Bundespatentgericht:
Beschluss vom 21. März 2005
Aktenzeichen: 30 W (pat) 310/03

(BPatG: Beschluss v. 21.03.2005, Az.: 30 W (pat) 310/03)

Tenor

Die Beschwerde der Anmelderin wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Zur Eintragung in das Markenregister angemeldet ist die Wort-/Bild-Markesiehe Abb. 1 am Endefür die Waren und Dienstleistungen

"Pharmazeutische und veterinärmedizinische Erzeugnisse sowie Präparate für die Gesundheitspflege; diätetische Erzeugnisse für medizinische Zwecke; Babykost; Pflaster, Verbandmaterial;

chirurgische und ärztliche Instrumente und Apparate, künstliche Gliedmaßen, Augen und Zähne; orthopädische Artikel; chirurgisches Nahtmaterial;

Krankentransporte;

Verpflegung und Beherbergung von Gästen, insbes. kranken oder zu pflegenden Personen;

Dienstleistungen eines Krankenhauses und Pflegeheims; ärztliche Versorgung; Gesundheits- und Schönheitspflege; Krankenpflege; Dienstleistungen eines medizinischen, bakteriologischen und chemischen Labors".

Die Markenstelle für Klasse 44 des Deutschen Patent- und Markenamtes hat die Anmeldung in zwei Beschlüssen, einen davon im Erinnerungsverfahren ergangen, wegen fehlender Unterscheidungskraft zurückgewiesen, da es sich um einen schlagwortartig beschreibenden Hinweis auf ein Heilmittel bzw die medizinische Versorgung mit erhöhtem Standard handele.

Die Anmelderin hat Beschwerde eingelegt und im wesentlichen ausgeführt, dass die angemeldete Marke keine unmittelbar beschreibende Angabe sei. Der Begriff "medizin" sei ein abstrakter Oberbegriff, der den Bereich Medizin als Naturwissenschaft oder als theoretische oder klinische Medizin beschreibe. Der Bestandteil "plus" sei noch unklarer und indifferent, da "plus" hier ein "Mehr an Medizin", ein "Mehr an Nichtmedizin", aber auch ein "Mehr an Prophylaxe" bedeuten könne. Im Hinblick auf die strengen Regeln zur Arzneimittelwerbung gehe der Verkehr auch nicht davon aus, daß mit dem Zusatz "plus" ein höherer Standard von Medizin gemeint sein könne. Die graphische Gestaltung sei originell und orientiere sich in Farbenwahl und Ausgestaltung an den schutzfähigen Wortbestandteilen.

Die Anmelderin beantragt, die angefochtenen Beschlüsse aufzuheben.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die nach § 165 Abs 4 MarkenG zulässige Beschwerde der Anmelderin ist in der Sache ohne Erfolg.

Die angemeldete Wort-Bild-Marke "medizin plus" ist für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen nach den Vorschriften des Markengesetzes von der Eintragung ausgeschlossen, da sie eine beschreibende Angabe im Sinne von § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG ist.

Nach § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG sind solche Marken von der Eintragung ausgeschlossen, die ausschließlich aus Zeichen oder Angaben bestehen, die im Verkehr ua zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Bestimmung oder sonstiger Merkmale der Waren und Dienstleistungen dienen können.

Auch Wortneubildungen kann der Eintragungsversagungsgrund des § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG entgegenstehen, wenn sie sprachüblich gebildet sind und ihr beschreibender Aussagegehalt so deutlich und unmißverständlich ist, dass sie ihre Funktion als Sachbegriffe erfüllen können. Dies ist dann der Fall, wenn sich den angesprochenen Abnehmern eine konkret beschreibende Angabe ohne die Notwendigkeit besonderer Denkprozesse unmittelbar erschließt (vgl Ströbele/Hacker, MarkenG, 7. Aufl, § 8 Rdn 380).

Insbesondere hat eine Marke, die sich aus einem Wort mit mehreren Bestandteilen zusammensetzt, von denen jeder Merkmale der beanspruchten Waren oder Dienstleistungen beschreibt, selbst einen die genannten Merkmale beschreibenden Charakter im Sinne von § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG, es sei denn, dass ein merklicher Unterschied zwischen dem Wort und der bloßen Summe seiner Bestandteile besteht. Dabei führt die bloße Aneinanderreihung solcher beschreibenden Bestandteile ohne Vornahme einer ungewöhnlichen Änderung, insbesondere syntaktischer oder semantischer Art, nur zu einer Marke, die ausschließlich aus beschreibenden Zeichen oder Angaben besteht (EuGH GRUR Int 2004, 410, 413 - BIOMILD; EuGH GRUR Int 2004, 500, 507 - Postkantoor).

