Bayerisches Landessozialgericht:
Urteil vom 23. September 2009
Aktenzeichen: L 12 KA 65/08

(Bayerisches LSG: Urteil v. 23.09.2009, Az.: L 12 KA 65/08)

Tenor

I. Auf die Berufung der Klägerin wird unter Abänderung desUrteils des Sozialgerichts Nürnberg vom 11. Juni 2008 sowie desKostenfestsetzungsbescheides des Beklagten vom 29. Januar 2007 derBeklagte verpflichtet, der Klägerin weitere außergerichtlicheKosten in Höhe von EUR 1.696,02 zu erstatten.

II. Im Übrigen wird die Berufung der Klägerinzurückgewiesen.

III. Die Kosten des Gerichtsverfahrens hat der Beklagte zu 7/10und die Klägerin zu 3/10 zu tragen. Die Kosten desBerufungsverfahrens hat der Beklagte zu 1/10 und die Klägerin zu9/10 zu tragen.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin einen Anspruch auf Erstattung höherer notwendiger Auslagen für das vor dem Beklagten geführte Verfahren wegen Sonderbedarfszulassung besitzt.

Die Klägerin, eine Internistin/Rheumatologin, beantragte eine Sonderbedarfszulassung für die Stadt A-Stadt. Diesen Antrag lehnte der zuständige Zulassungsausschuss ab. Durch ihren bevollmächtigten Rechtsanwalt ließ sie dagegen Widerspruch erheben.

Mit am 28. September 2006 ausgefertigtem Bescheid erteilte der 1. Berufungsausschuss Ärzte Bayern die begehrte Sonderbedarfszulassung. Gleichzeitig wurde ausgesprochen, dass die notwendigen Auslagen der Ärztin zu erstatten sind. Die Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes wurde festgestellt.

Gestützt auf das Ergebnis einer Ärzteumfrage, führte der Beklagte zur Begründung aus, dass ein entsprechender Bedarf angenommen werden müsse. Einige Rheumatologen hatten auf Anfrage eine Sonderbedarfszulassung befürwortet, andere lehnten diese ab, obgleich sie bereits eine hohe Fallzahl aufwiesen. Die Anwälte hatten sich in einem neunseitigen Schriftsatz mit dem Ergebnis der Umfrage beschäftigt. Die Entscheidung wurde rechtskräftig.

Mit Schreiben vom 31.10.2006 beantragten die Anwälte im Namen der Klägerin beim Beklagten einen Gegenstandwert von 287.833,50 EUR festzusetzen und auf Grund dessen zu erstatten:

2, 5-facher Satz Geschäftsgebühr Nr.2400 VV5.425,00 EURFahrtkosten zum Termin Nr.7004 VV 78,20 EUR(= Bahnticket 64,00 EUR, Taxikosten 12,00 EUR, S-Bahn 2,20 EUR)Abwesenheitsgeld für Termin am 1. August Nr.7500 VV 35,00 EURKopierkosten Nr.7000 VV 10,50 EURPost- und Telekommunikationsentgelt Nr.7100 VV 20,00 EURZwischensumme5.568,70 EURUmsatzsteuer Nr.7800 VV 16 % hieraus 890,99 EUREndsumme6.459,69 EURMit am 29. Januar 2007 ausgefertigtem Kostenerstattungsbescheid setzte der Beklagte den Gegenstandswert antragsgemäß auf EUR 287.833,50 fest. Allerdings wurden die zu erstattenden Kosten nur auf EUR 3.555,07 festgesetzt. Die Abweichung gegenüber dem Antrag ergab sich daraus, dass an Stelle eines 2,5 -fachen Satzes nur ein 1,3-facher Satz einer Geschäftsgebühr nach Nr. 2400 VV angesetzt wurde. Die übrigen Kosten wurden antragsgemäß übernommen. Allerdings wurde für die Fahrtkosten von 78,00 EUR keine Mehrwertsteuer erstattet. Jedoch wurde die verauslagte Widerspruchsgebühr (50,00 EUR) erstattet.

Dagegen richtete sich die zum Sozialgericht Nürnberg erhobene Klage. Die Klägerin ließ ausführen, dass das Widerspruchsverfahren umfangreich und schwierig gewesen sei, weswegen der Höchstsatz der Geschäftsgebühr der Billigkeit entspreche.

