Bundespatentgericht:
Beschluss vom 4. März 2004
Aktenzeichen: 17 W (pat) 314/02

(BPatG: Beschluss v. 04.03.2004, Az.: 17 W (pat) 314/02)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Das Bundespatentgericht hat in seinem Beschluss vom 4. März 2004 das Patent 198 54 013 widerrufen. Das Patent wurde für eine "Ultraschall-Sonotrode" erteilt, die hohe Leistungen bei gleichzeitig hoher Amplitude übertragen kann. Das Ziel der Erfindung war es, eine Sonotrode zu entwickeln, die in der Lage ist, hohe Leistungen und Amplituden in das entsprechende Medium abzustrahlen. Der Patentanspruch 1 beschreibt die Sonotrode im Detail, und es wurden verschiedene Druckschriften als Nachweise für den bereits vorhandenen Stand der Technik zitiert. Die Patentinhaberin beantragte, das Patent in beschränktem Umfang aufrechtzuerhalten, aber das Gericht entschied, dass der patentgemäße Gegenstand nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruht und somit nicht patentfähig ist. Das Gericht folgte den Argumenten eines Fachmanns, der feststellte, dass die in der Erfindung beschriebene Sonotrode in einem vergleichbaren Stand der Technik bereits vorhanden war. Daher wurde das Patent widerrufen und die geltenden Unteransprüche wurden ebenfalls für nichtig erklärt.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

BPatG: Beschluss v. 04.03.2004, Az: 17 W (pat) 314/02


Tenor

Das Patent 198 54 013 wird widerrufen.

Gründe

I.

Auf die am 12. November 1998 beim Deutschen Patent- und Markenamt eingegangene Patentanmeldung 198 54 013.2 - 22 wurde ein Patent mit der Bezeichnung

"Ultraschall-Sonotrode"

erteilt. Veröffentlichungstag der Patenterteilung ist der 11. Juli 2002.

Gegen das Patent ist Einspruch eingelegt worden mit der Begründung, daß der Gegenstand des Patents nach § 21 Abs. 1 Nr. 1 PatG in Verbindung mit §§ 1 - 5 PatG und weiter nach § 21 Abs. 1 Nr. 2 sowie Nr. 4 PatG nicht patentfähig sei.

Die Einsprechende bezieht sich in ihrer Einspruchsschrift auf die Druckschriften (Nummerierung durch die Einsprechende):

D3 = WO 98/47632 A1 D4 = DE 26 07 038 A1 D5 = DE 26 06 997 A1 D6 = Bergmann: "Der Ultraschall und seine Anwendung in Wissenschaft und Technik", VDI-Verlag GmbH, Berlin 1937 ,1954, S. 6 bis 9.

Die Einsprechende hat mit Schriftsätzen vom 24. Januar 2003 und 8. Juli 2003 noch folgende Druckschriften genannt:

D7= DE 696 21 134 T2 D8 = Millner u.a.: "Wissenspeicher Ultraschalltechnik", VEB Fachbuchverlag, 1. Aufl., 1987, S. 26, 27 D9 = DE 44 21 465 A1 Die Einsprechende stellt den Antrag, das Patent in vollem Umfang zu widerrufen.

Die Patentinhaberin beantragt, das Patent in beschränktem Umfang aufrechtzuerhalten mit folgenden Unterlagen:

Patentanspruch 1, überreicht in der mündlichen Verhandlung am 3. März 2004, Patentansprüche 3 und 4 mit angepasster Nummerierung, Beschreibung mit Zusatz für Spalte 2, Zeile 20 aus überreichter Anlage betreffend Patentanspruch 1 und 2 Blatt Zeichnungen gemäß Patentschrift.

Der Anspruch 1 lautet:

Ultraschall - Sonotrode zur Übertragung hoher Leistungen bei gleichzeitig einer hohen Amplitude, wobeidie Sonotrode (1) monolithisch ausgebildet ist und aus /2 - Segmenten (2) gebildet ist, die jeweils im Bereich des Schwingungsmaximums (7) einen tellerförmigen Ring (3) aufweisen, die Ringsegmentflächen (5) der tellerförmigen Ringe (3) geometrisch so ausgebildet sind, dass die Eigenfrequenz möglicher Biegeschwingungen sehr viel größer ist als die Eigenfrequenz der Sonotrode (1), so dass die in Längsrichtung (8) schwingenden Ringsegmentflächen (5) eine Ultraschall-Leistung in Längsrichtung der Sonotrode (1) übertragen.

Wegen der weiteren Unterlagen wird auf den Akteninhalt verwiesen.