Auf die Frage der Mehrdeutigkeit der Wortzusammensetzung kommt es bei § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG grundsätzlich nicht an. Es ist zudem nicht erforderlich, dass die Zeichen oder Angaben, aus denen die Marke besteht, zum Zeitpunkt der Anmeldung bereits tatsächlich zu beschreibenden Zwecken für Waren oder Dienstleistungen, wie die in der Anmeldung aufgeführten oder für Merkmale dieser Waren oder Dienstleistungen verwendet werden. Es genügt, wie sich schon aus dem Wortlaut des § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG ergibt, dass die Zeichen oder Angaben zu diesem Zweck "dienen können". Ein Wortzeichen ist demnach von der Eintragung ausgeschlossen, wenn es zumindest in einer seiner möglichen Bedeutungen ein Merkmal der in Frage stehenden Waren oder Dienstleistungen bezeichnet. Dabei spielt es keine Rolle, ob es Synonyme oder gebräuchlichere Zeichen oder Angaben zur Bezeichnung dieser Merkmale gibt, da es nicht erforderlich ist, dass diese Zeichen oder Angaben die ausschließliche Bezeichnungsweise der fraglichen Merkmale sind (vgl EuGH aaO S 410, 412 - BIOMILD; EuGH aaO S 500, 507 - Postkantoor).

Die angemeldete Marke besteht - durch die graphische Hervorhebung deutlich erkennbar - aus den beiden zu einer Kombination verbundenen Wörtern "medizin" und "plus".

Der Bestandteil "medizin" ist ein umfassender Begriff und steht zum einen für den wissenschaftlichen Bereich der Medizin bzw die Lehre von der Medizin zum anderen für die Heilbehandlung in jeglicher Form sowie für Heilmittel.

Der Bestandteil "plus" wird als Zusatz zu Begriffen in vielen Lebensbereichen verwendet, um auf ein Mehr im Vergleich zum Üblichen und bisher Bekannten hinzuweisen, entweder an Leistungen, an Inhalt oder an Neuerungen und Verbesserungen.

So beschreibt "plus" in vielen Warenbereichen ein Mehr an Qualität, oder Komfort, oder auch ein Mehr gegenüber dem üblichen Standard.

Die Wortkombination "medizin plus" ist zwar lexikalisch nicht nachweisbar, angesichts der Fülle möglicher Wortkombination mit einem ohne weiteres erkennbaren und sinnvollen Bedeutungsgehalt kommt diesem Umstand für sich allein bezüglich der Schutzfähigkeit jedoch wenig Bedeutung zu. In Lexika werden nämlich Wortzusammenstellungen in der Regel nur dann aufgenommen, wenn sie einen eigenständigen, sich nicht in der Kombination erschöpfenden Sinn haben, so daß der mangelnde lexikalische Nachweis sogar gegen die Schutzfähigkeit spricht (gemäß EuGH aao - Postkantoor). Ebenso wie in anderen Lebensbereichen ist auch die angemeldete Kombination "medizin plus" eine insbesondere in der Werbung sprachübliche und naheliegende Wortverbindung. Beide Einzelbestandteile werden dabei entsprechend ihrem Sinngehalt verwendet und bilden auch in der Gesamtheit keinen neuen, über die bloße Kombination hinausgehenden Begriff.

Wie die Anmelderin selbst anführt, kann sich das "plus" und damit Mehr gegenüber dem üblichen Standard im Bereich der Medizin zum einen auf ein Mehr an medizinischer Leistung beziehen und zwar auch schon im Vorfeld der Prophylaxe. Dabei kann die Heilbehandlung, bei der die zugrunde liegenden theoretischen Kenntnisse, die Ausbildung und Erfahrung der Ärzte und des Pflegepersonals zu berücksichtigen sind, wie auch die eingesetzten Geräte und Hilfsmittel bis hin zu den verwendeten Medikamenten eine höhere Qualität, einen größeren Umfang sowie eine höhere Intensität als üblicherweise angeboten aufweisen.