Mit Urteil vom 11. Juni 2008 hat das Sozialgericht Nürnberg den Kostenfestsetzungsbescheid vom 29. Januar 2007 (Ausfertigungsdatum) abgeändert und ausgesprochen, dass der Beklagte der Klägerin weitere außergerichtliche Kosten in Höhe von 1.555,31 EUR zu erstatten habe.

Das Sozialgericht erkannte zu:

2,0-facher Satz Geschäftsgebühr4.340,00 EURAbwesenheitsgeld Nr.7500 VV 35,00 EURKopierkosten 10,50 EURPost-, Telekommunikationspauschale 20,00 EURZwischensumme4.405,50 EURdaraus Mehrwertsteuer 704,88 EURZwischensumme5.110,38 EURFahrtkosten 78,20 EURverauslagte Widerspruchsgebühr 50,00 EUREndsumme5.238,58 EURErstattungsbetrag1.555,31 EURDas Sozialgericht hat ausgeführt, dass die Ziffer 2400 VV RVG die Vertretung durch einen Anwalt im Verwaltungsverfahren erfasse und eine Geschäftsgebühr von 0,5 bis 2,5 vorsehe. Ergänzend sei bestimmt, dass eine Gebühr von mehr als 1,3 nur dann gefordert werden könne, wenn die Tätigkeit "umfangreich oder schwierig" gewesen sei. Die Konjunktion "oder" lege nahe, dass die Voraussetzungen nicht kumulativ, sondern nur alternativ vorliegen müssten. Offen bleiben könne, ob die Sache als umfangreich bezeichnet werden könne, nachdem der Bevollmächtigte lediglich eine Widerspruchsbegründung gefertigt und an einer mündlichen Verhandlung teilgenommen habe. Jedoch sei die Sache in jedem Fall als schwierig einzustufen. Dabei komme es nicht darauf an, welche Vorkenntnisse der Rechtsanwalt mitbringe oder ob er sich schwerpunktmäßig mit der Rechtsmaterie befasse. Denn die nicht akzeptable Konsequenz wäre hier, dass ein Rechtsanwalt mit nur geringen Kenntnissen regelmäßig einen höheren Vergütungsanspruch hätte als ein entsprechend spezialisierter Anwalt. Es sei abzustellen auf die Schwierigkeiten, die typischerweise mit der Rechtsmaterie verbunden seien. Rechtsgebiete, die eine lange Einarbeitungszeit und Auseinandersetzung mit komplexen, vom Gesetzgeber in verschiedenen Rechtsvorschriften geregelten Materien erfordern würden, seien somit als schwerer einzustufen als die Rechtsstreitigkeiten, deren Kenntnis der Jurist bereits in der Ausbildung erworben habe (Otto, NJW 2006, 1472). Es könne keinen Zweifeln unterliegen, dass Probleme des Vertragsarztrechtes und insbesondere der Sonderbedarfszulassung als schwierige Rechtsmaterie einzustufen seien. Der Ansatz einer 2,0-fachen Gebühr trage diesen Schwierigkeiten nach Auffassung der Kammer zutreffend Rechnung. Ein höherer Gebührensatz als 2,0 erscheine im vorliegenden Fall nicht angemessen. Die Geschäftsgebühr decke das gesamte Tätigkeitsspektrum eines Anwaltes ab, soweit nicht Betragsrahmengebühren anfielen. Hierzu gehöre, von rechtlich und tatsächlich einfach gelagerten Forderungssachen aus Verträgen angefangen, alles bis zu einem außerordentlich schwierigen und umfangreichen atomrechtlichen Genehmigungsverfahren. Dass Letzteres erheblich schwierigere Rechtsproblematiken aufweise als eine vertragsärztliche Zulassungsstreitigkeit, bedürfe keiner näheren Darlegung. Auch die im Urteil des BayLSG vom 7. Juni 2000 (L 12 KA 516/89) vertretene Auffassung, dass es sich bei dem Kassenarztrecht um ein rechtlich schwieriges und entlegenes Rechtsgebiet handle, das den Ansatz der Höchstgebühr rechtfertige, könne zu keiner anderen Auffassung führen, da es sich noch auf die frühere Rechtslage bezogen habe.

