Wegen des Wortlauts der Unteransprüche 2 bis 8 wird auf die Akten Bezug genommen.

Im patentamtlichen Prüfungsverfahren waren ferner zum Stand der Technik noch die folgenden Druckschriften in Betracht gezogen worden:

CH 446 138 (D2) DE 297 14 564 U1 (D3) DE 40 22 643 C1 (D4) DE 42 42 715 C2 (D5)

Wegen weiterer Einzelheiten im Übrigen wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

Die formund fristgerecht eingelegte Beschwerde der Anmelderin ist zulässig und in der Sache auch begründet.

Der Anmeldungsgegenstand stellt eine patentfähige Erfindung i. S. d. PatG §§ 1 bis 5 dar.

1. Der Gegenstand der vorliegenden Patentanmeldung ist eine Spritzvorrichtung zum Besprühen von Oberflächen mit flüssigen Materialien.

Gemäß Seite 2, 2. Absatz der geltenden Beschreibungseinleitung werden derartige Spritzvorrichtungen z. B. zum Lackspritzen in der Kfzoder Möbelindustrie eingesetzt. Dabei wird das zu versprühende Material durch eine über eine Materialnadel gesteuerte Materialdüse ausgetragen, die von einer Rundstrahlluftdüse umgeben ist, wobei der Spritzkopf meistens einen Düsenkopf mit zwei gegenüberliegend angeordneten Hörnern und jeweils mindestens einer Luftdüse zur Strahlformung des Materialstrahls aufweist, wodurch der Materialstrahl zusammengedrückt wird, weswegen diese Luftdüsen auch als Flachstrahlluftdüsen bezeichnet werden.

Für spezielle Anwendungszwecke, wie z. B. beim Innenspritzen von komplizierten Teilen, wie Hohlkörpern, Heizkörpern, Transformatoren oder Rohren, sei es gemäß der geltenden Beschreibungseinleitung, Seite 2, 3. Absatz, wegen der schwierigen Zugänglichkeit notwendig, den Spritzkopf über eine entsprechend lange Verlängerungseinrichtung, in der die Materialnadel gelagert ist, mit einem Adapter zu verbinden, der den Anschluss an die Steuerund/oder Versorgungseinrichtungen für Material und Luft ermöglicht. Bei solchen Verlängerungseinrichtungen sei jedoch nachteilig, dass für die Rundstrahlluftdüse und die Flachstrahlluftdüse/düsen eine gemeinsame Luftzufuhr vorgesehen ist, wodurch die einstellbaren Luftmengen für die zwei Düsentypen aneinander gekoppelt seien, so dass das Spritzbild nicht für alle Anwendungszwecke optimal eingestellt werden könne.

Dem Anmeldungsgegenstand liegt daher gemäß Seite 3, 1. Absatz der geltenden Beschreibung die Aufgabe zugrunde, eine mit einer Verlängerungseinrichtung versehene Spritzvorrichtung so auszugestalten, dass die Luftmengen für die Rundstrahlluftdüse und die Flachstrahlluftdüse unabhängig voneinander eingestellt werden können.

Nach Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag (in der ursprünglichen Fassung) ist hierfür eine Spritzvorrichtung zum Besprühen von Oberflächen mit flüssigen Materialien vorgesehen, deren Merkmale sich entsprechend der von der Anmelderin mit der Beschwerdebegründung vorgelegten Merkmalsgliederung wie folgt aufgliedern lassen:

a) Spritzvorrichtung zum Besprühen von Oberflächen mit flüssigen Materialien mit einem Spritzkopf, b) der eine Materialdüse, eine Rundstrahlluftdüse und mindestens eine Flachstrahlluftdüse aufweist, c) mit einem Adapter zum Anschließen an Steuerund/oder Versorgungseinrichtungen für die Materialund Luftzufuhr, d) mit einer zwischen Spritzkopf und Adapter angeordneten Verlängerungseinrichtung, e) die ein innenliegendes Materialrohr und ein das Materialrohr im Abstand zur Bildung eines ersten Luftkanals umschließendes Luftrohr aufweist, f) und mit einer sich vom Adapter durch das Materialrohr in den Spritzkopf erstreckenden Materialnadel, dadurch gekennzeichnet, g) dass die Verlängerungseinrichtung (30) einen zweiten Luftkanal