Zum anderen kann sich ein Mehr an Medizin im Vergleich zum üblichen Standard auch auf den Bereich von Zusatzleistungen im medizinischen Bereich beziehen in Richtung einer ganzheitlichen medizinischen Behandlung, die mehr als die bloße Behebung der Funktionsstörung erreichen will.

So wird - wie aus dem der Anmelderin übersandten Internetverwendungsbeispiel ersichtlich - von "Medizin plus" im Zusammenhang mit einer Erweiterung des Gesundheitsbegriffs gesprochen, um zu verdeutlichen, dass der Bereich Medizin allein oder eine enge Auffassung von Medizin den vielen Facetten von Gesundheit nicht mehr gerecht werden kann und daher das neue Bild eines integrativen Heilberufes auf der Grundlage sehr unterschiedlicher oder multipler fachlicher Ausbildungen (Medizin, Psychologie, Sozialwissenschaften, Pädagogik und andere) zu diskutieren ist (vgl Informationsdienst Wissenschaft "Medizin Plus: Die Erweiterung des Gesundheitsbegriffes unter http://idwonline.de/pages/de/news€print =1&id=3726)".

Ergänzend dazu wird wie aus dem weiteren Verwendungsbeispiel ersichtlich von "Medizin plus" auch im Hinblick darauf gesprochen, dass Ärzte in der heutigen Zeit nicht mehr nur rein medizinisch tätig sein können, sondern sich auch als Wirtschaftsunternehmen begreifen und daher "Medizin plus" betreiben müssen, (vgl Chancen für Kardiologen in Gesellschaftspolitische Kommentare Nr. 5 - Mai 2004, S 9 unter http://www.bnk.de/media/gpk0405.pdf).

Für den speziellen Bereich der Krankenhausversorgung kann das Mehr an Medizin auch - wie von der Anmelderin als Klinikumbetreiberin angeboten - Zusatzleistungen bei der Beratung und Versorgung umfassen, die üblicherweise nicht dem bekannten Krankenhausstandard entsprechen, sondern sich am Angebot eines Hotelbetriebes mit ausgewählten Serviceleistungen orientieren.

Wie auch im Waren- und Dienstleistungsverzeichnis der angemeldeten Marke zum Ausdruck gebracht, das Dienstleistungen eines Krankenhauses und Pflegeheims, Krankenhaustransporte sowie ärztliche Versorgung, Gesundheits- und Schönheitspflege, Laborleistungen sowie entsprechende Apparate sowie Erzeugnisse benennt, ergibt "medizin plus" in bezug auf die beanspruchten Waren und Dienstleistungen die zur Beschreibung geeignete Sachaussage, dass es sich nach ihrer Beschaffenheit und ihrem Gegenstand bzw Thema und Inhalt um Waren und Dienstleistungen handelt, die zusätzliche Leistungen oder Servicedienste gegenüber einem Versorgungstandard darstellen bzw für deren Erbringung bestimmt sind oder sie ermöglichen.

Dabei kann auch ein weiterer zusätzlicher Begriffsgehalt der angemeldeten Bezeichnung eine Schutzfähigkeit nicht begründen, da ein Wortzeichen von der Eintragung ausgeschlossen ist, wenn es zumindest in einer seiner möglichen Bedeutungen ein Merkmal der in Frage stehenden Waren bezeichnet (vgl EuGH MarkenR, 2003, 450 DOUBLEMINT).

Auch die graphische Ausgestaltung vermag eine Schutzfähigkeit der schutzunfähigen Wortkombination nicht zu begründen.

Die gestalterischen Elemente wie die Zweizeiligkeit der Wortkombination sowie die Umrandung und die Wahl der Kontrastfarben schwarz und weiß, die die Fläche in zwei Hälften teilen, haben keinen hinreichend deutlich hervortretenden, eigenständigen Charakter, sondern dienen lediglich der Unterstreichung und Hervorhebung der schutzunfähigen Wortelemente. Daher stehen die beschreibenden Wortelemente so im Vordergrund, dass der bildlichen Gestaltung daneben keine über das Werbeübliche hinausgehende Besonderheit beigemessen werden kann (vgl BGH BlPMZ 2001, 397 antiKALK).

Dr. Buchetmann Winter Hartlieb Hu Abb. 1






BPatG:
Beschluss v. 21.03.2005
Az: 30 W (pat) 310/03


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