Bundespatentgericht:
Beschluss vom 21. Juli 2005
Aktenzeichen: 21 W (pat) 319/03

(BPatG: Beschluss v. 21.07.2005, Az.: 21 W (pat) 319/03)

Tenor

Nach Prüfung des Einspruchs wird das Patent widerrufen.

Gründe

I Auf die am 6. September 2000 beim Patentamt eingereichte Patentanmeldung ist das nachgesuchte Patent 100 44 033 (Streitpatent) mit der Bezeichnung "Verfahren zur Optimierung der Luftzufuhr oder zur Ermittlung der Brennstoffverteilung bei Feuerungsanlagen mit mehreren Brennern" erteilt worden. Die Veröffentlichung der Patenterteilung ist am 30. Januar 2003 erfolgt.

Gegen das Patent ist Einspruch erhoben worden. Dem Einspruchsverfahren liegen die erteilten Patentansprüche 1 bis 5 zugrunde.

Der Patentanspruch 1 lautet:

Verfahren zur Optimierung der Luftzufuhr oder zur Ermittlung der Brennstoffverteilung bei Feuerungsanlagen mit mehreren Brennern, dadurch gekennzeichnet, dassa) die Luftzufuhr an den einzelnen Brennern in einer vorher festgelegten Reihenfolge reihum um jeweils einen Schritt abgesenkt und anschließend die Totzeit der CO-Messung abgewartet wird und dies so lange fortgesetzt wird, bis CO im Rauchgas erscheint, b) die Luftzufuhr des zuletzt geänderten Brenners wieder um einen oder zwei Schritte erhöht wird, so dass das CO wieder verschwindet und dann dieser dann für das weitere Verfahren unverändert so stehen bleibt, c) sodann die Reihe mit den verbleibenden Brennern so lange fortgesetzt wird, bis erneut CO im Rauchgas erscheint, d) auch hier bei dem zuletzt veränderten Brenner die Luftzufuhr wieder erhöht wird und auch dieser dann unverändert stehen bleibt, e) so fortgefahren wird, bis der Einsatzpunkt der CO-Erzeugung bei allen Brennern ermittelt ist.

Hinsichtlich der nebengeordneten Patentansprüche 2, 4 und 5 sowie des auf den Patentanspruch 2 rückbezogenen Patentanspruchs 3 wird auf die Streitpatentschrift verwiesen.

Die Einsprechende hat zum Stand der Technik ua auf die bereits im Prüfungsverfahren in Betracht gezogene Druckschrift D2: DE 37 37 354 C1 verwiesen.

Die Einsprechende führt zur Begründung ihres Einspruchs in Bezug auf den erteilten Patentanspruch 1 aus, das darin beanspruchte Verfahren beruhe angesichts des aus der D2 bekannten Standes der Technik nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit. Sie macht ferner geltend, dass durch dieses Verfahren die dem Streitpatent zugrunde liegende Aufgabe nicht gelöst werde und dass insofern auch der im § 21 Abs 1 Nr 2 PatG genannte Widerrufgrund der mangelnden Offenbarung vorliege. Hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

Die Einsprechende beantragt, das Patent zu widerrufen.

Der Patentinhaber beantragt, das Patent unverändert aufrechtzuerhalten.

II Die Zuständigkeit des technischen Beschwerdesenats des Bundespatentgerichts für die Entscheidung über den Einspruch ergibt sich aus § 147 Abs 3 Nr 1 PatG. Danach ist nicht das Patentamt, sondern das Patentgericht zuständig, wenn - wie im vorliegenden Fall - die Einspruchsfrist nach dem 1. Januar 2002 zu laufen begonnen hat und der Einspruch vor dem 1. Januar 2005 eingelegt worden ist.

Der form- und fristgerecht erhobene Einspruch ist zulässig, denn die für die Beurteilung der behaupteten Widerrufsgründe maßgeblichen tatsächlichen Umstände sind von der Einsprechenden innerhalb der gesetzlichen Frist im Einzelnen so dargelegt worden, dass der Patentinhaber und der Senat daraus abschließende Folgerungen für das Vorliegen bzw Nichtvorliegen eines Widerrufsgrundes ohne eigene Ermittlungen ziehen können. Die Zulässigkeit des Einspruchs ist vom Patentinhaber im Übrigen nicht bestritten worden.

Der Einspruch ist auch begründet. Denn nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung erweist sich der Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 1 als nicht patentfähig.