(36) aufweist undh) dass für jeden Luftkanal (35, 36) der Verlängerungseinrichtung

(30) der Adapter (40) jeweils mindestens einen eigenen Luftzuführkanal (43, 44) aufweisti) und der Spritzkopf (1) mindestens einen eigenen Luftverbindungskanal (13a, b, 14a, b) aufweist, j) wovon ein Luftverbindungskanal (13a, b) mit der Rundstrahlluftdüse (5) und ein Luftverbindungskanal (14a, b) mit der mindestens einen Flachstrahlluftdüse (23a, b) verbunden ist.

Die Spritzvorrichtung nach Patentanspruch 1 umfasst demnach drei verschiedene Bauteile, nämlich einen Spritzkopf (Merkmal a), einen Adapter (Merkmal c) undeine Verlängerungseinrichtung, die zwischen dem Spritzkopf und dem Adapter angeordnet ist (Merkmal d) (vgl. Seite 5, 6. Absatz der geltenden Beschreibung; Figur 1). Der Spritzkopf dient dem Versprühen von flüssigem Material und weist dazu nach Merkmal b) eine Materialdüse für den Materialaustrag sowie eine Rundstrahlluftdüse zum Versprühen des flüssigen Materials und mindestens eine Flachstrahlluftdüse zur Strahlformung auf. Den Merkmalen i) und j) des Anspruchs 1 ist zudem entnehmbar, dass der Spritzkopf für jede Luftdüse mindestens einen eigenen Luftverbindungskanal (13a, b, 14a, b) aufweist, wovon ein Luftverbindungskanal (13a, b) mit der Rundstrahlluftdüse (5) und ein Luftverbindungskanal (14a, b) mit der mindestens einen Flachstrahlluftdüse (23a, b) verbunden ist. Der Adapter (40) nach Merkmal c) hingegen ist für den Anschluss der Spritzvorrichtung an Steuerund/oder Versorgungseinrichtungen für die Materialund Luftzufuhr vorgesehen. Aufgrund der "und/oder"-Alternative kann der Adapter demnach an die Steuerund Versorgungseinrichtungen für die Materialund Luftzufuhr angeschlossen sein oder alternativ nur an eine von den beiden Einrichtungen, also entweder an die Steuereinrichtungen oder an die Versorgungseinrichtungen.

Die Verlängerungseinrichtung (30) zwischen dem Spritzkopf und dem Adapter nach Merkmal c) dient dazu, den Spritzkopf zu verlängern, damit man mit ihm auch in schwer zugängliche und entferntere Bereiche vordringen und diese mit flüssigem Material beschichten kann (Seite 2, 3. Absatz). In der Verlängerungseinrichtung (30) ist nach Merkmal e) zum einen ein innenliegendes Materialrohr für den Materialtransport und zum anderen ein das Materialrohr im Abstand umschließendes Luftrohr zur Bildung eines ersten Luftkanals vorgesehen, um das flüssige Material und die Sprühluft in den Spritzkopf zu transportieren, wobei sich eine Materialnadel vom Adapter durch das innenliegende Materialrohr bis in den Spritzkopf erstrecken soll (Merkmal f). Nach dem kennzeichnenden Merkmal g) ist weiterhin noch vorgesehen, dass die Verlängerungseinrichtung (30) einen zweiten Luftkanal (36) aufweist, so dass die Flachstrahlluftdüse einen eigenen Luftzufuhrkanal erhält (Figur 2). Der zweite Luftkanal kann gemäß geltender Beschreibung je nach Anwendungsfall als ein das erste Luftrohr im Abstand umschließendes Luftrohr ausgebildet sein (vgl. Ausführungsbeispiel nach der Figur 2, Seite 5, 7. Absatz) oder aber auch aus einem zusätzlichen Verbindungschlauch bestehen, um das Gewicht des zusätzlichen Kanals nicht noch wesentlich zu erhöhen (Seite 3, 4. Absatz bzw. Anspruch 2). Auch der Adapter weist nach Merkmal h) für jeden Luftkanal der Verlängerungseinrichtung mindestens einen eigenen Luftzuführkanal auf, um jeweils eine eigene Luftzufuhr für die Rundstrahlluftdüse und die Flachstrahlluftdüse bzw. die Flachstrahlluftdüsen bereitzustellen. Da zudem auch der Spritzkopf nach den Merkmalen i) und j) für jeden Luftkanal (35, 36) einen eigenen Luftverbindungskanal (13a, 13b) aufweist, wovon einer mit Rundstrahlluftdüse und einer mit der mindestens einen Flachstrahlluftdüse verbunden ist, ist bei der anmeldungsgemäßen Spritzvorrichtung nach Anspruch 1 eine völlig getrennte Luftzufuhr vom Adapter durch die Verlängerungseinrichtung zu der Rundstrahlluftdüse und der mindestens einen Flachstrahlluftdüse im Spritzkopf verwirklicht worden, so dass die Luftmengen für die Luftdüsen in den Steuerund/oder Versorgungseinrichtungen unabhängig voneinander eingestellt werden können (Seite 3, 3. Absatz).