Nach Ansicht der Patentinhaberin ist der verteidigte Gegenstand durch den entgegengehaltenen Stand der Technik weder bekannt noch nahegelegt und somit patentfähig.

II.

Der Einspruch hat Erfolg.

1. Das Streitpatent betrifft eine Ultraschall-Sonotrode. Entsprechend den Angaben in der Beschreibungseinleitung wird die von einer solchen Sonotrode abzugebende Ultraschallleistung üblicherweise über die Stirnfläche abgegeben, wodurch es nicht möglich ist, hohe Amplituden und gleichzeitig hohe Leistungen in das entsprechende Medium abzustrahlen. Die patentgemäße Zielsetzung wird folglich in der Entwicklung einer Ultraschall-Sonotrode gesehen, mit der u.a. gewährleistet ist, daß hohe Leistungen gleichzeitig mit hohen Amplituden abgestrahlt werden können.

Die dieses leistende Ultraschall-Sonotrode nach Anspruch 1 weist (mit hinzugefügter Gliederung) folgende Merkmale auf:

Ultraschall-Sonotrode zur Übertragung hoher Leistungen bei gleichzeitig einer hohen Amplitude, wobeia) die Sonotrode (1)

b) monolithisch ausgebildet istc) und aus /2-Segmenten (2) gebildet ist, d) die jeweils im Bereich des Schwingungsmaximums (7) einen tellerförmigen Ring (3) aufweisen, e) die Ringsegmentflächen (5) der tellerförmigen Ringe (3) geometrisch so ausgebildet sind, f) dass die Eigenfrequenz möglicher Biegeschwingungen sehr viel größer ist als die Eigenfrequenz der Sonotrode (1), g) so dass die in Längsrichtung (8) schwingenden Ringsegmentflächen (5) eine Ultraschall-Leistung in Längsrichtung der Sonotrode (1) übertragen.

Dieser beanspruchten Lehre entnimmt der Fachmann, ein FH-Ingenieur der Fachrichtung Maschinenbau mit mehrjähriger einschlägiger Berufserfahrung, eine monolithische, d.h. eine aus einheitlichem Material bestehende, Ultraschall-Sonotrode, deren abzugebende Schallleistung von mehreren /2-Segmenten erzeugt wird. Hierzu weist jedes dieser Segmente im Bereich des Schwingungsmaximums einen tellerförmigen Ring auf, dessen Ringsegmentflächen durch ihre Schwingungen in Längsrichtung die abzustrahlende Ultraschallleistung hervorbringen. Hierzu sind diese Ringsegmentflächen geometrisch so geformt, daß die Eigenfrequenz ihrer Biegeschwingungen sehr viel höher ist als die Eigenfrequenz der Sonotrode, d.h. jene Frequenz, bei der die Sonotrode ihre Ultraschalleistung erzeugt.

2. Die Merkmale a) bis e) und g) sind unstreitig ursprünglich offenbart. Dieses gilt jedoch nicht für Merkmal f), denn die durch dieses Merkmal vorgeschriebene Gestaltung der Ringsegmentflächen der tellerförmigen Ringe in der Weise, dass die Eigenfrequenz möglicher Biegeschwingungen sehr viel größer ist als die Eigenfrequenz der Sonotrode, ist den ursprünglichen Unterlagen weder wörtlich noch sinngemäß zu entnehmen. Die von der Patentinhaberin in diesem Zusammenhang angesprochenen Textstellen S. 6, Absätze 1 und 2 der ursprünglichen Unterlagen (= Sp. 2, Z. 38-49 der Anmeldungs-OS) sprechen lediglich die Verwendung von Längsschwingungen bei der Ultraschallerzeugung an. Hinweise auf eine Gestaltung der Ringsegmentflächen der tellerförmigen Ringe mit dem Ziel, Biegeschwingungen dadurch zu vermeiden, dass deren Eigenfrequenz sehr viel größer ist als die Eigenfrequenz der Sonotrode, lassen sich dieser ursprünglichen Offenbarung nicht entnehmen.

Durch Merkmal f) geht somit der Gegenstand des Patents über den Inhalt der Anmeldung in der Fassung vom Anmeldetag hinaus. Die diesbezüglich von der Patentinhaberin in die Patentbeschreibung aufgenommene Erklärung, daß aus Merkmal f) keine Rechte hergeleitet werden (§ 38 PatG), hat zur Folge, daß dieses Merkmal bei der Beurteilung des Patentgegenstandes hinsichtlich Neuheit und erfinderischer Tätigkeit außer Betracht bleibt (vgl. hierzu BPatGE 44, 123 mwN).

