Bundespatentgericht:
Beschluss vom 18. Januar 2006
Aktenzeichen: 26 W (pat) 270/03

(BPatG: Beschluss v. 18.01.2006, Az.: 26 W (pat) 270/03)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I Gegen die Eintragung der Marke 399 35 563 AYINGER für die Waren und Dienstleistungen

"32: Biere, Bier-Mischgetränke; Mineralwässer und kohlensäurehaltige Wässer und andere alkoholfreie Getränke; 33: alkoholische Getränke (ausgenommen Biere); Spirituosen; 42: Beherbergung und Verpflegung von Gästen"

ist Widerspruch erhoben worden aus der für die Waren

"Alkoholfreie Getränke, Fruchtgetränke, Fruchtsäfte, Fruchtnektare, Fruchtsaftgetränke"

eingetragenen Wort-Bild-Marke 1 179 167 Wort-Bild-Marke 1 179 167 Der Widerspruch richtet sich gegen die Eintragung der angegriffenen Marke für alle beanspruchten Waren sowie für die Dienstleistung "Verpflegung von Gästen".

Die Markenstelle für Klasse 32 des Deutschen Patent- und Markenamtes hat den Widerspruch zurückgewiesen, weil auch bei einer zu Gunsten der Widersprechenden unterstellten rechtserhaltenden Benutzung der Widerspruchsmarke zwischen dieser und der angegriffenen Marke keine Verwechslungsgefahr i. S. d. § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG bestehe. Zwar seien die Marken teilweise zur Kennzeichnung identischer oder einander wirtschaftlich nahe stehender Waren bestimmt, was einen deutlichen Markenabstand erfordere, um eine Verwechslungsgefahr ausschließen zu können. Sie seien in ihrem maßgeblichen Gesamteindruck jedoch ausreichend unterschiedlich, weil der Gesamteindruck der Widerspruchsmarke nicht allein durch das darin enthaltene Wort "VAIHINGER" geprägt werde. Zwar sei für klanglichen Gesamteindruck einer kombinierten Wort-Bild-Marke in der Regel deren Wortbestandteil bestimmend. Dies gelte jedoch nur dann, wenn dieser Wortbestandteil eine eigenständige herkunftskennzeichnende Bedeutung aufweise, was - wie der BGH u. a. in seiner "FRÜHSTÜCKS-DRINK" Entscheidung (GRUR 2002, 809, 811) zum Ausdruck gebracht habe - aber nur dann der Fall sei, wenn der entsprechende Wortbestandteil seiner Natur nach unterscheidungskräftig sei. Davon könne bei dem Wort "VAIHINGER" nicht ausgegangen werden, weil "Vaihingen" der Name eines Stuttgarter Stadtteiles sowie weiterhin der Name einer großen Kreisstadt im Landkreis Ludwigsburg sei und die angesprochenen Verkehrskreise daher annähmen, dass die mit dem Wort "VAIHINGER" gekennzeichneten Waren in dem Ort "Vaihingen" hergestellt würden. Selbst dann, wenn dem Verkehr der Ort "Vaihingen" nicht bekannt sein sollte, werde die Bezeichnung "VAIHINGER" nicht als Phantasiename verstanden, weil besonders im süddeutschen Raum Ortsnamen, die auf "-ingen" endeten, nicht selten seien, weshalb der Verkehr auch in diesem Falle in "VAIHINGER" eine geografische Herkunftsangabe sehe. Deshalb könne der Markenbestandteil "VAIHINGER" aus der Widerspruchsmarke der angegriffenen Marke nicht separat gegenübergestellt werden. Eine Verwechslungsgefahr sei deshalb zu verneinen.