2. Die Spritzvorrichtung zum Besprühen von Oberflächen mit flüssigen Materialien nach dem geltenden Patentanspruch 1 nach Hauptantrag (ursprüngliche Fassung) ist neu.

Aus der DE 196 50 781 A1 (D1) ist eine Sprühvorrichtung (2) zum Besprühen von Oberflächen mit flüssigem Beschichtungsmaterial mit einer Düse (54) als Spritzkopf entsprechend Merkmal a) der Merkmalsgliederung des Anspruchs 1 bekannt geworden, wobei die Düse aus mehreren Elementen (27, 100, 102, 104) zusammengesetzt ist und einen Luftverteiler (106) mit Luftdüsen für Formungsluft

(25) und Zerstäuberluft (29) und ein Düsenelement (104) mit einer zentralen Sprühöffnung (108) für den Materialaustrag und demnach eine Materialdüse (108), eine Rundstrahlluftdüse (29) und mindestens eine Flachstrahlluftdüse (25) entsprechend Merkmal b) des Anspruchs 1 aufweist (D1, Figur 8, Anspruch 1, Spalte 6, Zeilen 31 - 33; Spalte 4, Zeilen 56 - 64 und 67 - Spalte 5, Zeile 1). Wie aus den Figuren 1 und 8 ersichtlich, ist unterhalb einer Trägerplatte (4) für die Spritzvorrichtung ein Adapter (46) für die Montage der Spritzvorrichtung an einem Roboter, Hubständer, Handgriff oder anderen Träger (70) vorgesehen (Spalte 2, Zeilen 34 - 47), wobei sich durch den Adapter (46), die Trägerplatte (4) und die Sprühvorrichtung (2) Fluidkanäle (24, 26, 30) für den Fluss des Beschichtungsmaterials, der Zerstäuberluft und der Formungsluft zu den jeweiligen Düsen erstrecken (vgl. Pfeil (46) in Fig. 1 sowie Spalte 2, Zeilen 22 - 30). Demnach ist aus der D1 auch ein Adapter (46) zum Anschließen der Spritzvorrichtung an Versorgungseinrichtungen für die Materialund Luftzufuhr nach dem Merkmal c) des Anmeldungsgegenstandes bekannt geworden, wobei der Adapter entsprechend Merkmal h) für jeden Luftkanal ebenfalls jeweils mindestens einen eigenen Luftzuführkanal (24, 26) aufweist. An den Spritzkopf (Düse (54)) schließt sich -anders als bei der anmeldungsgemäßen Spritzvorrichtung -ein mittels einer Überwurfmutter (100) befestigtes Gehäuse (107) für die Sprühvorrichtung (2) an (Spalte 4, Zeilen 65 - 66), in dem sich -wie aus Figur 8 ersichtlich - nicht nur Materialund Fluidkanäle befinden, sondern auch eine Betätigungseinrichtung (82) für ein bewegliches Ventilteil (Ventilnadel (80)) mit einem Federelement (86) und einem Kolben (84) (Spalte 5, Zeilen 1 - 13). Demnach sind von dem Gehäuse (107) der bekannten Spritzvorrichtung die Steuereinrichtungen für die Materialzufuhr umgeben, aber keine Verlängerungseinrichtung entsprechend Merkmal d) der anmeldungsgemäßen Spritzvorrichtung nach Anspruch 1, die zur Verlängerung des Spritzkopfs dient, damit dieser im Sinne der Patentanmeldung auch in schwer zugängliche und entferntere Bereiche vordringen kann (Seite 2, 3. Absatz der geltenden Anmeldeunterlagen).

