Bundespatentgericht:
Beschluss vom 8. September 2004
Aktenzeichen: 30 W (pat) 38/03

(BPatG: Beschluss v. 08.09.2004, Az.: 30 W (pat) 38/03)

Tenor

Auf die Beschwerde wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 6 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 10. Dezember 2002 aufgehoben.

Gründe

I.

Zur Eintragung in das Markenregister angemeldet als Bildmarke (schwarz/weiß) ist folgende Darstellung:

siehe Abb. 1 am Ende Das Warenverzeichnis lautet:

Schließzylinder und Schlüssel mit zugehörigem Schlüsselprofil dafür; Schließanlagen, im wesentlichen bestehend aus Schließzylindern und zugehörigen Schlüsseln dafür; mit jeweils objektbezogenen vorgegebenen unterschiedlichen Schließungen unter gegenseitigem Ausschluss von Zutrittsberechtigungen bei Wohnungstüren und gruppenweisen Zutrittsberechtigungen bei Gemeinschaftstüren; Hauptschlüsselanlagen und Zentralschlossanlagen Die Markenstelle für Klasse 6 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die Anmeldung wegen fehlender Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG zurückgewiesen, weil sie als Abbildung der Spitze eines Schlüsselprofils angesehen werde. In der Beanstandung ist auch darauf verwiesen, dass es ein Schließprofil analog zum Schlüsselbart dargestellt sei.

Die Anmelderin hat Beschwerde eingelegt. Mit näheren Ausführungen hält sie die angemeldete Darstellung für schutzfähig.

Die Anmelderin beantragt sinngemäß, den angefochtenen Beschluß der Markenstelle für Klasse 6 des Deutschen Patent- und Markenamts aufzuheben.

Ergänzend wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde der Anmelderin ist in der Sache begründet. Ein der Eintragung entgegenstehendes Freihaltebedürfnis iSv § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG wie auch fehlende Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG lassen sich nicht feststellen.

Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel für die von der Marke erfassten Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens gegenüber den Waren oder Dienstleistungen anderer Unternehmen aufgefaßt zu werden. Bei der entsprechenden Beurteilung ist grundsätzlich von einem großzügigen Maßstab auszugehen, d. h. jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft reicht aus, um das Schutzhindernis zu überwinden (vgl. BGH GRUR 2004, 505 - Radio-Uhr II mwNachw; EuGH MarkenR 2004, 116, 120 - Waschmittelflasche).

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gilt für als Marke angemeldete Bildzeichen nichts anderes als für Wortmarken: sie sind nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG wegen fehlender Unterscheidungskraft von der Eintragung ausgeschlossen, wenn ihnen ein im Hinblick auf die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen im Vordergrund stehender beschreibender Sinngehalt zukommt (vgl. BGH GRUR 2001, 734 - Jeanshosentasche; BGH WRP 2000, 520, 522 - St. Pauli Girl; BGH GRUR 2003, 1050 - Cityservice; BGH WRP 2004, 1173, 1174 mwN - URLAUB DIREKT).

So ist die naturgetreue bildliche Wiedergabe des im Warenverzeichnis genannten Erzeugnisses als bloß beschreibende Angabe nicht geeignet, die Ware ihrer Herkunft nach zu individualisieren (vgl. BGH GRUR 1997, 527, 528 - Autofelge; GRUR 1999, 495, 496 - Etiketten; GRUR 1995, 732 - Füllkörper). Anders liegt der Fall, wenn die Bildmarke zum Beispiel nicht die Ware selbst, sondern einen Teil derselben darstellt, und sie sich nicht in der Darstellung von Merkmalen erschöpft, die für die Darstellung der Ware typisch oder zur Erreichung einer technischen Wirkung erforderlich sind, sondern darüber hinausgehende charakteristische Elemente aufweist, in denen der Verkehr einen Hinweis auf die betriebliche Herkunft sieht (vgl. BGH GRUR 2001, 239 f. - Zahnpastastrang; BGH GRUR 2001, 734 - Jeanshosentasche; BGH GRUR 2004, 683, 684 - farbige Arzneimittelkapsel).

Unter diesen Umständen kann dem Zeichen nicht die Unterscheidungskraft iSv § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG abgesprochen werden.

Ein Schließzylinder ist eine Schließvorrichtung, die in ein Zylinderschloss eingebaut wird; die Mechanik im Schloss wird durch Einstecken des zugehörigen Schlüssels betätigt, dessen Blattkante mit einer Zahnung versehen ist, die im Kern des Zylinders befindliche Stifte in die richtige Stellung zur Entsperrung bringt (vgl. Brockhaus, Die Enzyklopädie, 19. Band S. 371f.). Schließanlagen sind Kombinationen verschiedener Schlösser und verschiedener Schlüssel.

