Bundespatentgericht:
Beschluss vom 18. Juli 2000
Aktenzeichen: 24 W (pat) 123/99

(BPatG: Beschluss v. 18.07.2000, Az.: 24 W (pat) 123/99)

Tenor

Die Beschwerde der Widersprechenden wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die Markesiehe Abb. 1 am Endeist unter der Nummer 395 29 300 für die Waren

"Kontaktsprays und Starthilfesprays für Motoren und Bremsen, destilliertes Wasser, Nitro-Universalverdünnung, Kunstharzverdünner, Schweißschutzspray, vorstehende Waren insbesondere zur Autowäsche, Flockungsmittel, Brauchwasserstabilisatoren zur Verwendung in Autowaschanlagen, Frostschutzmittel, Scheibenenteiser, Sprühdefroster, Türschloßenteiser, Antibeschlagsprays, insbesondere für Automobile, Antibeschlagmittel; Motorschutzlack, Unterbodenschutz-, Hohlraumschutz-, und Korrosionsschutzmittel, Grundierungs-, Metall- und Farbsprays, Multifunktionssprays u.a. zum Schutz gegen Korrosion, vorstehende Waren insbesondere für Automobile; Autopflegemittel, einschließlich Lackpflegemittel, Mittel zur Außenreinigung und Pflege, insbesondere Autoshampoos, Wasch- und Wachsmittel, Scheibenreiniger, Insektenlöser, Kunststoffpflegemittel, Cabriolet-Dachreiniger, Felgen-Reiniger, Reifenpflegemittel, Teerentferner, Mittel für die Innenreinigung, insbesondere Cockpit-Sprays, Schaumreiniger, Nikotinentferner, Polsterreinigungsmittel, Ledersprays zur Lederreinigung und -pflege, Glasreinigungsmittel, Mittel zur Reinigung und Pflege von Motor und Bremsen, wie Motorkaltreiniger, Multifunktionssprays u.a. zur Reinigung und Pflege, Rostlöser, Bremsenreinigungsmittel, Hochdruckreinigungsmittel; Additive, insbesondere Kraftstoff-Systemreiniger, Ventile- und Vergaserreiniger, Dieselsystemreiniger, Kettensprays, Ölfleckentferner, Entwachser, Kaltreiniger, Entkonservierer, Entfetter, Scheibenklarhaltungsmittel und Scheibenreinigungsmittel, auch mit Frostschutz; Mittel zur Verwendung in der Automobilwaschanlage, wie Shampoos, Glanzwachse und -trockner, Heißwachs, Schaumwachs, Mittel für die Vorreinigung, die Hochdruck-Wäsche, die Anlagenwartung und Oberflächenreinigung, insbesondere Soft- und Werkstattreiniger, Hochdruckreiniger, Insektenentferner, Fliesenreiniger und -entkalker, Planenreiniger; Mittel zur Handreinigung und Pflege"

in das Register eingetragen worden.

Dagegen ist Widerspruch erhoben von der Inhaberin der in den Farben rot, schwarz und weiß eingetragenen Marke 394 10 304 siehe Abb. 2 am Endedie für

"chemische Erzeugnisse für gewerbliche Zwecke, insbesondere Mörtelzusatzmittel, Estrich-Vergütungsmittel und Zusatzmittel für Zement und Beton; Bremsflüssigkeiten; destilliertes Wasser; Klebstoffe für gewerbliche Zwecke; Wasch- und Bleichmittel, Putz-, Polier-, Fettentfernungs- und Schleifmittel; Autopflegemittel, nämlich Autowaschmittel, flüssige Autowachse, Autopolituren, Fett- und Silikonentfernungsmittel, Reinigungsmittel für Motoren, Unterbodenschutzmittel und Frostschutzmittel; Handwaschpasten, Handwaschmittel und Handwaschcreme; chemische Reinigungsmittel für Fliesen, Metalle, Textilien und Wandflächen; Entkalkungsmittel; technische Öle und Fette, Schmiermittel, Schmierfette und -öle, Schiffsmotorenöle, Metallbearbeitungsöle; feste, flüssige und gasförmige Brennstoffe (einschließlich Motorentreibstoffe), insbesondere Benzine, Heizöle und Propangas; chemische Zusatzmittel (Additive) für Treibstoffe aus Erdölprodukten sowie für technische Öle und Heizöle"

geschützt ist.