Die anmeldungsgemäße Spritzvorrichtung nach dem geltenden Anspruch 1 unterscheidet sich folglich von der aus D1 bekannten Sprühvorrichtung durch ihre mit einem Materialrohr und zwei Luftkanälen ausgestattete Verlängerungseinrichtung entsprechend den Merkmalen d), e) und g) und eine sich vom Adapter durch deren Materialrohr in den Spritzkopf erstreckende Materialnadel entsprechend dem Merkmal f).

Die übrigen im Zuge des Prüfungsverfahrens zu den Unteransprüchen genannten Druckschriften liegen weiter ab und können den Gegenstand nach Anspruch 1 insgesamt ebenfalls nicht vorwegnehmen. Eine Sprühvorrichtung mit einer Verlängerungseinrichtung zwischen einem Spritzkopf und einem Adapter mit einem innenliegenden Materialrohr, Luftkanälen und einer sich vom Adapter durch das Materialrohr in den Spritzkopf erstreckenden Materialnadel nach den Merkmalen d), e), f) und g) ist auch in den Druckschriften CH 446 138 (D2), DE 297 14 564 U1 (D3), DE 40 22 643 C1 (D4) und DE 42 42 715 C2 (D5) nicht aufgezeigt.

3. Der zweifellos gewerblich anwendbare Gegenstand nach dem geltenden Patentanspruch 1 beruht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Wie bereits der Neuheitsvergleich (Punkt 2.) ergeben hat, ist bei dem entgegengehaltenen Stand der Technik nach der DE 196 50 781 A1 (D1) die anmeldungsgemäße Ausgestaltung der Spritzvorrichtung mit einer zwischen einem Spritzkopf und einem Adapter angeordneten Verlängerungseinrichtung, die ein Materialrohr und Luftkanäle aufweist, sowie mit einer sich vom Adapter durch das Materialrohr in den Spritzkopf erstreckenden Materialnadel nicht vorgesehen (Merkmale d), e), f) und g)).

Die D1 betrifft vielmehr eine Sprühbeschichtungseinrichtung, die neben einer Sprühvorrichtung (2) mit einem Ventil (Ventilnadel (80), Ventilssitz (92)) und einem Betätigungsmechanismus zur Steuerung der Durchflussmenge von flüssigem oder pulverfömigem Beschichtungsmaterial noch einen Sensor (76) zur Überwachung der Stellung des beweglichen Ventilteils (80) umfasst (Anspruch 1, Spalte 5, Zeilen 1 -26), um auf einfache Weise die Funktionsfähigkeit der Sprühbeschichtungseinrichtung derart ununterbrochen automatisch überwachen zu können, dass Schäden durch Funktionsstörungen weitgehend vermieden werden und Häufigkeit und Zeitdauer fehlerhafter Beschichtungen z. B. in einer Produktionsstraße mit Sprühbeschichtungseinrichtungen reduziert werden (Spalte 1, Zeilen 23 -27 und 33 - 60).