Dagegen richtet sich die durch die Klägerin erhobene Berufung zum Bayerischen Landessozialgericht. Das Berufungsvorbringen lässt sich in folgende drei Punkte gliedern:

1.) Die Umsatzsteuer nach Nr.7800 sei auf die Vergütung in voller Höhe zu erheben. Vergütung meine die Gebühren und die Auslagen für die anwaltliche Tätigkeit nach dem RVG. Soweit die Fahrtkosten für die Benutzung eines anderen Verkehrsmittels als das eigene Kraftfahrzeug nach Nr.7400 VV (78,20 EUR) entstanden seien, dürfe insoweit die Mehrwertsteuer verlangt werden. Es handele sich auch nicht um einen durchlaufenden Posten. Auf die Fahrtkosten entfielen daher 16 % Umsatzsteuer in Höhe von weiter festzusetzenden 12,51 EUR.

2.) Dem Sozialgericht Nürnberg sei zudem ein Rechenfehler unterlaufen. Es gehe von einem Erstattungsbetrag von 5.238,58 EUR aus und berechne den Differenzbetrag zwischen diesem Betrag und dem im angefochtenen Bescheid festgesetzten Betrag mit 1.555,31 EUR. Die Subtraktion ergebe jedoch 1.683,51 EUR und nicht lediglich 1.555,31 EUR.

3.) Im Vordergrund stehe jedoch nach wie vor der zu niedrige Ansatz der Geschäftsgebühr, der auch mit einem 2,0-fachen Satz noch zu niedrig festgesetzt sei. Sie müsse mit dem Höchstsatz (2,5) festgesetzt werden. Das Bayerische Landessozialgericht habe in der auch vom SG zitierten Entscheidung festgestellt, dass es sich beim Kassenarztrecht um eine besonders schwierige Rechtsmaterie handle und habe nach alter Rechtslage (§§ 12 Abs.2, 118 BRAGO) für das Vorverfahren jeweils 10/10 Gebühren (Besprechungs- und Erörterungsgebühr), wenn mündliche Verhandlung durchgeführt, festgesetzt. Auch nach neuem Recht sei auf den Umfang und die Schwierigkeiten abzustellen (§ 14 Abs.1 RVG). Nichts anderes gebe auch die Ergänzung zu VV 2400 wieder. Daher sei der Ansatz der Höchstgebühr gerechtfertigt. Zumindest sei eine solche Festsetzung nicht unbillig. Eine Unbilligkeit liege nicht bereits dann vor, wenn das objektiv Angemessene leicht überschritten werde. Eine Sonderbedarfszulassungssache sei äußerst schwierig. Diese würde nur erteilt, wenn eine quantitative oder qualitative Versorgungslücke bestehe. Die Beweislast hierfür trage der Antragsteller.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 11. Juni 2008 sowie den Kostenbeschluss des Beklagten vom 12. Dezember 2006, ausgefertigt am 29. Januar 2007, abzuändern und den Beklagten zu verpflichten, über die festgesetzten sowie vom SG titulierten Kosten hinaus weitere außergerichtlichen Kosten in Höhe von 1.399,31 EUR zu erstatten.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er trägt vor, dass der Rechtsanwalt eine höhere Gebühr als den 1,3-fachen Satz nur fordern könne, wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwierig gewesen sei. Damit sei gemeint, dass Umfang oder Schwierigkeit über dem Durchschnitt lägen. Dem Schwierigkeitsgrad sei bereits dadurch Rechnung getragen worden, dass eine Gebühr von 2,0 angesetzt worden sei. Soweit behauptet werde, allein die besondere Schwierigkeit des Vertragsarztrechtes rechtfertige für sich allein den Ansatz der Höchstgebühr, könne dem nicht gefolgt werden. Vielmehr sei auch innerhalb dieses Rechtsgebietes nach Schwierigkeitsgrad zu differenzieren. So werde beispielsweise ein kompliziertes Verfahren wegen Zulassungsentziehung, das mehrere Aktenordner fülle, regelmäßig schwieriger und umfangreicher sein als ein Antrag auf Erteilung einer Sonderbedarfszulassung. Der regelmäßige Ansatz einer Höchstgebühr laufe einer ordnungsgemäßen Ermessensausübung des Rechtsanwaltes zuwider.