Die mit einem Beamten des höheren Dienstes besetzte Markenstelle für Klasse 3 des Deutschen Patent- und Markenamts hat den Widerspruch zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, daß die Widersprechende aus dem für die Annahme einer Verwechslungsgefahr allein in Betracht kommenden Bestandteil "TURBO-" der Widerspruchsmarke keine Rechte herleiten könne. Dieser Bestandteil beschreibe die von der Widerspruchsmarke erfaßten Waren im Sinne von "schnell, leistungsstark und wirksam". Deshalb sei er nicht unterscheidungskräftig und unterliege als beschreibende Angabe auch einem Freihaltebedürfnis. Darüber hinaus wirke das Markenwort "TURBOTANK" als begriffliche Einheit, deren - auch nur gedankliche - Zergliederung nicht zu erwarten sei.

Gegen diese Beurteilung richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden. Sie trägt vor, das Wort "Turbo" sei die Kurzbezeichnung für "Turbomotor". Für die von den Vergleichsmarken identisch erfaßten Reinigungs- und Pflegemittel sowie sonstigen Verbrauchsmaterialien für Kraftfahrzeuge sei der Begriff "Turbo" dagegen weder beschreibend noch fehle ihm die erforderliche Unterscheidungskraft. Das werde auch dadurch belegt, daß im Markenregister zahlreiche "Turbo"-Marken eingetragen seien. Der Begriff "TURBO" trete in der Widerspruchsmarke sowohl aufgrund seiner Stellung am Wortanfang als auch infolge der graphischen Gestaltung selbständig kollisionsbegründend hervor, so daß Verwechslungen mit der angegriffenen Marke zwangsläufig seien.

Die Widersprechende beantragt (sinngemäß), den angefochtenen Beschluß der Markenstelle aufzuheben und die Löschung der Marke 395 29 300 anzuordnen.

Die Markeninhaberin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie verteidigt den angefochtenen Beschluß.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet.

Die Vergleichsmarken können sich sowohl auf identischen als auch auf ohne weiteres für ähnlich zu erachtenden Waren begegnen. Des weiteren kann zugunsten der Widersprechenden davon ausgegangen werden, daß die Widerspruchsmarke in ihrer Gesamtheit über eine durchschnittliche Kennzeichnungskraft verfügt. Trotz dieser kollisionsfördernden Ausgangslage hat die Markenstelle eine Verwechslungsgefahr (§§ 42 Abs. 2 Nr. 1, 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG) mit zutreffenden Erwägungen verneint.

Daß die einander gegenüberstehenden Marken in ihrer Gesamtheit nicht verwechselbar ähnlich sind, bedarf keiner näheren Ausführungen. Eine Verwechslungsgefahr kann aber auch nicht aufgrund des in beiden Marken übereinstimmend enthaltenen Wortbestandteils "Turbo" angenommen werden. Voraussetzung hierfür wäre, daß der Wortbestandteil "TURBO-" am Schutz der Widerspruchsmarke teilnimmt, was im Widerspruchsverfahren selbständig zu prüfen ist, weil die Schutzfähigkeit der Widerspruchsmarke im Eintragungsverfahren nur in ihrer Gesamtheit mit Bindungswirkung für spätere Verfahren festgestellt worden ist (BPatG GRUR 1996, 413 - ICPI/ICP; Althammer/Ströbele, Markengesetz, 6. Aufl., § 9 Rdnr. 159). An der danach erforderlichen selbständigen Schutzfähigkeit des Bestandteils "TURBO-" fehlt es.