Aus einem vergrößerten Längsschnitt durch die Sprühbeschichtungseinrichtung nach Figur 8 ist ersichtlich, dass auf der einen Seite der Sprühvorrichtung (2) Düsenelemente des Spritzkopfs mittels einer Überwurfmutter (100) an dem Gehäuse (107) der Sprühvorrichtung (2) befestigt sind und an der anderen gegenüberliegenden Seite der Sprühvorrichtung (2) der Sensor (76) angeordnet ist, wobei der Sensor auf einer Anbaufläche (98) fest montiert ist und auch beim Abnehmen der Sprühvorrichtung fest an der Trägerplatte (4) verbleibt, um auch für andere baugleiche Sprühvorrichtungen benützt zu werden (Spalte 4, Zeilen 48 - 55). Demnach bildet der Sensor (76) ein separates Bauteil, das an dem der Düse entgegen gesetzten Ende der Sprühvorrichtung zur Überwachung der Einstellung des Sprühventils angeordnet ist. Da zwischen dem Sensor (76) und dem Adapter

(46) zudem noch die Anbaufläche (98) angeordnet ist, wie aus der Figur 8 ersichtlich, kann der Sensor nicht als Teil des Adapters angesehen werden.

Das Gehäuse (107) der Sprühvorrichtung (2) ist nach der zeichnerischen Darstellung in Figur 8 in drei hintereinander angeordnete, aber nicht näher bezeichnete Bauteile aufgeteilt und durch Schrauben verspannt, von denen das erste Bauteil hinter Düse (54) die Fluidkanäle (24, 26, 30) für die Materialund Luftzufuhr, die Ventilnadel (80) und ein Federelement (86) enthält und die übrigen zwei Bauteile den Kolben (84), die Betätigungseinrichtung (82) sowie die Vorspannfeder (88) für die Ventilnadel (80) (Spalte 5, Zeilen 1 -11). Dieser Aufbau zeigt dem Fachmann, einem Diplom-Ingenieur der Fachrichtung Maschinenbau mit zumindest Fachhochschulabschluss und besonderen Kenntnissen und Erfahrungen auf dem Gebiet der Entwicklung und Konstruktion von Spritzvorrichtungen, dass das zwischen dem Spritzkopf und dem Sensor angeordnete Gehäuse (107) dazu dient, die wesentlichen Bauteile der Steuerund Versorgungseinrichtungen für die Materialund Luftzufuhr zum Spritzkopf (Düse (54)) aufzunehmen, während beim Anmeldungsgegenstand die Steuerund Versorgungseinrichtungen hierfür erst durch den Adapter angeschlossen werden (Merkmal c)). Demnach aber bilden die von dem Gehäuse (107) umgebenen Bauteile der aus D1 bekannten Spritzvorrichtung keine Verlängerungseinrichtung im Sinne der Patentanmeldung und können dem Fachmann auch keine Anregungen dazu vermitteln. Da aus den Figuren 1 und 8 zudem ersichtlich ist, dass das Gehäuse (107) mit seiner Unterseite auf der Trägerplatte (4) und diese wiederum auf dem Adapter (46) für die Montage der Spritzvorrichtung an einem Roboter, Hubständer, Handgriff oder anderen Träger angeordnet ist, ist für den Fachmann ersichtlich, dass dieser Spritzkopf sich nicht in schwer zugängliche entferntere Bereiche eines zu beschichtenden Werkstücks bewegen lässt.

Da die Druckschrift D1 nach alledem eine verlängernde Wirkung der von dem Gehäuse (107) umgebenen Bauteile und damit eine Anregung zu einer Verlängerungseinrichtung für den Spritzkopf nach den Merkmalen d), e), f) und g) des Anspruchs 1 nicht erkennen lässt, vermag sie dem Fachmann eine Spritzvorrichtung nach der Lehre des Anspruchs 1 nicht zu vermitteln.

Hinweise auf eine solche Verlängerungseinrichtung nach den Merkmalen d), e), f) und g) kann auch der übrige im Prüfungsverfahren genannte Stand der Technik, der lediglich zu den Unteransprüchen herangezogen worden war, dem Fachmann nicht vermitteln.