Die weiteren Beteiligten haben sich nicht geäußert.

Für die weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakte des Beklagten, der Streitakte des Sozialgerichts Nürnberg sowie der Verfahrensakte des Bayerischen Landessozialgerichts Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Berufung erweist sich nur zum Teil als begründet.

Rechtsgrundlage des Kostenerstattungsanspruchs der Klägerin ist der Bescheid des Beklagten vom 28. Sep. 2006. Darin wurde, gestützt auf § 63 SGB X, ausgesprochen, dass der Vertragsärztin und Klägerin ihre notwendigen Auslagen zu erstatten sind. Gleichzeitig wurde die Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes festgestellt. Damit besitzt die Vertragsärztin einen Anspruch auf Erstattung der Kosten, die ihr Rechtsanwalt gegen sie nach dem Gesetz über die Vergütung der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte (Rechtsanwaltsvergütungsgesetz -RVG) gültig ab 1. Juli 2004 fordern darf. Ein Anspruch auf Erstattung einer Gebührenforderung, die der Anwalt nicht fordern darf, besteht dagegen nicht.

Auch sind die Sozialgerichte nicht an einer Entscheidung über die Rechtmäßigkeit des Kostenerstattungsbescheids gehindert. Der Durchführung eines Vorverfahrens bedurfte es nicht. Die Kostenfestsetzung ist Annex des Verfahrens vor dem Berufungsausschuss (vgl. BSG SozR 1300 § 63 Nr.12).

Die durch den Rechtsanwalt der Klägerin bestimmte Höhe der Rahmengebühr erscheint unbillig i. S. d. § 14 Abs. 1 Satz 4 RVG. Hinsichtlich der Bestimmung der Rahmengebühr folgt der Senat im Wesentlichen den durch das Erstgericht angestellten Erwägungen. Allerdings ist dem Erstgericht bei Umsetzung seiner Erwägungen ein Rechenfehler unterlaufen. Zudem sind die Fahrtkosten der Mehrwertsteuer zu unterwerfen.

Die Unbilligkeit ergibt sich daraus, dass der Rechtsanwalt der Klägerin für die hier erfolgte Geschäftsbesorgung nur einen Betrag aus einer 2,0fachen Geschäftsgebühr nach Nr. 2400 Vergütungsverzeichnis als Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG und nicht aus einem 2,5fachen Satz fordern darf.

Nach § 2 Abs.1 RVG werden die Gebühren, soweit keine andere Bestimmung getroffen ist, nach dem Gegenstandswert bestimmt, der, insoweit nicht angegriffen, mit 287.833,50 EUR festgesetzt worden war. Eine abweichende Bestimmung ist nicht getroffen. Denn nach § 3 Abs.1 Satz 2 RVG werden in sozialgerichtlichen Angelegenheiten, in denen das Gerichtskostengesetz anzuwenden ist, die Gebühren nach dem Gegenstandswert berechnet, wenn der Auftraggeber nicht zu den in § 183 SGG genannten Personen gehört. Dies gilt gem. § 3 Abs. 2 RVG auch für eine Tätigkeit außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens.

Nach § 2 Abs.2 RVG bestimmt sich die Höhe der vorzunehmenden streitwertbezogenen Vergütung nach dem Vergütungsverzeichnis der Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG. Dieses Vergütungsverzeichnis (i. f: VV) regelt in seinem Teil 2 die Gebühren für außergerichtliche Tätigkeiten einschließlich der Vertretung im Verwaltungsverfahren.

Nach Nr. 2400 VV (4. Abschnitt) entsteht für die Vertretung im Verwaltungsverfahren eine Geschäftsgebühr in Höhe des 0,5 bis 2,5-fachen der streitwertentsprechenden Gebühr. Mangels Vertretung vor dem Zulassungsausschuss erweist sich diese Ziffer als einschlägig. Erfolgt durch den gleichen Rechtsanwalt eine Vertretung auch vor dem Zulassungsausschuss erhält er neben der Geschäftsgebühr der Ziffer 2400 eine weitere Gebühr in Höhe des 0,5- bis 1,3-fachen Satz (Nr. 2401 VV).