Hiergegen wendet sich die Widersprechende mit der Beschwerde. Sie ist der Ansicht, die Widerspruchsmarke werde sowohl in klanglicher als auch in bildlicher Hinsicht von dem Wort "VAIHINGER" geprägt. Optisch springe dem Betrachter das Wort "VAIHINGER" ins Auge, das deutlich größer dargestellt sei als die Wortfolge "VAIHINGER MARKENQUALITÄT". Zudem sei das Wort "MARKENQUALITÄT" rein warenbeschreibender Natur. Für mündliche Bestellungen der unter der Widerspruchsmarke vertriebenen Waren würden die maßgeblichen Verkehrskreise ungeachtet der Tatsache, dass es sich möglicherweise um eine geografische Herkunftsangabe handele, ohnehin allein das Wort "VAIHINGER" verwenden. Im Übrigen könne der Widersprechenden die mangelnde Unterscheidungskraft der Bezeichnung "VAIHINGER" im vorliegenden Fall nicht entgegengehalten werden, weil die angegriffene Marke ebenfalls eine schutzunfähige geografische Herkunftsangabe darstelle. An der klanglichen Verwechselbarkeit der Bezeichnungen "VAIHINGER" und "AYINGER" könne kein Zweifel bestehen, weil der Konsonant "V" bei der Aussprache des Wortes "VAIHINGER" praktisch nicht in Erscheinung trete.

Die Widersprechende beantragt, den angegriffenen Beschluss aufzuheben und die Löschung der angegriffenen Marke im Umfang des Widerspruchs anzuordnen.

Die Markeninhaberin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen. Sie macht sich im Wesentlichen die Argumentation der Markenstelle zu eigen, wonach der Wortbestandteil "VAIHINGER" der Widerspruchsmarke als geografische Herkunftsangabe nicht selbständig kollisionsbegründend sei und weist ergänzend darauf hin, dass an der angegriffenen Marke nicht in gleicher Weise ein Freihaltungsbedürfnis bestehe, weil es sich bei Aying nur um ein Dorf mit ca. 1500 Einwohnern handele. Sie hält zudem auch die Bezeichnungen "VAIHINGER" und "AYINGER" weder in schriftbildlicher noch in klanglicher Hinsicht für ähnlich, weil der Anfangskonsonant "V" des Wortes "VAIHINGER" weder übersehen noch überhört werden könne.

II Die zulässige Beschwerde der Widersprechenden erweist sich als unbegründet. Wie die Markenstelle im Ergebnis und mit im Wesentlichen zutreffender Begründung festgestellt hat, besteht zwischen den streitgegenständlichen Marken nicht die Gefahr von Verwechslungen i. S. d. § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG.

Die Gefahr von Verwechslungen im Sinne der vorstehend genannten Bestimmung ist unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände des Einzelfalls zu beurteilen (EuGH GRUR 1998, 387 - Sabl/Puma). Dabei besteht eine Wechselwirkung zwischen den in Betracht kommenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der Marken und der damit gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen sowie der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke (EuGH GRUR 1998, 922 - Canon).

Angesichts dieser Wechselwirkung bedarf es im vorliegenden Fall wegen der teilweisen Identität der Waren, für die angegriffene Marke eingetragen ist, mit den Waren, für die die Widerspruchsmarke rechtserhaltend benutzt worden ist, zwar eines überdurchschnittlichen Abstandes der Marken. Den insoweit erforderlichen Abstand hält die angegriffene Marke aber in jeder Richtung selbst dann ein, wenn zu Gunsten der Widersprechenden auch unterstellt wird, dass die Widerspruchsmarke in Folge ihrer Benutzung eine erhöhte Kennzeichnungskraft aufweist.

Bei der umfassenden Beurteilung der Verwechslungsgefahr hinsichtlich der Ähnlichkeit der betreffenden Marken im Bild, im Klang oder in der Bedeutung ist auf den Gesamteindruck abzustellen, den die Marken hervorrufen, wobei insbesondere die sie unterscheidenden und dominierenden Elemente zu berücksichtigen sind. Für die umfassende Beurteilung der Verwechslungsgefahr kommt es entscheidend darauf an, wie die Marke auf den Durchschnittsverbraucher wirkt. Der Durchschnittsverbraucher nimmt eine Marke regelmäßig als Ganzes wahr und achtet nicht auf die verschiedenen Einzelheiten, was zur Folge hat, dass die fraglichen Marken in der Regel als Ganzes miteinander zu vergleichen sind (EuGH MarkenR 2005, 438, 440 Rdn. 28 f. - THOMSON LIFE). Als Ganzes unterscheidet sich die Widerspruchsmarke von der angegriffenen Marke durch die in ihr enthaltenen Bildelemente, die in der angegriffenen Marke keine Entsprechung finden, in Verbindung mit den Unterschieden an den Wortanfängen der Markenwörter so deutlich, dass eine Verwechslungsgefahr auch bei einer Verwendung für identische Waren als ausgeschlossen erscheint.