1.) Gemäß dem Oberbegriff des erteilten Patentanspruchs 1 betrifft das Streitpatent ein Verfahren zur Optimierung der Luftzufuhr oder zur Ermittlung der Brennstoffverteilung bei Feuerungsanlagen mit mehreren Brennern. Wie in der Beschreibungseinleitung ausgeführt wird, sind bereits Verfahren zur Optimierung der Luftzufuhr bei Feuerungsanlagen druckschriftlich bekannt, bei denen die Verbrennungsluft an den einzelnen Brennern so lange verringert wird, bis CO im Rauchgas erscheint und die Luftzufuhr dann um einen Abstand oberhalb dieses Punktes eingestellt wird (Abs [0001]).

Diesen Verfahren liegt den Angaben in der Streitpatentschrift zufolge ein bemerkenswertes Verhalten der CO-Konzentration im Rauchgas zugrunde. Bei einer Verminderung der Luftzufuhr bleibe die CO-Konzentration zunächst konstant und steige erst bei einem reproduzierbaren Brennstoff/Luft Verhältnis sehr steil an. Dieser Anstieg sei so stark, dass er auch im Rauchgasgemisch von mehreren Brennern leicht nachgewiesen werden könne. Auf diese Weise gewinne man für jeden einzelnen Brenner einen Bezugspunkt für die Einstellung der Luftzufuhr und damit die Möglichkeit, sie zu optimieren (Abs [0002]). In der Praxis müsse bei diesen Verfahren die Totzeit der CO-Messung berücksichtigt werden. Die Verringerung der Verbrennungsluft erfolge deshalb in einzelnen Schritten, wobei nach jedem Schritt die Totzeit der Messung abgewartet werde. Erst wenn danach keine Veränderung beobachtet werde, erfolge der nächste Schritt (Abs [0003]). Es habe sich gezeigt, dass die bekannten Verfahren nicht überall direkt anwendbar seien. Bei Anlagen mit mehreren eng neben- und übereinanderliegenden Brennern könne es zu Wechselwirkungen zwischen diesen kommen, die die Messergebnisse verfälschen (Abs [0005]).

Dem Streitpatent liegt die Aufgabe zugrunde, Verfahren anzugeben, die auch bei eng zusammenstehenden Brennern je nach Bedarf eine Ermittlung der Brennstoffverteilung zwischen den einzelnen Brennern, oder falls diese anderweitig bekannt ist, eine Optimierung der Luftzufuhr nach dem CO-Kriterium ermöglichen (Abs [0011]).

Diese Aufgabe wird durch das im erteilten Patentanspruch 1 beanspruchte Verfahren gelöst. Weitere Lösungen sind in den nebengeordneten Patentansprüchen 2, 4 und 5 angegeben.

2.) Es bedarf keiner Klärung der Frage, ob der - unbestritten gewerblich anwendbare (§ 5 PatG) - Gegenstand dieses Anspruchs neu ist (§ 3 PatG). Denn er beruht jedenfalls nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit (§ 4 PatG) des zuständigen Durchschnittsfachmanns, der als ein mit der Entwicklung von Feuerungsanlagen befasster, berufserfahrener Fachhochschulingenieur der Fachrichtung Heizungstechnik zu definieren ist, der über fundierte Kenntnisse auf dem Gebiet der Mess- sowie Steuerungs- und Regelungstechnik verfügt.

Aus der Entgegenhaltung D2 (vgl die Beschreibung Sp 2, Z 17 bis 53) ist ein Verfahren zur Optimierung des Luft/Brennstoff-Verhältnisses bei einer Feuerungsanlage mit mehreren Brennern bekannt, bei welchem zunächst die Luftzufuhr an allen Brennern gleichzeitig und in gleich großen Schritten verringert wird. Ergibt sich nach Ablauf einer Totzeit ("Verzugszeit") im Abgas keine messbare CO-Konzentration, wird die den Brennern zugeführte Luftmenge schrittweise weiter verringert, bis im Abgas eine messbare CO-Konzentration auftritt. Der letzte Schritt der Luftverringerung wird sodann für alle Brenner gemeinsam rückgängig gemacht, so dass wieder ein Betrieb mit Luftüberschuss vorliegt.

Der Patentinhaber hat in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht, das Verfahren gemäß Druckschrift D2 habe nichts mit dem im erteilten Patentanspruch 1 beanspruchten Verfahren zu tun. Bei diesem Stand der Technik sei das Problem der Kopplung der einzelnen Brenner nicht erkannt worden.