Nach einem Zusatz der Leistungslegende der Nr. 2400 VV, kann eine Gebühr von mehr als 1,3 nur gefordert werden, wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwierig war. Eine generelle Regelung zur Ausfüllung des eröffneten Rahmens enthält darüber hinaus § 14 RVG. Danach bestimmt der Rechtsanwalt die Rahmengebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers nach billigem Ermessen. Ein besonderes Haftungsrisiko des Rechtsanwaltes kann bei der Bemessung herangezogen werden.

Die allgemeine und die spezielle Vorschrift zur Rahmenausfüllung widersprechen sich nicht. Während § 14 RVG einen relativen Maßstab vorgibt, enthält die Nr. 2400 VV einen absoluten Maßstab. Nur wenn es sich um eine schwierige oder umfangreiche Tätigkeit handelt, darf die Schwelle des 1,3fachen Satzes überschritten werden. Die Bestimmung zwischen den Werten 1,3 und 2,5 ergibt sich dann aus den Kriterien des § 14 RVG. Bezogen auf das Kriterium der Schwierigkeit richtet sie sich mithin nach der Frage, ob es sich um eine schwierige (1,3) oder eine extrem schwierige Tätigkeit (2,5) handelte.

Für den Senat steht außer Frage, dass es sich bei einem ordentlich betriebenen Mandat um den Erhalt einer Sonderbedarfszulassung um eine Tätigkeit von erheblicher Schwierigkeit handelt. Der vertretene Anwalt muss sich, wie geschehen, neben der Zulassungsverordnung für Ärzte und dem 5. Buch Sozialgesetzbuch unter anderem mit dem Bedarfsplanungsrecht und mit der tatsächlichen Planungsbereichssituation des Sitzplanungsbereiches und der umliegenden Planungsbereiche beschäftigen. Er muss sich, bei Ablehnung durch den Zulassungsausschuss, mit den Ermittlungsergebnissen auseinandersetzen und diese durch sachkundige Einwendungen und Ermittlungen im Detail erschüttern. Unerlässlich hierfür ist die Kenntnis der ergangenen Rechtsprechung unter anderem auch im Hinblick auf die Verifizierung von Bedarfsermittlungen durch Umfragen.

Der Senat sieht sich daher keineswegs veranlasst, von den diesbezüglichen Erwägungen in seinem Urteil vom 7. Juni 2000 (L 12 KA 516/99) abzurücken. Dort wurde zum Vertragsarztrecht im Allgemeinen ausgeführt, dass dieses mit seinem Geflecht der verschiedenen normhierarchischen Ebenen ein rechtlich schwieriges und entlegenes Gebiet sei. Mit diesen Überlegungen hatte der Senat den Ansatz der Höchstgebühr in Gestalt von 10/10-Gebühren begründet.

Wenngleich der Senat das Sonderbedarfszulassungsmandat nach wie vor als eine Tätigkeit von erheblicher Schwierigkeit ansieht, ist nicht zu übersehen, dass die Rechtsprechung zum früheren Kostenrecht ergangen war. Nach früherer Rechtslage erhielt der Rechtsanwalt für das (gesamte) Verwaltungsverfahren 5/10 bis 10/10 der vollen Gebühr (§ 118 BRAGO). Ein höherer Ansatz als eine 10/10 Gebühr, die nach der Diktion des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes einem 1,0 fachen Kostensatz entspricht, war nicht statthaft. Es fielen jedoch zumeist zwei Gebühren an.