Die DE 42 42 715 C2 (D5) betrifft ebenfalls eine Spritzvorrichtung (8) zum automatisierten Besprühen von Oberflächen mit flüssigen Materialien, insbesondere in der Serienund Massenfertigung, die einen Spritzkopf (Merkmal a) mit einer Materialdüse, einer Rundstrahlluftdüse und mindestens einer Flachstrahlluftdüse (Merkmal b)) und einen Adapter (4) zum Anschließen an Steuerund/oder Versorgungseinrichtungen für die Materialund Luftzufuhr (Merkmal c)) aufweist (Spalte 1, Zeilen 3 - 8, 17 - 22 u. 28 - 34; Spalte 5, Zeilen 64 - 68; Figur 1), aber diese Druckschrift strebt eine andere Lösung als die anmeldungsgemäße Verlängerungseinrichtung an, denn sie will den Adapter und die Spritzvorrichtung am freien Ende des Roboterarms möglichst klein halten, um damit beispielsweise auch enge Passagen und kleine Hohlräume bearbeiten zu können (Spalte 1, Zeilen 45 - 49). Demnach führt sie den Fachmann in eine andere Richtung und kann ihm ebenfalls keine Anregungen zu einer Verlängerungseinrichtung nach den Merkmalen d), e), f) und g) vermitteln.

Die CH 446 138 (D2) bezieht sich auf eine Spritzvorrichtung zum Besprühen von Oberflächen mit flüssigen Materialien mit einem Pistolenkopf als Spritzkopf bestehend aus einer Ummantelung (27) und einem Zerstäuberdüsensatz (28) (vgl. Merkmal a) des Anspruchs 1) (Spalte 1, Zeilen 1 -4; Spalte 3, Zeilen 36 -55). Aus der Figur 2 ist zwar ersichtlich, dass der Spritzkopf eine Materialdüse (Metallrohr 60) und eine Rundstrahlluftdüse (Durchtrittsquerschnitt 66) entsprechend dem Merkmal b) des Anspruchs 1 aufweist, aber anders als der anmeldungsgemäße Spritzkopf keine Flachstrahlluftdüse, sondern einen inneren und einen äußeren Durchtrittsring (52, 152) mit einer Mehrzahl von feinen Bohrungen zur Erzeugung eines inneren und äußeren Hohlstrahls als Schutzvorhang um das fein zerstäubte Spritzmaterial herum aufweist, die verhindern sollen, dass bei Anwendung der Spritzpistole im Freien wehender Wind das Spritzmaterial aus seiner vorgegebenen Bahn wegblasen kann (Spalte 1, Zeilen 19 -40, Spalte 4, Zeilen 16 -29).

Die Spritzpistole weist außerdem einen Lauf (21) aus Isoliermaterial auf, der mit einem Handgriff (23) versehen ist und dazu dient, dem Zerstäuberdüsensatz (28) Farbe bzw. aufzutragendes Material und Druckluft zuzuführen und zwar durch ein innen liegendes Materialrohr (Farbzuleitung (31)), ein Luftrohr (Luftzuleitung (34)) sowie außen am Lauf (21) angeordnete Luftzuleitungen (29) und (129) für den inneren und äußeren Hohlstrahl (Spalte 3, Zeilen 29 -32 u. 36 -47). Der Lauf ist etwas länger ausgestaltet, wie insbesondere aus Figur 1 ersichtlich ist, damit die Spritzpistole im Gebrauch in kurzem Abstand zum zu bearbeitenden Gegenstand gehalten werden kann (Spalte 5, Zeilen 24 -25).