Dieser Beurteilung des Offenbarungsgehaltes der Entgegenhaltung D2 kann nur insofern beigetreten werden, als durch die vorstehend erwähnten Verfahrensschritte lediglich eine schnelle Grobabstimmung des Luft/Brennstoffverhältnisses erreicht werden soll (Sp 4, 2. Abs). Dieser Gesamtbrennerregelung ist jedoch eine Feinabstimmung nachgeschaltet, welche entgegen der Auffassung des Patentinhabers in allen Einzelheiten dem im erteilten Patentanspruch 1 beanspruchten Verfahren entspricht.

So ist gemäß Druckschrift D2 (vgl den Anspruch 1 sowie die Beschreibung Sp 2, Z 54 bis Sp 3, Z 12) im Anschluss an die Grobabstimmung der Brenner vorgesehen, die Luftzufuhr zyklisch nacheinander, dh reihum in einer vorher festgelegten Reihenfolge für jeden Brenner getrennt um einen Schritt zu verringern, wobei die Totzeit der Messung abgewartet wird (Sp 2, Z 37 bis 40) und wobei diese Vorgehensweise solange fortgesetzt wird, bis CO im Rauchgas erscheint [Merkmal a)]. Die Luftverringerung wird für den zuletzt manipulierten Brenner rückgängig gemacht, so dass das CO im Rauchgas wieder verschwindet, und die auf diese Weise ermittelte Luftzufuhr dieses Brenners für das weitere Verfahren beibehalten [Merkmal b)]. Diese Vorgehensweise wird mit den verbleibenden Brennern so lange fortgesetzt [Merkmale c) und d)], bis der Einsatzpunkt der CO-Erzeugung bei sämtlichen Brennern ermittelt ist [Merkmal e)].

Darüber hinaus ist beim Stand der Technik gemäß Entgegenhaltung D2 noch vorgesehen, die Verringerung der den Brennern zugeführten Luftmenge in weiter verkleinerten Schritten so lange zu wiederholen, bis bei jedem Brenner die kleinstmögliche Schrittweite der Luftverringerung erreicht ist (Anspruch 5 und Beschreibung Sp 3, Z 34 bis 38).

Für den vorstehend definierten Fachmann ist jedoch ohne weiteres klar, dass es bei dem in Druckschrift D2 offenbarten Verfahren der anfänglichen Grobabstimmung des Luft/Brennstoff-Verhältnisses nicht bedarf. Zwar kann durch diese Grobabstimmung die für das Erreichen des eingeschwungenen Zustands erforderliche Zeit wesentlich verringert werden (Sp 4, Z 7 bis 11). Da die Luft/Brennstoff-Verhältnisse einer Feuerungsanlage jedoch vergleichsweise selten - beispielsweise nach Wartungs- oder Reparaturarbeiten - optimiert werden müssen, kommt es auf diese Zeitersparnis letztendlich nicht an. Der Fachmann erkennt ferner, dass die sukzessive Verkleinerung der Schrittweite der Luftverringerung im Anschluss an das der Grobabstimmung folgende Verfahren gemäß dem erteilten Patentanspruch 1 durchaus von Nachteil sein kann. Denn dadurch, dass durch diese Vorgehensweise die Sauerstoffzufuhr jedes einzelnen Brenners bewusst nur sehr knapp oberhalb des Wertes eingestellt wird, von dem ab es zur Entwicklung von CO kommt, fehlt sozusagen der nötige "Sicherheitsabstand", um bei etwaigen Schwankungen der Brennstoffzufuhr das Auftreten von CO Rauchgas ohne zusätzlichen Regelungsaufwand gleichwohl zuverlässig vermeiden zu können.

Es liegt von daher im Rahmen fachmännischen Handelns, bei dem in Entgegenhaltung D2 offenbarten Verfahren sowohl auf die Grobabstimmung zu dessen Beginn als auch auf die abschließende Schrittweitenverringerung zu verzichten.

Dadurch gelangt der Fachmann - ohne dass es einer erfinderischen Tätigkeit bedarf - ausgehend vom Stand der Technik gemäß Entgegenhaltung D2 zu dem im erteilten Patentanspruch 1 beanspruchten Verfahren. Der Gegenstand dieses Anspruchs ist deshalb nicht patentfähig.

3.) Mit dem Patentanspruch 1 fallen aufgrund der Antragsbindung die nebengeordneten Patentansprüche 2, 4 und 5 sowie der auf den Patentanspruch 2 rückbezogene Patentanspruch 3.

4.) Das Patent war deshalb zu widerrufen.

Dr. Winterfeldt Engels Dr. Maksymiw Dr. Häußler Be






BPatG:
Beschluss v. 21.07.2005
Az: 21 W (pat) 319/03


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