Eine separate Berücksichtigung der - insbesondere klanglichen - Ähnlichkeit des Wortbestandteils "VAIHINGER" der Widerspruchsmarke ist im vorliegenden Fall, wie bereits die Markenstelle zutreffend festgestellt hat, nicht zulässig.

Soweit die Feststellung einer Verwechslungsgefahr nur auf der Ähnlichkeit der angegriffenen Marke mit einem einzelnen Bestandteil der älteren Marke beruhen kann, muss im Kollisionsfall die Prüfung der Schutzfähigkeit des fraglichen Einzelbestandteils nachgeholt werden, weil die Marke im Anmeldungsverfahren nur in ihrer Gesamtheit auf ihre Schutzfähigkeit geprüft worden ist. Wird bei der nachträglichen Prüfung im Kollisionsverfahren die Schutzunfähigkeit des fraglichen Bestandteils der älteren Marke festgestellt, kann dieser Bestandteil die Gefahr von Verwechslungen nicht begründen (BGH GRUR 2001, 1158, 1160 - Dorf MÜNSTERLAND). Es besteht nicht einmal Veranlassung für eine auf ihn allein bezogene Erörterung der Verwechslungsgefahr, weil der Inhaber der älteren Marke insoweit keine Rechte aus seiner Kombinationsmarke herzuleiten vermag (BPatG GRUR 1996, 413 - ICPI/ICP). Unabhängig von der tatsächlichen Frage, ob der Verkehr gleichwohl in Bezug auf einen solchen Bestandteil Verwechslungen unterliegt, weil ihm z. B. dessen Eigenschaft als gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG vom Schutz ausgeschlossener Angabe nicht geläufig ist, scheidet insoweit eine Verwechslungsgefahr aus Rechtsgründen aus (Ströbele FS 100 Jahre GRUR, S. 821, 842).

Das in der Widerspruchsmarke enthaltene Wort "VAIHINGER" ist, wie bereits die Markenstelle zutreffend festgestellt hat, eine Angabe, die dazu dienen kann, die geografische Herkunft der Waren der Widerspruchsmarke im Allgemeinen und der von der Widersprechenden unter der Widerspruchsmarke tatsächlich hergestellten und vertriebenen Fruchtsäfte und Fruchtnektare im Besonderen zu bezeichnen. Vaihingen ist einerseits ein Stadtteil von Stuttgart, andererseits aber auch eine große Kreisstadt in Baden-Württemberg mit rund 25.000 Einwohnern, die im Tal der Enz gelegen und Sitz einer Nahrungsmittelindustrie ist, in der vor allem aber auch Weinbau betrieben wird (vgl. u. a. Der Knaur, Universallexikon 1992, S. 5312). Damit kommt die Angabe "VAIHINGER" nicht nur im Rahmen einer realitätsbezogenen Prognose vernünftigerweise in der Zukunft, sondern bereits aktuell als Bezeichnung für die geografische Herkunft von insbesondere Traubensaft und auf der Basis von Traubensaft hergestellten Nektaren und anderen Getränken in Betracht und ist nach den Grundsätzen der insoweit einschlägigen Rechtsprechung des EuGH (GRUR 1999, 723, 726 - Chiemsee) einem Schutz als Marke nicht zugänglich, so dass aus diesem Wortbestandteil der Widerspruchsmarke auch keine eigenständigen Rechte hergeleitet werden können.