Einen Adapter zum Anschließen an Steuerund/oder Versorgungseinrichtungen für die Materialund Luftzufuhr (Merkmal c)) indessen lässt diese Spritzvorrichtung nicht erkennen, denn dort ist ein Mehrfachkabel zur Verbindung mit dem zugehörigen Maschinenund Apparatesatz vorgesehen, das drei Luftleitungen (34, 29, 129), die Farbzuleitung (31) sowie eine Hochspannungsleitung und ein Druckknopfsteuerkabel (26) umfasst und zur Steuerung mit einem Block von vier fernbedienten Steuerventilen verbunden ist, wobei das erste Ventil die Farbzuleitung (31) über ein Rohrstück mit einem Druckbehälter und die übrigen drei Ventile die Luftleitungen (34, 29, 129) mit den Druckluftquellen verbinden sollen (Spalte 4, Zeile 63 - Spalte 5, Zeile 11). Demnach kann dieser Stand der Technik dem Fachmann keine Hinweise vermitteln, die ihn dazu anregen könnten, einen entsprechenden Lauf zwischen einem Spritzkopf und einem Adapter als Verlängerungseinrichtung anzuordnen (Merkmal d)) und diesen mit einem das Materialrohr im Abstand umschließenden ersten Luftrohr und einer sich vom Adapter durch das Materialrohr in den Spritzkopf erstreckenden Materialnadel nach den Merkmalen e) und f) auszustatten.

Auch der Stand der Technik nach der DE 40 22 643 C1 (D4) kann den Fachmann nicht dazu anregen, die in D1 gewählte Form der Spritzvorrichtung (2) zu verlassen und zwischen Spritzkopf und Adapter eine Verlängerungseinrichtung entsprechend den Merkmalen d) bis f) anzuordnen. Die dort beschriebenen Verbindungsmittel (1) zwischen einer Pulverpistole und einer Pistolenhalterung bestehen vielmehr anders als die anmeldungsgemäße Verlängerungseinrichtung aus einer Kontaktachse (2) mit einem elektrisch isolierenden Mantel (5), einer ersten und zweiten Hülse (3) und (4) sowie elektrischen Kontaktierungsmitteln und dienen der elektrisch leitenden Verbindung der in der Pulverpistole und Pistolenhalterung jeweils angeordneten Elektrodenanordnungen (D4, Spalte 1, Zeilen 3

- 19; Spalte 3, Zeilen 63 - 68 und Spalte 4, Zeilen 1 -22; Figur 1, Figur 5, Bezugszeichen 1).

Die DE 297 14 564 U1 (D3) betrifft eine Vorrichtung zum Vernebeln von Flüssigkeiten mit einer Sprühdüse, wobei die Flüssigkeit über einen flexiblen Flüssigkeitsschlauch (6) aus einem Behälter (1) mittels Druckluft zugeführt wird (D3, Seite 1, 1. Absatz; Figur 1). Dort ist zwischen einem Sprühkopf (Sprühdüse 16) und dem Flüssigkeitsbehälter (1) bzw. dem Magnetventil (4) davor der Flüssigkeitsschlauch vollständig, aber mit radialem Spiel, in einem an einem Rohrschaft befestigten Druckluftschlauch (26) untergebracht, um die Flüssigkeit möglichst präzise applizieren zu können (Seite 1, 2. Absatz). Zwar bildet der Flüssigkeitsschlauch (6) demnach zusammen mit dem Druckluftschlauch (26) eine Verlängerungseinrichtung, die entsprechend dem Merkmal e) des Anspruchs 1 der Patentanmeldung ein innenliegendes Materialrohr und ein das Materialrohr im Abstand zur Bildung eines ersten Luftkanals umschließendes Luftrohr aufweist, aber eine sich durch das Flüssigkeitsrohr bzw. Materialrohr bis in den Spritzkopf erstreckende Materialnadel nach dem Merkmal f) des Patentanspruchs 1 der Patentanmeldung ist dort nicht vorgesehen, so dass auch die Druckschrift D3 dem Fachmann keine Anregung zu einer Verlängerungseinrichtung nach den Merkmal d) bis g) insgesamt vermitteln kann.

Es bedurfte somit über das fachübliche Maß hinausgehender Gedanken und Überlegungen, eine Verlängerungseinrichtung zwischen einem Spritzkopf und einem Adapter anzuordnen und mit einer voneinander getrennten Luftführung für die Rundstrahlund Flachstrahlluftdüse und einer sich durch das Materialrohr erstreckenden Materialnadel entsprechend den Merkmalen d), e), f) und g) des geltenden Patentanspruchs 1 auszubilden.