Bei Vergleich des aktuellen mit dem früheren Gebührenrecht zeigt sich nach Auffassung des Senats, dass der Gesetzgeber des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes den Gebührenrahmen ggü. der alten Rechtslage nach oben, wie auch nach unten, weiter geöffnet hat. Die Öffnung nach oben erfolgte wohl, um ganz besonders schwierige, umfangreiche und/oder bedeutende Tätigkeiten besser als bisher vergüten zu können. Dies spricht dagegen, dass Tätigkeiten, die angesichts ihrer Schwierigkeit bisher einen 10/10-Ansatz (Höchstsatz) begründen konnten, nunmehr automatisch mit dem 2,5fachen Gebührenhöchstsatz zu bewerten wären. Angesichts des breiteren Gebührenrahmens erscheint insbesondere eine gerechtere Abstufung von Tätigkeiten mit hohem bzw. extrem hohen Schwierigkeitsgehalt erstmals möglich und geboten. Dies bedeutet, dass nicht alle Tätigkeiten, die aufgrund der Begrenztheit des früheren Gebührenrahmens mit dem höchstmöglichen Satz zu vergüten waren, nach neuem Recht den Höchstsatz rechtfertigen.

38Bezogen auf ein Sonderbedarfszulassungsverfahren sieht es der Senat als angemessen an, die Tätigkeit von erheblicher Schwierigkeit - anstelle mit zwei 10/10-Gebühren - mit einem 2,0fachen Gebührensatz zu honorieren. Es erscheint geboten, den verbleibenden Gebührenrahmen solchen Mandaten offen zu halten, die eine noch größere, extreme Schwierigkeit, einen extremen Umfang und/oder eine ganz überragende Bedeutung aufweisen (vgl. LSG Baden-Württemberg v. 13.12.2006, L 5 KA 1567/05, juris; SG Marburg v. 26. März 2008, S 12 KA 1429/05, juris). Dafür sprechen auch weitere Gründe. Denn die Geschäftsgebühr alten Rechts war auf die Gebühren für die Gerichtsvertretung anzurechnen, wenn der Rechtsanwalt auch in einem Gerichtsverfahren vertrat. Nach der Vorbemerkung Nr. 4 zu Teil 3 VV ist die Gebühr der Nr. 2400 VV zur Hälfte, jedoch höchstens mit einem Gebührensatz von 0,75 auf die Verfahrensgebühr anzurechnen. Schließt sich ein Gerichtsverfahren an, ging nach altem Recht im Ergebnis eine von zwei 10/10-Gebühren durch Anrechnung verloren. Bei einem 2,0fachen Gebührensatz verbleibt heute ein 1,25facher Satz. Bei Vertretung in beiden Zulassungsinstanzen fällt eine weitere Gebühr an (Nr. 2401 VV).

Nachdem der Rechtsanwalt der Klägerin eine Rahmengebühr von 5425 EUR bestimmt hatte, jedoch eine solche von 4.340 EUR angemessen erscheint, erweist sich die anwaltliche Festsetzung wegen Unbilligkeit als nicht verbindlich (§ 14 Abs. 1 Satz 4 RVG) und ist entsprechend zu korrigieren.

Durchzudringen vermag die Berufung jedoch mit den beiden weiteren Einwendungen. Der Rechtsanwalt der Klägerin ist berechtigt, die ausgewiesenen Fahrtkosten der Umsatzsteuer zu unterwerfen (Bundesdienstgericht Frankfurt v. 29. Januar 1987, MDR 1987, 467).

Auch enthält das angefochtene Urteil einen Rechenfehler.

Es ergibt sich folgende Berechnung:

2,0 Geschäftsgebühr Nr.2400 VV(= 2.170,00 EUR x 2,0)4.340,00 EURFahrtkosten 78,20 EURAbwesenheitsgeld 35,00 EURKopierkosten 10,50 EURTelepauschale 20,00 EURZwischensumme4.483,70 EUR16 % Mehrwertsteuer hieraus 717,39 EURWiderspruchsgebühr 50,00 EUR=5.251,09 EURIm Hinblick auf die Festsetzung des Beklagten in Höhe von 3.555,07 EUR war unter Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung auszusprechen, dass der Beklagte weitere 1.696,02 EUR leisten muss.

Ebenfalls unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils, in dem keine Entscheidung zu den Gerichtskosten erfolgt ist, war über die Kosten des Verfahrens vor dem Sozialgericht und des Berufungsverfahrens entsprechend der jeweiligen Quoten des Obsiegens und Unterliegens zu entscheiden ( § 197a SGG, § 155 Abs. 1 VwGO).

Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht erkennbar.(§ 160 Abs. 2 Nr. 1 u. 2 SGG).






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Az: L 12 KA 65/08


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