3. Der auf Patentfähigkeit zu überprüfende Gegenstand des Anspruchs 1 wird entsprechend den vorstehenden Ausführungen durch die Merkmale a) bis e) und g) beschrieben.

Dieser Anspruchsgegenstand beruht nicht auf erfinderischer Tätigkeit.

In D4 (DE 26 07 038 A1) wird das zur patentgemäßen Aufgabenstellung vergleichbare Ziel der Realisierung einer für große Schwingungsamplituden und eine hohe Ultraschallabstrahlung geeigneten Sonotrode angesprochen, vgl. S. 2, 2. Abs. und S. 7, 3. Abs. (die Seitenangaben beziehen sich auf die Zahlen in Maschinenschrift).

In den Figuren 2 und 6 sind als "Geschwindigkeitstransformator" bezeichnete, im Längsschwingungsmodus (S. 10, 2. Abs.; S. 30, le. Abs.) arbeitende Segmente für eine derartige Sonotrode dargestellt, die eine Länge von /2 aufweisen (vgl. S. 18 4. Abs bis S. 19, 2. Abs. einschließl. und S. 22, le. Abs. mit S. 23, 1. Abs.) und die jeweils aus einem "Kern" und einem "Konzentrator" mit unterschiedlichen Durchmessern bestehen, wobei ein gleitender Übergang zwischen beiden vorgesehen ist. Die in den Figuren 2 bzw. 6 dargestellten Bereiche mit den Bezugsziffern 2 bzw. 9 lassen sich mit den dazu benachbarten halben Bereichen mit den Bezugsziffern 7 bzw. 14 als tellerförmige Ringe interpretieren. Gleiches gilt für die Bereiche mit den Bezugsziffern 5 bzw. 12 und den dazu benachbarten Hälften der Bereiche 7 bzw.14. Auf S. 10, 2. Abs. wird bezüglich des Geschwindigkeitstransformators von dem "für seine Herstellung gewählten Werkstoff" gesprochen, woraus hervorgeht, daß der besagte Transformator aus einem einheitlichen Material besteht, d.h. monolithisch ist. Nach S. 24, 2. Abs., können mehrere solcher Geschwindigkeitstransformatoren (Segmente) in Reihe angeordnet werden, wobei hierfür entsprechend S. 24, 3. Abs. jede der in den Figuren 1 bis 6 dargestellten Ausführungsformen geeignet ist. In Fig. 16 ist eine solche Verbindung aus 2 Segmenten dargestellt. Bei Einsatz von Elementen gemäß Fig. 2 oder 6 entsteht durch eine solche Aneinanderreihung eine Sonotrode, die monolithisch aufgebaut und aus /2-Segmenten gebildet ist. Jedes dieser Segmente weist Abschnitte auf, die als tellerförmige Ringe ausgestaltet sind, wobei deren Ringsegmentflächen zur Übertragung einer Ultraschall-Leistung in Längsrichtung der Sonotrode beitragen (vgl. S. 10, 1. Abs. mit 2. Abs., 1.Satz).

Somit wird in D4 eine Ultraschall-Sonotrode beschrieben, die weitgehend mit derjenigen nach Anspruch 1 des Streitpatents übereinstimmt. Ein Unterschied besteht lediglich insoweit, als nach Merkmal d) jedes Einzelsegment der beanspruchten Sonotrode zwei getrennte tellerförmige Ringe aufweist, wogegen bei den Einzelsegmenten nach D4, Figuren 2 und 6, ein zusammengefasster tellerförmiger Ringbereich unsymmetrisch zur Mitte angeordnet ist. Dieser Unterschied kann allerdings keinen erfinderischen Abstand zu D4 schaffen, da es dem Fachmann ohne weiteres zu Gebote steht, beispielsweise aus montagetechnischen Gründen die unsymmetrische Einzelelementeform gemäß D4, Fig. 2 und 6 zu verlassen und auf eine symmetrische Form, wie sie durch Anspruch 1, Merkmal d) beschrieben wird, überzugehen.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Streitpatents beruht aus den aufgezeigten Gründen nicht auf erfinderischer Tätigkeit und ist demzufolge nicht patentfähig.

Da über einen Antrag nur einheitlich entschieden werden kann, haben auch die geltenden Unteransprüche keinen Bestand.

Folglich war das Streitpatent zu widerrufen.

Bertl Dr. Schmitt Dr. Kraus Schuster Bb






BPatG:
Beschluss v. 04.03.2004
Az: 17 W (pat) 314/02


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/gerichtsentscheidung/c5b95a75b78d/BPatG_Beschluss_vom_4-Maerz-2004_Az_17-W-pat-314-02




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