Der Gegenstand nach Patentanspruch 1 ist demnach patentfähig und der Anspruch 1 somit gewährbar.

Mit diesem Patentanspruch 1 sind auch die auf vorteilhafte Ausgestaltungen eines Gegenstandes nach Anspruch 1 gerichteten und diesem nachgeordneten Patentansprüche 2 bis 8 gewährbar.

4. Dem Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr war nicht stattzugeben.

Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr gemäß § 80 Abs. 3 PatG steht im billigen Ermessen des Gerichts. Sie hat dann zu erfolgen, wenn die Einbehaltung der Gebühr unbillig wäre (st. Rspr., vgl. z. B. BPatGE 26, 17, 22). Die Billigkeit der Rückzahlung der Beschwerdegebühr kann sich insbesondere aus der Sachbehandlung durch das Deutsche Patentund Markenamt ergeben, z. B. aus einer sachlich grob unrichtigen Beurteilung, einem Verfahrensfehler der Prüfungsstelle oder auch einem Verstoß gegen das Gebot der Verfahrensökonomie.

Im vorliegenden Fall rügt die Anmelderin, dass die Zurückweisung der Anmeldung nicht gerechtfertigt sei, weil sie gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs verstoße, da von der Prüfungsstelle die Verlängerungseinrichtung in der D1 nicht im Erstbescheid, sondern im Zurückweisungsbeschluss erstmalig konkret nachgewiesen worden sei. Bei ordnungsgemäßer und angemessener Sachbehandlung hätte der Erlass eines Zurückweisungsbeschlusses und die Erhebung der Beschwerde sowie die Einzahlung der Beschwerdegebühr nach ihrer Ansicht vermieden werden können. Dieser Auffassung vermag der Senat nicht zu folgen.

Der erste Prüfungsbescheid vom 16. Juli 2004 enthält nicht nur einen pauschalen Hinweis auf die von der Prüfungsstelle ermittelte Druckschrift D1 (DE 196 50 781 A1), sondern zudem eine Darstellung der von der Prüfungsstelle für maßgeblich erachteten Merkmale des Patentgegenstands.

Mit der zu dem Merkmal einer Verlängerungseinrichtung durch den Einschub "diese Spritzvorrichtung besitzt zwischen Spritzkopf und Adapter 46 eine Verlängerungsvorrichtung mit innen liegendem Materialrohr, einschließlich Materialnadel 80, und mit zwei eigenen Luftkanälen für Rundund Flachstrahlluft" gegebenen Interpretation hat die Prüfungsstelle die Anmelderin auf einen für die Beurteilung der Patentfähigkeit bedeutsamen Sachverhalt hinreichend deutlich und verständlich hingewiesen, denn sie hat damit klar erkennen lassen, dass die in der Druckschrift D1 zwischen dem Spritzkopf und dem Adapter (46) angeordneten Bauteile nach ihrer Auffassung eine Verlängerungseinrichtung bilden, so dass für die Anmelderin die Möglichkeit bestand, hierzu aus ihrer Sicht vor der abschließenden Entscheidung der Prüfungsstelle sachlich Stellung zu nehmen.

Durch die Angabe im Zurückweisungsbeschluss, dass "die Verlängerungseinrichtung von einem Gehäuse (107) umgeben sei", hat die Prüfungsstelle zwar den Ort der Verlängerungseinrichtung noch etwas konkretisiert, hat damit der Zurückweisung der Anmeldung aber auch keine neuen, im vorangegangenen Prüfungsbescheid nicht genannten Tatsachen und auch keine hiervon abweichende Rechtsauffassung zugrunde gelegt. Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs der Anmelderin oder ein sonstiger schwerwiegender Verfahrensfehler, der die Rückzahlung der Beschwerdegebühr als billig erscheinen lassen könnte, ist bei dieser Sachlage nicht feststellbar, weshalb dem Rückzahlungsantrag der Anmelderin der Erfolg versagt bleiben muss.

Dr. Zehendner Kätker Rippel Prasch Me






BPatG:
Beschluss v. 02.02.2011
Az: 8 W (pat) 6/08


Link zum Urteil:
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