Der Grundsatz, dass aus schutzunfähigen Bestandteilen der älteren Marke keine Rechte hergeleitet werden können, erleidet nur in solchen Fällen eine Ausnahme, in denen die Verneinung der Schutzfähigkeit des fraglichen Bestandteils zugleich der Gesamtmarke den Schutz absprechen würde. Das betrifft jedoch nur Kombinationsmarken, in denen neben dem schutzunfähigen Bestandteil nur noch Elemente enthalten sind, die für den kennzeichnenden Gesamteindruck völlig unbedeutend sind (BGH GRUR 1973 467, 468 - Praemix; GRUR 2002, 626, 628 - IMS). Hierbei handelt es sich jedoch um Ausnahmetatbestände, die nicht auf Fälle ausgedehnt werden dürfen, in denen der fragliche Bestandteil nur größenmäßig dominiert, nicht aber die Marke insgesamt ausmacht. Sofern die Marke noch andere, in der Gesamtkennzeichnung nicht völlig untergehende, bedeutungslose Elemente enthält, auf die ein - wenn auch nur geringer und möglicherweise ausschließlich auf eine Kombinationswirkung im Gesamteindruck beschränkter - Schutz bezogen werden kann, verbleibt es bei der Regel, dass schutzunfähige Bestandteile eine Verwechslungsgefahr nicht begründen können (BGH GRUR 1990, 681, 684 - Schwarzer Krauser; GRUR 1991, 136, 137 - NEW MAN).

Vorliegend enthält die Widerspruchsmarke neben dem Wort "VAIHINGER" insbesondere noch eine Anzahl von Bildelementen, die zwar einzeln nicht besonders kennzeichnungskräftig sein mögen, jedoch in der Art ihrer Verbindung und in ihrer beanspruchten farblichen Darstellung nicht als für den Gesamteindruck völlig unbedeutend eingestuft werden können und die die Eintragung der Widerspruchsmarke als von Hause aus schutzfähiges Zeichen erst ermöglicht haben, wie sich insbesondere aus dem insoweit zutreffenden handschriftlichen Vermerk des seinerzeit im Eintragungsverfahren zuständigen Prüfers des Deutschen Patentamts entnehmen lässt. Dies hat zur Folge, dass im Ergebnis eine mögliche Ähnlichkeit der angegriffenen Marke mit dem Wortbestandteil "VAIHINGER" der Widerspruchsmarke eine Verwechslungsgefahr nicht zu begründen vermag. Dem Umstand, dass es sich bei der angegriffenen Marke möglicherweise selbst um eine geografische Herkunftsbezeichnung handelt, kommt bei dieser Sachlage keine entscheidende Bedeutung zu.

Auch für eine Verwechslungsgefahr der beiderseitigen Marken unter dem Gesichtspunkt der gedanklichen Verbindung sind weder hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte vorgetragen worden noch für den Senat ersichtlich, so dass die Beschwerde der Widersprechenden erfolglos bleiben muss.

Für ein Abweichen von dem in § 71 Abs. 1 S. 2 MarkenG normierten Grundsatz, wonach jeder Beteiligte des markenrechtlichen Widerspruchsbeschwerdeverfahrens die ihm erwachsenen Kosten selbst trägt, hat der Senat keinen Anlass gesehen. Zwar gibt das Verhalten eines Widersprechenden im Regelfall dann Anlass für eine Kostenauferlegung, wenn eine mehrgliedrige Marke nur in einem schutzunfähigen Bestandteil Ähnlichkeit mit der angegriffenen Marke aufweist (Ströbele/Hacker, Markengesetz, § 71 Rdn. 30). Im vorliegenden Fall kann das Verhalten der Widersprechenden jedoch deshalb noch nicht als sorgfaltswidrig bewertet werden, weil die Frage, ob aus dem Wort "VAIHINGER" der Widerspruchsmarke selbständig Rechte hergeleitet werden können, wegen der Größe des Wortes "VAIHINGER" innerhalb der Gesamtmarke sowie angesichts des Umstandes, dass es sich bei den übrigen Markenteilen um Bildbestandteile handelt, noch als diskussionsfähig anzusehen ist.






BPatG:
Beschluss v. 18.01.2006
Az: 26 W (pat) 270/03


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