Die Anmeldung zeigt stilisiert die Teilansicht eines Gegenstandes. Dabei könnte es sich, wie die Markenstelle in dem angefochtenen Beschluß meint, um die Spitze eines Schlüsselblattes eines Zylinder-Schloss-Schlüssels handeln, dem das für das Funktionieren in einem Schließzylinder typische Merkmal der Zahnung der Schlüsselblatt-Kante fehlt. Auch könnte es sich, wie die Markenstelle im Beanstandungsbescheid meinte, um die stilisiert gestaltete Schlüssel-Einstecköffnung eines Schließzylinders handeln. Das Zeichen stellt damit aber erkennbar weder einen Schließzylinder und Schlüssel, noch eine Schließanlage oder Hauptschlüsselanlagen und Zentralschlossanlagen dar. Ihr kann nichts für die Art und Beschaffenheit der mit ihr etwa gekennzeichneten Schließzylinder und Schlüssel sowie Anlagen entnommen werden. Die zeichnerischen Elemente des angemeldeten Zeichens weisen insofern über die technische Gestaltung der Ware hinausgehende Elemente auf, als ihr typische Merkmale eines Schließzylinders und Schlüssel mit zugehörigem Schlüsselprofil fehlen: vor allem ist schon nicht deutlich erkennbar, was die Abbildung zeigt; es kann sich, wie ausgeführt, um einen Teil eines Schlüssels ohne Zahnung, wie auch um einen Teil der Einstecköffnung des Schließzylinders handeln, was von der Erkennbarkeit technischbedingter Gestaltungsmerkmale wegführt. Anhand der vorliegenden Zeichnung lässt sich ein funktionsfähiger Schließzylinder mit Schlüssel nicht ohne weiteres herstellen. Nichts anderes gilt für die weiter beanspruchten Anlagen.

Zwar hat der Bundesgerichtshof in der Entscheidung "Autofelge" (GRUR 1997, 525) ausgeführt, dass Abweichungen in den Gestaltungsmerkmalen, die sich auf wenig einprägsame Nuancen, denen darüber hinaus ein hohes Maß von Beliebigkeit anhaftet und die sich der Verkehr regelmäßig nicht merken könne, wenn er sie überhaupt wahrnehme, keine herkunftshinweisende Funktion beigemessen werden könne. Jedoch handelte es sich damals um Gestaltungselemente, die auf die Ausgestaltung von Autofelgen bezogen waren. Im vorliegenden Fall handelt es sich jedoch um ein Ausgestaltungselement, das gerade von der Funktion eines Schließzylinders mit Schlüssel wegführt. In der Entscheidung "Zahnpastastrang" (GRUR 2001, 239) hat der Bundesgerichtshof selbst minimale Abweichungen von einem "natürlichen" Zahnpastastrang ausreichen lassen, um festzustellen, das Zeichen erschöpfe sich nicht in der Abbildung der Ware als solcher. Nach diesen Grundsätzen erschöpft sich auch das angemeldete Zeichen nicht in der Abbildung der Ware als solcher, wie oben bereits ausgeführt. Insgesamt kann ihr als komplexer Darstellung einer unvollständigen Schlüsselspitze oder einer unvollständigen Einstecköffnung eines - als solchen nicht dargestellten - Schließzylinders eine gewisse charakteristische Erscheinung nicht abgesprochen werden: sie liegt allerdings nicht in der Form der Spitze bzw. der Einstecköffnung, die im Umriß an die Zahl 8 erinnert. Denn die Mitbewerber der Anmelderin dürfen in der Gestaltung von Schlüsseln bzw. Schließzylindern nicht eingeengt werden. Die Möglichkeiten zur Ausformung sind zwar auf den ersten Blick recht mannigfaltig, jedoch bezüglich der Grundrißgestaltung doch eher eingeschränkt, da hier nur die Anordnung der für die Führung des Schlüssels maßgebenden Merkmale und nicht die für den eigentlichen Schließvorgang/Einsteckvorgang maßgebenden Einkerbungen oder Aussparungen maßgebend sind. Hinreichend eigenwillig erscheinen hier aber die in anderer Strichdicke und in unterschiedlicher Länge gehaltenen und deshalb von einer naturgetreuen Darstellung von Schlüsselspitzen bzw. Einstecköffnungen wegführenden Profillinien.

Da nach den obigen Ausführungen eine bildliche Warenbeschreibung nicht vorliegt, kann auch das Eintragungshindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG nicht festgestellt werden.

Der Schutzbereich der Marke bezieht sich selbstverständlich nur auf die eingetragene Form. Die Anmelderin wird durch die Eintragung der vorliegenden Bildmarke nicht in die Lage versetzt, Mitbewerber in der freien Verwendung einer naturgetreuen Wiedergabe eines Schließzylinders und Schlüssels mit zugehörigem Schlüsselprofil zu behindern. Das dem Zeichen zukommende Verbietungsrecht wird sich somit im wesentlichen nur auf die konkrete Form und diesem nach dem Gesamteindruck in den gestalterischen Besonderheiten deutlich nahekommende Formen beziehen.

Dr. Buchetmann Winter Schramm Hu Abb. 1






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Beschluss v. 08.09.2004
Az: 30 W (pat) 38/03


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