Wie die Markenstelle zutreffend festgestellt hat, hat sich der Begriff "Turbo" über seine ursprünglichen technischen Bedeutungen als abkürzende Bezeichnung für "Turbomotor" bzw. als Bezeichnung für eine nach dem Turbinenprinzip arbeitende Vorrichtung zu einem gängigen Modewort für "schnell, leistungsstark, wirksam" entwickelt. In dieser Bedeutung eignet sich das Wort "Turbo" zur Beschreibung aller Waren, denen die genannten Eigenschaften zukommen können (vgl. BGH GRUR 1995, 410, 411 "TURBO"). Im vorliegenden Fall trifft dies insbesondere für die von der Widerspruchsmarke und von der angegriffenen Marke gleichermaßen erfaßten Reinigungs- und Pflegemittel zu, so daß der Markenbestandteil "TURBO-" insoweit eine freihaltebedürftige und nicht unterscheidungskräftige Angabe darstellt, aus der die Widersprechende keine Rechte herleiten kann. Zu Unrecht beruft sich die Widersprechende für ihre gegenteilige Auffassung auf die "Turbo II"-Entscheidung des Bundesgerichtshofes (GRUR 1997, 634). Eine Einschränkung der im ersten "TURBO"-Beschluß des Bundesgerichtshofes (GRUR 1995, 410) aufgestellten Grundsätze kann dieser Entscheidung nicht entnommen werden. Der zweite "Turbo"-Beschluß des Bundesgerichtshofes hatte ein Löschungsverfahren zum Gegenstand, in dem es darum ging, ob die dort streitbefangene, am 22. April 1983 angemeldete und am 9. Dezember 1983 eingetragene Marke seinerzeit, d.h. im Jahr 1983, schutzfähig war. Das konnte nicht verneint werden, nachdem die Inhaberin jener Marke das Warenverzeichnis auf nicht durch Turbinen angetriebene Werkzeuge beschränkt hatte. Ausschlaggebend für diese Beurteilung war, daß die Bedeutungserweiterung des Wortes "Turbo" von einer technischen Bezeichnung zu einem universell einsetzbaren Modewort für den in jenem Verfahren maßgeblichen Zeitraum (1983) noch nicht hatte festgestellt werden können (vgl. BGH aaO S. 636 "Turbo II").

Eine andere Sichtweise ist auch nicht aufgrund der von der Widersprechenden angeführten Eintragungen von "Turbo"-Marken angezeigt. Zum einen entfalten derartige Voreintragungen hier ebensowenig wie im Eintragungsverfahren irgendeine Bindungswirkung (vgl. BGH Bl f. PMZ 1998, 248, 249 "Today"; GRUR 1995, 410, 411 "TURBO"). Zum anderen liegen diese Voreintragungen schon länger zurück und betreffen im übrigen ausnahmslos andere als die im vorliegenden Fall in Rede stehenden Waren.

Lediglich für die in den Warenverzeichnissen beider Vergleichsmarken enthaltene Ware "destilliertes Wasser" liegt eine beschreibende Verwendung des Markenbestandteils "TURBO-" fern. Auch insoweit hat die Markenstelle jedoch eine Verwechslungsgefahr im Ergebnis zu Recht verneint. Voraussetzung hierfür wäre, daß es sich bei der Widerspruchsmarke um eine mehrgliedrige Marke handelt, deren Gesamteindruck durch den Bestandteil "TURBO-" geprägt wird. Das ist nicht der Fall. Aufgrund der graphischen Gestaltung der Widerspruchsmarke erscheint es zwar nicht ausgeschlossen, in ihr eine mehrgliedrige Marke zu sehen, die sich - neben den eher untergeordneten graphischen Elementen - im wesentlichen aus den Wortbestandteilen "TURBO-" und "-TANK" zusammensetzt (vgl. BPatG GRUR 1996, 126,127 "BERGER/BERGERLAHR"). Jedoch tritt der Bestandteil "TURBO-" im Gesamtgefüge der Widerspruchsmarke nicht selbständig kollisionsbegründend hervor. Die Bestandteile "TURBO-" und "-TANK" erscheinen insoweit vielmehr als eine gesamtbegriffliche Einheit, deren Zergliederung, wie die Markenstelle zutreffend angenommen hat, nicht naheliegt. Es kann daher nicht davon ausgegangen werden, daß sich der Verkehr in erster Linie an dem Bestandteil "TURBO-" orientiert.

Die Beschwerde konnte nach alledem keinen Erfolg haben. Es bestand kein Anlaß, einer der Verfahrensbeteiligten die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen (§ 71 Abs. 1 MarkenG).

Dr. Ströbele Dr. Schmitt Dr. Hacker Bb Abb. 1 http://agora/bpatgkollision/docs/24W(pat)123-99.1.3.gif Abb. 2 http://agora/bpatgkollision/docs/24W(pat)123-99.2.3.gif






BPatG:
Beschluss v. 18.07.2000
Az: 24 W (pat) 123/99


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